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ARBEITSRECHT AKTUELL // 09/032

Ober­arzt nur bei Un­ter­stel­lung ärzt­li­chen Per­so­nals

Ge­richt be­grenzt die Ein­grup­pie­rung in die Ober­arzt-Ver­gü­tungs­grup­pe Ä3: Lan­des­ar­beits­ge­richt Meck­len­burg-Vor­pom­mern, Ur­teil vom 21.01.2009, 3 Sa 190/08
Chefarzt Oh­ne un­ter­ge­be­ne Ärz­te kei­ne "Lei­tung"

03.03.2009. Die Ein­grup­pie­rung von Ärz­ten in die neue Ta­rif­grup­pe Ä3 (Ober­arzt) nach § 12 Ta­rif­ver­trag für Ärz­tin­nen und Ärz­te an Uni­ver­si­täts­klin­ken (TV-Ärz­te) ist seit der Ein­füh­rung des TV-Ärz­te um­strit­ten.

Die Ten­denz in der ar­beits­ge­richt­li­chen Recht­spre­chung ist ärz­te­un­freund­lich, d.h. Ein­grup­pie­rungs­kla­gen ha­ben sel­ten Er­folg.

In die­se Rei­he ge­hört auch ein ak­tu­el­les Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts (LAG) Meck­len­burg-Vor­pom­mern.

Das LAG hat ent­schie­den, dass von ei­nem or­ga­ni­sa­to­risch ab­grenz­ba­ren "Teil­be­reich" ei­ner Kli­nik nur dann die Re­de sein kann, wenn dem (Ober-)Arzt als Lei­ter die­ses Be­reichs auch ärzt­li­ches Per­so­nal un­ter­stellt ist: LAG Meck­len­burg-Vor­pom­mern, Ur­teil vom 21.01.2009, 3 Sa 190/08.

Ober­arzt im Sin­ne des TV-Ärz­te oh­ne Un­ter­stel­lung ärzt­li­chen Per­so­nals?

Der am 30.10.2006 vom Mar­bur­ger Bund ab­ge­schlos­se­ne Ta­rif­ver­trag für Ärz­tin­nen und Ärz­te an Uni­ver­sitätskli­ni­ken (TV-Ärz­te) sieht in Ab­wei­chung von den bis­her für den ärzt­li­chen Dienst an Kran­kenhäusern gel­ten­den Ta­rif­verträgen erst­mals ei­ne spe­zi­el­le Vergütungs­re­ge­lung für Oberärz­te vor. Da­nach können die als Oberärz­te in die Ent­gelt­grup­pe Ä3 ein­grup­pier­ten Ärz­te ei­ne höhe­re Vergütung als As­sis­tenzärz­te (Ent­gelt­grup­pe Ä1) und als Fachärz­te (Ent­gelt­grup­pe Ä2) be­an­spru­chen.

Ober­arzt ist Ober­arzt gemäß § 12 TV-Ärz­te - Ent­gelt­grup­pe Ä3 - un­ter an­de­rem der­je­ni­ge Arzt, dem die me­di­zi­ni­sche Ver­ant­wor­tung für Teil- oder Funk­ti­ons­be­rei­che der Kli­nik bzw. Ab­tei­lung vom Ar­beit­ge­ber über­tra­gen wor­den ist.

Seit Be­ginn der Um­set­zung des TV-Ärz­te, d.h. seit No­vem­ber 2006, wird viel­fach darüber ge­strit­ten, un­ter wel­chen Vor­aus­set­zun­gen sich Kli­nikärz­te auf die Ent­gelt­grup­pe Ä3 be­ru­fen bzw. ei­ne die­ser ent­spre­chen­de ta­rif­li­che Vergütung als Ober­arzt ver­lan­gen können.

Be­son­ders oft ist strei­tig, ob ein Kran­ken­haus­arzt in sei­ner je­wei­li­gen Son­der­funk­ti­on ei­ne me­di­zi­ni­sche (und nicht nur ei­ne or­ga­ni­sa­to­ri­sche) Ver­ant­wor­tung trägt, ob ihm die­se vom Ar­beit­ge­ber bzw. der Kli­nik­lei­tung „über­tra­gen“ wur­de (oder ob er sie nur „ein­fach so“ ausübt, et­wa auf ei­ne ta­rif­recht­lich un­ver­bind­li­che Wei­sung sei­nes Chef­arz­tes hin) und ob sein Ver­ant­wor­tungs­be­reich als ei­ne Teil­be­reich oder als ein Funk­ti­ons­be­rei­che ei­ner Kli­nik oder ei­ner ih­rer Ab­tei­lun­gen an­zu­se­hen ist oder nicht.

Zum Be­griff des Teil­be­reichs im Sin­ne von § 12 TV-Ärz­te, Ent­gelt­grup­pe Ä3, hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Meck­len­burg-Vor­pom­mern mit Ur­teil vom 21.01.2009 (3 Sa 190/08) Stel­lung ge­nom­men.

Lei­ter ei­nes häma­to­lo­gi­schen Spe­zi­al­la­bors mit nicht-ärzt­li­chen Mit­ar­bei­tern ver­langt Ein­grup­pie­rung nach Ä3 des TV-Ärz­te

Der kla­gen­de Kli­nik­arzt war bei dem be­klag­ten Land seit Fe­bru­ar 2001 auf der Grund­la­ge ei­ner ent­spre­chen­den Tätig­keits­be­schrei­bung vom Ja­nu­ar 2001 als Lei­ter ei­nes zur Kli­nik gehören­den häma­to­lo­gi­schen Spe­zi­al­la­bors und als Kon­trollei­ter für die Stamm­zell­pro­duk­ti­on gemäß dem Arz­nei­mit­tel­ge­setz (AMG) tätig.

Er er­hielt zu­letzt ei­ne Vergütung nach der Ent­gelt­grup­pe 14 (E 14) TVÜ-L. Die­se ent­spricht der Vergütungs­grup­pe I b BAT-O. Dem Kläger wa­ren die Mit­ar­bei­te­rin­nen Dr. K. (Na­tur­wis­sen­schaft­le­rin; Zy­to­ge­ne­tik) und F. (MTA; Zy­to­ge­ne­tik) ständig un­mit­tel­bar un­ter­stellt.

Der Kläger be­gehr­te nach zunächst außer­ge­richt­li­chem Streit um sei­ne rich­ti­ge Ein­grup­pie­rung die ar­beits­ge­richt­li­che Fest­stel­lung, dass das be­klag­te Land ver­pflich­tet ist, ihn rück­wir­kend seit dem 01.07.2006, dem ta­rif­ver­trag­lich an­ge­ord­ne­ten Tag der erst­ma­li­gen An­wen­dung der neu­en Ent­gelt­sys­tems, bis ein­sch­ließlich 30.04.2008 in die Ent­gelt­grup­pe Ä 3 Stu­fe 3 des TV-Ärz­te ein­zu­stu­fen.

Das in der ers­ten In­stanz zuständi­ge Ar­beits­ge­richt Ros­tock gab der Kla­ge statt (Ur­teil vom 07.05.2008, 4 Ca 590/07) und be­gründe­te dies im We­sent­li­chen da­mit, dass der Kläger als Ober­arzt gemäß § 12 Ent­gelt­grup­pe Ä3 TV-Ärz­te an­zu­se­hen sei. Ei­ne Fach­arzt­qua­li­fi­ka­ti­on set­ze die­se Ta­rif­grup­pe nicht vor­aus. Die dem Kläger über­tra­ge­ne La­bor­lei­tertätig­keit ha­be er zeit­lich min­des­tens zur Hälf­te sei­ner Ar­beits­zeit aus­geübt. Das von ihm zu lei­ten­de La­bor sei ein Funk­ti­ons­be­reich der Kli­nik im Sin­ne von § 12 TV-Ärz­te.

LAG Meck­len­burg-Vor­pom­mern: La­bor­lei­ter oh­ne un­ter­stell­te Ärz­te ist kein Ober­arzt im Sin­ne der Ta­rif­grup­pe Ä3 des TVÄrz­te

Das Lan­des­ar­beits­ge­richt Meck­len­burg-Vor­pom­mern hat an­ders als das Ar­beits­ge­richt ge­gen den Arzt ent­schie­den und da­bei wie folgt ar­gu­men­tiert:

Zunächst stell­te das LAG fest, dass der Kläger - was das be­klag­te Land be­strit­ten hat­te - in sei­ner Funk­ti­on als La­bor­lei­ter über­haupt zum ärzt­li­chen Diens­tes des Kran­ken­hau­ses zu zählen sei und da­mit dem TV-Ärz­te un­ter­fal­le. Die vom Kläger zu ver­rich­ten­den Tätig­kei­ten als Lei­ter des Häma­to­lo­gi­schen Spe­zi­al­la­bors so­wie als Kon­trollei­ter für die Stamm­zell­pro­duk­ti­on gemäß AMG flos­sen zu mehr als 50 Pro­zent in die Pa­ti­en­ten­ver­sor­gung ein. Da­mit war der Kläger als „Arzt“ im Sin­ne des TV-Ärz­te an­zu­se­hen. Grund­la­ge für die­se Be­wer­tung des LAG war die Tätig­keits­dar­stel­lung und -be­wer­tung vom Ja­nu­ar 2001.

Im wei­te­ren führt das Ge­richt zu­tref­fend aus, dass das Führen des Ti­tels Ober­arzt vor dem 01.11.2006 für sich ge­nom­men „kein ab­sch­ließen­des Kri­te­ri­um“ für die Fest­stel­lung der ei­ner oberärzt­li­chen Tätig­keit im Sin­ne von § 12 TV-Ärz­te sei. Al­ler­dings könne ei­ne sol­che Funk­ti­ons­be­zeich­nung bzw. Ti­tu­lie­rung ei­nes Arz­tes vor dem 01.11.2006 im­mer­hin ein An­halts­punkt bei der Fest­stel­lung des Vor­lie­gens der Ta­rif­merk­ma­le des § 12 TV-Ärz­te sein. Die­se Fest­stel­lung wi­der­spricht der häufig, vor al­lem von Kli­ni­ken bzw. ar­beit­ge­ber­sei­tig zu hören­den Mei­nung, die Be­zeich­nung ei­nes Arz­tes als Ober­arzt vor dem 01.11.2006 sei schlecht­hin un­er­heb­lich.

So­dann je­doch folgt das LAG der Aus­le­gung des Be­griffs des Funk­ti­ons­be­reichs der von Kli­nik­be­trei­bern und ei­ner Rei­he von Ar­beits­ge­rich­ten ver­tre­te­nen An­sicht, dass da­mit nur wis­sen­schaft­lich an­er­kann­te Spe­zi­al­ge­bie­te in­ner­halb ei­nes ärzt­li­chen Fach­ge­bie­tes wie zum Bei­spiel Ne­phro­lo­gie, Hand­chir­ur­gie, Neu­ro­ra­dio­lo­gie, Herz­ka­the­te­ri­sie­rung ge­meint sei­en.

Zur Be­gründung wird auf die Recht­spre­chung zum BAT/BAT-O und auf die da­zu er­gan­ge­ne Recht­spre­chung der Ar­beits­ge­rich­te ver­wie­sen bzw. dar­auf, dass in die­sem - an­de­ren - nor­ma­ti­ven Kon­text der zu­fol­ge den Be­griff des Funk­ti­ons­be­reichs in die­sem Sin­ne in­ter­pre­tiert wor­den sei. Es sei­en kei­ne An­halts­punk­te er­sicht­lich, dass die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en nun­mehr bei glei­cher For­mu­lie­rung ei­ne ab­wei­chen­de in­halt­li­che Ge­stal­tung hätten er­rei­chen wol­len.

Da der Kläger als Lei­ter des häma­to­lo­gi­schen La­bors kein wis­sen­schaft­li­ches Spe­zi­al­ge­biet in­ner­halb ei­nes ärzt­li­chen Fach­ge­bie­tes ver­trat, konn­te er sich nach An­sicht des Ge­richts auf die­sen ta­rif­li­chen Tat­be­stand nicht be­ru­fen.

Im wei­te­ren war das Ge­richt auch der Mei­nung, das vom Kläger ge­lei­te­te La­bor sei kein Teil­be­reich im Sin­ne von § 12 TV-Ärz­te. Hier sei nämlich da­von aus­zu­ge­hen, dass die ta­rif­lich ne­ben­ein­an­der ste­hen­den Be­grif­fe Funk­ti­ons­be­reich und Teil­be­reich qua­li­ta­tiv gleich­wer­ti­ge or­ga­ni­sa­to­ri­sche Ein­hei­ten be­zeich­ne­ten. Die zunächst vor­ge­nom­me­ne in­ter­pre­ta­to­ri­sche Eng­fas­sung des Be­griffs des Funk­ti­ons­be­reichs be­grenzt da­mit im wei­te­ren auch den An­wen­dungs­be­reich des Be­griffs des Teil­be­reichs.

Von da­her meint das LAG, für das Vor­lie­gen ei­nes Teil­be­reichs im Sin­ne der Ta­rif­vor­schrift sei ent­schei­dend, ob ei­ne ab­grenz­ba­re or­ga­ni­sa­to­ri­sche Ein­heit in­ner­halb ei­ner über­ge­ord­ne­ten Ein­rich­tung vor­lie­ge. Die­ser Ein­heit müsse ei­ne be­stimm­te Auf­ga­be mit ei­ge­ner Ziel­stel­lung zu­ge­ord­net sein. Außer­dem müsse ihr nichtärzt­li­ches so­wie ärzt­li­ches Per­so­nal an­gehören.

Im Er­geb­nis führt die­se Aus­le­gung des Be­griffs des Teil­be­reichs im Sin­ne von § 12 TV-Ärz­te da­zu, dass ein sol­cher nur im Fal­le der Un­ter­stel­lung ärzt­li­chen Per­so­nals an­ge­nom­men wer­den kann.

Da dem Kläger aber kein ärzt­li­ches, son­dern nur nichtärzt­li­ches Per­so­nal un­ter­stellt war, kam das LAG zu dem Er­geb­nis, er sei kein Ober­arzt im Sin­ne von § 12 TV-Ärz­te.

Auf­grund der recht­li­chen Be­deu­tung der mit dem Fall ver­bun­de­nen Fra­gen ließ das LAG die Re­vi­si­on zum Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) zu.

Nähe­re In­for­ma­tio­nen zu die­sem Vor­gang fin­den Sie hier:

Letzte Überarbeitung: 5. Oktober 2016

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