Update Arbeitsrecht 06|2024 vom 20.03.2024
Leitsatzreport
LAG Köln: Rechtsfolgen verspäteter Zielvorgaben
Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 06.02.2024, 4 Sa 390/23
§§ 252; 280 Abs.1 und 3; 283, 252 BGB; 611a Abs.2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB); § 287 Abs.1 Zivilprozessordnung (ZPO)
Leitsätze des Gerichts:
1. Erfolgt eine Zielvorgabe erst zu einem derart späten Zeitpunkt innerhalb des maßgeblichen Geschäftsjahres, dass sie ihre Anreizfunktion nicht mehr sinnvoll erfüllen kann, ist sie so zu behandeln, als sei sie überhaupt nicht erfolgt. Ein derart später Zeitpunkt ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn das Geschäftsjahr bereits zu mehr als drei Vierteln abgelaufen ist.
2. Eine Anreizfunktion wird nicht per se dadurch ausgeschlossen, dass die unterlassene Zielvorgabe unternehmensbezogene Ziele betrifft.
Hintergrund:
Ein Angestellter mit Führungsaufgaben war von 2016 bis Ende November 2019 bei einem Unternehmen als „Head of Advertising“ tätig und erhielt neben seinem Festgehalt eine erfolgsabhängige Vergütung. Sie hing von den Zielvorgaben des Arbeitgebers und vom Grad der Zielerreichung im Geschäfts- bzw. Kalenderjahr ab. Am 12.03.2019 einigten sich Geschäftsleitung und Betriebsrat auf eine das Vergütungsmodell betreffende Betriebsvereinbarung. Hierin hieß es: „Der Mitarbeiter erhält bis zum 01.03. des Kalenderjahres eine zuvor mit ihm zu besprechende Zielvorgabe. Diese setzt sich zu 70 % aus Unternehmenszielen zusammen. 30 % entfallen auf individuelle Ziele, von denen bis zu 3 definiert werden sollen. Die Gewichtung dieser individuellen Ziele liegt im pflichtgemäßen Ermessen der Führungskraft, die sich hierzu mit dem Mitarbeiter abstimmen soll. Der Arbeitgeber verpflichtet sich, den Mitarbeitern Ziele vorzugeben, die nach pflichtgemäßer Beurteilung ex ante erreichbar sind.“ Für 2019 teilte das Unternehmen dem Angestellten - entgegen der Betriebsvereinbarung - die zu erreichenden Ziele weder bis zum 01.03.2019 noch in den Folgemonaten mit. In einer Rund-E-Mail vom 26.09.2019 entschuldigte sich der Geschäftsführer bei den Mitarbeitern für die eingetretene Verzögerung. Erstmals in einem „Heads Meeting“ am 15.10.2019 wurden konkrete Zahlen zu den Unternehmenszielen, zu deren Gewichtung und zum Zielkorridor genannt. Der Angestellte kündigte zu Ende November 2019 und verklagte das Unternehmen, nachdem er eine Zielvereinbarungsprämie von 15.586,55 EUR brutto erhalten hatte, auf weitere 16.035,94 EUR brutto. Diese Forderung berechnete er zeitanteilig bis Ende November 2019 und begründete sie u.a. mit einem zu seinen Gunsten zu unterstellenden hundertprozentigen Grad der Erreichung von Unternehmenszielen. Das Arbeitsgericht Köln wies die Klage ab (Urteil vom 23.11.2022, 12 Ca 2958/20), während das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln ihr stattgab. Das Unternehmen hatte sich aufgrund der verspäteten Zielvorgabe schadensersatzpflichtig gemacht, so das LAG.
Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 06.02.2024, 4 Sa 390/23
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