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ARBEITSRECHT
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ENTSCHEIDUNGSREPORT FÜR DIE BETRIEBLICHE PRAXIS 06|2023

Update Arbeitsrecht 06|2023 vom 22.03.2023

Leitsatzreport

Arbeitsgericht Bonn: Mitarbeiter in der Kita- oder Schulassistenz als Tendenzträger?

Arbeitsgericht Bonn, Beschluss vom 05.01.2023, 3 BV 96/22

§§ 99; 101; 118 Abs.1 Satz 1 Nr.1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG)

Leitsatz des Gerichts:

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Kita- oder Schulassistenz sind dann keine Tendenzträger, wenn sie sie zwar Entscheidungen über Hilfemaßnahmen für die betreuten Kinder selbständig treffen können, diese aber nur in Abstimmung mit den jeweiligen Gesamt-, Hilfe- und Teilhabeplänen sowie mit den jeweiligen Lehrern umsetzen können.

Hintergrund:

Ein Träger von Einrichtungen und Diensten für Menschen mit Behinderung war aufgrund seiner karitativen Zwecksetzung ein sog. Tendenzunternehmen im Sinne von § 118 Abs.1 Satz 1 Nr.1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Er war von seinem Betriebsrat gemäß § 101 Satz 1 BetrVG gerichtlich auf Aufhebung von 29 Einstellungen und von 20 Versetzungen in Anspruch genommen worden. Denn im Allgemeinen muss der Betriebsrat gemäß § 99 BetrVG zu Einstellungen und Versetzungen vorab um seine Zustimmung gebeten werden, was der Arbeitgeber hier nicht getan hatte. Er berief sich darauf, dass es sich bei den streitigen Arbeitnehmern um Tendenzträger handelte. Daher war aus seiner Sicht § 99 BetrVG nicht anwendbar, da „die Eigenart des Unternehmens oder des Betriebs dem entgegensteht“ (§ 118 Abs.1 Satz 1 Nr.1 BetrVG). Tendenzträger sind Arbeitnehmer, für deren Arbeit die Tendenz ihres Arbeitgebers prägend ist wie dies z.B. bei Zeitungsredakteuren der Fall ist oder bei hauptberuflichen Funktionären von Gewerkschaften, Arbeitgeberverbänden und Parteien. Das Arbeitsgericht Bonn kam zu dem Ergebnis, dass die streitigen Einstellungen und Versetzungen keine Tendenzträger betrafen und daher mitbestimmungspflichtig waren. Denn hier ging es um Mitarbeiter in der Kita- oder Schulassistenz. Sie konnten zwar Entscheidungen über Hilfemaßnahmen für die betreuten Kinder selbständig treffen, mussten dabei Gesamt-, Hilfe- und Teilhabepläne beachten und sich mit den jeweiligen Lehrern abstimmen. Das genügte dem Arbeitsgericht nicht, sie als Tendenzträger anzuerkennen. Daher hätte der Arbeitgeber die streitigen Einstellungen und Versetzungen nur mit Zustimmung des Betriebsrats vornehmen können.

Arbeitsgericht Bonn, Beschluss vom 05.01.2023, 3 BV 96/22

Handbuch Arbeitsrecht: Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten

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