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ARBEITSRECHT
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ENTSCHEIDUNGSREPORT FÜR DIE BETRIEBLICHE PRAXIS 24|2022

Update Arbeitsrecht 24|2022 vom 30.11.2022

Leitsatzreport

LAG Schleswig-Holstein: Unzulässige Dienstplanänderungen während der Freizeit eines Arbeitnehmers

Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 27.09.2022, 1 Sa 39 öD/22

§ 106 Gewerbeordnung (GewO); § 12 Abs.3 Satz 2 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG); §§ 130 Abs.1 Satz 1; 315; 242; 611a Abs.2; 615 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

Leitsätze des Gerichts:

1. Mit der Änderung des Dienstplans eines Mitarbeiters übt der Arbeitgeber diesem gegenüber sein Direktionsrecht aus. Die Änderung muss dem Mitarbeiter zugehen, da es sich bei der Ausübung des Direktionsrechts um eine empfangsbedürftige Gestaltungserklärung handelt.

2. Ein Mitarbeiter ist nicht verpflichtet, sich in seiner Freizeit zu erkundigen, ob sein Dienstplan geändert worden ist. Er ist auch nicht verpflichtet, eine Mitteilung des Arbeitgebers - etwa per Telefon - entgegenzunehmen oder eine SMS zu lesen. Nimmt er eine Information über eine Dienstplanänderung nicht zur Kenntnis, geht ihm diese erst bei Dienstbeginn zu.

3. Ob der Mitarbeiter verpflichtet ist, eine Dienstplanänderung zu berücksichtigen und den geänderten Dienst anzutreten, wenn ihn die Mitteilung über die Dienstplanänderung tatsächlich erreicht, bedurfte hier keiner Entscheidung.

Hintergrund:

Ein Notfallsanitäter hatte gegen seinen Arbeitgeber, einen Rettungsdienstbetreiber, auf Entfernung einer Abmahnung und Gutschrift von Stunden auf seinem Arbeitszeitkonto geklagt. In einer Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit war geregelt, dass für einzelne Arbeitnehmer kurzfristig angeordnete Sonderschichten („Springerdienste“) bis um 20:00 Uhr des Vortags „weiter konkretisiert werden“ konnten. Gab es keine solche Anweisungen, hatte sich der Arbeitnehmer „zu Dienstbeginn am vom Arbeitgeber zugewiesenen Dienstort“ einzufinden. Der Rettungsdienst teilte den Sanitäter im April und September 2021 an einem für ihn arbeitsfreien Tag zu einem jeweils am Folgetag zu leistenden Springerdienst mit Arbeitsbeginn um 06:00 Uhr ein und versuchte, ihn darüber an seinem arbeitsfreien Tag telefonisch zu informieren. Der Sanitäter war telefonisch nicht erreichbar und nahm an ihn gerichtete SMS, mit der er über den Springerdienst am Folgetag informiert wurde, nicht zur Kenntnis. Da er an den beiden „Springerdienst“-Tagen jeweils erst um 07:30 Uhr bei der Arbeit erschien, zog ihm der Arbeitgeber Arbeitsstunden von seinem Arbeitskonto ab und erteilte ihm wegen einer angeblichen Verspätung eine Abmahnung. Die Klage des Sanitäters hatte vor dem Arbeitsgericht Elmshorn keinen Erfolg (Urteil vom 27.01.2022, 5 Ca 1023 a/21), dafür aber in der Berufung vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein (Urteil vom 27.09.2022, 1 Sa 39 öD-22). Das LAG meinte, dass der Arbeitgeber mit einer Kenntnisnahme seiner SMS, einer Arbeitsanweisung im Sinne von § 106 Gewerbeordnung (GewO), nicht vor 07:30 Uhr des folgenden Arbeitstages rechnen durfte. Die Weisung war daher vorher nicht zugegangen im Sinne von § 130 Abs.1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). In seiner Freizeit habe der Kläger ein „Recht auf Unerreichbarkeit“ (Urteil, Rn.64).

Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 27.09.2022, 1 Sa 39 öD-22

 

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