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ARBEITSRECHT
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ENTSCHEIDUNGSREPORT FÜR DIE BETRIEBLICHE PRAXIS 08|2025

Update Arbeitsrecht 08|2025 vom 31.08.2025

Entscheidungsbesprechungen

LAG Köln: Beschreibung von Krankheitsbeschwerden bei Streit über Entgeltfortzahlung

Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 03.06.2025, 7 SLa 54/25

Fehlende Arbeitsmotivation und Rückgabe von Arbeitsmaterialien können Zweifel an der ärztlichen Bescheinigung einer Arbeitsunfähigkeit erwecken, wenn diese zeitlich „passgenau“ verhindert, dass unbeliebte Arbeiten erledigt werden müssen.

§§ 3 Abs.1 Satz 1; 5 Abs.1, 2; 7 Abs.1 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG)

Rechtlicher Hintergrund

Im Allgemeinen genügt es für den Nachweis einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit (AU), dass Arbeitnehmer eine ärztliche Krankschreibung bzw. AU-Bescheinigung vorweisen können, wie sich aus § 5 Abs.1 Satz 2 und Abs.2a Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) ergibt.

Bei Vorliegen einer ärztlichen AU-Bescheinigung haben Arbeitgeber gemäß § 7 Abs.1 Nr.1 EFZG kein Recht zur Leistungsverweigerung mehr. Sie sind zur Entgeltfortzahlung verpflichtet, wegen derselben Erkrankung bis zur Dauer von sechs Wochen (§ 3 Abs.1 Satz 1 EFZG).

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) kann der sog. Beweiswert einer ärztlichen AU-Bescheinigung allerdings im Einzelfall erschüttert sein. Dies sind Fälle, in denen sich aus dem Verhalten des Arbeitnehmers und/oder aus den Umständen der Krankmeldung der Verdacht ergibt, dass eine AU tatsächlich nicht vorgelegen hat.

So hat das BAG z.B. im Januar 2025 entschieden, dass der Beweiswert einer im Ausland ausgestellten 24-tägigen Krankschreibung mit verordneter Ruhe erschüttert sein kann, wenn der Arbeitnehmer bereits am Tag nach der Untersuchung ein Fährticket für eine lange und beschwerliche Reise bucht (BAG, Urteil vom 15.01.2025, 5 AZR 284/24; s. dazu Update Arbeitsrecht 01|2025).

Klagt ein Arbeitnehmer auf Entgeltfortzahlung und ist der Beweiswert der von ihm vorgelegten ärztlichen AU-Bescheinigung erschüttert, muss er seine krankheitsbedingten Beschwerden zumindest laienhaft beschreiben und zum Beweis die ihn behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht entbinden.

Arbeitnehmer, die sich in einer solchen prozessualen Lage allein auf die bei Gericht eingereichten Krankschreibungen stützen, riskieren es, den Prozess zu verlieren.

Dies hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln in einer aktuellen Entscheidung bestätigt: LAG Köln, Urteil vom 03.06.2025, 7 SLa 54/25.

Sachverhalt

Ein bei einem Busunternehmen angestellter Busfahrer, dessen Arbeitsverhältnis auf zwei Jahre von September 2022 bis August 2024 befristet war, war von Mitte März bis Anfang April 2023 für 18 Kalendertage krankgeschrieben und dann noch einmal für neun Kalendertage im August 2023. 

Eine weitere zwölftätige Krankschreibung folgte vom 27.09.2023 bis zum 08.10.2023 (Sonntag).

In der darauffolgenden Woche vom 09.10.2023 bis zum 13.10.2023 war er zwar wieder arbeitsfähig und nahm an einer Einweisung in neue Liniendienste seines Arbeitgebers teil, war aber unstreitig von den neuen Arbeitsaufgaben bzw. Liniendiensten „nicht begeistert“.

Am 16.10.2023 (Montag) gab er seine Ausrüstung an den Arbeitgeber zurück und reichte eine weitere Krankschreibung - als Erstbescheinigung - für die Zeit vom 16.10.2023 bis zum 22.10.2023 (Sonntag) ein.

Da der Arbeitgeber keine Entgeltfortzahlung für Oktober und November 2023 leistete, erhob der Busfahrer Klage vor dem Arbeitsgericht Aachen. Das verurteilte den Arbeitgeber zur Entgeltfortzahlung für die Zeit vom 02.10.2025 bis zum 08.10.2023 und wies die Klage im Übrigen ab (Urteil vom 17.12.2024, 2 Ca 3350/23).

Denn ab dem 16.10.2023 war der Kläger, so das Arbeitsgericht, nicht mehr leistungswillig gewesen, was durch die Rückgabe der Ausrüstung deutlich geworden sei.

Dagegen legte der Busfahrer Berufung ein. Er behauptete, dass er die Ausrüstung nur deshalb zurückgegeben habe, da er dazu von der Geschäftsleitung aufgefordert worden sei (was der Arbeitgeber allerdings bestritt).

Entscheidung des LAG Köln

Das LAG Köln wies die Berufung zurück. Denn, so das LAG:

Sollte der Busfahrer (entsprechend der Version des Arbeitgebers) zur Rückgabe der Ausrüstung nicht aufgefordert worden sein, hätte er durch die Rückgabe seinen fehlenden Leistungswillen gezeigt. Dann wäre eine AU nicht die alleinige Ursache für den Arbeitsausfall, so dass ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung nicht gegeben wäre.

Aber auch wenn der Busfahrer (entsprechend seiner Version) vom Arbeitgeber zur Rückgabe der Ausrüstung aufgefordert worden sein sollte, hätte er dies nach seinem eigenen Vortrag deshalb getan, weil ihm angeblich der Ausspruch einer Kündigung in Aussicht gestellt worden war (die es dann aber nicht gab).

Daher musste der Busfahrer nach seinem eigenen Vortrag davon ausgehen, dass er am 16.10.2023 eine Kündigung erhalten würde. Schon dieses Zusammenfallen des Beginns der AU mit der Rückgabe der Ausrüstung in der Erwartung einer Kündigung erschütterte den Beweiswert der AU-Bescheinigung, so das LAG. 

Erschwerend kam hinzu, dass der Kläger tatsächlich bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses Ende August 2024 krankgeschrieben war. 

Schließlich wurde der Beweiswert der AU-Bescheinigung im Streitfall auch dadurch erschüttert, dass die AU genau zu dem Zeitpunkt begonnen hatte, zu dem der Busfahrer die neuen Linienfahrten übernehmen sollte, von denen er unstreitig „nicht begeistert“ war.

Aufgrund der Erschütterung des Beweiswertes der AU-Bescheinigung für die Zeit vom 16.10.2023 bis zum 22.10.2023 hätte der Busfahrer nicht nur abstrakt auf die diagnostizierten Erkrankungen verweisen dürfen, sondern er hätte Angaben zu seinen Beschwerden machen müssen. 

Außerdem hätte er sagen müssen, welche ärztlich empfohlenen Verhaltensmaßregeln er befolgte, welche Medikamente vorordnet wurden und welche Folgen dies auf seine AU hatte.

Da der Kläger vor Gericht dazu keine Angaben machte, war trotz der ärztlichen AU-Bescheinigung davon auszugehen, dass im Streitzeitraum keine AU vorgelegen hatte.

Im Übrigen stützt das LAG sein Urteil auch darauf, dass der Arbeitgeber sich darauf berufen hatte, dass die streitige AU vom 16.10.2023 bis zum 22.10.2023 eine Fortsetzungserkrankung im Sinne von § 3 Abs.1 Satz 2 EFZG war, d.h. dass diese AU auf derselben Krankheit beruhte, wie die vorherigen Krankschreibungen im März/April 2023 und im August 2023. Dann hätte eine Pflicht zur Entgeltfortzahlung aus diesem Grund am 18.10.2023 geendet.

Auch aufgrund dieses Arbeitgebereinwandes (Fortsetzungserkrankung) hätte der Busfahrer konkret sagen müssen, unter welchen Beschwerden er gelitten hatte. Da er das nicht gemacht hatte, war auch der Einwand des Arbeitgebers, dass eine Fortsetzungserkrankung vorlag, erfolgreich.

Praxishinweis

Das Urteil des LAG Köln ist korrekt.

Wer seine geringe Bereitschaft, neue Aufgaben zu übernehmen, offen kommuniziert, und wer sodann genau zu Beginn der neuen Aufgabenzuteilung seine Arbeitsmaterialien zurückgibt, erweckt dadurch Zweifel an einer AU-Bescheinigung, die „passgenau“ verhindert, dass diese ungeliebten neuen Aufgaben erfüllt werden müssen.

Das LAG-Urteil bestätigt außerdem, dass Arbeitgeber gut beraten sind, sich in Prozessen über streitige Ansprüche auf Entgeltfortzahlung für häufige Kurzerkrankungen auf das Vorliegen einer Fortsetzungserkrankung zu berufen. Auch dadurch steigt die Darlegungslast des Arbeitnehmers.

Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 03.06.2025, 7 SLa 54/25

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15.01.2025, 5 AZR 284/24

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