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LAG Sach­sen-An­halt, Ur­teil vom 08.12.2015, 2 Sa 106/15

   
Schlagworte: Diskriminierung, Urlaub
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen: 2 Sa 106/15
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 08.12.2015
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Magdeburg, Urteil vom 03.12.2014, 5 Ca 3363/13
nachgehend
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18.10.2016, 9 AZR 123/16
   

Lan­des­ar­beits­ge­richt Sach­sen-An­halt

IM NA­MEN DES VOL­KES

UR­TEIL

In dem Rechts­streit

- Kläger und Be­ru­fungs­be­klag­ter -

Pro­zess­be­vollmäch­tig­te: 

ge­gen

- Be­klag­te und Be­ru­fungskläge­rin -

Pro­zess­be­vollmäch­tig­te: 

we­gen Fest­stel­lung des jähr­li­chen Ur­laubs­an­spru­ches

hat die 2. Kam­mer des Lan­des­ar­beits­ge­richts Sach­sen-An­halt auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 8. De­zem­ber 2015 durch den Vi­ze­präsi­den­ten des Lan­des­ar­beits­ge­richts B… als Vor­sit­zen­den und die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter R… und B… als Bei­sit­zer für Recht er­kannt:

1. Auf die Be­ru­fung der Be­klag­ten und Be­ru­fungskläge­rin wird das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Mag­de­burg vom 03. 12. 2014 – 5 Ca 3363/13 – ab­geändert.

Die Kla­ge wird ab­ge­wie­sen.

2. Die Kos­ten des Rechts­strei­tes hat der Kläger und Be­ru­fungs­be­klag­te zu tra­gen.

3. Die Re­vi­si­on wird zu­ge­las­sen.

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T a t b e s t a n d :

Zwi­schen den Par­tei­en ist der jähr­li­che Ur­laubs­an­spruch strei­tig.

Der am … ge­bo­re­ne Kläger ist seit dem 01. 11. 2000 bei der Be­klag­ten als Set Up (Mit­ar­bei­ter für den Auf- und Ab­bau bei Ver­an­stal­tun­gen) mit ei­nem Brut­to­mo­nats­ge­halt von zu­letzt 1.315,00 € so­wie ei­ner re­gelmäßigen wöchent­li­chen Ar­beits­zeit von 40 St­un­den beschäftigt.

Dem Ar­beits­verhält­nis liegt der Ar­beits­ver­trag vom 11. 10. 2000 nebst den all­ge­mei­nen Ver­trags­be­din­gun­gen (Bl. 7 und 8 d. A.) zu Grun­de.

Auf das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en fin­det we­gen bei­der­sei­ti­ger Ta­rif­ge­bun­den­heit u. a. der Ent­gelt­rah­men­ta­rif­ver­trag für das Ho­tel- und Gaststätten­ge­wer­be so­wie der Man­tel­ta­rif­ver­trag für die­se Bran­che für das Land Sach­sen-An­halt An­wen­dung. Der Man­tel­ta­rif­ver­trag für das Ho­tel- und Gaststätten­ge­wer­be für das Land Sach­sen-An­halt vom 18. 05. 2002 (im Fol­gen­den: MTV) ist durch die Pro­to­koll­no­tiz vom 30. März 2007 mit Wir­kung vom 01. 04. 2007 un­verändert er­neut in Kraft ge­setzt wor­den, vgl. Bl. 47 ff. und Bl. 56 d. A..

§ 7 des MTV lau­tet wie folgt:

„§ 7 Ur­laub

(1) Das Ur­laubs­jahr ist das Ka­len­der­jahr.

(2) Der Ur­laubs­an­spruch der Ar­beit­neh­mer staf­felt sich nach dem Le­bens­al­ter lt. nach­ste­hen­der Ta­bel­le:

Le­bens­al­ter  An­zahl der Ur­laubs­ta­ge 
bis 25 Jah­re 23 Ar­beits­ta­ge
ab 26 Jah­re 24 Ar­beits­ta­ge
ab 31 Jah­re 25 Ar­beits­ta­ge
ab 40 Jah­re 27 Ar­beits­ta­ge
ab 50 Jah­re 30 Ar­beits­ta­ge

Als Ur­laubs­ta­ge = Ar­beits­ta­ge gel­ten die Ta­ge Mon­tag bis Frei­tag, so­weit sie nicht ge­setz­li­che Fei­er­ta­ge sind. Für die Fest­stel­lung des Ur­laubs­an­spruchs gilt das Le­bens­jahr bei Be­ginn des Ka­len­der­jah­res (Stich­tag 01.01.).

(3) An­spruch auf Jah­res­ur­laub be­steht frühes­tens nach 6 Mo­na­ten der Beschäfti­gung.

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(4) Im Lau­fe des Ka­len­der­jah­res ein­ge­tre­te­ne und aus­ge­schie­de­ne Ar­beit­neh­mer ha­ben An­spruch auf an­tei­li­gen Ur­laub. Der An­spruch beträgt für je­den vol­len Mo­nat des Ar­beits­verhält­nis­ses 1/12 des Jah­res­ur­laubs. Bruch­tei­le von Ur­laubs­ta­gen, die min­des­tens ei­nen 1/2 Tag er­ge­ben, sind auf­zu­run­den. Ein an­ge­bro­che­ner Mo­nat gilt nach mehr als 15 Ta­gen als vol­ler Mo­nat.

(5) Der Ur­laub muss im lau­fen­den Ka­len­der­jahr gewährt und ge­nom­men wer­den. Die Über­tra­gung des Ur­laubs auf das fol­gen­de Ka­len­der­jahr ist nur statt­haft, wenn

  • drin­gen­de be­trieb­li­che Gründe,
  • Gründe in der Per­son des Ar­beit­neh­mers lie­gen,

die dies recht­fer­ti­gen.

(6) Im je­wei­li­gen Un­ter­neh­men ist bis zum 31. 03. des lau­fen­den Ur­laubs­jah­res ein Ur­laubs­plan auf­zu­stel­len, in dem die Ur­laubswünsche der Ar­beit­neh­mer un­ter Berück­sich­ti­gung be­trieb­li­cher Be­din­gun­gen ein­ge­ar­bei­tet wer­den soll­ten. An­de­re Ur­laubswünsche sind min­des­tens 4 Wo­chen vor Ur­laubs­an­tritt an­zu­mel­den. Aus­nah­men sind drin­gen­de persönli­che An­ge­le­gen­hei­ten und un­vor­her­ge­se­he­ne Er­eig­nis­se.

(7) Während des Ur­laubs darf der Ar­beit­neh­mer kei­ne dem Ur­laubs­zweck wi­der­spre­chen­de Er­werbstätig­keit leis­ten. Ge­schieht dies den­noch, ver­wirkt er den An­spruch auf Ur­laubs­ent­gelt und -geld. Es liegt ein wich­ti­ger Grund zur frist­lo­sen Kündi­gung vor, wenn der Ar­beit­neh­mer in ei­nem Kon­kur­renz­un­ter­neh­men tätig wird.

(8) Der Ar­beit­ge­ber kann Be­triebs­ur­laub un­ter Berück­sich­ti­gung der be­trieb­li­chen Si­tua­ti­on und der Ur­laubs­ansprüche der Ar­beit­neh­mer un­ter Mit­be­stim­mung des Be­triebs­ra­tes (wo vor­han­den) fest­le­gen.

(9) Der Ar­beit­ge­ber kann un­ent­schul­dig­tes Ar­beits­versäum­nis auf den Ur­laub an­rech­nen, so­fern er die versäum­ten Ta­ge dem Ar­beit­neh­mer vergütet hat. An­spruch auf Ur­laubs­geld be­steht für die­se Ta­ge nicht."

Mit Schrei­ben vom 12.11.2013 mach­te der Kläger für die Zeit vom 29. 11. – 30. 12. 2013 drei wei­te­re Ta­ge Er­ho­lungs­ur­laub für das Ur­laubs­jahr 2013 gel­tend. Zur Be­gründung ver­wies er auf das Ur­teil des Bun­des­ar­beits­ge­richts vom 20. 03. 2012, Az. 9 AZR 529/10. Darüber hin­aus be­gehr­te er die An­er­ken­nung, dass ihm ab dem Jahr 2014 ins­ge­samt 30

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Ur­laubs­ta­ge – statt der bis­her sei­nem Al­ter ent­spre­chend gewähr­ten 27 jähr­li­chen Ur­laubs­ta­ge – zustünden, vgl. Bl. 9 d. A.

Mit Schrei­ben vom 22.11.2013 (Bl. 10 d. A.) lehn­te die Be­klag­te das Be­geh­ren des Klägers ab.

Aus der Erklärung der DE­HO­GA Sach­sen-An­halt vom 08. 05. 2013 er­gibt sich Fol­gen­des (Bl. 35 f. d. A.):

"M…, 08.05.2013

Al­ters­abhängi­ge Staf­fe­lung der Ur­laubs­dau­er

Sehr ge­ehr­te Da­men und Her­ren,

in der vor­be­zeich­ne­ten An­ge­le­gen­heit be­zie­hen wir uns auf die bis­he­ri­ge Kor­re­spon­denz, ins­be­son­de­re Ihr Schrei­ben vom 22.04.2013.

Nach den uns sei­tens des ehe­ma­li­gen Geschäftsführers des DE­HO­GA Sach­sen-An­halt e. V., Herrn Eich­mann, zur Verfügung ge­stell­ten In­for­ma­ti­on ist die im Man­tel­ta­rif­ver­trag ent­hal­te­ne Ur­laubs­staf­fe­lung als po­si­ti­ve Maßnah­me zu ver­ste­hen. Da­mit soll­te das le­gi­ti­me Ziel ver­folgt wer­den, ei­nem ge­stei­ger­ten Er­ho­lungs­bedürf­nis älte­rer Men­schen im Rah­men der Kom­pen­sa­ti­on der al­ters­be­ding­ten Be­las­tun­gen Rech­nung zu tra­gen.

Da Mit­ar­bei­ter im Gast­ge­wer­be ei­ne körper­lich an vie­len Po­si­tio­nen an­stren­gen­de Tätig­keit ausüben und struk­tur­be­dingt im Re­gel­fall re­la­tiv früh ih­ren Be­rufs­weg be­gin­nen, gilt die­se Ar­gu­men­ta­ti­on – ent­ge­gen der sehr pau­scha­len Dar­stel­lung des BAG für den Öffent­li­chen Dienst – je­den­falls für die Staf­fel­wer­te ab dem 40. Le­bens­jahr.

Das Feh­len ei­ner ent­spre­chen­den Stu­fe ab dem 60. Le­bens­jahr könn­te zum Teil auch dar­auf zurück­zuführen sein, dass ein Re­ge­lungs­bedürf­nis vor dem Hin­ter­grund nicht ge­se­hen wor­den ist, als sich Ar­beit­neh­mer die­ser Al­ters­struk­tur in der Bran­che kaum fin­den ließen. Je­den­falls ha­ben die Ta­rif­par­tei­en in­cl. der Ge­werk­schaft ei­ne der­ar­ti­ge Stu­fe nicht für er­for­der­lich er­ach­tet, was je­doch an den grundsätz­lich po­si­ti­ven Ansätzen die­ser Maßnah­me nichts ändert.

Dar­auf deu­tet auch hin, dass die Staf­fe­lung be­reits in sich nicht strin­gent ist, die Ta­bel­le so­mit nicht auf fort­lau­fen­den Zeh­ner­schrit­ten auf­baut. Fer­ner ist der Drei­er­sprung bei der letz­ten Stu­fe in sich ein­ma­lig.

Die un­te­ren Staf­fel­wer­te, die je­weils (nur) ei­ne Erhöhung um ei­nen Tag be­din­gen, soll­ten nach hie­si­gem Verständ­nis der recht frühen Fa­mi­li­en­pla­nung Rech­nung tra­gen, die in un­se­rem Ge­wer­be eben­falls nicht unüblich ist. Auch hier be­steht wie­der ei­ne di­rek­te Ab­wei­chung zum öffent­li­chen Dienst, wo die Mit­ar­bei­ter viel­fach den Aus­bil­dungs­weg nach dem Ab­itur oder Stu­di­um be­gin­nen, in­so­weit al­so be­reits aus­bil­dungs­be­dingt viel­fach ein an­de­res Le­bens­mo­dell pfle­gen, zu­mal auch Wei­ter­bil­dung und Plan­stel­len­ge­stal­tung die Fa­mi­li­en­pla­nung im Öffent­li­chen Dienst (im Ge­gen­satz zu un­se­rer Bran­che) be­ein­flus­sen und es in­ner­halb der ers­ten Be­rufs­jah­re viel­fach noch zu Ver­set­zun­gen kommt, bis die ei­gent­li­che Plan­stel­le ein­ge­nom­men wird.

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Vor die­sem Hin­ter­grund ha­ben wir be­rech­tig­te Zwei­fel, dass die Ent­schei­dung des BAG zu den Ur­laubs­staf­fe­lun­gen im Öffent­li­chen Dienst auf den für uns maßgeb­li­chen Ta­rif­ver­trag zu über­tra­gen ist. Wenn gleich auch schrift­li­che Un­ter­la­gen, die über die Staf­fe­lung bzw. die ihr zu­grun­de­lie­gen­den Be­weg­gründe Auf­schluss ge­ben, lei­der, wie be­reits te­le­fo­nisch mit­ge­teilt, nicht vor­lie­gen.

Mit freund­li­chen Grüßen

C… W…
Geschäftsführer"

Mit der am 11.12.2013 beim Ar­beits­ge­richt Mag­de­burg ein­ge­gan­ge­nen Fest­stel­lungs­kla­ge, ver­folgt der Kläger sein Be­geh­ren wei­ter.

Der Kläger ist der Auf­fas­sung, er ha­be auch schon vor Voll­endung des 50. Le­bens­jah­res ei­nen jähr­li­chen Ur­laubs­an­spruch von 30 Ur­laubs­ta­gen. Dies be­deu­te für das Jahr 2013 ei­nen wei­te­ren Ur­laubs­an­spruch von 3 Ta­gen und für die Fol­ge­jah­re ei­nen sol­chen von 30 (statt 27) Ur­laubs­ta­gen. Die an das Le­bens­al­ter an­knüpfen­de Staf­fe­lung des ta­rif­li­chen Ur­laubs­an­spru­ches stel­le ei­ne Dis­kri­mi­nie­rung des Klägers we­gen des Al­ters dar. Die­se Un­gleich­be­hand­lung jünge­rer Ar­beit­neh­mer als 50 Jah­re sei nicht sach­lich ge­recht­fer­tigt. Die Ur­laubs­staf­fe­lung nach § 7 Abs. 2 MTV sei da­her gemäß § 7 Abs. 1 und 2 AGG i. V. m. § 134 BGB un­wirk­sam. Die An­pas­sung ha­be in der Fol­ge nach oben – das heißt auf 30 Ur­laubs­ta­ge jähr­lich – zu er­fol­gen. Tat­sa­chen, nach de­nen es sich um ei­ne nach § 8 AGG zulässi­ge un­ter­schied­li­che Be­hand­lung we­gen be­ruf­li­cher An­for­de­run­gen hand­le, sei­en durch die Be­klag­te nicht vor­ge­tra­gen wor­den. Darüber hin­aus knüpfe die Ur­laubs­staf­fel in § 7 MTV ge­ra­de nicht an die Art der aus­zuüben­den Tätig­keit oder de­ren Ar­beits­be­din­gun­gen an. Aus § 7 MTV er­ge­be sich auch nicht, dass die­se Staf­fe­lung dem Schutz älte­rer Ar­beit­neh­mer die­ne. Die vor­ge­nom­me­ne Staf­fe­lung sei eher willkürlich. Es sei­en kei­ner­lei An­halts­punk­te dafür er­kenn­bar, dass die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en in­so­weit ei­nem ge­stei­ger­ten Er­ho­lungs­bedürf­nis älte­rer Beschäftig­ter Rech­nung tra­gen woll­ten. Hätten die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en die­ses Ziel im Au­ge ge­habt, hätten sie kei­ne zusätz­li­chen Staf­fe­lun­gen ab 26 bzw. 31 Le­bens­jah­ren um je­weils ei­nen Tag vor­ge­nom­men.

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Der Kläger hat erst­in­stanz­lich be­an­tragt,

1. fest­zu­stel­len, dass dem Kläger in je­dem Ka­len­der­jahr 30 Ur­laubs­ta­ge zu­ste­hen und die Be­klag­te ver­pflich­tet ist, die­se auch zu gewähren.
2. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, dem Kläger für das Ur­laubs­jahr 2013 wei­te­re drei Ur­laubs­ta­ge zu gewähren.

Die Be­klag­te hat erst­in­stanz­lich be­an­tragt,

die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Die Be­klag­te hält das Be­geh­ren des Klägers für un­be­gründet. Dem Kläger ste­he für das Jahr 2013 gemäß § 7 Abs. 2 MTV le­dig­lich ein Ur­laubs­an­spruch im Um­fang von 27 Ar­beits­ta­gen zu. Die Ur­laubs­staf­fe­lung in § 7 Abs. 2 MTV sei rechts­wirk­sam. Die le­bens­al­ters­abhängi­ge Staf­fe­lung des Ur­laubs­an­spruchs die­ne dem le­gi­ti­men Ziel, ei­nem ge­stei­ger­ten Er­ho­lungs­bedürf­nis älte­rer Mit­ar­bei­ter Rech­nung zu tra­gen, um die al­ters­be­ding­ten Be­las­tun­gen zu kom­pen­sie­ren. Die­ses Ziel sei zulässig. Der über­wie­gen­de Teil der vom MTV er­fass­ten Ar­beit­neh­mer leis­te körper­lich ermüden­de, zum Teil schwe­re und im Ste­hen aus­zuführen­de Ar­bei­ten. Darüber hin­aus würden Mit­ar­bei­ter in dem Ho­tel- und Gaststätten­ge­wer­be in re­la­tiv jun­gem Al­ter in den Be­ruf ein­stei­gen, so dass ei­ne frühe Stei­ge­rung des jähr­li­chen Ur­laubs­an­spru­ches an­ge­zeigt sei. Ins­be­son­de­re die ty­pi­schen Tätig­kei­ten des Ho­tel- und Gaststätten­ge­wer­bes mach­ten es er­for­der­lich, den in die­sem Be­reich ein­ge­setz­ten Mit­ar­bei­tern ei­ne länge­re Er­ho­lungs­zeit zu­kom­men zu las­sen. Die von den Ta­rif­ver­trags­par­tei­en im MTV ver­ein­bar­ten Al­ters­gren­zen würden den mit der Staf­fe­lung ver­folg­ten Zweck an­ge­mes­sen berück­sich­ti­gen. So würden bei Mit­ar­bei­tern ab dem 26. Le­bens­jahr, die dann ei­nen wei­te­ren Ur­laubs­tag er­hiel­ten, der Ur­laubs­an­spruch le­dig­lich um 4,35 % stei­gen. Bei der wei­te­ren Le­bens­al­ters­stu­fe ab 31 würde sich der Ur­laubs­an­spruch le­dig­lich um 4,17 % erhöhen. Erst ab dem 40. bzw. 50. Le­bens­jahr sei­en größere Sprünge von 2 bzw. 3 Ur­laubs­ta­gen zu ver­zeich­nen. Be­reits die­se Staf­fe­lung, die in den frühe­ren Jah­ren mo­de­rat aus­fal­le und erst ab dem 40. Le­bens­jahr um 2 Ar­beits­ta­ge und ab dem 50. Le­bens­jahr um 3 Ar­beits­ta­ge stei­ge, be­wei­se, dass im Hin­blick auf das zu­neh­men­de Al­ter und das da­mit ver­bun­de­ne zu­neh­men­de Er­ho­lungs­bedürf­nis ei­ne sach­ge­rech­te Staf­fe­lung vor­ge­nom­men wor­den sei.

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Das Ar­beits­ge­richt Mag­de­burg hat der Kla­ge statt­ge­ge­ben. Dem Kläger stünden für das Ur­laubs­jahr 2013 drei wei­te­re Ur­laubs­ta­ge und für die Fol­ge­ur­laubs­jah­re ins­ge­samt 30 Ur­laubs­ta­ge im Jahr zu.

Die Ur­laubs­staf­fel nach § 7 Abs. 2 MTV ver­s­toße ge­gen § 1, 3 AGG.

§ 7 Abs. 2 MTV sei des­halb nach § 7 Abs. 1 und 2 AGG i. V. m. § 134 BGB un­wirk­sam. Dies ha­be zur Fol­ge, dass der Kläger auch schon vor Voll­endung sei­nes 50. Le­bens­jah­res in je­dem Ka­len­der­jahr An­spruch auf 30 Ar­beits­ta­ge Ur­laub ha­be. § 7 MTV sei am AGG zu mes­sen. Zu den Beschäfti­gungs- und Ar­beits­be­din­gun­gen gehöre auch der Ur­laub. Der Um­stand, dass der MTV am 18. 05. 2002 und da­mit be­reits vor dem im Au­gust 2006 in Kraft ge­tre­te­nen AGG ge­gol­ten ha­be, ste­he dem nicht ent­ge­gen. Denn die ab dem Jahr 2013 gel­tend ge­mach­te Be­nach­tei­li­gung durch § 7 Abs. 2 MTV sei erst nach In­kraft­tre­ten des AGG ein­ge­tre­ten. Da § 33 Abs. 1 AGG in­so­weit kei­ne Über­g­angs­re­ge­lung ent­hal­te, fin­de das Ge­setz auch dann An­wen­dung, wenn die Be­nach­tei­li­gung auf ei­nem vor In­kraft­tre­ten des AGG ab­ge­schlos­se­nen Ta­rif­ver­tra­ges be­ru­he, da es le­dig­lich auf den Zeit­punkt der Be­nach­tei­li­gungs­hand­lung an­kom­me.

Die Ur­laubs­staf­fel in § 7 Abs. 2 MTV ent­hal­te ei­ne auf dem Merk­mal des Al­ters be­ru­hen­de Un­gleich­be­hand­lung der Beschäftig­ten, die das 26., 31., 40. bzw. 50. Le­bens­jahr noch nicht voll­endet hätten. Ei­ne sach­li­che Recht­fer­ti­gung für die­se Un­gleich­be­hand­lung jünge­rer Ar­beit­neh­mer sei we­der dar­ge­legt noch er­kenn­bar.

Die Dif­fe­ren­zie­rung sei nicht nach § 8 AGG ge­recht­fer­tigt, weil die Ur­laubs­staf­fe­lung nicht an die Art der aus­zuüben­den Tätig­keit oder die Be­din­gun­gen ih­rer Ausübung an­knüpfe, son­dern Gel­tung für al­le dem Ta­rif­ver­trag Un­ter­fal­len­den be­an­spru­che.
An­de­re Recht­fer­ti­gungs­gründe sei­en eben­falls nicht ge­ge­ben. Zwar müsse der Grund für die Ur­laubs­staf­fe­lung nicht aus­drück­lich in der ta­rif­li­chen Re­ge­lung ent­hal­ten sein. Es rei­che aus, wenn sich aus dem all­ge­mei­nen Kon­text der Re­ge­lung An­halts­punk­te ab­lei­ten ließen, die ei­ne Fest­stel­lung des Re­ge­lungs­ziels ermöglich­ten. Dies sei vor­lie­gend je­doch nicht ge­ge­ben. Die Ta­rif­vor­schrift räume be­reits Mit­ar­bei­tern ab dem 26. Le­bens­jahr ei­nen um ei­nen Tag erhöhten Ur­laubs­an­spruch ein. Ei­ne wei­te­re Erhöhung des Ur­laubs­an­spru­ches er­fol­ge be­reits ab dem 31. Le­bens­jahr. Zwar sei der Be­klag­ten zu­zu­stim­men, dass die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en mit zu­neh­men­dem Le­bens­al­ter ei­ne höhe­re Stei­ge­rung des Ur­laubs­an­spru­ches ge­re­gelt hätten. Es sei aber mit dem Ge­sund­heits­schutz älte­rer Ar­beit­neh­mer

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nicht ver­ein­bar, wenn die Stei­ge­run­gen des Ur­laubs­an­spru­ches be­reits ab dem 26., 31. und 40. Le­bens­jahr vor­ge­se­hen sei­en. Wei­ter­hin sei zu berück­sich­ti­gen, dass nach dem 50. Le­bens­jahr ei­ne wei­te­re Erhöhung des Ur­laubs­an­spru­ches nicht mehr von den Ta­rif­ver­trags­par­tei­en ver­ein­bart wor­den sei. Wenn aber die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en mit zu­neh­men­den Al­ter ein ge­stei­ger­tes Er­ho­lungs­bedürf­nis älte­rer Beschäftig­ter hätten Rech­nung tra­gen wol­len, hätte es na­he ge­le­gen, ge­ra­de für die noch älte­ren Beschäftig­ten – z. B. für die Grup­pe der über 60jähri­gen – die Dau­er des Er­ho­lungs­ur­laubs noch­mals zu verlängern. Dies hätten die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en je­doch un­ter­las­sen.
Bei die­ser Sach­la­ge sei ei­ne An­pas­sung des Ur­laubs­an­spru­ches des Klägers nach oben – mit­hin auf 30 Ar­beits­ta­ge Ur­laub pro Jahr – vor­zu­neh­men.

Das Ur­teil ist der Be­klag­ten aus­weis­lich des Emp­fangs­be­kennt­nis­ses (Bl. 92 d. A.) am 09. 03. 2015 zu­ge­stellt wor­den. Hier­ge­gen hat die­se – an­walt­lich ver­tre­ten – mit am 31. 03. 2015 ein­ge­gan­ge­nen Schrift­satz vom sel­ben Ta­ge (vgl. Bl. 93 und 94 d. A.) Be­ru­fung ein­ge­legt. Mit am 15. 04. 2015 ein­ge­gan­ge­nen Schrift­satz hat die Pro­zess­be­vollmäch­tig­te der Be­klag­ten die Verlänge­rung der Be­ru­fungs­be­gründungs­frist be­gehrt. Dar­auf­hin wur­de die Be­ru­fungs­be­gründungs­frist bis zum 04. 06. 2015 an­trags­gemäß verlängert.

Mit am 13. 05. 2015 ein­ge­gan­ge­nen Schrift­satz vom sel­ben Ta­ge ging die Be­ru­fungs­be­gründung bei dem Lan­des­ar­beits­ge­richt ein.

Die Be­klag­te greift das erst­in­stanz­li­che Ur­teil voll­um­fas­send an.

Die Be­klag­te ist wei­ter­hin der Auf­fas­sung, dass die Ur­laubs­staf­fe­lung in § 7 Abs. 2 MTV durch sach­li­che Gründe auch un­ter Berück­sich­ti­gung des AGG ge­recht­fer­tigt sei.

Der Kläger ha­be im Jahr 2013 und in den Fol­ge­jah­ren bis zum Jah­re 2017 ein­sch­ließlich le­dig­lich An­spruch auf 27 Ur­laubs­ta­ge. Erst ab dem Jahr 2018 erfülle er den höhe­ren Ur­laubs­an­spruch von 30 Ur­laubs­ta­gen nach dem der­zei­ti­gen MTV jähr­lich. Ein Ver­s­toß ge­gen § 1, 3 Abs. 1 AGG sei nicht ge­ge­ben. Zwar lie­ge ei­ne Un­gleich­be­hand­lung we­gen des Al­ters vor. Die­se sei je­doch nach § 10 AGG sach­lich ge­recht­fer­tigt. Gemäß § 10 AGG sei ei­ne un­ter­schied­li­che Be­hand­lung we­gen des Al­ters zulässig, wenn sie an­ge­mes­sen und durch ein le­gi­ti­mes Ziel ge­recht­fer­tigt sei. Die Mit­tel zur Er­rei­chung die­ses Ziels müss­ten zu­dem er­for­der­lich sein. Die Un­gleich­be­hand­lung bei der Ur­laubs­gewährung we­gen des Al­ters nach § 7 Abs. 2 MTV ver­fol­ge ein le­gi­ti­mes Ziel. Sie tra­ge dem mit zu­neh­men­dem

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Al­ter und da­mit ein­her­ge­hen­der körper­li­cher Be­an­spru­chung durch die Tätig­kei­ten im Ho­tel- und Gaststätten­ge­wer­be ge­stei­ger­ten Er­ho­lungs­bedürf­nis der Beschäftig­ten Rech­nung und die­ne da­mit dem Ge­sund­heits­schutz. Die Be­ru­fe im Ho­tel- und Gaststätten­ge­wer­be sei­en ge­prägt von Tätig­kei­ten, die über­wie­gend im Ste­hen oder Ge­hen aus­geübt wer­den müss­ten. Bei­spiels­wei­se le­ge ein Kell­ner an ei­nem Ar­beits­tag ca. 10 Ki­lo­me­ter zurück. Auch das Rei­ni­gungs­per­so­nal übe körper­lich be­las­ten­de Tätig­kei­ten aus. Dies tref­fe auch auf den Kläger zu. Nach ei­ner In­for­ma­ti­on des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums für Ar­beit, So­zia­les und Kon­su­men­ten­schutz in Öster­reich sei die Ar­beit im Ho­tel- und Gaststätten­ge­wer­be durch ho­he körper­li­che und phy­si­sche An­for­de­run­gen ge­prägt und führe häufig zu Fehl­be­las­tun­gen und dar­aus re­sul­tie­ren­den ge­sund­heit­li­chen Be­schwer­den und Er­kran­kun­gen. Die­se Be­las­tungs­si­tua­ti­on be­tref­fe al­le klas­si­schen Be­ru­fe im Gaststätten- und Ho­tel­ge­wer­be. Dies muss­ten die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en bei der Fest­le­gung des Ur­laubs­an­spru­ches be­rufs­grup­penüberg­rei­fend berück­sich­ti­gen. In der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts sei an­er­kannt, dass die phy­si­sche Be­last­bar­keit mit zu­neh­men­dem Al­ter ab­neh­me. Die­ser Er­fah­rungs­satz be­tref­fe auch den Wir­kungs­zu­sam­men­hang von er­reich­tem Le­bens­al­ter und Krank­heits­anfällig­keit. Auf die­ser Er­war­tung be­ruh­ten al­le be­kann­ten pri­va­ten und öffent­li­chen Sys­te­me der Kran­ken-, Ren­ten- und Le­bens­ver­si­che­rung. Auch könne als Er­fah­rungs­satz an­ge­nom­men wer­den, dass bei körper­lich an­stren­gen­den Tätig­kei­ten mit zu­neh­men­dem Al­ter das Er­ho­lungs­bedürf­nis von Ar­beit­neh­mern stei­ge. Da­her wer­de den Beschäftig­ten im Ho­tel- und Gaststätten­ge­wer­be mit zu­neh­men­dem Al­ter ein stei­gen­der Ur­laubs­an­spruch gewährt.

Die An­nah­me des Ar­beits­ge­richts Mag­de­burg, aus der Staf­fe­lung des Ur­laubs­an­spru­ches ab dem 26., 31. und 40. Le­bens­jahr sei der Schluss zu zie­hen, § 7 Abs. 2 MTV die­ne nicht dem Ge­sund­heits­schutz älte­rer Ar­beit­neh­mer, sei nicht zu­tref­fend. Staf­fe­le ei­ne Ta­rif­re­ge­lung die Ur­laubs­dau­er nach dem Le­bens­al­ter, so lie­ge nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts die An­nah­me na­he, die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en hätten ei­nem mit zu­neh­men­dem Al­ter ge­stei­ger­ten Er­ho­lungs­bedürf­nis älte­rer Ar­beit­neh­mer Rech­nung tra­gen wol­len. Das Ar­beits­ge­richt Mag­de­burg ha­be über­se­hen, dass im Ho­tel- und Gaststätten­ge­wer­be re­gelmäßig ein frühes Ein­stiegs­al­ter von 16 – 21 Jah­ren ge­ge­ben sei, so dass be­reits ei­ne Stei­ge­rung des Ur­laubs­an­spru­ches we­gen der dann schon länger zurück­ge­leg­ten Be­las­tungs­zei­ten zum 26., 31. und 40. Le­bens­jah­res ge­recht­fer­tigt sei. Dies tref­fe erst recht auf das Er­rei­chen des 50. Le­bens­al­ters zu.

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Außer­dem ha­be das Ar­beits­ge­richt Mag­de­burg ver­kannt, dass die Staf­fe­lun­gen des Ur­laubs­an­spru­ches in § 7 MTV un­abhängig von­ein­an­der auf ih­re sach­li­che Recht­fer­ti­gung zu prüfen sei­en. Ins­be­son­de­re berühre die Un­wirk­sam­keit ei­ner ein­zel­nen Stu­fe die Wirk-sam­keit der übri­gen Staf­fe­lun­gen nicht. Es könne da­her nicht un­ter­stellt wer­den, die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en hätten mit je­der vor­ge­nom­me­nen Al­ters­staf­fe­lung das­sel­be Ziel ver­folgt. Möglich sei auch, dass sie den je­weils ver­mu­te­ten un­ter­schied­li­chen Be­las­tun­gen ei­nes be­stimm­ten Le­bens­ab­schnitts hätten Rech­nung tra­gen wol­len, et­wa bei den über 30-Jähri­gen den in die­sem Le­bens­ab­schnitt an­zu­neh­men­den fa­mi­liären Ver­pflich­tun­gen.

Im Ein­zel­nen gel­te:

Die ers­te Stei­ge­rung ab dem 26. Le­bens­jahr sei ge­recht­fer­tigt, weil be­reits nach dem 25. Le­bens­jahr die durch­schnitt­li­che Körper­kraft ab­neh­me. Die kon­sti­tu­tio­nel­le Be­schaf­fen­heit von Kno­chen­ge­we­be, Haut und Haa­ren sei be­merk­bar und verände­re das Er­schei­nungs­bild des be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mers. Die mo­de­ra­te Stei­ge­rung des Ur­laubs­an­spru­ches um le­dig­lich ei­nen Tag tra­ge dem Rech­nung. Die Stei­ge­rung ab dem 31. Le­bens­jahr sei u. a. durch den wei­te­ren ste­ti­gen Ab­bau der Mus­ku­la­tur, die ca. 5 % in ei­nem Zeit­raum von 10 Jah­ren be­tra­ge, ge­schul­det. Die noch mo­de­ra­te Stei­ge­rung um ei­nen wei­te­ren Ur­laubs­tag tra­ge dem Rech­nung.
Die drit­te Stei­ge­rung ab dem 40. Le­bens­jahr um­fas­se zwei Ur­laubs­ta­ge. Die­se Stei­ge­rung sol­le da­zu die­nen, die langjährig körper­lich be­las­ten­de Tätig­keit (z. B. ab dem 16. Le­bens­jahr) so­wie die da­mit ein­her­ge­hen­den körper­li­chen Ver­sch­leißer­schei­nun­gen aus­zu­glei­chen.

Die letz­te Stei­ge­rung ab dem 50. Le­bens­jahr sei dar­in be­gründet, dass zu die­sem Zeit­punkt ne­ben der be­reits langjähri­gen körper­li­chen Be­an­spru­chung und ei­nem re­gelmäßigen körper­li­chen wei­te­ren Ver­fall ei­ne ge­stei­ger­te Er­ho­lungs­bedürf­tig­keit auf­grund des Al­ters ein­tre­te.

Auf die Ent­schei­dung des Bun­des­ar­beits­ge­richts (vgl. Ur­teil vom 20. 03. 2012 – 9 AZR 529/10 –) zum Ur­laubs­an­spruch nach dem TVöD sei nicht ab­zu­stel­len. Die Staf­fe­lung in § 7 Abs. 2 MTV stel­le nicht nur auf ein erhöhtes Er­ho­lungs­bedürf­nis älte­rer Beschäftig­ter ab. Viel­mehr tra­ge sie den Be­son­der­hei­ten der Bran­che Rech­nung, in der mit zu­neh­men­dem Al­ter zusätz­li­che Ur­laubs­ta­ge gewährt würden, weil die psy­chi­sche Be­last­bar­keit der Beschäftig­ten bei gleich­blei­ben­der an­stren­gen­der körper­li­cher Ar­beit sin­ke. Nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts könne grundsätz­lich da­von aus­ge­gan­gen

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wer­den, dass mit ei­ner Al­ters­gren­ze für die Gewährung zusätz­li­chen Ur­laubs ei­nem ge­stei­ger­ten Er­ho­lungs­bedürf­nis älte­rer Ar­beit­neh­mer Rech­nung ge­tra­gen würde. Un­ter Gleich­be­hand­lungs­ge­sichts­punk­ten dürf­ten der Ar­beit­ge­ber aber auch die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en da­her das Al­ter in be­las­ten­den Be­ru­fen i. S. ei­ner ty­pi­sie­ren­den Be­trach­tung in Ausübung ih­res Ge­stal­tungs­spiel­rau­mes als Grund für ein ge­stei­ger­tes Er­ho­lungs­bedürf­nis als Dif­fe­ren­zie­rungs­kri­te­ri­um her­an­zie­hen. Dies be­deu­te, dass die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en bei der Staf­fe­lung des Ur­laubs­an­spru­ches von ei­ner ge­ne­ra­li­sie­ren­den Be­trach­tung im Ho­tel- und Gaststätten­ge­wer­be aus­ge­hen durf­ten. Da­bei hätten sie, ins­be­son­de­re bei der Gewährung von drei zusätz­li­chen Ur­laubs­ta­gen ab dem 50. Le­bens­jahr, zu­tref­fend das ge­stei­ger­te Er­ho­lungs­bedürf­nis älte­rer Ar­beit­neh­mer bei körper­lich be­las­ten­den Tätig­kei­ten zu Grun­de ge­legt.

Außer­dem sei da­von aus­zu­ge­hen, dass die in dem Ho­tel- und Gaststätten­ge­wer­be täti­gen Beschäftig­ten be­son­ders auf ein re­präsen­ta­ti­ves Äußeres zu ach­ten hätten, da der wirt­schaft­li­che Er­folg in die­ser mit Er­ho­lung und Frei­zeit, aber auch geschäft­lich so­wie ge­sell­schaft­li­chen Anlässen eng ver­wo­be­nen Dienst­leis­tungs­bran­che be­son­ders durch das Per­so­nal und des­sen ent­spann­tes und er­hol­tes Aus­se­hen be­stimmt wer­de. Un­ter der An­nah­me, dass die Pfle­ge die­ses Er­schei­nungs­bil­des durch ei­ge­ne Er­ho­lung po­si­tiv un­terstützt und er­reicht wer­de und mit zu­neh­men­dem Al­ter mehr Zeit in An­spruch neh­me, wer­de der Ur­laubs­an­spruch der älte­ren Beschäftig­ten ent­spre­chend erhöht. Ständi­ger Stress sei da­ge­gen ei­nem ent­spann­ten Äußeren ab­träglich.

Die Be­klag­te und Be­ru­fungskläge­rin be­an­tragt zweit­in­stanz­lich,

1. das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Mag­de­burg vom 03. 12. 2014 (Ak­ten­zei­chen: 5 Ca 3363/13) ab­zuändern und nach den Schluss­anträgen ers­ter In­stanz zu er­ken­nen;
2. die Kos­ten des Rechts­strei­tes der be­ru­fungs­be­klag­ten Par­tei auf­zu­er­le­gen.

Der Kläger und Be­ru­fungs­be­klag­te be­an­tragt zweit­in­stanz­lich,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

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Der Kläger ver­tei­digt das erst­in­stanz­li­che Ur­teil u. a. nach Maßga­be des Schrift­sat­zes vom 01. 07. 2015.

Der Kläger ist wei­ter­hin der An­sicht, dass die Ur­laubs­re­ge­lung in § 7 Abs. 2 MTV al­ters­dis­kri­mi­nie­rend sei. Ein sach­li­cher Grund hierfür sei nicht ge­ge­ben. Zwar sei es rich­tig, dass § 10 AGG ei­ne zulässi­ge un­ter­schied­li­che Be­hand­lung we­gen des Al­ters er­lau­be, je­doch sei ei­ne sol­che un­ter­schied­li­che Be­hand­lung nur dann zulässig, wenn sie ob­jek­tiv und an­ge­mes­sen und durch ein le­gi­ti­mes Ziel ge­recht­fer­tigt sei. Mit der Ur­laubs­staf­fe­lung in § 7 Abs. 2 MTV wer­de je­doch ein sol­ches le­gi­ti­mes Ziel nicht ver­folgt. § 7 Abs. 2 MTV tra­ge ge­ra­de nicht dem zu­neh­men­den Al­ter und der da­mit ein­her­ge­hen­den körper­li­chen Be­an­spru­chung durch Tätig­kei­ten im Ho­tel- und Gaststätten­ge­wer­be so­wie dem da­her ge­stei­ger­ten Er­ho­lungs­bedürf­nis der Beschäftig­ten Rech­nung. Hier­ge­gen spre­che schon, dass ei­nem 26 Jah­re al­ten Beschäftig­ten im Ver­gleich zu ei­nem 25 Jah­re al­ten be­reits ein Tag mehr Er­ho­lungs­ur­laub zu­ste­he. Es sei zu be­strei­ten, dass die Un­gleich­be­hand­lung in Be­zug auf den Ur­laubs­an­spruch durch die im Ho­tel- und Gaststätten­ge­wer­be aus­geübten Tätig­keit und der da­mit ver­bun­de­nen körper­li­chen Be­las­tung ge­schul­det sei. Ei­ne sol­che Be­zug­nah­me sei in § 7 Abs. 2 MTV nicht er­sicht­lich. Auch die Ta­rif­aus­kunft der DE­HO­GA Sach­sen-An­halt vom 08. 05. 2013 las­se nichts Ge­gen­tei­li­ges er­ken­nen. Es mag zwar noch zu­tref­fend sein, dass be­stimm­te Tätig­kei­ten im Ho­tel- und Gaststätten­ge­wer­be mit Ge­hen und Ste­hen ver­bun­den sei­en. Al­ler­dings un­ter­schei­de die ta­rif­li­che Re­ge­lung in § 7 Abs. 2 MTV ge­ra­de nicht nach ein­zel­nen Tätig­kei­ten bzw. Beschäftig­ten­grup­pen. Viel­mehr er­hiel­ten al­le Beschäftig­ten den glei­chen Ur­laub. Dies tref­fe auch auf Beschäftig­te zu, die nicht körper­lich tätig sei­en.

Es sei zu be­strei­ten, dass die ers­te Stei­ge­rung des Ur­laubs­an­spru­ches ab dem 26. Le­bens­jahr um ei­nen Tag durch die ab­neh­men­de Körper­kraft ge­recht­fer­tigt sei. Die Stu­di­en von Dr. H… (vgl. Bl. 137 ff. d. A.), der erst ei­nen Rück­gang der körper­li­chen Leis­tungsfähig­keit ab dem 35. Le­bens­jahr an­neh­me, stünden dem ent­ge­gen. Auch sei zu be­strei­ten, dass ab dem 31. Le­bens­jahr von ei­nem Ab­bau der Mus­ku­la­tur um et­wa 5 % in ei­nem Zeit­raum von 10 Jah­ren aus­ge­gan­gen wer­den müsse. Stu­di­en hätten er­ge­ben, dass ein al­ters­be­ding­ter Mus­kelab­bau erst ab dem 50. Le­bens­jahr be­gin­ne.

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We­gen des wei­te­ren Vor­brin­gens wird auf die ge­wech­sel­ten Schriftsätze nebst An­la­gen so­wie die Sit­zungs­nie­der­schrif­ten Be­zug ge­nom­men.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

I.
Die statt­haf­te (§§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 ArbGG) Be­ru­fung ist gemäß § 64 Abs. 2 lit. b ArbGG zulässig. Sie ist ins­be­son­de­re form- und frist­ge­recht ein­ge­legt und auch be­gründet wor­den, § 66 Abs. 1 S. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. §§ 519, 520 ZPO.

1.
Die Be­ru­fung ist in vol­lem Um­fan­ge be­gründet. Der Kläger hat ge­genüber der Be­klag­ten bis zum Er­rei­chen des 50. Le­bens­jah­res im Jahr 2018 nur ei­nen jähr­li­chen Ur­laubs­an­spruch von 27 Ar­beits­ta­gen, je­doch nicht von 30 Ka­len­der­ta­gen.

2.
Die Fest­stel­lungs­kla­ge ist zulässig. Ins­be­son­de­re be­steht das er­for­der­li­che Fest­stel­lungs­in­ter­es­se nach § 256 Abs. 1 ZPO. Der Kläger hat ein recht­li­ches In­ter­es­se dar­an, durch das Ge­richt fest­stel­len zu las­sen, ob ihm für die Jah­re 2013 und da­nach je­weils 30 Ur­laubs­ta­ge zu­ste­hen. Der grundsätz­li­che Vor­rang der Leis­tungs­kla­ge steht der Zulässig­keit ei­ner Kla­ge, mit der ein Ar­beit­neh­mer den Um­fang des ihm zu­ste­hen­den Ur­laubs ge­richt­lich fest­ge­stellt ha­ben will, nicht ent­ge­gen, vgl. BAG, Ur­teil vom 20. 03. 2012 – 9 AZR 529/10 – und vom 12. 04. 2011 – 9 AZR 80/10 –.

Der … ge­bo­re­ne Kläger hat ein recht­lich an­er­kann­tes In­ter­es­se dar­an, als­bald zu er­fah­ren, ob ihm be­reits vor Voll­endung des 50. Le­bens­jah­res drei wei­te­re Ur­laubs­ta­ge für das Jahr 2013 und 30 Ur­laubs­ta­ge Jah­res­ur­laub für die Zeit von 2014 - 2017 zu­ste­hen. Der An­trag be­zieht sich nach dem Wort­laut zwar auf den ge­sam­ten Jah­res­ur­laub. Er kann je­doch auch für die Jah­re 2014 - 2017 so aus­ge­legt wer­den, dass er sich nur auf drei wei­te­re Ur­laubs­ta­ge im Ka­len­der­jahr be­zieht. Denn zwi­schen den Par­tei­en be­steht kein Streit darüber, dass dem Kläger der sich aus der Staf­fe­lung nach § 7 Abs. 2 MTV er­ge­ben­de Jah­res­ur­laub von der­zeit 27 Ta­gen und ab 2018 von 30 Ar­beits­ta­gen nach dem der­zeit gülti­gen MTV zu­steht. Aus dem Ge­samt­be­griff des kläge­ri­schen Vor­tra­ges wird deut­lich,

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dass sein An­trag auf die Fest­stel­lung des Be­ste­hens drei­er zusätz­li­cher Ur­laubs­ta­ge ge­rich­tet ist. Dem Fest­stel­lungs­in­ter­es­se steht ins­ge­samt auch nicht ent­ge­gen, dass der Kläger ab dem Jahr 2018 ei­nen Ur­laubs­an­spruch von 30 Ta­gen hat. Eben­falls aus dem In­be­griff des ge­sam­ten Vor­tra­ges er­gibt sich, dass der Kläger für die Zwi­schen­zeit – für die Jah­re 2013 bis 2017 – streit­ge­genständ­lich ei­nen um drei Ur­laubs­ta­ge jähr­lich erhöhten Ur­laubs­an­spruch be­gehrt.

So­weit die Be­klag­te gel­tend macht, es sei klar­zu­stel­len ge­we­sen, dass sich der An­spruch des Klägers le­dig­lich auf den Ta­rif­text in der Fas­sung aus dem Jah­re 2002 be­zie­he, be­durf­te es die­ser Klar­stel­lung nicht. Bei dem Kla­ge­an­trag han­delt es sich um ei­nen ge­gen­warts­be­zo­ge­nen Fest­stel­lungs­an­trag, für des­sen Ent­schei­dung es grundsätz­lich auf die Sach­la­ge zum Zeit­punkt der letz­ten münd­li­chen Ver­hand­lung vor dem Lan­des­ar­beits­ge­richt an­kommt, vgl. BAG, Ur­teil vom 15. 05. 2013 – 7 AZR 494/11 – NZA 2013, 1267, Rz. 15 ff und BAG, Ur­teil vom 21. 10. 2014 – 9 AZR 956/12 –. Späte­re Ände­run­gen des Ta­rif­ver­tra­ges wer­den nämlich von der Rechts­kraft der vor­lie­gen­den Ent­schei­dung nicht er­fasst.

II.
Die Be­ru­fung ist be­gründet.

Der Kläger hat ge­genüber der Be­klag­ten ei­nen ka­len­derjähr­li­chen Ur­laubs­an­spruch im streit­ge­genständ­li­chen Zeit­raum von 2013 – 2017 von der­zeit 27 Ar­beits­ta­gen. Ein wei­te­rer Ur­laubs­an­spruch von 3 Ar­beits­ta­gen be­steht nicht. Die­ser Ur­laubs­an­spruch ist ihm in der Ver­gan­gen­heit gewährt wor­den. Es sind kei­ne Gründe er­sicht­lich, dass ihm auch bis zum Jahr 2017 27 Ur­laubs­ta­ge nicht gewährt wer­den würden.

Für das Jahr 2013 hat der Kläger gemäß §§ 280 Abs. 1, 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3, §§ 287 S. 2, 249 Abs. 1 BGB auch kei­nen An­spruch auf Gewährung von Er­satz­ur­laub im Um­fan­ge von drei Ar­beits­ta­gen.

1.
Die Ur­laubs­staf­fe­lung in § 7 Abs. 2 MTV verstößt nicht ge­gen § 1, 3 Abs. 1 AGG, so­weit sie Ar­beit­neh­mern, die noch nicht das 50., aber das 40. Le­bens­jahr voll­endet ha­ben, nur 27 Ar­beits­ta­ge Ur­laub gewährt und ist da­her nicht nach § 7 Abs. 1 und Abs. 2 AGG

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i. V. m. § 134 BGB un­wirk­sam. Ei­ne An­pas­sung des Ur­laubs­an­spru­ches des Klägers auf 30 Ar­beits­ta­ge jähr­lich, ist da­her nicht vor­zu­neh­men. Für die­se Dif­fe­ren­zie­rung liegt ein sach­li­cher Grund nach § 10 AGG vor.

a) Zu­tref­fend hat das Ar­beits­ge­richt die Ur­laubs­staf­fe­lung in § 7 Abs. 2 MTV am AGG ge­mes­sen. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG gel­ten die Dis­kri­mi­nie­rungs­ver­bo­te der §§ 1, 7 AGG auch für die in kol­lek­tiv­recht­li­chen Ver­ein­ba­run­gen ge­re­gel­ten Beschäfti­gungs- und Ar­beits­be­din­gun­gen. Un­ter sol­chen Be­din­gun­gen sind al­le Umstände zu ver­ste­hen, auf­grund de­rer und un­ter de­nen die Ar­beits­leis­tung zu er­brin­gen ist, vgl. BAG, Ur­teil vom 13. 10. 2009 – 9 AZR 722/08 – so­wie vom 20. 03. 2012 – 9 AZR 529/10 –. Zu den Beschäfti­gungs- und Ar­beits­be­din­gun­gen gehört auch der Ur­laub. Die Gewährung von wei­te­ren Ur­laubs­ta­gen knüpft an die Voll­endung ei­nes be­stimm­ten Le­bens­al­ters und da­mit un­mit­tel­bar an das Le­bens­al­ter der Beschäftig­ten an. Ar­beit­neh­mer, die die­se Al­ters­gren­ze nicht er­reicht ha­ben, wer­den we­gen des Al­ters ungüns­ti­ger be­han­delt. Dies stellt zwar ei­ne un­mit­tel­ba­re Be­nach­tei­li­gung nach § 3 Abs. 1 S. 1 AGG dar; die­se ist aber ge­recht­fer­tigt.

b) Der Um­stand, dass die Re­ge­lung in § 7 Abs. 2 MTV be­reits im Jahr 2002 und da­mit schon vor dem AGG im Au­gust 2006 in Kraft ge­tre­ten ist, steht nicht ent­ge­gen. Ei­ner­seits ist die Fas­sung des Man­tel­ta­rif­ver­tra­ges durch die Pro­to­koll­no­tiz vom 30. 03. 2007 erst nach In­kraft­tre­ten des AGG er­neut in Kraft ge­tre­ten, an­de­rer­seits ist die für die ab den Jah­ren 2013 gel­tend ge­mach­te Be­nach­tei­li­gung durch § 7 Abs. 2 MTV erst nach In­kraft­tre­ten des AGG im Au­gust 2006 ein­ge­tre­ten. Da § 33 Abs. 1 AGG in­so­weit kei­ne Über­g­angs­re­ge­lung enthält, fin­det das AGG auch dann An­wen­dung, wenn die Be­nach­tei­li­gung auf ei­nem vor In­kraft­tre­ten des AGG ab­ge­schlos­se­nen Ta­rif­ver­tra­ges be­ruht, denn es kommt al­lein auf den Zeit­punkt der Be­nach­tei­li­gungs­hand­lung an, vgl. BAG, Ur­teil vom 16. 12. 2008 – 9 AZR 985/07 – so­wie vom 20. 03. 2012 – aaO, die hier nach Au­gust 2006 ein­trat.

c) Die in § 7 Abs. 2 MTV vor­ge­nom­me­ne Un­gleich­be­hand­lung ist je­den­falls we­gen der Stei­ge­rung ab dem 50. Le­bens­jahr – und nur die­se ist im vor­lie­gen­den Fall streit­ge­genständ­lich – ge­recht­fer­tigt.

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aa) Zwar han­delt es sich vor­lie­gend nicht um ei­ne nach § 8 AGG zulässi­ge un­ter­schied­li­che Be­hand­lung we­gen der be­ruf­li­chen An­for­de­run­gen. Die Ur­laubs­staf­fel des § 7 Abs. 2 MTV knüpft nicht an die Art der aus­zuüben­den Tätig­keit oder die Be­din­gung ih­rer Ausübung an. Sie stellt nicht auf die Art der aus­zuüben­den Tätig­keit ab und be­an­sprucht da­mit Gel­tung für al­le dem MTV un­ter­fal­len­den Beschäftig­ten. Dem MTV un­ter­fal­len je­doch nicht nur Beschäftig­te mit ver­mehr­ten körper­li­chen An­stren­gun­gen, son­dern auch Beschäftig­te, die mit Bürotätig­kei­ten be­traut sind, wie sich z. B. aus den Be­rufs­bil­dern für Lohn­buch­hal­ter, Fi­nanz­buch­hal­ter und Se­kretäre mit kaufmänni­scher Aus­bil­dung er­gibt, vgl. Be­wer­tungs­grup­pe 7 des Ent­gelt­ta­rif­ver­tra­ges für das Ho­tel- und Gaststätten­ge­wer­be in Sach­sen-An­halt vom 30. 03. 2010 (Bl. 38 ff. d. A.) er­gibt. Für den vor­lie­gen­den MTV las­sen sich ge­stei­ger­te be­ruf­li­che An­for­de­run­gen we­gen der Art der aus­zuüben­den Tätig­kei­ten oder der Be­din­gun­gen der Ausübung nicht ent­neh­men. Dem MTV un­ter­fal­len sehr un­ter­schied­li­che Ar­beit­neh­mer­grup­pen, oh­ne dass in § 7 Abs. 2 MTV ei­ne Dif­fe­ren­zie­rung bei der Ur­laubs­staf­fe­lung nach der Art der Be­las­tung vor­ge­nom­men wor­den wäre. Die Be­klag­te kann sich auch nicht auf die von ihr vor­ge­leg­te Stel­lung­nah­me der den MTV ab­sch­ließen­den DE­HO­GA vom 08. 05. 2013 (vgl. Bl. 35 d. A.) be­ru­fen. Die Aus­kunft enthält nur all­ge­mei­ne Ausführun­gen zur Kom­pen­sa­ti­on al­ters­be­ding­ter Be­las­tun­gen. Auf kon­kre­te Ver­hand­lungs­in­hal­te wird dar­in nicht ver­wie­sen.

bb) Die Un­gleich­be­hand­lung ist le­dig­lich in der letz­ten Ur­laubs­staf­fe­lung ab 50 Jah­re nach § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG ge­recht­fer­tigt. Nur die­ser Teil der Re­ge­lung be­zweckt bei Berück­sich­ti­gung ei­nes Ge­stal­tungs- und Er­mes­sens­spiel­raums der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en (vgl. BAG, Ur­teil vom 20. 03. 2012 – aaO so­wie Ur­teil vom 21. 10. 2014 - aaO) den Schutz älte­rer Ar­beit­neh­mer und ist er­for­der­lich und an­ge­mes­sen im Sin­ne von § 10 Satz 2 AGG. Nach § 10 S. 1 AGG ist ei­ne un­ter­schied­li­che Be­hand­lung we­gen des Al­ters zulässig, wenn sie ob­jek­tiv und an­ge­mes­sen und durch ein le­gi­ti­mes Ziel ge­recht­fer­tigt ist. Die Mit­tel zur Er­rei­chung die­ses Ziels müssen außer­dem er­for­der­lich sein. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG kon­kre­ti­siert u. a. das le­gi­ti­me Ziel des Schut­zes älte­rer Beschäftig­ter, wo­bei die­ser Schutz auch die Fest­le­gung be­son­de­rer Beschäfti­gungs- und Ar­beits­be­din­gun­gen ein­sch­ließen kann, vgl. BAG, Ur­teil vom 21. 10. 2014 – aaO und vom 20. 03. 2012 – aaO. § 10 AGG dient der Um­set­zung von Ar­ti­kel 6 der Richt­li­nie 2000/78/EG des Ra­tes vom 27. No­vem­ber 2000 zur Fest­le­gung ei­nes all­ge­mei­nen Rah­mens für die Ver­wirk­li­chung der

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Gleich­be­hand­lung in Beschäfti­gung und Be­ruf (ABl. EG L 303 vom 2. De­zem­ber 2000, S. 16) in das na­tio­na­le Recht.

Dem Ar­beit­ge­ber steht bei frei­wil­li­gen zusätz­li­chen Leis­tun­gen – wo­zu auch die Gewährung von über­ge­setz­li­chem Mehr­ur­laub gehört – ein von den Ge­rich­ten zu re­spek­tie­ren­der Ge­stal­tungs- und Er­mes­sens­spiel­raum zu, vgl. BAG, Ur­teil vom 21. 10. 2014 – 9 AZR 956/12 und vom 12. 11. 2013 – 3 AZR 356/12 – und vom 12. 02. 2013 – 3 AZR 100/11 –. Dies gilt auch für die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en. In der Recht­spre­chung des EuGH ist an­er­kannt, dass die Mit­glieds­staa­ten und eben­falls die So­zi­al­part­ner auf na­tio­na­ler Ebe­ne beim ge­genwärti­gen Stand des Uni­ons­rechts nicht nur bei der Ent­schei­dung, wel­ches kon­kre­te Ziel von meh­re­ren sie im Be­reich der Ar­beits- und So­zi­al­po­li­tik ver­fol­gen wol­len, son­dern auch bei der Fest­le­gung der Maßnah­men zur Ziel­er­rei­chung über ei­nen wei­ten Ge­stal­tungs­spiel­raum verfügen, vgl. EuGH, Ur­teil vom 16. 10. 2007 – C 411/05 –. 

Bei An­wen­dung die­ser Grundsätze ist die Dif­fe­ren­zie­rung in der letz­ten Stu­fe ab dem 50. Le­bens­al­ter sach­lich ge­recht­fer­tigt.

Auf­grund der fest­ste­hen­den un­strei­ti­gen Un­gleich­be­hand­lung ist der Kläger der ihm gemäß § 22 AGG ob­lie­gen­den Dar­le­gungs- und Be­weis­last zunächst nach­ge­kom­men (vgl. zu den An­for­de­run­gen nur: BAG, Ur­teil vom 16. 10. 2014 – 6 AZR 661/12. Al­ler­dings hat die Be­klag­te als die­je­ni­ge, die sich auf den Recht­fer­ti­gungs­grund nach § 10 AGG be­ruft und des­halb in­so­weit dar­le­gungs- und be­weis­pflich­tig ist, vgl. BAG, Ur­teil vom 24. 01. 2013 – 8 AZR 429/11 – aus­rei­chen­de sach­li­che Gründe für die letz­te Dif­fe­ren­zie­rung der Al­ters­grup­pe ab 50 Jah­ren vor­ge­tra­gen.

Die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en ha­ben das mit der Ur­laubs­staf­fe­lung ver­folg­te Ziel zwar nicht aus­drück­lich ge­nannt. Dies ist je­doch nicht er­heb­lich. Nennt ei­ne Re­ge­lung oder Maßnah­me kein Ziel, müssen zu­min­dest aus dem Kon­text ab­zu­lei­ten­de An­halts­punk­te die Fest­stel­lung des hin­ter der Re­ge­lung oder der Maßnah­me ste­hen­den Zie­les es ermögli­chen, die Le­gi­ti­mität des Ziels so­wie die An­ge­mes­sen­heit und die Er­for­der­lich­keit der zu sei­ner Er­rei­chung ein­ge­setz­ten Mit­tel ge­richt­lich über­prüfen zu können. Da­bei können nach der Recht­spre­chung des Ge­richts­ho­fes der Eu­ropäischen Uni­on die so­zi­al­po­li­ti­schen Zie­le als le­gi­tim an­ge­se­hen wer­den, die im all­ge­mei­nen In­ter­es­se ste­hen. Der­je­ni­ge, der ei­ne Un­gleich­be­hand­lung vor­nimmt, muss den na­tio­na­len Ge­rich­ten in ge­eig­ne­ter Wei­se die Möglich­keit der Prüfung einräum­en, ob mit der Un­gleich­be­hand­lung ein Ziel

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an­ge­strebt wird, das die Un­gleich­be­hand­lung un­ter Be­ach­tung der Zie­le der Richt­li­nie 2000/78/EG recht­fer­tigt (vgl. EuGH vom 05. März 2009 – C – 388/07 und BAG, Ur­teil vom 20. 03. 2012 – 9 AZR 529/10 –). Denn das na­tio­na­le Ge­richt hat zu prüfen, ob mit der Re­ge­lung oder Maßnah­me ein rechtmäßiges Ziel i. S. d. Ar­ti­kel 6 Abs. 1 Un­ter­ab­satz 1 der Richt­li­nie 2000/78/EG ver­folgt wird. Glei­ches gilt für die Fra­ge, ob die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en als Norm­ge­ber an­ge­sichts des vor­han­de­nen Wer­tungs­spiel­rau­mes da­von aus­ge­hen durf­ten, dass die gewähl­ten Mit­tel zur Er­rei­chung die­ses Ziels an­ge­mes­sen und er­for­der­lich wa­ren.

Das AGG de­fi­niert in § 10 S. 3 Nr. 1 eben­so wie Ar­ti­kel 6 Abs. 1 Un­ter­ab­satz 2 Buch­sta­be a der Richt­li­nie 2000/78/EG nicht, wann ein Beschäftig­ter „älter“ im Sin­ne der Norm ist (vgl. zum herkömmli­chen Verständ­nis: BAG, Ur­teil vom 18. 09. 2014 – 6 AZR 636/13 –). Nach dem Sinn und Zweck des Be­nach­tei­li­gungs­ver­bo­tes reicht es oh­ne das Vor­lie­gen an­de­rer Dif­fe­ren­zie­rungs­gründe nicht aus, dass das Al­ter der begüns­tig­ten Ar­beit­neh­mer höher ist als das Al­ter der nicht begüns­tig­ten. Dem­ent­spre­chend hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt an­ge­nom­men, ein Ar­beit­neh­mer sei nach Voll­endung des 31. Le­bens­jah­res of­fen­sicht­lich noch kein älte­rer Beschäftig­ter i. S. v. § 10 S. 3 Nr. 1 AGG, vgl. BAG, Ur­teil vom 13. 10. 2009 – 9 AZR 722/08 –. Aus dem sys­te­ma­ti­schen Zu­sam­men­hang mit § 10 S. 1 AGG und aus dem Re­ge­lungs­zweck fol­ge, dass die begüns­tig­ten Ar­beit­neh­mer auf­grund ih­res Al­ters der Förde­rung bei der be­ruf­li­chen Ein­glie­de­rung oder des Schut­zes bedürfen müss­ten.

Wenn je­doch ei­ne Ta­rif­re­ge­lung die Ur­laubs­dau­er nach dem Le­bens­al­ter staf­fe­le, lie­ge zu­min­dest die An­nah­me na­he, die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en hätten da­mit ei­nem mit dem zu­neh­men­den Al­ter ge­stei­ger­ten Er­ho­lungs­bedürf­nis älte­rer Ar­beit­neh­mer Rech­nung tra­gen wol­len, vgl. BAG, Ur­teil vom 20. 03. 2012 – 9 AZR 529/10 –, Rd­nr. 23 und vom 21. 10. 2014 – 9 AZR 956/12 – Rd­nr. 30. Al­ler­dings darf die­se An­nah­me durch die kon­kre­te Wahl der Al­ters­gren­zen nicht selbst wi­der­legt wer­den. So hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt in der Ent­schei­dung vom 20. 03. 2012 – aaO – nicht an­ge­nom­men, dass nur mit zu­neh­men­dem Al­ter das Er­ho­lungs­bedürf­nis von Ar­beit­neh­mern stei­ge. Es hat al­ler­dings ab ei­nem be­stimm­ten Al­ter – kon­kret bei über 50 oder über 60jähri­gen Beschäftig­ten – ein al­ters­be­dingt ge­stei­ger­tes Er­ho­lungs­bedürf­nis für "eher nach­voll­zieh­bar" ge­hal­ten, vgl. dort Rz. 24 ff..

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Im Streit­fall er­gibt sich die An­knüpfung an das ge­stei­ger­te Er­ho­lungs­bedürf­nis älte­rer Ar­beit­neh­mer be­reits dar­aus, dass ei­ne sehr dif­fe­ren­zier­te Staf­fe­lung nach dem Le­bens­al­ter vor­ge­nom­men wor­den ist, ins­be­son­de­re auch für die Grup­pe der über 50jähri­gen Ar­beit­neh­mer.

Die­se An­nah­me wird nicht da­durch wi­der­legt, dass die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en mit den übri­gen Al­ters­staf­fe­lun­gen Al­ters­gren­zen gewählt ha­ben, die kei­ne aus­rei­chen­de Grund­la­ge für ei­ne sach­li­che Recht­fer­ti­gung dar­stel­len. An­ders als noch in der Ent­schei­dung des BAG vom 20. 03. 2012 – 9 AZR 529/10 – ha­ben die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en sich nicht dar­auf be­schränkt, nur sol­che Al­ters­gren­zen fest­zu­le­gen, die of­fen­sicht­lich nicht dem Schutz älte­rer Ar­beit­neh­mer i. S. v. § 10 S. 3 Nr. 1 AGG die­nen können. Al­ler­dings ist je­de Al­ters­gren­ze ge­son­dert auf ih­re Wirk­sam­keit zu über­prüfen. Aus der Un­wirk­sam­keit ein­zel­ner Al­ters­gren­zen kann da­her nicht auf die Un­wirk­sam­keit der übri­gen Al­ters­gren­zen ge­schlos­sen wer­den. Zu­dem fin­det ei­ne In­halts­kon­trol­le gemäß §§ 305 ff. BGB nach § 310 Abs. 4 S. 1 BGB nicht statt, vgl. LAG Sach­sen-An­halt, Ur­teil vom 11. 02. 2015 – 5 Sa 80/14 –.

Ar­beit­neh­mer des Ho­tel- und Gaststätten­ge­wer­bes in Sach­sen-An­halt, die das 50. Le­bens­jahr voll­endet ha­ben, sind je­den­falls älte­re Ar­beit­neh­mer i. S. d. § 10 Abs. 3 Nr. 1 AGG.

Da­ge­gen sind die Al­ters­gren­zen von 26 und 31 Jah­ren so­wie auch von 40 Le­bens­jah­ren sach­lich nicht ge­recht­fer­tigt im Sin­ne von § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG. Sol­che Ar­beit­neh­mer sind of­fen­sicht­lich noch kei­ne älte­ren Beschäftig­ten in die­sem Sin­ne.

Die Be­klag­te kann sich mit ih­ren Ausführun­gen zu den frühe­ren körper­li­chen Be­las­tun­gen im Ho­tel- und Gaststätten­ge­wer­be nicht er­folg­reich dar­auf be­ru­fen, dass der Ge­sund­heits­schutz es ge­bie­te, schon ab dem 26. Le­bens­jahr Dif­fe­ren­zie­run­gen vor­zu­neh­men. Glei­ches gilt für Dif­fe­ren­zie­run­gen ab dem 31. und 40. Le­bens­jahr. Die Be­klag­te hat in­so­weit nur all­ge­mei­ne Ausführun­gen vor­ge­nom­men. Der frühe Be­rufs­ein­stieg als sol­cher steht in kei­nem nach­voll­zieh­ba­ren Zu­sam­men­hang mit der Leis­tungsfähig­keit. So­weit sich die Be­klag­te auf die Stu­die von H… be­zieht, nach der die Körper­kraft be­reits ab dem 25. Le­bens­jahr sinkt, ist dies nicht ein­deu­tig. An an­de­rer Stel­le des Do­ku­ments (Sei­te 3) stellt H… klar, dass die körper­li­che Leis­tungsfähig­keit erst ab dem 35. Le­bens­jahr um jähr­lich 1 bis 1,5 % sin­ke. Selbst wenn die­se Zah­len als zu­tref­fend un­ter­stellt wer­den können, so

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fehlt es an dem Zu­sam­men­hang die­ser Stu­die zu „Kraft und funk­tio­nel­ler Leis­tung im Al­ter“ mit den aus­zuüben­den Tätig­kei­ten. Es ist schon nicht fest­stell­bar, dass für die aus­zuüben­den Tätig­kei­ten für ei­ne ein­hun­dert­pro­zen­ti­ge Leis­tung auch ein­hun­dert Pro­zent der Körper­kraft des Men­schen er­for­der­lich sind. Auch die fest­ge­leg­ten Al­ters­gren­zen ent­spre­chen nicht die­ser Stu­die, bei der es sich, so­weit er­kenn­bar, nicht um ei­ne ar­beits­me­di­zi­ni­sche Un­ter­su­chung han­delt. Die gewähl­ten Zeiträume wi­der­spre­chen i. Ü. der Ar­gu­men­ta­ti­on der Be­klag­ten, die selbst von ei­nem Fünf­jah­res­zeit­raum aus­geht. Auch die all­ge­mei­nen Hin­wei­se auf mögli­che Er­kran­kun­gen von Kell­nern und sons­ti­gen Beschäftig­ten so­wie de­ren über­wie­gen­de Tätig­kei­ten im Ge­hen und Ste­hen recht­fer­ti­gen die Dif­fe­ren­zie­rung oh­ne kon­kre­te An­knüpfungs­punk­te an das Le­bens­al­ter nicht, vgl. in­so­weit auch: LAG Sach­sen-An­halt, Ur­teil vom 11. 02. 2015 – 5 Sa 80/14 –. Darüber hin­aus ist der vor­lie­gen­de Kläger nicht als Kell­ner beschäftigt.

Das wei­te­re Ar­gu­ment der Be­klag­ten, es be­ste­he ein Zu­sam­men­hang zwi­schen mehr Ur­laubs­ta­gen und dem äußeren Er­schei­nungs­bild ist nicht nach­voll­zieh­bar. Der Kläger ist be­reits nicht im un­mit­tel­ba­ren Gast­kon­takt tätig.

Dem­ge­genüber ist für das Ho­tel- und Gaststätten­ge­wer­be in Sach­sen-An­halt je­doch an­zu­neh­men, dass es sich bei den beschäftig­ten Ar­beit­neh­mern, die min­des­tens 50 Jah­re alt sind, um älte­re Beschäftig­te in Sin­ne des Recht­fer­ti­gungs­grun­des von § 10 S. 3 Nr. 1 AGG han­delt.

Für die vor­lie­gen­de Al­ters­gren­ze des 50. Le­bens­jah­res für den Be­reich des Ho­tel- und Gaststätten­ge­wer­bes gilt ein Er­fah­rungs­satz, dass ein größerer Er­ho­lungs­be­darf in erhöhtem Al­ter ab 50 Jah­ren be­steht. Nach den vom Bun­des­ar­beits­ge­richt in der Ent­schei­dung vom 21. 10. 2014 – aaO ge­nann­ten Ausführun­gen gilt die­ser Wir­kungs­zu­sam­men­hang von er­reich­tem Le­bens­al­ter und Krank­heits­anfällig­keit für al­le pri­va­ten und öffent­li­chen Sys­te­me der Kran­ken-, Ren­ten- und Le­bens­ver­si­che­rung. Die­se be­ru­hen sämt­lichst auf je­ner Er­war­tung, vgl. BAG, Ur­teil vom 06. 11. 2008 – 2 AZR 523/07 –. Darüber hin­aus kom­men auch Stu­di­en – wie et­wa die ILO-Emp­feh­lung Nr. 162 vom 23. 06. 1980 und der WHO Tech­ni­cal Re­port Se­ries 835 "Aging and Working Ca­pa­ci­ty" (deut­sche Über­set­zung: "Al­tern und Ar­beit") 1994 – zu die­sem Er­geb­nis. Die Er­geb­nis­se die­ser Un­ter­su­chun­gen wer­den z. B. durch den "Fort­schritts­re­port al­ters­ge­rech­te Ar­beits­welt", Aus­ga­be 3 des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums für Ar­beit und So­zia­les, Stand Sep­tem­ber 2013 bestätigt. Nach die­sem hat sich zwar die körper­li­che Kon­sti­tu­ti­on be­son­ders für die Al­ters­grup­pe der 45-

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bis 64-Jähri­gen ver­bes­sert. Den­noch zeigt die Stu­die wei­ter­hin ei­nen An­stieg der An­zahl der krank­heits­be­ding­ten Fehl­ta­ge so­wie ei­ne Ver­schlech­te­rung des Ge­sund­heits­zu­stan­des mit fort­schrei­ten­dem Le­bens­al­ter, vgl. dort Zif­fer 3.1 und Zif­fer 4.2, Ta­bel­le 2. Ins­be­son­de­re bei be­las­ten­den Be­ru­fen nimmt da­nach die An­zahl krank­heits­be­ding­ter Fehl­ta­ge im Al­ter über­pro­por­tio­nal zu und der Ge­sund­heits­zu­stand ver­schlech­tert sich eben­falls über­pro­por­tio­nal, vgl. Zif­fer 4.2 der Stu­die, vgl. BAG, Ur­teil vom 21. 10. 2014 – 9 AZR 956/12 –.

Auch bei ein­fa­chen Dienst­leis­tun­gen und ein­fa­chen ma­nu­el­len Be­ru­fen ver­schlech­te­re sich nach die­ser Un­ter­su­chung der Ge­sund­heits­zu­stand in der Al­ters­grup­pe 55 – 64 Jah­re im Ver­gleich zum Durch­schnitt "im­mer noch deut­lich" (vgl. Zif­fer 3.4). Zu­min­dest hin­sicht­lich die­ser Be­ru­fe er­schei­ne die An­nah­me ei­nes größeren Er­ho­lungs­be­dar­fes im erhöhten Al­ter als nicht feh­ler­haft (vgl.: Rein­hard, Ar­bRB 2012, 342, 343). Auch die Geg­ner ei­nes all­ge­mei­nen Er­fah­rungs­sat­zes gestünden zu, dass bei ge­sund­heit­lich be­son­ders be­las­ten­den Tätig­kei­ten ein ge­stei­ger­ter Er­ho­lungs­be­darf mit zu­neh­men­dem Al­ter an­ge­nom­men wer­den könne, vgl. die Ausführun­gen in der Ent­schei­dung des Bun­des­ar­beits­ge­richts vom 21. 10. 2014 – 9 AZR 956/12 –, dort Rz. 26. Dem ist auch das Lan­des­ar­beits­ge­richt Rhein­land-Pfalz in der Ent­schei­dung vom 07. 09. 2012 – 6 Sa 709/11, Rz. 198 ff. ge­folgt. Ins­be­son­de­re das Bun­des­ar­beits­ge­richt ver­weist vor dem Hin­ter­grund des zum Aus­gleich ein­ge­schränk­ter Chan­cen Älte­rer auf dem Ar­beits­markt gel­ten­den § 417 SGB III auf ei­ne Gren­ze des voll­ende­ten 50. Le­bens­jah­res, vgl. LAG Rhein­land-Pfalz, aaO, Rz. 198 so­wie BAG, Ur­teil vom 20. 03. 2012 – 9 AZR 529/10 – Rd­nr. 20. Die WHO-Stu­di­en­grup­pe "Al­tern und Ar­beit" nahm 1991 aus ar­beits­me­di­zi­ni­scher Sicht we­gen auf­tre­ten­der Schwie­rig­kei­ten in Ar­beit und Be­ruf be­reits ei­ne Gren­ze ab dem 45. Le­bens­jahr an. Ei­nem sol­chen Er­fah­rungs­grund­satz liegt auch die ar­beits­me­di­zi­ni­sche Er­kennt­nis zu Grun­de, dass ab dem 50. Le­bens­jahr von ei­nem um ca. 30 % ver­min­der­ten Be­las­tungs- und Ge­sund­heits­zu­stand, na­ment­lich auf­grund von Ske­lett-, Mus­kel-, Lun­gen-, Herz- und Sin­nes­funk­ti­ons­ein­bußen aus­zu­ge­hen sei, WHO Tech­ni­cal Re­port Se­ries 835 Aging and Working Ca­pa­ci­ty - Al­tern und Ar­beit 1994 S. 20 ff.; Dun­kel-Benz, NZA Bei­la­ge 1, 2008, S. 25 ff.; Lehr eben­da, S. 3, 7; Win­kels, De­mo­gra­fi­scher Wan­del: Her­aus­for­de­run­gen und Chan­cen für Per­so­nal­ent­wick­lung und be­trieb­li­che Wei­ter­bil­dung, S. 63 ff.; Lan­ge, Ver­hal­tens­dis­po­si­tio­nen älte­rer Ar­beit­neh­mer im Zei­chen des de­mo­gra­fi­schen Wan­dels, S. 35 f.; sämt­lichst zi­tiert nach LAG Rhein­land-Pfalz, Ur­teil vom 7. 09. 2012, aaO, Rz. 202. Trotz in­di­vi­du­el­ler Un­ter­schie­de hand­le es sich in­so­weit um ei­nen für je­de Per­son le­bens­be­glei­ten­den

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Pro­zess, der die Fähig­keit zu körper­li­cher Höchst­leis­tung ver­rin­ge­re, Hör- und Sehfähig­keit schmäle­re und Re­ak­ti­onsfähig­kei­ten, Be­we­gungs­ko­or­di­na­ti­on und Ge­schick­lich­kei­ten min­de­re (vgl. Koll­mer/Klindt/Schmidt, Ar­beits­schutz­ge­setz, Syst A Rd­nr. 72 ff.).

Un­ter Berück­sich­ti­gung die­ser An­nah­men, die auch die Kläger­sei­te nicht ernst­lich und schlüssig in Fra­ge ge­stellt hat, durf­ten die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en auf­grund der Spann­brei­te der Tätig­keit im Dienst­leis­tungs­sek­tor und auf­grund ih­res Er­mes­sens­spiel­rau­mes an­neh­men, dass im Be­reich des Ho­tel- und Gaststätten­ge­wer­bes be­reits ab dem 50. Le­bens­jahr ein größerer Er­ho­lungs­be­darf be­steht. Je­den­falls ist nach Auf­fas­sung der Be­ru­fungs­kam­mer die Al­ters­gren­ze von 50 Jah­ren nach­voll­zieh­bar. Dies steht auch im Ein­klang mit der ge­setz­ge­be­ri­schen Wer­tung; in­so­weit sei nur auf § 417 SGB III und § 89 S. 3 SGB III in der seit dem 01. Ja­nu­ar 2015 gel­ten­den Fas­sung zu ver­wei­sen.

Da­mit han­delt es sich bei der Al­ters­stu­fe nach § 7 Abs. 2 MTV ab 50 Jah­ren um ei­ne ob­jek­ti­ve Re­ge­lung im Sin­ne des § 10 Satz 1 AGG. Das ist im­mer dann der Fall, wenn das ver­folg­te In­ter­es­se auf tatsächli­chen und nach­voll­zieh­ba­ren Erwägun­gen und die Un­gleich­be­hand­lung nicht nur von bloßen Ver­mu­tun­gen oder sub­jek­ti­ven Einschätzun­gen vor­ge­nom­men wird, vgl. BAG, Ur­teil vom 13. 10. 2009 – 9 AZR 722/08 – Rn. 64). Die­se Re­ge­lung ist für die ab 50 Jähri­gen auch ge­eig­net, dem Ziel der al­ters­be­dingt ver­min­der­ten Leis­tungsfähig­keit Rech­nung zu tra­gen.

Der Mehr­ur­laub von drei Ta­gen im Ka­len­der­jahr – maßgeb­lich ist im Streit­fall nur der Ver­gleich zwi­schen den letz­ten bei­den Al­ters­grup­pen – ist auch ge­eig­net, den Zweck nach § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG zu fördern. Un­er­heb­lich ist da­bei, ob der ge­stei­ger­te Er­ho­lungs­be­darf ganz oder nur par­ti­ell aus­ge­gli­chen wird, vgl. BAG, Ur­teil vom 21. 10. 2014 – 9 AZR 956/12 – Rn. 34).

Die Re­ge­lung ist darüber hin­aus er­for­der­lich und an­ge­mes­sen im Sin­ne von § 10 Satz 2 AGG.

Die von den Ta­rif­ver­trags­par­tei­en in § 7 Abs. 2 MTV ge­trof­fe­ne Al­ters­gren­ze von 50 Jah­ren er­scheint nach dem ge­genwärti­gen Stand der ar­beits­me­di­zi­ni­schen Dis­kus­si­on ei­ner Spann­brei­te von 45 bis 55 Jah­ren noch als an­ge­mes­sen.

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Die Mehr­ur­laubs­dau­er von drei Ta­gen ist auch nicht un­verhält­nismäßig. Sie liegt un­ter­halb des Zu­satz­ur­laubs von fünf Ta­gen für Schwer­be­hin­der­te (§ 125 SGB IX) und ent­spricht bei­spiels­wei­se der Re­ge­lung in BZTV Nr. 2 zum BMT-G 2.

Dem steht auch nicht ent­ge­gen, dass nicht al­le Beschäftig­ten im Ho­tel- und Gaststätten­ge­wer­be den­sel­ben Er­schwer­nis­sen von Dienst­leis­tungstätig­kei­ten un­ter­lie­gen. Es genügt, dass es sich um die Mehr­heit der Beschäftig­ten han­delt, worüber die Par­tei­en letzt­lich auch nicht strei­ten. Von den Ta­rif­ver­trags­par­tei­en war – auch im Hin­blick auf die prak­ti­sche Hand­hab­bar­keit und den Be­triebs­frie­den – nicht zu ver­lan­gen, nach kon­kre­ten Tätig­kei­ten zu dif­fe­ren­zie­ren und ein­zel­ne Beschäftig­ten­grup­pen von dem Mehr­ur­laub aus­zu­sch­ließen. Auf den in­di­vi­du­el­len Be­darf muss­te des­halb nicht ab­ge­stellt wer­den, vgl. BAG, Ur­teil vom 21. 10. 2014 – 9 AZR 956/12 – Rn. 34; vgl. zum Gan­zen auch LAG Sach­sen-An­halt, Ur­teil vom 11. 02. 2015 – 5 Sa 80/14 –). Die Erhöhung um 3 Ta­ge ab dem 50. Le­bens­jahr ori­en­tiert sich li­ne­ar an dem zu­neh­men­den Al­ter der Beschäftig­ten und dem er­kenn­bar nach­las­sen­den Leis­tungs­vermögen so­wie dem ge­stei­ger­ten Er­ho­lungs­bedürf­nis. Die Staf­fe­lun­gen er­fas­sen Sprünge von ei­nem Ur­laubs­tag ab dem 26. Le­bens­jahr und ei­nem wei­te­ren Ur­laubs­tag ab dem 31. Le­bens­jahr so­wie 2 Ta­gen ab dem 40. und eben 3 Ta­gen ab dem 50. Le­bens­jahr. Die­se Staf­fe­lun­gen sind – ent­ge­gen der frühe­ren Re­ge­lung für den TVöD, die in der Ent­schei­dung des Bun­des­ar­beits­ge­richts vom 20. 03. 2012 für nicht wirk­sam er­ach­tet wur­de – ent­spre­chend dem Al­ter und dem ab­neh­men­den Leis­tungs­vermögen li­ne­ar auf­ge­baut. Auch die­se zunächst mo­de­ra­te und dann später stei­gen­de Staf­fe­lung zeigt, dass die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en of­fen­sicht­lich das größere Er­ho­lungs­bedürf­nis bei höhe­rem Al­ter in­fol­ge Leis­tungs­ein­schränkun­gen im Blick hat­ten. Dass die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en für die über 60 Jähri­gen kei­ne wei­te­re Staf­fe­lung in Erwägung ge­zo­gen ha­ben, ist ir­re­le­vant. Die vor­ge­nom­me­ne Staf­fe­lung un­ter­schei­det sich stark von der­je­ni­gen, die das Bun­des­ar­beits­ge­richt in der Ent­schei­dung vom 20. 03. 2012 – aaO – für den öffent­li­chen Dienst zu un­ter­su­chen hat­te. Die vor­ge­nom­me­ne Staf­fe­lung wi­der­legt den Zweck des Schut­zes älte­rer Ar­beit­neh­mer bei erhöhtem Er­ho­lungs­bedürf­nis vor­lie­gend nicht zwin­gend.

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2.
Die Ent­schei­dung des BAG vom 21. 10. 2014 – 9 AZR 956/12 –, in der das Ge­richt ei­ne Al­ters­gren­ze von 58 Jah­ren als sach­ge­rech­te Al­ters­dif­fe­ren­zie­rung an­sah, steht nicht ent­ge­gen, weil dar­in ei­ne ge­ringfügig nied­ri­ge­re Al­ters­gren­ze nicht aus­ge­schlos­sen wird.

3.
Da dem Kläger be­reits der Er­ho­lungs­ur­laubs­an­spruch ab dem 40. Le­bens­jahr zu­ge­stan­den wird, die Staf­fe­lung ab dem 50. Le­bens­jahr je­doch sach­ge­recht und da­mit wirk­sam ist, steht ihm je­den­falls in der Zeit von 2013 bis 2017 kein Er­ho­lungs­ur­laubs­an­spruch von jähr­lich 30 Ta­gen zu. Für die Zeit ab 2018 muss­te vor­lie­gend kei­ne Ent­schei­dung ge­trof­fen wer­den, da die wei­te­re Stei­ge­rung um 3 Ta­ge zwi­schen den Par­tei­en nach Voll­endung des 50. Le­bens­jah­res des Klägers über­haupt nicht strei­tig ist.

III.
Die Kos­tent­schei­dung be­ruht auf § 97 Abs. 1 ZPO und trifft den Kläger, da er un­ter­liegt.

IV.
Die Zu­las­sung der Re­vi­si­on be­ruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

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