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BAG, Ur­teil vom 26.06.2001, 9 AZR 392/00

   
Schlagworte: Zeugnis
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 9 AZR 392/00
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 26.06.2001
   
Leitsätze: Lässt sich ein Arbeitgeber bei der Ausstellung des Zeugnisses durch einen Angestellten vertreten, ist im Arbeitszeugnis deutlich zu machen, dass dieser Vertreter dem Arbeitnehmer gegenüber weisungsbefugt war. Ist der Arbeitnehmer direkt der Geschäftsleitung unterstellt gewesen, so ist das Zeugnis von einem Mitglied der Geschäftsleitung auszustellen, das auf seine Position als Mitglied der Geschäftsleitung hinweisen muss (Bestätigung und Fortführung von BAG vom 16. 11. 1995 - 8 AZR 983/94 - EzA BGB § 630 Nr. 20; vom 21. 9. 1999 - 9 AZR 893/98 - AP Nr. 23 zu § 630 BGB = EzA BGB § 630 Nr. 22).
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Herford
Landesarbeitsgericht Hamm
   


BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT

9 AZR 392/00
4 Sa 775/99
Lan­des­ar­beits­ge­richt

Hamm

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am

26. Ju­ni 2001

UR­TEIL

Brüne,

Ur­kunds­be­am­tin

der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen

Kläger, Be­ru­fungskläger und Re­vi­si­onskläger,

pp.

Be­klag­te, Be­ru­fungs­be­klag­te und Re­vi­si­ons­be­klag­te,

hat der Neun­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf Grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 26. Ju­ni 2001 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Prof. Dr. Lei­ne­mann, den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Düwell, die Rich­te­rin am Bun­des­ar­beits­ge­richt Rei­ne­cke, die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Jun­ger­mann und Ben­rath für Recht er­kannt:


Auf die Re­vi­si­on des Klägers wird das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts Hamm vom 28. März 2000 - 4 Sa 775/99 - auf­ge­ho­ben.
 


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Auf die Be­ru­fung des Klägers wird das Teil­ur­teil des Ar­beits­ge­richts Her­ford vom 4. März 1999 - 1 Ca 905/98 - ab­geändert.


Die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, dem Kläger ein Ar­beits­zeug­nis zu er­tei­len, das mit dem Zeug­nis vom 30. Ju­ni 1998 übe­rein­stimmt. Das Zeug­nis muß von ei­nem Mit­glied der Geschäfts­lei­tung der Be­klag­ten in der Wei­se un­ter­zeich­net sein, daß die Zu­gehörig­keit des Un­ter­zeich­ners zur Geschäfts­lei­tung deut­lich wird.


Im übri­gen wer­den die Be­ru­fung und die Re­vi­si­on zurück­ge­wie­sen.

Die Kos­ten der Be­ru­fung und der Re­vi­si­on wer­den ge­gen­ein­an­der auf­ge­ho­ben.

Von Rechts we­gen!


Tat­be­stand

Der Kläger war seit Ju­li 1981 bei der Be­klag­ten, ei­nem Han­dels­un­ter­neh­men der Be­fes­ti­gungs- und Be­schlag­tech­nik, beschäftigt. Im Ver­lauf des Ar­beits­verhält­nis­ses wur­den ihm un­ter­schied­li­che Auf­ga­ben über­tra­gen, ua. war er für das Per­so­nal­we­sen zuständig. Auf Ver­an­las­sung der Be­klag­ten ver­ein­bar­ten die Par­tei­en im März 1998, das Ar­beits­verhält­nis zum 30. Ju­ni 1998 zu be­en­den. Der Kläger wur­de von wei­te­rer Ar­beits­leis­tung frei­ge­stellt; die ihm er­teil­te Pro­ku­ra wur­de mit Wir­kung zum 31. März 1998 wi­der­ru­fen. Nr. 6 des Auf­he­bungs­ver­trags lau­tet:

„Herr H... erhält das als An­la­ge zu die­ser Ver­ein­ba­rung beige-fügte Zwi­schen­zeug­nis. Die­ses wird ihm am 31.03.1998 Zug um Zug ge­gen Her­aus­ga­be der in Zif­fer 3 Abs. 2 ge­nann­ten Ge­genstände und Un­ter­la­gen und ge­gen Un­ter­zeich­nung der gewünsch­ten Erklärung über­ge­ben.

Am 30.06.1998 erhält Herr H... ein mit dem Zwi­schen­zeug­nis übe­rein­stim­men­des Zeug­nis als End­zeug­nis ge­faßt, des­sen Schlußfor­mel lau­ten wird: ...“


Der Auf­he­bungs­ver­trag wur­de für die Be­klag­te von ih­rem Ein­zel­pro­ku­ris­ten P. ver­han­delt und un­ter­zeich­net, der in dem von der Be­klag­ten in­ner­be­trieb­lich veröffent­lich­tem Or­ga­ni­gramm seit Ja­nu­ar 1998 Mit­glied der Geschäfts­lei­tung war. Die Be­klag­te
 


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händig­te dem Kläger das ver­ein­bar­te Zwi­schen­zeug­nis aus, in dem ua. erwähnt wird, er ha­be Ge­samt­pro­ku­ra ge­habt. Außer­dem be­schei­nig­te ihm die Be­klag­te:

„Er war der Geschäfts­lei­tung di­rekt un­ter­stellt“.


Das Zwi­schen­zeug­nis hat­te der Pro­ku­rist mit sei­nem Na­men, der Fir­ma der Be­klag­ten und dem Zu­satz „ppa.“ un­ter­schrie­ben. Das dem Kläger bei Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses aus­gehändig­te End­zeug­nis ist in glei­cher Wei­se un­ter­zeich­net.


Der Kläger macht gel­tend, die Be­klag­te ha­be sei­nen Zeug­nis­an­spruch nicht erfüllt, weil es nicht durch ei­nen der Geschäftsführer aus­ge­stellt sei. Die Un­ter­zeich­nung durch den ihm „gleich­ran­gi­gen“ Kol­le­gen genüge nicht.


Mit sei­ner im Au­gust 1998 er­ho­be­nen Kla­ge hat der Kläger, so­weit der Rechts­streit in die Re­vi­si­on ge­langt ist, zu­letzt be­an­tragt, das dem Kläger un­ter dem 30. Ju­ni 1998 er­teil­te Zeug­nis gleich­lau­tend von ei­nem Geschäftsführer der Be­klag­ten (mit-) un­ter­zeich­net zu er­tei­len.

Die Be­klag­te hat be­an­tragt, den Kläger mit der Kla­ge ab­zu­wei­sen.


Das Ar­beits­ge­richt hat die Kla­ge durch Teil­ur­teil ab­ge­wie­sen. Die Be­ru­fung des Klägers ist vor dem Lan­des­ar­beits­ge­richt oh­ne Er­folg ge­blie­ben. Hier­ge­gen wen­det sich der Kläger mit der vom Lan­des­ar­beits­ge­richt zu­ge­las­se­nen Re­vi­si­on. Die Be­klag­te hat in der Re­vi­si­on ua. vor­ge­tra­gen, al­lei­ni­ger Geschäftsführer der Be­klag­ten sei nun­mehr ihr frühe­rer Ein­zel­pro­ku­rist P. .


Ent­schei­dungs­gründe

Die Re­vi­si­on des Klägers ist teil­wei­se be­gründet. Sie führt zur Auf­he­bung des Ur­teils des Lan­des­ar­beits­ge­richts, weil die Be­klag­te den An­spruch des Klägers auf ein Ar­beits­zeug­nis bis­her nicht erfüllt hat. Al­ler­dings ver­langt der Kläger ver­geb­lich die (Mit-) Un­ter­zeich­nung durch ei­nen Geschäftsführer. Sein An­spruch wird auch erfüllt, wenn das Zeug­nis in ei­ner Wei­se un­ter­zeich­net wird, aus der sich die Zu­gehörig­keit des Aus­stel­lers zur Geschäfts­lei­tung der Be­klag­ten er­gibt.


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I. 1. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat sei­ne kla­ge­ab­wei­sen­de Ent­schei­dung im we­sent­li­chen da­mit be­gründet, ein Ein­zel­pro­ku­rist sei zur Ein­stel­lung und Ent­las­sung auch des Ge­samt­pro­ku­ris­ten be­fugt. Er ste­he da­her in der be­trieb­li­chen Hier­ar­chie über die­sem. Un­er­heb­lich sei, daß P. vor sei­ner Be­ru­fung in die Geschäfts­lei­tung eben­falls nur Ge­samt­pro­ku­ra ge­habt ha­be. Maßgeb­lich sei der Zeit­punkt der Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses.


2. Dem stimmt der Se­nat nicht zu.

a) Nach § 73 Satz 1 HGB (eben­so nach § 630 BGB und § 113 Ge­wO) hat der Ar­beit­ge­ber dem Ar­beit­neh­mer bei Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses ein Ar­beits­zeug­nis zu er­tei­len. Das Zeug­nis ist schrift­lich ab­zu­fas­sen; es be­darf da­her der Un­ter­zeich­nung. Ist das Zeug­nis we­gen feh­len­der oder man­gel­haf­ter Un­ter­zeich­nung nicht ord­nungs­gemäß, ist der Zeug­nis­an­spruch des Ar­beit­neh­mers nicht durch Erfüllung er­lo­schen (§ 362 Abs. 1 BGB). Der Ar­beit­neh­mer kann vom Ar­beit­ge­ber ver­lan­gen, daß die­ser das Zeug­nis er­neut er­stellt, mit ei­ner ord­nungs­gemäßen Un­ter­schrift ver­sieht und ihm aushändigt.


b) Die Un­ter­zeich­nung des Zeug­nis­ses durch den Ein­zel­pro­ku­ris­ten mit dem Zu­satz „ppa.“ ist kei­ne ord­nungs­gemäße Erfüllung des Zeug­nis­an­spruchs des Klägers.


aa) Das Ar­beits­zeug­nis dient dem Ar­beit­neh­mer ua. als Be­wer­bungs­un­ter­la­ge für künf­ti­ge Ar­beit­ge­ber. Die­ser Zweck wird auch erfüllt, wenn das Zeug­nis nicht vom bis­he­ri­gen Ar­beit­ge­ber selbst oder sei­nem ge­setz­li­chen Ver­tre­tungs­or­gan ge­fer­tigt und un­ter­zeich­net wird. Der Ar­beit­ge­ber kann ei­nen un­ter­neh­mens­an­gehöri­gen Ver­tre­ter als Erfüllungs­ge­hil­fen be­auf­tra­gen, das Zeug­nis in sei­nem Na­men zu er­stel­len. In ei­nem sol­chen Fall sind aber das Ver­tre­tungs­verhält­nis und die Funk­ti­on des Un­ter­zeich­ners an­zu­ge­ben, weil die Per­son und der Rang des Un­ter­zeich­nen­den Auf­schluß über die Wertschätzung des Ar­beit­neh­mers und die Kom­pe­tenz des Aus­stel­lers zur Be­ur­tei­lung des Ar­beit­neh­mers und da­mit über die Rich­tig­keit der im Zeug­nis ge­trof­fe­nen Aus­sa­gen gibt (BAG 21. Sep­tem­ber 1999 - 9 AZR 893/98 - AP BGB § 630 Nr. 23 = EzA BGB § 630 Nr. 22). Sei­nen Zweck als Be­wer­bungs­un­ter­la­ge erfüllt das Zeug­nis nur, wenn es von ei­nem „er­kenn­bar Ranghöhe­ren“ (BAG 16. No­vem­ber 1995 - 8 AZR 983/94 - EzA BGB § 630 Nr. 20) aus­ge­stellt ist. Mit an­de­ren Wor­ten: Der Ver­tre­ter des Ar­beit­ge­bers muß dem Ar­beit­neh­mer ge­genüber wei­sungs­be­fugt ge­we­sen sein. Der Drit­te, dem das Zeug­nis be­stim­mungs­gemäß vor­ge­legt wird, muß die­ses Merk­mal oh­ne wei­te­re Nach­for­schun­gen aus dem Zeug­nis ab­le­sen können. Es genügt mit­hin
 


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nicht, wenn das Ar­beits­zeug­nis ei­nes Ar­beit­neh­mers, der aus­weis­lich des Zeug­nis­tex­tes Ge­samt­pro­ku­rist war und der di­rekt der Geschäfts­lei­tung un­ter­stellt war, von ei­nem Mit­glied der Geschäfts­lei­tung aus­ge­stellt wird. Die­se Po­si­ti­on des Aus­stel­lers ist im Zeug­nis aus­drück­lich zu nen­nen.


Nach den Fest­stel­lun­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts enthält das dem Kläger er­teil­te Ar­beits­zeug­nis die­se not­wen­di­ge An­ga­be nicht, ob­gleich der Kläger als Ge­samt­pro­ku­rist, wie im Zeug­nis be­schei­nigt, „di­rekt der Geschäfts­lei­tung“ un­ter­stellt war.

bb) Der Zu­satz „ppa.“, den der Pro­ku­rist ne­ben der Fir­ma der Be­klag­ten sei­ner Un­ter­schrift bei­gefügt hat, macht sei­ne Zu­gehörig­keit zur Lei­tungs­ebe­ne nicht deut­lich, wie das Lan­des­ar­beits­ge­richt an­zu­neh­men scheint. Das er­gibt sich aus den han­dels­recht­li­chen Vor­schrif­ten über die Zeich­nung von Pro­ku­ris­ten. Pro­ku­ris­ten (§ 48 HGB) zeich­nen für das Un­ter­neh­men mit der Fir­ma, ih­rem ei­ge­nen Na­men und ei­nem Hin-weis auf die er­teil­te Pro­ku­ra (§ 51 HGB). Für Ge­samt­pro­ku­ris­ten (§ 48 Abs. 2 HGB) gel­ten kei­ne Be­son­der­hei­ten. Sie brau­chen zur wirk­sa­men Ver­tre­tung nach außen nicht gleich­zei­tig zu han­deln. Es genügt, wenn die Per­so­nen, an de­ren Mit­wir­kung der Ge­samt­pro­ku­rist ge­bun­den ist, in­tern ih­re Zu­stim­mung zu dem vom Ge­samt­pro­ku­ris­ten vor­ge­nom­me­nen Rechts­geschäft er­tei­len (vgl. Joost in Staub HGB 4. Aufl. § 48 Rn. 122; Baum­bach/Hopt HGB 30. Aufl. § 48 Rn. 5). Der Ge­samt­pro­ku­rist ist be­rech­tigt, in ei­nem sol­chen Fall oh­ne Hin­weis auf die Ge­samt­pro­ku­ra zu un­ter­zeich­nen; das Be­ste­hen ei­ner Ge­samt­pro­ku­ra wird nicht of­fen­ge­legt (Joost aaO § 51 Rn. 8).


II. Die Ent­schei­dung des Lan­des­ar­beits­ge­richts er­weist sich auch nicht aus an­de­ren Gründen als rich­tig (§ 563 ZPO).


1. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat an­ge­nom­men, der Kläger müsse sich ent­ge­gen­hal­ten las­sen, daß er das ihm aus­gehändig­te Zwi­schen­zeug­nis mit der Un­ter­schrift des Pro­ku­ris­ten wi­der­spruchs­los an­ge­nom­men ha­be. Ein Rechts­satz, ein Ar­beit­neh­mer müsse ein End­zeug­nis, das nicht den ge­setz­li­chen An­for­de­run­gen ent­spricht, des­halb ak­zep­tie­ren, weil er das in glei­cher Wei­se man­gel­haf­te Zwi­schen­zeug­nis nicht be­an­stan­det hat, be­steht in­des­sen nicht.


2. Ei­ne an­de­re recht­li­che Be­ur­tei­lung er­gibt sich nicht aus ei­ner ver­trag­li­chen Fest­le­gung der Un­ter­zeich­nung des Zeug­nis­ses durch den Pro­ku­ris­ten. Ob ei­ne sol­che Ver­ein­ba­rung rechts­wirk­sam ist, ist nicht zu ent­schei­den. Den Fest­stel­lun­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts (§ 561 Abs. 1 ZPO) ist nicht zu ent­neh­men, das zwi­schen den Par-



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tei­en im Auf­he­bungs­ver­trag ver­ein­bar­te und dem Ver­trag als An­la­ge bei­gefügte Zeug­nis ha­be be­reits die Un­ter­schrift des Pro­ku­ris­ten ge­tra­gen.

3. Auf die vom Lan­des­ar­beits­ge­richt fest­ge­stell­te Ver­hand­lung des Auf­he­bungs­ver­trags durch den Pro­ku­ris­ten (§ 561 Abs. 2 ZPO) und die hier­ge­gen vom Kläger er­ho­be­nen Ver­fah­rensrügen, der Ver­trag sei al­lein von den Pro­zeßbe­vollmäch­tig­ten aus­ge­han­delt, kommt es nicht an. Der Auf­he­bungs­ver­trag enthält al­lein die Be­din­gun­gen, die von den Par­tei­en zur Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses ver­ein­bart wur­den. An­ders als das Ar­beits­zeug­nis ist er kei­ne Be­wer­bungs­un­ter­la­ge, auf die der Ar­beit­neh­mer im künf­ti­gen Be­rufs­le­ben an­ge­wie­sen ist.

4. Eben­so­we­nig grei­fen die Erwägun­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts zu dem mit Wir­kung zum 31. März 1998 er­folg­ten Wi­der­ruf der Pro­ku­ra des Klägers. Es meint, der Be­klag­ten könne „nicht zum Nach­teil“ ge­ra­ten, daß sie die vor­zei­ti­ge Be­en­di­gung der Pro­ku­ra nicht in das Schlußzeug­nis auf­ge­nom­men ha­be. Hier­auf kommt es nicht an. Ein Zeug­nis muß die für das Ar­beits­verhält­nis ty­pi­schen Verhält­nis­se nach­zeich­nen. Mo­da­litäten, die - wie hier - von den Ar­beits­ver­trags­par­tei­en im Hin­blick auf die be­vor­ste­hen­de Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses ver­ein­bart wer­den, sind nicht zu erwähnen.


5. Der An­spruch des Klägers ist nicht nach § 15 des all­ge­mein­ver­bind­li­chen Man­tel­ta­rif­ver­trags für Ar­beit­neh­mer im Groß- und Außen­han­del NRW vom 9. Ju­li 1997 ver­fal­len (AVE vom 3. Fe­bru­ar 1998). Der Ta­rif­ver­trag ist nach sei­nem persönli­chen Gel­tungs­be­reich nicht auf den Kläger an­zu­wen­den. Nach § 1 Abs. 3 b cc MTV gilt der Ta­rif­ver­trag nicht für An­ge­stell­te nach § 5 Abs. 3 und Abs. 4 Be­trVG. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat an­ge­nom­men, der Kläger gehöre als un­mit­tel­bar der Geschäfts­lei­tung der Be­klag­ten un­ter­stell­ter Ge­samt­pro­ku­rist zu den lei­ten­den An­ge­stell­ten iSv. § 5 Abs. 3 Nr. 2 Be­trVG. Hier­zu hat es fest­ge­stellt, die er­teil­te Pro­ku­ra sei trotz ih­rer Be­schränkung auf die Haupt­nie­der­las­sung nicht un­be­deu­tend, weil der Kläger für we­sent­li­che Tei­le des Ein- und Ver­kaufs so­wie für das Per­so­nal­we­sen zuständig ge­we­sen ist (§ 561 ZPO). Die Be­klag­te wen­det hier­ge­gen nichts rechts­er­heb­li­ches ein.


6. Der An­spruch des Klägers ist ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Be­klag­ten nicht ver­wirkt. In der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts ist an­er­kannt, daß der An­spruch auf das Zeug­nis der Ver­wir­kung un­ter­liegt (BAG 17. Fe­bru­ar 1988 - 5 AZR 638/86 - BA­GE 57, 329). Das wird an­ge­nom­men, wenn der Ar­beit­neh­mer sein Recht länge­re Zeit nicht aus­geübt und da­durch bei dem Ar­beit­ge­ber die Über­zeu­gung her-

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vor­ge­ru­fen hat, der Gläubi­ger wer­de sein Recht nicht mehr gel­tend ma­chen. Der Ar­beit­ge­ber als Schuld­ner des Zeug­nis­ses muß sich hier­auf ein­ge­rich­tet ha­ben, und schließlich muß ihm die Erfüllung des Zeug­nis­an­spruchs nach Treu und Glau­ben un­ter Berück­sich­ti­gung al­ler Umstände des Fal­les nicht mehr zu­mut­bar sein.


Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat den An­spruch des Klägers zu Recht nicht als ver­wirkt be­ur­teilt. We­der Zeit - noch Um­stands­mo­ment - sind ge­ge­ben. Die Kla­ge ist der Be­klag­ten be­reits im Au­gust 1998 und da­mit vor Ab­lauf von zwei Mo­na­ten nach Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses zu­ge­stellt wor­den. Die Be­klag­te hat kei­nen Grund vor­ge­tra­gen, wes­halb es ihr un­zu­mut­bar sein soll, das Zeug­nis durch ei­nen Geschäftsführer (mit-) un­ter­zeich­nen zu las­sen. Für ei­ne Ergänzung des Zeug­nis­ses durch ei­nen klar­stel­len­den Hin­weis des Pro­ku­ris­ten auf sei­ne Mit­glied­schaft in der Geschäfts­lei­tung gilt nichts an­de­res.

7. Sch­ließlich ist un­er­heb­lich, daß nach dem Vor­brin­gen der Be­klag­ten in der Re­vi­si­on die bis­he­ri­gen Geschäftsführer der Kom­ple­mentärin zwi­schen­zeit­lich aus der Geschäfts­lei­tung aus­ge­schie­den sind und nun­mehr P. als Al­lein­geschäftsführer „die Geschäfts­lei­tung“ bil­det. Aus ih­rer Ver­pflich­tung, das Zeug­nis er­neut un­ter dem Da­tum 30. Ju­ni 1998 aus­zu­stel­len (BAG 9. Sep­tem­ber 1992 - 5 AZR 509/91 - AP BGB § 630 Nr. 19 = EzA BGB § 630 Nr. 15) folgt not­wen­dig die Ver­pflich­tung, die zu die­sem Zeit-punkt be­ste­hen­den Ver­tre­tungs­verhält­nis­se auf­zu­neh­men.


III. Gleich­wohl kann der Kläger nicht die (Mit-) Un­ter­zeich­nung des Zeug­nis­ses durch ei­nen der Geschäftsführer der Kom­ple­mentärge­sell­schaf­te­rin be­an­spru­chen.

Der Kläger weist zunächst zu­tref­fend auf die Ent­schei­dung des Ach­ten Se­nats des Bun­des­ar­beits­ge­richts vom 16. No­vem­ber 1995 (- 8 AZR 983/94 - EzA BGB § 630 Nr. 20) hin. Aus ihr läßt sich in­des­sen ent­ge­gen der Re­vi­si­on kein An­spruch auf (Mit-) Un­ter­zeich­nung durch ei­nen Geschäftsführer der Be­klag­ten her­lei­ten. Der Ach­te Se­nat hat dort an­ge­nom­men, das Ar­beits­zeug­nis ei­nes un­mit­tel­bar der Geschäftsführung un­ter­stell­ten Pro­ku­ris­ten sei zu­min­dest auch von ei­nem ver­tre­tungs­be­rech­tig­ten Geschäftsführer zu un­ter­schrei­ben. Die­se Aus­sa­ge ist aber fall­be­zo­gen. Sie be­schränkt sich auf den dor­ti­gen Streit­fall, in dem sich die Geschäftsführung aus­sch­ließlich aus ge­setz­li­chen Ver­tre­tern des Ar­beit­ge­bers zu­sam­men­setz­te. Der Kläger war da­ge­gen aus­weis­lich des ihm er­teil­ten Zeug­nis­ses nicht „der Geschäftsführung“ son­dern „der Geschäfts­lei­tung“ un­ter­stellt. Mit­glied der Geschäfts­lei­tung der Be­klag­ten wa­ren je­den-falls seit Ja­nu­ar 1998 und da­mit noch vor der Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses ne­ben den Geschäftsführern auch der Ein­zel­pro­ku­rist P. . Er war mit­hin in der For­mu-
 


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lie­rung des Ach­ten Se­nats „ranghöher“ als der Kläger, ihm al­so vor­ge­setzt und wei­sungs­be­fugt. Da­mit war die Be­klag­te grundsätz­lich auch im Verhält­nis zum Kläger be­fugt, das Ar­beits­zeug­nis durch P. al­lein aus­stel­len zu las­sen.


IV. Die Kos­ten­ent­schei­dung be­ruht auf § 92 ZPO.

 

Düwell 

Rei­ne­cke

Ver­merk: Der Vor­sit­zen­de Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Lei­ne­mann ist we­gen Ur­laub an der Un­ter­schrift ver­hin­dert. Düwell

Jun­ger­mann 

Ben­rath

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