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ARBEITSRECHT
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ENTSCHEIDUNGSREPORT FÜR DIE BETRIEBLICHE PRAXIS 09|2024

Update Arbeitsrecht 09|2024 vom 30.09.2024

Leitsatzreport

LAG Mecklenburg-Vorpommern: Benachteiligung von schwerbehinderten Bewerbern durch Anbieten nur eines Vorstellungstermins

Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 29.07.2025, 5 SLa 44/24

§§ 1, 3, 7, 15, 22 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG); §§ 164 Abs.1 Satz 4; 165 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX); § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

Leitsätze des Gerichts:

Der Verstoß eines öffentlichen Arbeitgebers gegen seine Pflicht aus § 165 Satz 3 SGB IX, schwerbehinderte Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, begründet im Sinne von § 22 AGG die Vermutung einer Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung, soweit dem Arbeitgeber die Schwerbehinderung des Bewerbers bekannt war oder er diese kennen musste.

Die Pflicht des öffentlichen Arbeitgebers zur Einladung zu einem Vorstellungsgespräch ist nicht mit dem Anbieten eines einzigen Vorstellungstermins erfüllt, wenn der schwerbehinderte Bewerber seine Verhinderung vor der Durchführung des Termins unter Angabe eines hinreichend gewichtigen Grundes mitteilt und dem Arbeitgeber bei Vornahme einer Gesamtschau das Anbieten eines Ersatztermins in zeitlicher und organisatorischer Hinsicht zumutbar ist.

Hintergrund:

Ein in Süddeutschland lebender Rechtsanwalt, der in den vergangenen Jahren mit einer Vielzahl von Entschädigungsklagen wegen behaupteter Diskriminierungen in Erscheinung getreten ist, hatte sich im Dezember 2022 bei einer Stadt auf eine von dieser ausgeschriebene Abteilungsleiterstelle beworben und im Bewerbungsschreiben auf seine Behinderung mit einem Grad der Behinderung von 50 hingewiesen. Die Stadt lud ihn zu einem Vorstellungsgespräch am 06.02.2023 ein, woraufhin der Bewerber um einen anderen Termin bat, da er vom 01.02.2023 bis zum 16.02.2023 im Urlaub sei. Zu einem anderen Vorstellungstermin war die Stadt nicht bereit und erteilte dem Bewerber später eine Absage. Der Bewerber erhob Klage auf Diskriminierungsentschädigung, die er u.a. damit begründete, dass die Stadt als öffentlicher Arbeitgeber gegen ihre Pflicht zur Einladung schwerbehinderter Bewerber zum Vorstellungsgespräch verstoßen habe, d.h. gegen § 165 Satz 3 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX). Das Arbeitsgericht Rostock verurteilte die Stadt gemäß §§ 15, 22 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) zur Zahlung in Höhe von zwei Gehältern (Urteil vom 29.11.2023, 2 Ca 841/23). Die Berufung der Stadt hatte vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Mecklenburg-Vorpommern keinen Erfolg. Denn die Stadt hätte dem Kläger gemäß § 165 Satz 3 SGB IX einen weiteren Termin anbieten müssen. Weiterhin hatte sie die Schwerbehindertenvertretung nicht unmittelbar nach Eingang der Bewerbung des Klägers hierüber unterrichtet, was gegen § 164 Abs. 1 Satz 4 SGB IX verstieß. Schließlich hatte die Stadt keinen betreuten Vermittlungsauftrag bei der Bundesagentur für Arbeit eingereicht, was mit § 164 Abs.1 Satz 2 SGB IX nicht zu vereinbaren ist. Anhaltspunkte für ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen des Klägers konnte das LAG nicht erkennen. Daher war der Anspruch nicht gemäß § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ausgeschlossen.

Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 29.07.2025, 5 SLa 44/24

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