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ARBEITSRECHT
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ENTSCHEIDUNGSREPORT FÜR DIE BETRIEBLICHE PRAXIS 11|2025

Update Arbeitsrecht 11|2025 vom 30.11.2025

Leitsatzreport

LAG Baden-Württemberg: Wahl eines Betriebsrats nach Beginn einer Betriebsänderung

Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 30.09.2025, 2 TaBV 2/25

§§ 111, 112 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG); § 280 Abs.1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB); § 100 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG); § 17 Kündigungsschutzgesetz (KSchG)

Leitsätze des Gerichts:

1. Wird in einem bislang betriebsratslosen Betrieb ein Betriebsrat erst gebildet, nachdem der Arbeitgeber mit der Umsetzung der Betriebsänderung begonnen hat, steht dem Betriebsrat nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung (zuletzt BAG 8. Februar 2022 - 1 ABR 2/21 - BAGE 177, 104 ff) kein erzwingbares Mitbestimmungsrecht auf Abschluss eines Sozialplans zu.

2. Ein Betriebsrat kann und soll nach der gesetzlichen Konzeption bei Vorliegen der Voraussetzungen unabhängig von einem bestimmten Mitbestimmungstatbestand gebildet werden.

3. Täuscht der Arbeitgeber die Belegschaft über den Planungsstand betreffend eine Betriebsänderung, kann hieraus eine Schadensersatzpflicht nach § 280 Abs.1 BGB entstehen. Die Pflicht, nicht bewusst die Unwahrheit über betriebliche Planungen zu verbreiten, besteht nach ihrem Schutzzweck aber nicht zur Ermöglichung der rechtzeitigen Gründung eines Betriebsrats zur Wahrnehmung eines Beteiligungsrechts betreffend diese Planungen. Täuschungen über tatsächliche Umstände, die ein bestimmtes Mitbestimmungsrecht auslösen können, sind nicht deshalb verboten, weil sie Einfluss auf die Willensbildung der Belegschaft zur Gründung eines Betriebsrats haben könnten.

4. Eine generelle Verpflichtung des Arbeitgebers, mit einer an sich beteiligungspflichtigen Maßnahme so lange zu warten, bis im Betrieb ein funktionsfähiger Betriebsrat vorhanden ist, enthält das Betriebsverfassungsgesetz nicht. Genauso wenig ist es dem Arbeitgeber verboten, den zunächst geplanten Beginn der Umsetzung einer Maßnahme in Ansehung einer Betriebsratsgründung zu beschleunigen. Einen „Wettlauf“, bei dem zwar die Beibehaltung des eingeschlagenen Tempos erlaubt, die Beschleunigung jedoch verboten ist, gibt es aus Rechtsgründen nicht.

Hintergrund:

Ein Unternehmen, das einen Betrieb mit 46 Arbeitnehmern führte, sprach am 03.04.2025 insgesamt 32 betriebsbedingte Kündigungen wegen einer geplanten Verlagerung wesentlicher Teile des Betriebs in eine andere Stadt aus. Dies wäre an sich eine Betriebsänderung im Sinne von § 111 Satz 3 Nr.1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) und § 17 Abs.1 Satz 1 Nr.1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG), so dass der Betriebsrat verlangen könnte, dass der Arbeitgeber über einen Interessenausgleich (zumindest) verhandelt und einen Sozialplan abschließt. Allerdings gab es am 03.04.2025 noch keinen Betriebsrat, da dieser erst im Verlauf des Aprils 2025 gewählt wurde. Die konstituierende Sitzung des Betriebsrats fand am 23.04.2025 statt. Der Antrag des Betriebsrats gemäß § 100 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) auf Einsetzung einer Einigungsstelle zum Abschluss eines Sozialplans wegen der 32 Kündigungen hatte daher weder vor dem Arbeitsgericht Stuttgart (Beschluss vom 31.07.2025, 29 BV 181/25) noch in der Beschwerdeinstanz vor dem Landesarbe„Gerüchten“ über eine Betriebsverlagerung „nichts dran“ sei. Denn auch wenn der Arbeitgeber damit die Belegschaft über seine Absichten getäuscht haben sollte, hätte er damit keinen Einfluss auf die Wahl des Betriebsrats genommen (die wie geplant stattfand).

Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 30.09.2025, 2 TaBV 2/25

 

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