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ARBEITSRECHT
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ENTSCHEIDUNGSREPORT FÜR DIE BETRIEBLICHE PRAXIS 13|2022

Update Arbeitsrecht 13|2022 vom 29.06.2022

Leitsatzreport

LAG Baden-Württemberg: Anspruch des Betriebsrats auf Mitteilung von Anzahl und Namen schwerbehinderter Arbeitnehmer

Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 20 05.2022, 12 TaBV 4/21

§§ 79a, 80 Abs.2 Satz 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG); §§ 2, 163 Abs.1, 176, 177 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX); § 1 Abs.2 S. 1 Wahlordnung Schwerbehindertenvertretungen (SchwbVWO)


Leitsätze des Gerichts:

1. Der nach § 80 Abs.2 S.1 BetrVG erforderliche Aufgabenbezug des Auskunftsbegehrens des Betriebsrates bezogen auf die Anzahl und Namen der im Betrieb beschäftigten schwerbehinderten/diesen gleichgestellten Menschen kann sich aus der geplanten Einberufung einer Wahlversammlung durch den Betriebsrat zur Wahl eines Wahlvorstandes im Vorfeld der geplanten Wahl einer Schwerbehindertenvertretung ergeben (vgl. auch §§ 176, 177 SGB IX, § 1 Abs. 2 S. 1 SchbVWO)

2. Der erforderliche Aufgabenbezug kann sich ferner auch aus § 80 Abs.1 Nr.4 BetrVG, § 176 SGB IX aufgrund der gesetzlich statuierten Überwachungs- und aktiven Förderungspflicht schwerbehinderter Menschen vorgelagert zur Ermittlung des Bedürfnisses/der Reichweite von Unterstützungsmaßnahmen ergeben. Es ist hierbei nicht erforderlich, dass der Betriebsrat konkret eine bestimmte spezifische bereits geplante Maßnahme darlegt.

3. Der Betriebsrat hat bei einem Auskunftsbegehren nach § 80 Abs.2 S.1 BetrVG, soweit sich dieses auf sensitive Daten im Sinne des Artikel 9 Abs.1 DSGVO bezieht, die ausreichende Gewährleistung angemessener und spezifischer Schutzmaßnahmen darzulegen, wobei dabei ein ausreichendes Schutzkonzept darzulegen ist und die entsprechenden Einzelmaßnahmen einem Spielraum des Betriebsrates unterliegen. Im Übrigen ergibt sich allgemein auch aus § 79a BetrVG eine Verantwortlichkeit des Betriebsrates für die Einhaltung der Vorschriften über den Datenschutz.

Hintergrund:

Ein Betriebsrat verlangte vom Arbeitgeber im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren, ihm Auskunft über die Anzahl und Namen der im Betrieb beschäftigten schwerbehinderten und gleichgestellten Menschen im Sinne des § 2 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) zu erteilen. Das Arbeitsgericht Karlsruhe gab dem Antrag statt (Beschluss vom 22.07.2021, 8 BV 8/20). Auch das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg gab dem Betriebsrat Recht, und zwar unter Berufung auf § 80 Abs.2 Satz 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Nach dieser allgemeinen Regelung muss der Arbeitgeber den Betriebsrat zur Durchführung seiner gesetzlichen Aufgaben rechtzeitig und umfassend unterrichten. Im Streitfall reichte es nach Ansicht des LAG aus, dass Betriebsräte gemäß § 176 Satz 1 SGB IX verpflichtet sind, die Eingliederung schwerbehinderter Menschen zu fördern. Außerdem plante der Betriebsrat, eine Wahl zur (bislang nicht vorhandenen) Schwerbehindertenvertretung (SBV) gemäß § 177 SGB IX in die Wege zu leiten. Gibt es keine SBV, wird der Wahlvorstand von einer Versammlung der Schwerbehinderten und Gleichgestellten gewählt, und zu dieser Versammlung wiederum kann der Betriebsrat einladen, § 1 Abs.2 Wahlordnung Schwerbehindertenvertretungen (SchwbVWO). Dazu muss er aber die Namen der im Betrieb tätigen schwerbehinderten und gleichgestellten Beschäftigten wissen. Das LAG hat die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht (BAG) zugelassen.

Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 20 05.2022, 12 TaBV 4/21

 

Handbuch Arbeitsrecht: Betriebsrat

Handbuch Arbeitsrecht: Schwerbehinderung, schwerbehinderter Mensch

Handbuch Arbeitsrecht: Schwerbehindertenvertretung

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