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ARBEITSRECHT AKTUELL // 16/368

Ar­beits­ge­richt Ham­burg weist Kün­di­gungs­schutz­kla­gen der Free­zers ab

Eis­ho­ckey­ver­ein "Ham­burg Free­zers" ist zum Aus­spruch be­triebs­be­ding­ter Kün­di­gun­gen be­rech­tigt: Ar­beits­ge­richt Ham­burg, Ur­tei­le vom 23.11.2016, 13 Ca 272/16 und 13 Ca 273/16
Abrisskalender Vor­zei­ti­ge Kün­di­gung be­fris­te­ter Ar­beits­ver­trä­ge?

02.12.2016. Am Mitt­woch letz­ter Wo­che hat das Ar­beits­ge­richt Ham­burg in ers­ter In­stanz zwei Kün­di­gungs­schutz­kla­gen ab­ge­wie­sen, die Spie­ler des Eis­ho­ckey­ver­eins "Ham­burg Free­zers" ein­ge­reicht hat­ten.

Die Spie­ler wa­ren vom Ver­ein aus be­triebs­be­ding­ten Grün­den ge­kün­digt wor­den, nach­dem die "Ham­burg Free­zers" kei­ne Li­zenz mehr für die Pro­fi­eis­ho­ckey­li­ga DEL be­sit­zen und da­her ih­ren Spiel­be­trieb ein­stel­len müs­sen.

Die ge­kün­dig­ten Spie­ler be­rie­fen sich auf ih­re be­fris­te­ten Ver­trä­ge und ar­gu­men­tier­ten, dass die trotz der Be­fris­tung aus­ge­spro­che­nen Kün­di­gung un­wirk­sam sei­en. Da­von hat sich das Ar­beits­ge­richt nicht über­zeu­gen las­sen: Ar­beits­ge­richt Ham­burg, Ur­tei­le vom 23.11.2016, 13 Ca 272/16 und 13 Ca 273/16 (Pres­se­mel­dung des Ge­richts).

Un­ter wel­chen Vor­aus­set­zun­gen kann man be­fris­te­te Ar­beits­verträge vor Frist­ab­lauf or­dent­lich kündi­gen?

Be­fris­te­te Ar­beits­verträge kann man vor Ab­lauf der ver­ein­bar­ten Ver­trags­lauf­zeit im All­ge­mei­nen nur außer­or­dent­lich kündi­gen, was ei­nen wich­ti­gen Grund im Sin­ne von § 626 Bürger­li­ches Ge­setz­buch (BGB) vor­aus­setzt. Or­dent­li­che Kündi­gun­gen sind da­ge­gen bei be­fris­te­ten Verträgen im Re­gel­fall gemäß § 15 Abs.3 Teil­zeit- und Be­fris­tungs­ge­setz (Tz­B­fG) aus­ge­schlos­sen.

Al­ler­dings lässt das Ge­setz es zu, von der Re­gel des § 15 Abs.3 Tz­B­fG ab­zu­wei­chen und ar­beits­ver­trag­lich zu ver­ein­ba­ren, dass be­fris­te­te Verträge trotz der mit ih­nen ver­ein­bar­ten fes­ten Lauf­zeit or­dent­lich zu ei­nem frühe­ren Zeit­punkt gekündigt wer­den können.

Ei­ne sol­che Klau­sel ist prak­tisch im­mer vom Ar­beit­ge­ber ein­sei­tig vor­for­mu­liert und wird vom Ar­beit­neh­mer durch sei­ne Un­ter­schrift un­ter den Ar­beits­ver­trag nur "ab­ge­nickt". Da­her gehören sol­chen Klau­seln zu den all­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen (AGB) des Ar­beit­ge­bers, was da­zu führt, dass sie auf ih­re Verständ­lich­keit ("Trans­pa­renz") und in­halt­li­che An­ge­mes­sen­heit hin zu über­prüfen sind. Ei­ne der da­bei an­zu­wen­den­den Vor­schrif­ten ist § 307 Abs.1 Satz 2 BGB. Da­nach kann sich ei­ne un­an­ge­mes­se­ne Be­nach­tei­li­gung des Ver­brau­chers durch den AGB-Ver­wen­der auch dar­aus er­ge­ben, dass ei­ne Klau­sel nicht klar und verständ­lich ist.

Die­ses ge­setz­li­che Trans­pa­renz­ge­bot kann mögli­cher­wei­se zur Un­wirk­sam­keit von ar­beits­ver­trag­li­chen Klau­seln führen, die die vor­zei­ti­ge or­dent­li­che Künd­bar­keit ei­nes be­fris­te­ten Ver­trags nicht all­ge­mein er­lau­ben, son­dern von be­stimm­ten Be­din­gun­gen abhängig ma­chen, falls die­se Be­din­gun­gen so un­ge­nau for­mu­liert sind, dass der Ar­beit­neh­mer nicht weiß, wor­an er ist.

Der Ham­bur­ger Streit­fall: Be­triebs­be­ding­te Kündi­gungs­wel­le bei den Ham­burg Free­zers

Der Ver­ein "Ham­burg Free­zers" hat­te 2016 sämt­li­chen Pro­fis aus drin­gen­den be­triebs­be­ding­ten Gründen gekündigt, nach­dem bei der Deut­schen Eis­ho­ckey Li­ga (DEL) für die lau­fen­de Sai­son kei­ne Li­zenz be­an­tragt wor­den war. Da­zu wie­der­um sah sich der Ver­ein ge­zwun­gen, weil der US-ame­ri­ka­ni­sche Be­sit­zer des Ver­eins, die An­schutz En­ter­tain­ment Group (AEG), auf­grund der jah­re­lan­gen Ver­lus­te mit den Free­zers sein fi­nan­zi­el­les En­ga­ge­ment ein­stell­te. Das führ­te im Mai 2016 zum Li­zenz­ver­lust und zum Aus für die Free­zers.

Sämt­li­che gekündig­ten Spie­ler er­ho­ben dar­auf­hin Kündi­gungs­schutz­kla­gen vor dem Ar­beits­ge­richt Ham­burg. Über zwei der Kla­gen hat­te die 13. Kam­mer des Ar­beits­ge­richts zu ent­schei­den.

Hier stell­ten die Kläger die Wirk­sam­keit der Ver­trags­klau­sel in Ab­re­de, der zu­fol­ge ih­re be­fris­te­ten Verträge vor dem En­de der ver­ein­bar­ten Lauf­zeit or­dent­lich gekündigt wer­den könn­ten. Denn in den Klau­seln war ein Grund für ei­ne sol­che vor­zei­ti­ge Kündi­gung an­ge­ge­ben, d.h. die Kündi­gungsmöglich­keit soll­te be­ste­hen, wenn bei der DEL kei­ne Li­zenz be­an­tragt wer­den soll­te. Das könn­te die Ver­trags­klau­sel un­klar ma­chen, denn für den be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer fragt sich ja, aus wel­chen Gründen kei­ne Li­zenz be­an­tragt wird.

Ei­ner der bei­den Kläger, der Tor­wart, ar­gu­men­tier­te außer­dem, dass die Kündi­gung zur Un­zeit aus­ge­spro­chen wor­den sei. Denn der Trans­fer­markt für Tor­war­te war, so sein Ar­gu­ment, zum Zeit­punkt der Kündi­gung be­reits fak­tisch ge­schlos­sen.

Ar­beits­ge­richt Ham­burg: Ham­burg Free­zers ist zum Aus­spruch be­triebs­be­ding­ter Kündi­gun­gen be­rech­tigt

Die 13. Kam­mer des Ar­beits­ge­richts wies die Kla­gen ab. In der der­zeit al­lein vor­lie­gen­den Pres­se­mel­dung des Ge­richts heißt es zur Be­gründung, dass die Kündi­gun­gen rech­tens wa­ren.

Die um­strit­te­ne Ver­trags­klau­sel war nach An­sicht der Ar­beits­rich­ter wirk­sam, denn sie stell­te kei­ne un­an­ge­mes­se­ne Be­nach­tei­li­gung der be­trof­fe­nen Spie­ler dar und war auch nicht un­klar. Auch das Ar­gu­ment des Tor­war­tes hielt das Ar­beits­ge­richt nicht für stich­hal­tig. Denn für ihn gel­ten kei­ne an­de­ren recht­li­chen Re­geln als für die übri­gen Spie­ler, so die Ham­bur­ger Rich­ter.

Im Übri­gen wa­ren die Kündi­gun­gen durch drin­gen­de be­trieb­li­che Er­for­der­nis­se be­dingt, d.h. der Ver­ein konn­te sich hier auf § 1 Kündi­gungs­schutz­ge­setz (KSchG) be­ru­fen.

Fa­zit: Ei­ne Ver­trags­klau­sel kann oh­ne wei­te­re Be­din­gun­gen von der in § 15 Abs.3 Tz­B­fG gewähr­ten Möglich­keit Ge­brauch ma­chen, ei­nen be­fris­te­ten Ver­trag der or­dent­li­chen Künd­bar­keit zu un­ter­wer­fen. Wenn ei­ne sol­che Klau­sel die or­dent­li­che Kündi­gung von Be­din­gun­gen abhängig macht, kann das kaum ei­ne un­an­ge­mes­se­ne Be­nach­tei­li­gung des Ar­beit­neh­mers im Sin­ne von § 307 Abs.1 Satz 1, Abs.2 BGB sein, denn hier geht es ja um Ein­schränkun­gen der or­dent­li­chen Künd­bar­keit, die laut Ge­setz auch oh­ne je­de Ein­schränkung ver­ein­bart wer­den könn­te.

Da­her stütz­ten sich die Kläger auch auf das (wei­te­re) Ar­gu­ment, dass die Künd­bar­keits-Klau­sel un­klar sei. Ob sie da­mit Er­folg ha­ben wer­den, steht der­zeit noch nicht rechts­kräftig fest, da die Spie­ler Be­ru­fung zum Lan­des­ar­beits­ge­richt Ham­burg ein­le­gen können. 

Nähe­re In­for­ma­tio­nen fin­den Sie hier:

Hin­weis: In der Zwi­schen­zeit, d.h. nach Er­stel­lung die­ses Ar­ti­kels, hat das Ar­beits­ge­richt sei­ne Ent­schei­dungs­grün­de ver­öf­fent­licht. Die voll­stän­dig be­grün­de­ten Ur­tei­le des Ar­beits­ge­richts Ham­burg fin­den Sie hier:

Letzte Überarbeitung: 12. Mai 2017

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