Update Arbeitsrecht 08|2025 vom 31.08.2025
Leitsatzreport
Hessisches LAG: Zugang eines Kündigungsschreibens unter Anwesenden
Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 30.05.2025, 10 GLa 337/25
§§ 130, 612a, 623 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB); §§ 4, 7, 23 Kündigungsschutzgesetz (KSchG)
Leitsätze des Gerichts:
1. Eine schriftliche Kündigung geht einem Arbeitnehmer zu, wenn sie vor ihm auf den Tisch gelegt wird, sodass er in das Dokument Einsicht nehmen und hierüber verfügen kann. Auf die tatsächliche Kenntnisnahme kommt es nicht an.
2. Eine allgemeine Feststellungsklage wahrt grundsätzlich nicht die Dreiwochenfrist des § 4 KSchG.
3. Besteht Streit darüber, ob bei einer Kündigung das Schriftformgebot nach § 623 BGB gewahrt ist, ist richtigerweise eine punktuelle Kündigungsschutzklage nach § 4 KSchG zu erheben und nicht bloß eine allgemeine Feststellungsklage.
Hintergrund:
Eine Angestellte war seit Ende 2023 in einem Kleinbetrieb im Sinne von § 23 Abs.1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) tätig. Die vertraglich vereinbarte Kündigungsfrist betrug drei Monate zum Monatsende. Die Angestellte, die mit einem Vorstandsmitglied, Herrn A, ein intimes Verhältnis hatte, warf ihm Anfang Februar 2024 in einer an den Vorstand gerichteten E-Mail vor, in der Silvesternacht an ihr ohne ihr Einverständnis sexuelle Handlungen vorgenommen zu haben. Am 26.04.2023 besprachen sich die Angestellte, Herr A und eine Personalsachbearbeiterin in einem von der Angestellten als Büro genutzten Besprechungsraum. Herr A teilte der Angestellten mit, das Arbeitsverhältnis kündigen zu wollen. Er verließ kurz den Raum und kehrte mit einem Briefumschlag zurück, den er mit den Worten „der Form halber“ auf den Besprechungstisch legte. Der Briefumschlag enthielt ein fristgemäßes Kündigungsschreiben. Die Angestellte meinte, das Schreiben sei ihr nur kurz vorgelegt worden, möglicherweise sofort wieder entfernt und jedenfalls nicht ihr eindeutig überlassen worden. Daher sei das Schreiben nicht zugegangen. Am letzten Tag der dreiwöchigen Klagefrist des § 4 KSchG legte sie beim Arbeitsgericht Frankfurt am Main Klage ein mit dem Antrag festzustellen, dass ihr Arbeitsverhältnis über den 31.07.2024 hinaus fortbesteht. Einen konkret gegen die Kündigung vom 26.04.2023 gerichteten („punktuellen“) Klageantrag stellte sie in diesem Verfahren nicht, auch nicht nach einem entsprechenden Hinweis des Gerichts. Das Arbeitsgericht wies die Klage ab, da es meinte, die Klägerin habe die Klagefrist versäumt, weshalb die Kündigung gemäß § 7 KSchG als wirksam gelte. Das Hessische Landesarbeitsgericht (LAG) wies die Berufung zurück. Das LAG meinte, dass für die Klägerin erkennbar war, dass sich in dem Umschlag ein Kündigungsschreiben befand und dass dieses an die Angestellte übergeben werden sollte. Auf die Kenntnisnahme des Schreibens durch die Angestellte kam es rechtlich nicht an.
Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 30.05.2025, 10 GLa 337/25
Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung des Arbeitsvertrags (Überblick)
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