Update Arbeitsrecht 16|2020 vom 05.08.2020
Leitsatzreport
LAG München: Das Hinausschieben des Renteneintritts ist eine mitbestimmungspflichtige Einstellung
Landesarbeitsgericht München, Beschluss vom 29.05.2020, 3 TaBV 127/19
§§ 99, 101 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG); § 41 Satz 3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI); §§ 14 Abs.1, 15, 21 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG)
Leitsatz des Gerichts:
Bei dem Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts eines Arbeitsverhältnisses, das wegen Erreichens einer tarifvertraglichen Regelaltersgrenze enden würde, steht dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG zu.
Hintergrund:
Sieht ein Tarif- oder Arbeitsvertrag vor, dass das Arbeitsverhältnis automatisch mit Erreichen der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung enden soll, ist der Arbeitsvertrag (wirksam) zeitlich befristet bzw. (wirksam) auflösend bedingt im Sinne der Vorschriften des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG), §§ 14 Abs.1, 15, 21 TzBfG. Um die Berufstätigkeit älterer Arbeitnehmer über das Renteneintrittsalter hinaus rechtlich zu erleichtern, erlaubt § 41 Satz 3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) das einvernehmliche Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts. Infolgedessen ist eine solche befristete Verlängerung durch einen Sachgrund im Sinne von § 14 Abs.1 TzBfG gerechtfertigt, d.h. die Vertragsverlängerung über das Rentenalter hinaus ist dann rechtswirksam befristet. Wie das Landesarbeitsgericht (LAG) München entschieden hat, ist eine solche Vertragsverlängerung eine Einstellung im Sinne von § 99 Abs.1 Satz 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG), so dass der Betriebsrat vorab zu informieren und um seine Zustimmung zu bitten ist. Im Streitfall hatte ein städtischer Verkehrsbetrieb das Arbeitsverhältnis mit einem Trambahnfahrer ohne Zustimmung des Betriebsrats verlängert, der sich dagegen arbeitsgerichtlich wehrte, in der ersten Instanz ohne Erfolg (Arbeitsgericht München, Beschluss vom 27.11.2019, 5 BV 248/19). Vor dem LAG München hätte der Antrag des Betriebsrats Erfolg gehabt, den Arbeitgeber gemäß § 101 Satz 1 BetrVG zur Aufhebung der Beschäftigung des Trambahnfahrers zu verpflichten - wenn die auf ein Jahr befristete Verlängerung zum Zeitpunkt der LAG-Entscheidung nicht bereits abgelaufen wäre (so dass der Antrag zwischenzeitlich gegenstandslos geworden war). Auch der Arbeitgeber hatte mit seinem Antrag, die Mitbestimmungsfreiheit einer solchen Verlängerung festzustellen, keinen Erfolg, da das LAG hier anderer Ansicht ist. Dagegen hat der Arbeitgeber die vom LAG zugelassene Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht (BAG) eingelegt, wo der Fall inzwischen liegt (Aktenzeichen des BAG: 1 ABR 22/20).
Landesarbeitsgericht München, Beschluss vom 29.05.2020, 3 TaBV 127/19
Handbuch Arbeitsrecht: Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten
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