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ARBEITSRECHT
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ENTSCHEIDUNGSREPORT FÜR DIE BETRIEBLICHE PRAXIS 23|2023

Update Arbeitsrecht 23|2023 vom 15.11.2023

Leitsatzreport

LAG Nürnberg: Überleitung der Vertragsverhältnisse von DRK-Schwestern bei Betriebsübergang

Landesarbeitsgericht Nürnberg, Urteil vom 20.06.2023, 7 Sa 378/22

§§ 242, 611a, 613a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB); Art.9, 12 Grundgesetz (GG)

Leitsatz des Gerichts:

Ist die Dienstleistung unter Beachtung zwingender arbeitsrechtlicher Schutzvorschriften als Mitgliedsbeitrag im Rahmen einer Vereinssatzung festgelegt und geht der Betrieb des Vereins auf einen erwerbswirtschaftlich tätigen Arbeitgeber über, so werden die vereinsrechtlichen Bestimmungen zur Dienstleistung in analoger Anwendung des § 613a BGB Inhalt des Arbeitsvertrages zwischen dem Vereinsmitglied und dem erwerbswirtschaftlich tätigen Arbeitgeber.

Hintergrund:

Wer als Kranken- oder Altenpflegerin im Dienst der Einrichtungen des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) arbeitet, macht dies nicht auf der Grundlage eines Arbeitsverhältnisses im Sinne von § 611a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), sondern aufgrund der Mitgliedschaft in dem DRK-Verein, der die jeweilige DRK-Einrichtung betreibt. DRK-Schwestern sind keine Arbeitnehmerinnen, sondern Vereinsmitglieder. Trotzdem haben sie weitgehend die gleichen Rechte wie angestellte Pflegekräfte in öffentlichen, kirchlichen oder privaten Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen, nur dass diese in den satzungsmäßigen Regelungen der DRK-Schwesternschaften festgeschrieben sind. Immerhin gelten einige arbeitsrechtliche Regelungen auch für DRK-Schwestern, so z.B. die EU-Richtlinie zur Arbeitnehmerüberlassung, wie der Europäische Gerichtshof (EuGH) Ende 2016 entschieden hat (EuGH, Urteil vom 17.11.2016, C-216/15 - Ruhrlandklinik, s. dazu Arbeitsrecht aktuell 17/009). Vor kurzem hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Nürnberg entschieden, dass auch die Regelungen zur Aufrechterhaltung von Arbeitsverhältnissen bei einem Betriebsübergang, d.h. § 613a Abs.1 Satz 1 BGB, zugunsten von DRK-Schwestern gelten. Im Streitfall hatte eine DRK-Schwester nach der Insolvenz der DRK-Pflegeeinrichtung, in der sie lange Jahre tätig war, bei dem privaten Übernehmer der Einrichtung weiter gearbeitet, ohne mit diesem einen Arbeitsvertrag zu vereinbaren. Nachdem sie 65 wurde, meinte der neue Einrichtungsbetreiber, dass das „Arbeitsverhältnis“ nunmehr beendet sei. Denn die Mitglieder-Ordnung der DRK-Schwesternschaft sieht einen Eintritt in den Ruhestand mit Erreichen einer auf 65 Jahre festgelegten Altersgrenze vor. Die Entfristungsklage der Schwester hatte weder vor dem Arbeitsgericht Bamberg (Urteil vom 22.06.2022, 3 Ca 382/21) noch in der Berufung vor dem LAG Nürnberg Erfolg. Das LAG meinte, die Regelungen der DRK-Mitglieder-Ordnung wären aufgrund sinngemäßer bzw. analoger Anwendung von § 613a BGB in das neue Arbeitsverhältnis übergegangen.

Landesarbeitsgericht Nürnberg, Urteil vom 20.06.2023, 7 Sa 378/22

Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 17.11.2016, C-216/15 (Ruhrlandklinik)

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