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ARBEITSRECHT
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ENTSCHEIDUNGSREPORT FÜR DIE BETRIEBLICHE PRAXIS 17|2020

Update Arbeitsrecht 17|2020 vom 19.08.2020

Leitsatzreport

Thüringer LAG: Nichtigkeit einer Betriebsratswahl, bei der eine Telefonliste unklarer Herkunft als Wählerliste verwendet wurde

Thüringer Landesarbeitsgericht, Beschluss vom 24.06.2020, 4 TaBV 12/19

§§ 7, 8, 19 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG); § 2 Abs.1 Erste Verordnung zur Durchführung des Betriebsverfassungsgesetzes (Wahlordnung - WO)

Leitsatz des Gerichts:

Ein besonders grober und offensichtlicher zur Nichtigkeit der Betriebsratswahl führender Verstoß kann vorliegen, wenn ein Wahlvorstand offensichtlich ungeeignete, unvollständige Informationen unklarer Herkunft (hier: im Betrieb kursierende Telefonliste unklarer Herkunft und Datierung) in eine Wähler*innenliste übernimmt, ohne den Versuch zu unternehmen, zu prüfen, ob die Personen überhaupt im Betrieb beschäftigt sind und wer nach §§ 7 und 8 BetrVG wahlberechtigt und wählbar ist, sowie ohne die Aktualität und Plausibilität der Informationen zu hinterfragen.

Hintergrund:

Gemäß § 19 Abs.1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) kann eine Betriebsratswahl gerichtlich angefochten werden, wenn bei der Wahl gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen worden ist, wenn eine Berichtigung nicht erfolgt und wenn der Verstoß Auswirkungen auf das Wahlergebnis haben kann. Bis zur rechtskräftigen Gerichtsentscheidung über ein Wahlanfechtungsverfahren bleibt der - anfechtbar gewählte - Betriebsrat aber im Amt. Das ist bei einer nichtigen Betriebsratswahl anders, d.h. dann ist der Betriebsrat nie im Amt gewesen. Nichtig ist eine Betriebsratswahl in seltenen Ausnahmefällen, wenn gegen Grundsätze einer ordnungsgemäßen Wahl in so extremer Weise verstoßen wird, dass noch nicht einmal der Anschein einer gesetzeskonformen Wahl gegeben ist. Zu diesem Ergebnis kam das Thüringer Landesarbeitsgericht (LAG) vor kurzem. Im Streitfall hatte sich der Wahlvorstand mit dem Arbeitgeber in einem gerichtlichen Vergleich darauf geeinigt, dass der Arbeitgeber dem Wahlvorstand eine Liste mit Arbeitnehmern, die in einem bestimmten Betriebsteil beschäftigt sind, übergibt. Das tat der Arbeitgeber aber später nicht, woraufhin der Wahlvorstand keine weiteren rechtlichen Schritte einleitete, sondern eine Telefonliste unklarer Herkunft zur Hand nahm und auf dieser „Grundlage“ eine inhaltlich unrichtige Wählerliste erstellte. Damit verstieß der Wahlvorstand nach Ansicht des LAG in grober Weise gegen seine Pflicht zur Erstellung einer gesetzeskonformen Wählerliste gemäß § 2 Abs.1 Erste Verordnung zur Durchführung des Betriebsverfassungsgesetzes (Wahlordnung - WO).

Thüringer Landesarbeitsgericht, Beschluss vom 24.06.2020, 4 TaBV 12/19

 

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