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ARBEITSRECHT
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ENTSCHEIDUNGSREPORT FÜR DIE BETRIEBLICHE PRAXIS 21|2020

Update Arbeitsrecht 21|2020 vom 14.10.2020

Leitsatzreport

LAG Mecklenburg-Vorpommern: Anhörung des Betriebsrats bei Kündigung in der Wartezeit

Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 11.08.2020, 5 Sa 66/20

§ 1 Abs.1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG); § 102 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG)

Leitsätze des Gerichts:

1. Hinsichtlich der Anforderungen, die an die Information des Betriebsrats durch den Arbeitgeber bei Wartezeitkündigungen zu stellen sind, ist zwischen Kündigungen, die auf substantiierbare Tatsachen gestützt werden, und Kündigungen, die auf personenbezogenen Werturteilen beruhen, die sich in vielen Fällen durch Tatsachen nicht näher belegen lassen, zu differenzieren. In der ersten Konstellation genügt die Anhörung den Anforderungen des § 102 BetrVG nur, wenn dem Betriebsrat die zugrundeliegenden Tatsachen bzw. Ausgangsgrundlagen mitgeteilt werden. In der zweiten Konstellation reicht die Mitteilung allein des Werturteils für eine ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung aus. Der Arbeitgeber ist in diesem Fall nicht verpflichtet, im Rahmen des Anhörungsverfahrens nach § 102 BetrVG sein Werturteil gegenüber der Arbeitnehmervertretung zu substantiieren oder zu begründen.

2. Begründet der Arbeitgeber eine Kündigung in der Wartezeit gegenüber dem Betriebsrat mit dem Werturteil: "… genügt nach unserer allgemeinen, subjektiven Einschätzung leider nicht unseren Anforderungen", steht es dieser Gesamteinschätzung nicht entgegen, wenn der Arbeitgeber im Arbeitszeugnis die Leistungen und das Verhalten des Arbeitnehmers positiv darstellt.

Hintergrund:

Eine Kindertagesstätte und eine Erzieherin schlossen zum 01.06.2019 einen Arbeitsvertrag mit einer Probezeit von sechs Monaten, während der das Arbeitsverhältnis mit zweiwöchiger Frist zum 15. oder zum Monatsende kündbar sein sollte. Bereits nach gut sechs Wochen wollte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis wieder auflösen, und hörte den Betriebsrat gemäß § 102 Abs.1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) zu der geplanten Kündigung an. Im Anhörungsschreiben wurde die Kündigungsabsicht so begründet: „Der Arbeitnehmer genügt nach unserer allgemeinen, subjektiven Einschätzung leider nicht unseren Anforderungen.“ Die Kindertagesstätte kündigte mit Schreiben vom 30.08.2019 ordentlich zum 15.09.2019, woraufhin die Erzieherin Kündigungsschutzklage erhob. Die Kindertagesstätte kündigte - nach erneuter vorheriger Anhörung des Betriebsrats - vorsorglich nochmals, mit Schreiben vom 10.10.2019 zum 31.10.2019. In diesem Anhörungsschreiben wurde der Kündigungsentschluss mit denselben Erwägungen wie im ersten Anhörungsschreiben begründet. Die Klägerin argumentierte vor Gericht, dass beide Kündigungen unwirksam seien, da der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört worden sei. Der Arbeitgeber hätte dem Betriebsrat seine Kündigungsgründe genauer mitteilen müssen. Außerdem sah die Erzieherin einen Widerspruch zwischen der negativen Aussage im Anhörungsschreiben und den positiven Bewertungen ihrer Leistungen in dem vom Arbeitgeber erteilten Zeugnis. Das Arbeitsgericht Rostock (Urteil vom 30.01.2020, 1 Ca 1073/19) und das Landesarbeitsgericht (LAG) Mecklenburg-Vorpommern als Berufungsgericht entschieden zugunsten des Arbeitgebers. Die knappe Wiedergabe des subjektiven (negativen) Werturteils im Anhörungsschreiben war ausreichend, so das LAG unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, da die Erzieherin in den ersten sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses, der Wartezeit gemäß § 1 Abs.1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG), noch keinen Kündigungsschutz in Anspruch nehmen konnte. Daher brauchte der Arbeitgeber nach dem KSchG keine objektivierbaren, auf Tatsachen beruhenden Kündigungsgründe, und demzufolge genügte auch bei der Betriebsratsanhörung die kurze Mitteilung eines negativen Werturteils.

Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 11.08.2020, 5 Sa 66/20

 

Handbuch Arbeitsrecht: Kündigungsschutz

Handbuch Arbeitsrecht: Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten

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