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BAG, Be­schluss vom 11.01.2011, 1 ABR 104/09

   
Schlagworte: Betriebsrat: Mitbestimmung
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 1 ABR 104/09
Typ: Beschluss
Entscheidungsdatum: 11.01.2011
   
Leitsätze: Beschließt die Einigungsstelle Regelungen über Art und Inhalt der Unterweisung nach § 12 ArbSchG, hat sie die Erkenntnisse einer Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG zu berücksichtigen und die konkrete arbeitsplatz- oder aufgabenbezogene Unterweisung daran auszurichten. Sie kann sich nicht darauf beschränken, allgemeine Bestimmungen über die Unterweisung zu Gefahren am Arbeitsplatz zu beschließen.
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Berlin, Beschluss vom 6.08.2008, 17 BV 8384/08
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19.02.2009, 1 TaBV 1871/08
   

BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT


1 ABR 104/09
1 TaBV 1871/08
Lan­des­ar­beits­ge­richt

Ber­lin-Bran­den­burg

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am

11. Ja­nu­ar 2011

BESCHLUSS

Klapp, Ur­kunds­be­am­ter

der Geschäfts­stel­le

In dem Be­schluss­ver­fah­ren mit den Be­tei­lig­ten

1.

Ar­beit­ge­be­rin, An­trag­stel­le­rin und Be­schwer­deführe­rin,

2.

Rechts­be­schwer­deführer,

3.

Be­tei­lig­ter zu 3),

- 2 - 


hat der Ers­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der Anhörung vom 11. Ja­nu­ar 2011 durch die Präsi­den­tin des Bun­des­ar­beits­ge­richts Schmidt, die Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Linck und Prof. Dr. Koch so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Dr. Münzer und Hay­en für Recht er­kannt:


Die Rechts­be­schwer­de des Be­triebs­rats ge­gen den Be­schluss des Lan­des­ar­beits­ge­richts Ber­lin-Bran­den­burg vom 19. Fe­bru­ar 2009 - 1 TaBV 1871/08 - wird zurück­ge­wie­sen.

Von Rechts we­gen!

Gründe

A. Die Be­tei­lig­ten strei­ten über die Wirk­sam­keit ei­nes Ei­ni­gungs­stel­len­spruchs zum Ar­beits­schutz.


Die Ar­beit­ge­be­rin ist ein Un­ter­neh­men mit bun­des­weit 44 Be­trie­ben, das Aufzüge, Fahr­trep­pen und an­de­re Trans­port­sys­te­me her­stellt, ver­treibt, ein­baut und war­tet. Der über­wie­gen­de Teil ih­rer Beschäftig­ten ar­bei­tet im Außen­dienst im Be­reich Ser­vice und Neu­bau­mon­ta­ge. Für den Be­trieb der Re­gi­on B ist der zu 2) be­tei­lig­te Be­triebs­rat er­rich­tet.


Nach­dem sich die Be­triebs­par­tei­en nicht über den Ab­schluss ei­ner Be­triebs­ver­ein­ba­rung zu Fra­gen des Ar­beits­schut­zes ei­ni­gen konn­ten, setz­te das Lan­des­ar­beits­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg durch Be­schluss vom 7. Ju­ni 2007 (- 18 TaBV 569/07 -) ei­ne Ei­ni­gungs­stel­le mit dem Re­ge­lungs­ge­gen­stand „Um­set­zung der An­for­de­run­gen des Ar­beits­schut­zes“ ein.


Ei­nen in ei­nem an­de­ren Ei­ni­gungs­stel­len­ver­fah­ren zur Re­ge­lung ar­beits­schutz­recht­li­cher Fra­gen er­gan­ge­nen Ei­ni­gungs­stel­len­spruch griff die Ar­beit­ge­be­rin mit dem An­trag an, fest­zu­stel­len, dass der Ge­samt­be­triebs­rat für die Ausübung des Mit­be­stim­mungs­rechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 Be­trVG ent­spre­chend dem Re­ge­lungs­ge­gen­stand der Ei­ni­gungs­stel­le zuständig sei.

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Die­ser An­trag wur­de vom Lan­des­ar­beits­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg durch Be­schluss vom 29. April 2008 (- 12 TaBV 134/08 -) rechts­kräftig ab­ge­wie­sen. Be­reits am 30. April 2008 fass­te die im Be­trieb des Be­tei­lig­ten zu 2) ge­bil­de­te Ei­ni­gungs­stel­le den streit­ge­genständ­li­chen Teil­spruch zur Un­ter­wei­sung der Beschäftig­ten über Si­cher­heit und Ge­sund­heits­schutz bei der Ar­beit.

Die Ar­beit­ge­be­rin hat gel­tend ge­macht, der Teil­spruch der Ei­ni­gungs­stel­le sei un­wirk­sam, weil für den Re­ge­lungs­ge­gen­stand der Ge­samt­be­triebs­rat zuständig ge­we­sen sei. Wei­ter­hin ha­be die Ei­ni­gungs­stel­le oh­ne vor­he­ri­ge Gefähr­dungs­be­ur­tei­lung kei­ne Re­ge­lun­gen zur Un­ter­wei­sung der Beschäftig­ten über den Ar­beits­schutz be­sch­ließen dürfen.

Die Ar­beit­ge­be­rin hat be­an­tragt 


fest­zu­stel­len, dass der Teil­spruch vom 30. April 2008, zu­ge­stellt am 7. Mai 2008, be­tref­fend die Re­ge­lun­gen der Un­ter­wei­sung nach § 12 Ar­bSchG so­wie die in die­sem Zu­sam­men­hang um­ge­setz­ten Re­ge­lun­gen aus den Rah­men­vor­schrif­ten der §§ 3 Abs. 2, 4 Ar­bSchG für den Be­trieb Re­gi­on B der An­trag­stel­le­rin un­wirk­sam ist.

Der Be­triebs­rat hat die Zurück­wei­sung des An­trags be­gehrt. 


Das Ar­beits­ge­richt hat den An­trag der Ar­beit­ge­be­rin zurück­ge­wie­sen. 


Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat den Be­schluss des Ar­beits­ge­richts ab­geändert und die Un­wirk­sam­keit des Teil­spruchs der Ei­ni­gungs­stel­le fest­ge­stellt. Mit sei­ner Rechts­be­schwer­de ver­folgt der Be­triebs­rat sei­nen Ab­wei­sungs­an­trag wei­ter. Der in den Vor­in­stan­zen be­tei­lig­te Ge­samt­be­triebs­rat hat sei­ne Rechts­be­schwer­de vor der Anhörung zurück­ge­nom­men. Das Ver­fah­ren ist in­so­weit ein­ge­stellt wor­den.

B. Die Rechts­be­schwer­de des Be­triebs­rats ist un­be­gründet. 


I. Der auf Fest­stel­lung der Un­wirk­sam­keit des Teil­spruchs der Ei­ni­gungs­stel­le ge­rich­te­te An­trag der Ar­beit­ge­be­rin ist zulässig.

1. An dem Ver­fah­ren wa­ren zu­letzt nur die Ar­beit­ge­be­rin als An­trag­stel­le­rin und der Be­triebs­rat des Be­triebs Re­gi­on B be­tei­ligt (§ 83 Abs. 3
 


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ArbGG), nach­dem der Ge­samt­be­triebs­rat sei­ne Rechts­be­schwer­de zurück­ge­nom­men hat. Es be­darf da­her kei­ner Ent­schei­dung, ob die­ser von den Vor­in­stan­zen zu Recht be­tei­ligt wor­den ist.


2. Der Fest­stel­lungs­an­trag ist zulässig. Ei­ne ge­richt­li­che Ent­schei­dung über die Wirk­sam­keit des Spruchs ei­ner Ei­ni­gungs­stel­le hat fest­stel­len­de und nicht rechts­ge­stal­ten­de Wir­kung. Des­halb ist die Fest­stel­lung der Un­wirk­sam­keit des Spruchs und nicht sei­ne Auf­he­bung zu be­an­tra­gen (BAG 23. März 2010 - 1 ABR 82/08 - Rn. 11, AP Be­trVG 1972 § 87 Lohn­ge­stal­tung Nr. 135 = EzA Be­trVG 2001 § 50 Nr. 7).


II. Der An­trag der Ar­beit­ge­be­rin ist be­gründet. Der Teil­spruch der Ei­ni­gungs­stel­le vom 30. April 2008 ist ins­ge­samt un­wirk­sam.

1. Die Rechts­un­wirk­sam­keit des Teil­spruchs der Ei­ni­gungs­stel­le folgt ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Ar­beit­ge­be­rin al­ler­dings nicht be­reits aus der feh­len­den Zuständig­keit des ört­li­chen Be­triebs­rats zur Wahr­neh­mung der Mit­be­stim­mungs­rech­te in Fra­gen der Un­ter­wei­sung der Ar­beit­neh­mer über Si­cher­heit und Ge­sund­heits­schutz bei der Ar­beit. Viel­mehr steht auf­grund der Ent­schei­dung des Lan­des­ar­beits­ge­richts Ber­lin-Bran­den­burg vom 29. April 2008 (- 12 TaBV 134/08 -) rechts­kräftig fest, dass hierfür die ört­li­chen Be­triebsräte zuständig sind. In je­nem Ver­fah­ren, in dem der Ge­samt­be­triebs­rat und al­le im Un­ter­neh­men ge­bil­de­ten Be­triebsräte be­tei­ligt wa­ren, hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt den An­trag der Ar­beit­ge­be­rin fest­zu­stel­len, dass der Ge­samt­be­triebs­rat nach § 50 Abs. 1 Be­trVG für die Ausübung des Mit­be­stim­mungs-rechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 Be­trVG ua. zu Re­ge­lun­gen der Un­ter­wei­sung nach § 12 Ar­bSchG zuständig sei, rechts­kräftig ab­ge­wie­sen. Da so­mit der Ge­samt­be­triebs­rat für den im An­trag auf­geführ­ten Re­ge­lungs­ge­gen­stand nicht zuständig ist, ver­bleibt es in­so­weit bei der Zuständig­keit der ört­li­chen Be­triebsräte, wes­halb auch die Ei­ni­gungs­stel­le auf ört­li­cher Ebe­ne zu bil­den war.


2. Der Teil­spruch vom 30. April 2008 ist un­wirk­sam, weil die Ei­ni­gungs­stel­le dar­in ih­rem Re­ge­lungs­auf­trag nicht vollständig nach­ge­kom­men ist.
 


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a) Der Be­triebs­rat hat nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 Be­trVG bei be­trieb­li­chen Re­ge­lun­gen über den Ge­sund­heits­schutz mit­zu­be­stim­men. Hier­zu gehört auch die durch § 12 Ar­bSchG dem Ar­beit­ge­ber auf­er­leg­te Ver­pflich­tung, die Beschäftig­ten über Si­cher­heit und Ge­sund­heits­schutz bei der Ar­beit zu un­ter-wei­sen (BAG 8. Ju­ni 2004 - 1 ABR 13/03 - zu B I 2 b cc der Gründe mwN, BA­GE 111, 36). Ei­ni­gen sich die Be­triebs­par­tei­en nicht über Art und In­halt der Un­ter­wei­sung, hat das die Ei­ni­gungs­stel­le zu re­geln. Hier­bei hat sie die Er­kennt­nis­se ei­ner Gefähr­dungs­be­ur­tei­lung (§ 5 Ar­bSchG) zu berück­sich­ti­gen und die kon­kre­te ar­beits­platz- oder auf­ga­ben­be­zo­ge­ne Un­ter­wei­sung dar­an aus­zu­rich­ten. Sie kann sich nicht dar­auf be­schränken, all­ge­mei­ne Be­stim­mun­gen über die Un­ter­wei­sung zu Ge­fah­ren am Ar­beits­platz auf­zu­stel­len.

aa) Das Er­for­der­nis der Durchführung ei­ner Gefähr­dungs­be­ur­tei­lung als Grund­la­ge der Re­ge­lung ei­ner Un­ter­wei­sung iSd. § 12 Ar­bSchG folgt schon aus dem Wort­laut die­ser Be­stim­mung. Nach § 12 Abs. 1 Satz 2 Ar­bSchG um­fasst die Un­ter­wei­sung An­wei­sun­gen und Erläute­run­gen, die ei­gens auf den Ar­beits­platz oder den Auf­ga­ben­be­reich der Beschäftig­ten aus­ge­rich­tet sind. Da­mit wird klar­ge­stellt, dass die Un­ter­wei­sung sich nicht in all­ge­mei­nen Fra­ge­stel­lun­gen des Ar­beits­schut­zes erschöpfen darf, son­dern ge­ra­de die kon­kre­ten Gefähr­dun­gen zum Ge­gen­stand ha­ben muss, wel­chen die Ar­beit­neh­mer an den je­wei­li­gen Ar­beitsplätzen im Ein­zel­nen aus­ge­setzt sind. Wer die­se Ge­fah­ren nicht kennt, kann über die­se auch nicht im Rah­men der Un­ter­wei­sung aufklären. Die Ei­ni­gungs­stel­le kann des­halb ih­ren Re­ge­lungs­auf­trag nur vollständig erfüllen, wenn sie die kon­kre­ten Ge­fah­ren am Ar­beits­platz in den Blick nimmt und hier­von aus­ge­hend kon­kre­te, ar­beits­platz­be­zo­ge­ne Be­stim­mun­gen be­sch­ließt (vgl. BAG 8. Ju­ni 2004 - 1 ABR 4/03 - zu B III 4 b bb der Gründe, BA­GE 111, 48).


bb) Die­ses Norm­verständ­nis wird durch die Ge­set­zes­ma­te­ria­li­en bestätigt. So wird in der Ge­set­zes­be­gründung zu § 5 Ar­bSchG (BT-Drucks. 13/3540 S. 16 f.) aus­drück­lich aus­geführt, dass sich erst auf­grund ei­ner Be­ur­tei­lung der Ar­beits­be­din­gun­gen er­ken­nen las­se, wel­che Schutz­maßnah­men er­for­der­lich sei­en. Da­zu gehöre, dass ei­ne Gefähr­dung als sol­che er­kannt und hin­sicht­lich

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ih­rer Schwe­re, dh. nach Art und Um­fang des mögli­chen Scha­dens be­wer­tet wer­de. Da­mit geht auch der Ge­setz­ge­ber da­von aus, dass die Gefähr­dungs­be­ur­tei­lung Grund­la­ge der Un­ter­wei­sung der Ar­beit­neh­mer nach § 12 Ar­bSchG ist und den­knot­wen­dig vor ei­ner sol­chen zu er­fol­gen hat.


cc) Erst ei­ne sol­che Rei­hen­fol­ge stellt die ef­fek­ti­ve Ver­wirk­li­chung des Re­ge­lungs­zwecks des Ar­beits­schutz­ge­set­zes si­cher. Die­ses dient nach § 1 Abs. 1 Ar­bSchG da­zu, Si­cher­heit und Ge­sund­heits­schutz der Beschäftig­ten bei der Ar­beit zu si­chern und zu ver­bes­sern. Die Gefähr­dungs­be­ur­tei­lung ist ihr zen­tra­les Ele­ment und not­wen­di­ge Vor­aus­set­zung für die be­trieb­li­che Um­set­zung der Ar­beits­schutz­pflich­ten des Ar­beit­ge­bers (Pie­per Ar­bSchR 4. Aufl. § 5 Ar­bSchG Rn. 1). Je ge­nau­er und wirk­lich­keitsnäher im Be­trieb die Gefähr­dun­gen er­mit­telt und be­ur­teilt wer­den, um­so ziel­si­che­rer können kon­kre­te Maßnah­men zur Ver­mei­dung von Ge­fah­ren ge­trof­fen wer­den (BAG 8. Ju­ni 2004 - 1 ABR 13/03 - zu B I 2 b bb (1) der Gründe, BA­GE 111, 36; 12. Au­gust 2008 - 9 AZR 1117/06 - Rn. 23, BA­GE 127, 205). Da­zu gehört auch die Un­ter­wei­sung nach § 12 Ar­bSchG, die da­zu dient, die Beschäftig­ten in die La­ge zu ver­set­zen, Gefähr­dun­gen und Ge­fah­ren recht­zei­tig zu er­ken­nen, Ar­beits­schutz­maßnah­men nach­zu­voll­zie­hen und sich an ih­rer Durchführung ak­tiv zu be­tei­li­gen so­wie sich si­cher­heits- und ge­sund­heits­ge­recht zu ver­hal­ten (Pie­per § 12 Ar­bSchG Rn. 1; MüArbR/Koh­te 3. Aufl. § 292 Rn. 30).


dd) Dem steht nicht ent­ge­gen, dass sich nach § 5 Abs. 3 Nr. 5 Ar­bSchG ei­ne Gefähr­dung auch aus ei­ner un­zu­rei­chen­den Un­ter­wei­sung der Beschäftig­ten er­ge­ben kann. Da­mit ist le­dig­lich klar­ge­stellt, dass bei späte­ren Gefähr­dungs­be­ur­tei­lun­gen auch Un­ter­wei­sun­gen ein­zu­be­zie­hen sind. Es wird je­doch nicht der Grund­satz in Fra­ge ge­stellt, dass ei­ne Ei­ni­gungs­stel­le ih­ren Auf­trag nur dann vollständig erfüllt, wenn sie die kon­kre­ten Ge­fah­ren an den Ar­beitsplätzen in den Blick nimmt und hier­auf auf­bau­end ar­beits­auf­ga­ben­be­zo­ge­ne Un­ter­wei­sun­gen be­sch­ließt.


b) Dar­an ge­mes­sen ist der Teil­spruch vom 30. April 2008 un­wirk­sam, weil die Ei­ni­gungs­stel­le ih­rem Re­ge­lungs­auf­trag nicht aus­rei­chend nach­ge­kom­men
 


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ist und man­gels vor­he­ri­ger Durchführung der Gefähr­dungs­be­ur­tei­lung auch nicht nach­kom­men konn­te.

aa) Der Teil­spruch re­gelt die auf­ga­ben­be­zo­ge­nen Un­ter­wei­sun­gen nur un­vollständig, in­dem er un­ter Nr. 3.4 be­stimmt, dass sich de­ren Dau­er nach den Be­son­der­hei­ten der Tätig­keit rich­tet und von den Be­triebs­par­tei­en noch ver­ein­bart wer­den muss. Zur um­fas­sen­den Erfüllung des Re­ge­lungs­auf­trags, „Um­set­zung der An­for­de­run­gen des Ar­beits­schut­zes“ hätte die Dau­er der Un­ter­wei­sung je­doch un­ter Berück­sich­ti­gung der Ge­fah­ren nach Art der je­wei­li­gen Tätig­keit oder der ein­zel­nen Ar­beitsplätze (§ 5 Abs. 2 Ar­bSchG) näher be­stimmt wer­den müssen. Da­zu hätte es ei­ner Gefähr­dungs­be­ur­tei­lung der ein­zel­nen Ar­bei­ten be­durft, weil nur auf die­ser Grund­la­ge ei­ne an den kon­kre­ten Ge­fah­ren aus­ge­rich­te­te auf­ga­ben­be­zo­ge­ne Un­ter­wei­sung möglich ist. Die un­ter Nr. 3.6 des Spruchs vor­ge­se­he­ne Eva­lu­ie­rung der Un­ter­wei­sung, die durch ei­ne re­gelmäßige Über­prüfung der Lern­zie­le und der Durchführung der Un­ter­wei­sun­gen er­fol­gen soll, setzt gleich­falls ei­ne an den kon­kre­ten Ge­fah­ren aus­ge­rich­te­te auf­ga­ben­be­zo­ge­ne Un­ter­wei­sung vor­aus. Oh­ne vor­he­ri­ge Gefähr­dungs­be­ur­tei­lung kann nicht be­ur­teilt wer­den, ob die er­folg­te Un­ter­wei­sung Si­cher­heit und Ge­sund­heits­schutz der Beschäftig­ten bei der Ar­beit ver­bes­sert hat. So­weit der Teil­spruch un­ter Nr. 3.8 vor­sieht, dass die Per­so­nen, wel­che die Un­ter­wei­sung durchführen, die Gefähr­dungs­be­ur­tei­lung und ih­re Be­deu­tung für Führungs­auf­ga­ben ken­nen müssen, stellt er we­gen der feh­len­den Gefähr­dungs­be­ur­tei­lung un­erfüll­ba­re An­for­de­run­gen an die Un­ter­wei­sen­den. Be­reits dies macht deut­lich, dass es sich bei dem durch den Spruch ge­re­gel­ten Kom­plex „Un­ter­wei­sung“ fak­tisch nicht um ei­nen ab­grenz­ba­ren Teil der ge­sam­ten strei­ti­gen Re­ge­lungs­ma­te­rie han­delt, son­dern um ei­ne Re­ge­lung „ins Blaue hin­ein“, die den dar­auf be­zo­ge­nen Kon­flikt der Be­triebs­par­tei­en kei­ner vollständi­gen Lösung zuführt und auch nicht zuführen kann.

bb) Die Teil­un­wirk­sam­keit der von der Ei­ni­gungs­stel­le be­schlos­se­nen Re­ge­lun­gen zur auf­ga­ben­be­zo­ge­nen Un­ter­wei­sung führt nach dem der Vor­schrift des § 139 BGB zu­grun­de lie­gen­den Rechts­ge­dan­ken zur Un­wirk­sam­keit des ge­sam­ten Ei­ni­gungs­stel­len­spruchs, da der ver­blei­ben­de Teil oh­ne die
 


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un­wirk­sa­men Be­stim­mun­gen kei­ne sinn­vol­le und in sich ge­schlos­se­ne Re­ge­lung enthält (vgl. da­zu BAG 8. Ju­ni 2004 - 1 ABR 4/03 - zu B III 4 b cc (1) der Gründe, BA­GE 111, 48). Auch wenn man da­von aus­geht, dass Be­stim­mun­gen zur Grund­un­ter­wei­sung oh­ne vor­an­ge­hen­de Gefähr­dungs­be­ur­tei­lung be­schlos­sen wer­den konn­ten, bleibt zu berück­sich­ti­gen, dass ei­ne Grund­un­ter­wei­sung oh­ne ei­ne zeit­na­he auf­ga­ben­be­zo­ge­ne Un­ter­wei­sung kei­nen Sinn macht. Bei­de For­men der Un­ter­wei­sung ste­hen nicht be­zie­hungs­los ne­ben-ein­an­der, sie bau­en viel­mehr auf­ein­an­der auf und ste­hen da­mit in ei­nem in­ne­ren Zu­sam­men­hang.

Schmidt 

Koch 

Linck

Münzer 

Hay­en

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