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ARBEITSRECHT
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ENTSCHEIDUNGSREPORT FÜR DIE BETRIEBLICHE PRAXIS 02|2023

Update Arbeitsrecht 02|2023 vom 25.01.2023

Leitsatzreport

LAG Düsseldorf: Überlassung von Beschäftigtendaten an die Gesamtschwerbehindertenvertretung

Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 28.09.2022, 12 TaBV 10/22

§§ 178 Abs.1 Satz 3, Abs.2; 180 Abs.1, Abs.6; 182 Abs.1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX); § 80 Abs.2 Satz 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG); § 26 Abs.3 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG)

Leitsätze des Gerichts:

1. Grundlage für einen aufgabenbezogenen Auskunftsanspruch der Gesamtschwerbehindertenvertretung gegenüber der Arbeitgeberin ist § 182 Abs.1 SGB IX. Erforderlich ist - ebenso wie bei § 80 Abs.2 Satz 1 BetrVG -, dass die Gesamtschwerbehindertenvertretung den Aufgabenbezug darlegt. 

2. Die Schwerbehindertenvertretung kann die ihr gesetzlich zugewiesenen Aufgaben nur erfüllen, wenn sie die von ihr zu vertretenden Personen kennt. Es kann unterstellt werden, dass dies entsprechend für die Gesamtschwerbehindertenvertretung gilt. Die Kontaktdaten (Name, Vorname, Personalbereich und Betriebsstätte) der schwerbehinderten und ihnen gleichgestellten Menschen hatte die Arbeitgeberin der Gesamtschwerbehindertenvertretung mitgeteilt. 

3. Die Arbeitgeberin ist nicht generell verpflichtet, der Gesamtschwerbehindertenvertretung - die im konkreten Fall teilweise die Aufgaben der örtlichen Schwerbehindertenvertretung übernahm (§ 180 Abs.6 Satz 1 SGB IX) - darüber hinaus die Kontaktdaten (Name, Vorname, Personalbereich, Betriebsstätte, Privatanschrift und private Telefonnummer) aller Beschäftigten mitzuteilen. Konkrete Aufgaben, welche die Übermittlung dieser Daten sämtlicher Beschäftigter auch unter Berücksichtigung der Grundsätze der Datensparsamkeit und Datenminimierung erforderlich machen, hat die Gesamtschwerbehindertenvertretung nicht dargelegt. 

4. Konkrete Aufgaben, welche die Übermittlung der Privatanschriften und der privaten Telefonnummern der schwerbehinderten und ihnen gleichgestellten Menschen auch unter Berücksichtigung der Grundsätze der Datensparsamkeit und Datenminimierung erforderlich machen, hat die Gesamtschwerbehindertenvertretung ebenfalls nicht dargelegt.

Hintergrund:

Ist für mehrere Betriebe eines Arbeitgebers ein Gesamtbetriebsrat errichtet, wählen die Schwerbehindertenvertretungen (SBV) der einzelnen Betriebe oder Dienststellen gemäß § 180 Abs.1 Satz 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) eine Gesamtschwerbehindertenvertretung (GSBV). Die GSBV vertritt die Interessen der Schwerbehinderten in Angelegenheiten, die das Gesamtunternehmen oder mehrere Betriebe des Arbeitgebers betreffen und von den SBV der einzelnen Betriebe nicht geregelt werden können, und außerdem die Interessen der Schwerbehinderten, die in einem Betrieb arbeiten, für die eine SBV nicht gewählt ist. Im Streitfall wollte eine GSBV den Arbeitgeber gerichtlich dazu verpflichten lassen, ihr die Kontaktdaten aller Beschäftigten des Unternehmens bestehend aus Name, Vorname, Personalbereich, Betriebsstätte sowie Privatanschrift und Telefonnummer in einer elektronischen Liste zu überlassen, und außerdem ein monatlich fortlaufend aktualisiertes Verzeichnis bezogen auf den jeweiligen Stand dieser Daten. Das Arbeitsgericht Düsseldorf (Beschluss vom 28.01.2022, 7 BV 135/21) und das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf wiesen diese Anträge zurück (LAG Düsseldorf, Beschluss vom 28.09.2022, 12 TaBV 10/22). Die GSBV hatte sich auf ihre gesetzliche Aufgabe berufen, die noch nicht als schwerbehinderte Menschen anerkannten Beschäftigten gemäß § 178 Abs.1 Satz 3 SGB IX bei einem Antrag auf Feststellung einer (Schwer-)Behinderung und auf Gleichstellung zu unterstützen. Dazu bräuchte sie Kontaktmöglichkeiten zu allen Beschäftigten und nicht nur zu den Schwerbehinderten. Hier war das LAG anderer Ansicht und meinte, die Überlassung der Kontaktdaten aller beschäftigter Personen, d.h. auch der nicht schwerbehinderten, sei zur Wahrnehmung dieser Aufgabe nicht erforderlich. Das LAG hat die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht (BAG) zugelassen, wo der Fall inzwischen liegt (Aktenzeichen des BAG: 7 ABR 27/22).

Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 28.09.2022, 12 TaBV 10/22

 

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