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ARBEITSRECHT
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ENTSCHEIDUNGSREPORT FÜR DIE BETRIEBLICHE PRAXIS 14|2023

Update Arbeitsrecht 14|2023 vom 12.07.2023

Leitsatzreport

LAG Baden-Württemberg: Verwirkung eines Anspruchs auf Zeugnisberichtigung

Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 31.05.2023, 4 Sa 54/22

§ 109 Gewerbeordnung (GewO); § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

Leitsätze des Gerichts:

1. Einzelfallentscheidung zur Frage der Verwirkung eines Anspruchs auf Berichtigung eines Arbeitszeugnisses.

2. Der Arbeitgeber hat kein schutzwürdiges Vertrauen auf den Bestand des erteilten Zeugnisses, wenn er den Arbeitnehmer böswillig mit „ungenügend“ beurteilt hat und der Arbeitnehmer das Zeugnis als „sittenwidrig“, „unterirdisch“ und von vorsätzlicher Schädigungsabsicht getragen beanstandet hat. Das gilt auch dann, wenn zwischen Beanstandung und Klageerhebung zwei Jahre liegen.

Hintergrund:

Ein Vertriebsmitarbeiter hatte nach 14-jähriger Tätigkeit zu Ende März 2019 gekündigt. Zuvor hatte der Arbeitgeber seinerseits mehrfach ohne Erfolg wegen angeblichen Fehlverhaltens gekündigt, wogegen der Mitarbeiter jedesmal mit Erfolg geklagt hatte. Nach seinem Ausscheiden verlangte der Mitarbeiter ein Zeugnis, das der Arbeitgeber auch erteilte und auf entsprechende Bitte hin geringfügig änderte. Allerdings war das Zeugnis auch in geänderter Fassung unbrauchbar, da es darin hieß, der Mitarbeiter habe angeblich eine streng geheime technische Zeichnung an einen Konkurrenten übermittelt. Der Mitarbeiter sei seinen Aufgaben „nicht gewachsen“ gewesen und habe sich als „nicht belastbar“ erwiesen. Seine vormals gezeigten Leistungen seien durch einen angeblich leichtfertigen Umgang mit vertraulichen Informationen „vollständig entwertet“ worden. Dieses Zeugnis beanstandete der Mitarbeiter im Oktober 2019 über einen Anwalt als „unterirdisch“ und gesetzeswidrig und machte Ansprüche auf Schadensersatz geltend. Erst zwei Jahre später, im Oktober 2021, erhob er Klage auf Zeugnisberichtigung. Das Arbeitsgericht Stuttgart wies die Klage ab, da es aufgrund der Zeit, die zwischen Zeugniserteilung und Klage verstrichen war, davon ausging, dass der Anspruch auf Zeugnisberichtigung nach Treu und Glauben gemäß § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) verwirkt sei (Urteil vom 12.07.2022, 18 Ca 5712/21). Das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg sah das anders und verurteilte den Arbeitgeber zur Zeugnisberichtigung. Aufgrund des böswilligen Zeugnisinhalts und des dagegen gerichteten Protestes des Klägers im Oktober 2019 konnte der Arbeitgeber nicht darauf vertrauen, nicht mehr auf Zeugnisberichtigung verklagt zu werden.

Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 31.05.2023, 4 Sa 54/22

 

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