HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

ARBEITSRECHT AKTUELL // 07/34

Mehr­ar­beits­ver­gü­tung von Teil­zeit­be­am­ten ver­stößt ge­gen Lohn­gleich­heits­ge­bot.

Teil­zeit­be­am­tin­nen müs­sen die­sel­be Ver­gü­tung von Mehr­ar­beits­stun­den er­hal­ten wie (vor­wie­gend männ­li­che) Voll­zeit­be­am­te: Schluss­an­trä­ge des Ge­ne­ral­an­walts Dá­ma­so Ruiz-Ja­rabo Co­lo­mer, vom 10.07.2007, Rs. C-300/06
Europafahne Wo wä­re die ar­beits­recht­li­che Gleich­stel­lung von Frau­en in Deutsch­land oh­ne den EuGH?

16.08.2007. Beim The­ma Be­zah­lung sei­ner Be­am­ten und An­ge­stell­ten las­sen sich die Dienst­her­ren oft er­staun­lich viel Zeit, wenn es um die Um­set­zung von recht­li­chen Vor­ga­ben geht, die dem Schutz der Be­schäf­tig­ten vor un­ge­recht­fer­tig­ter Dis­kri­mi­nie­rung geht.

Ein Bei­spiel ist die Ver­gü­tung von Mehr­ar­beit, die Be­am­te auf der Grund­la­ge des deut­schen Be­am­ten­rechts für ge­leis­te­te "Über­stun­den" er­hal­ten.

Die­se Ver­gü­tung wird der­zeit so ge­hand­habt, dass Mehr­ar­beit, die Teil­zeit­be­am­te leis­ten, ge­rin­ger ver­gü­tet wird als die von Voll­zeit­be­am­ten er­brach­ten Mehr­ar­beits­stun­den. Da Teil­zeit aber im öf­fent­li­chen Dienst eben­so wie in der Pri­vat­wirt­schaft nach wie vor mehr­heit­lich von weib­li­chen Be­schäf­tig­ten ge­leis­te­te sind, liegt hier ei­ne mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung von Frau­en bzw. von Be­am­tin­nen vor.

Das hat vor kur­zem in ei­nem beim Eu­ro­päi­schen Ge­richts­hof (EuGH) an­hän­gi­gen deut­schen Vor­la­ge­fall der Ge­ne­ral­an­walt Dá­ma­so Ruiz-Ja­rabo Co­lo­mer deut­lich ge­macht: Schluss­an­trä­ge des Ge­ne­ral­an­walts Dá­ma­so Ruiz-Ja­rabo Co­lo­mer, vom 10.07.2007, Rs. C-300/06.

Verstößt die Be­zah­lung von Mehr­ar­beit, die Teil­zeit­be­am­te leis­ten, ge­gen das Ge­bot der glei­chen Be­zah­lung Männern und Frau­en?

Je nach­dem, wie die Vergütung von Über­stun­den ge­re­gelt ist, er­hal­ten Voll­zeit­kräfte mehr Geld pro ge­leis­te­te Über­stun­de als Teil­zeit­kräfte.

Ei­ne sol­che Art der Be­zah­lung ist ei­ne recht­lich ver­bo­te­ne Dis­kri­mi­nie­rung von Frau­en beim The­ma Be­zah­lung, da der weit über­wie­gen­de An­teil der Teil­zeit­beschäftig­ten nach wie vor weib­lich ist. Man spricht hier von ei­ner mit­tel­ba­ren Dis­kri­mi­nie­rung, da ein sol­cher Lohn­un­ter­schied ja nicht of­fi­zi­ell weib­li­che Beschäftig­te be­nach­tei­li­gen will, son­dern sich "nur" ge­genüber Teil­zeit­kräften nach­tei­lig aus­wirkt. Das aber trifft mit­tel­bar die weib­li­chen Beschäftig­ten, da sie die Mehr­heit der Teil­zeit­kräfte stel­len.

Frag­lich ist, ob die­se Art von "mit­tel­ba­rer" Dis­kri­mi­nie­rung auch bei der Vergütung von Mehr­ar­beit vor­liegt, die Be­am­te und Be­am­tin­nen leis­ten. Die­se Vergütung von Mehr­ar­beit ist kom­pli­zier­ter als die Über­stun­den­vergütung bei Ar­beit­neh­mern, da Be­am­te im Prin­zip kei­nen An­spruch auf Be­zah­lung ih­rer Ar­beit ha­ben, son­dern auf amts­an­ge­mes­se­ne Vergütung, d.h. die An­zahl der ge­leis­te­ten Ar­beits­stun­den hat im deut­schen Be­am­ten­recht im All­ge­mei­nen kei­ne Aus­wir­kun­gen auf die Be­zah­lung.

Trotz­dem kann sich ei­ne mit­tel­ba­re Lohn­dis­kri­mi­nie­rung von weib­li­chen Be­am­ten auch beim The­ma Mehr­ar­beits­vergütung er­ge­ben, wie ein ak­tu­el­ler be­am­ten­recht­li­cher Streit zeigt, der der­zeit beim Eu­ropäischen Ge­richts­hof (EuGH) anhängig ist. Im Rah­men die­ses Ver­fah­rens hat sich der am Ver­fah­ren be­tei­lig­te EuGH-Ge­ne­ral­an­walt Co­lo­mer zu die­ser Streit­fra­ge geäußert (Schluss­anträge des Ge­ne­ral­an­walts Dáma­so Ruiz-Ja­rabo Co­lo­mer, vom 10.07.2007, Rs. C-300/06).

Der Streit­fall: Ber­li­ner Teil­zeit­be­am­tin möch­te die­sel­be Be­zah­lung für ge­leis­te­te Mehr­ar­beit wie sie Voll­zeit­be­am­ten gewährt wird

In dem Rechts­streit der be­am­te­ten Leh­re­rin Frau Voß ge­gen das Land Ber­lin geht es um die Be­zah­lung von Über­stun­den, die die kla­gen­de Frau Voß vom 11.01.2000 bis zum 23.05.2000 als Teil­zeit­beschäftig­te mit ei­nem re­gulären St­un­den­de­pu­tat von 23 Un­ter­richts­stun­den pro Wo­che leis­te­te.

Die­se Mehr­ar­beits­stun­den be­lie­fen sich auf mo­nat­lich zwi­schen vier und sechs und ins­ge­samt auf 27 Un­ter­richts­stun­den.

Auf­grund der Be­son­der­hei­ten der Vergütung, die Be­am­te für ge­leis­te­te Mehr­ar­beit ver­lan­gen können, er­hielt die Kläge­rin als Aus­gleich für die 27 Un­ter­richts­stun­den we­ni­ger Geld (1.075,14 DM) als sie hätte ver­lan­gen können, wenn die­se St­un­den auf der Grund­la­ge des „St­un­den­lohns“ ei­nes voll­zei­tig beschäftig­ten Be­am­ten zu be­rech­nen wären; in die­sem Fal­le hätten 1.616,15 DM ge­zahlt wer­den müssen.

Das Land als Dienst­herr lehn­te den An­trag der Kläge­rin auf Vergütung von 1.616,15 DM ab und vergüte­te nur die 1.075,14 DM, die der Kläge­rin nach deut­schem bzw. im Land Ber­lin gel­ten­dem Be­am­ten­rechts­vor­schrif­ten oh­ne­hin zu­ste­hen.

Die Kläge­rin klag­te dar­auf­hin vor dem Ver­wal­tungs­ge­richt Ber­lin, das ihr recht gab mit der Be­gründung, die un­ter­schied­li­che Be­zah­lung der­sel­ben Ar­beits­stun­den je nach­dem, ob der Be­am­te sie als Teil­zeit­kraft in Form von Mehr­ar­beits­vergütung oder als Voll­zeit­kraft als Teil der re­gulären Vergütung ver­lan­gen könne, ver­s­toße ge­gen den eu­ro­pa­recht­li­chen Grund­satz der Lohn­gleich­heit im Verhält­nis von Männern und Frau­en, d.h. ge­gen Art. 141 Abs.1 des EG-Ver­trags (EG) in Ver­bin­dung mit Art.1 der Richt­li­nie 75/117 EG des Ra­tes vom 10.02.1975.

Nach Art.141 Abs.1 EG stellt je­der Mit­glied­staat die An­wen­dung des Grund­sat­zes des glei­chen Ent­gelts für Männer und Frau­en bei glei­cher oder gleich­wer­ti­ger Ar­beit si­cher. Das Ver­wal­tungs­ge­richt Ber­lin hielt im Fall der Frau Voß ei­ne sog. mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung für ge­ge­ben, da et­wa 88 Pro­zent der Teil­zeit­beschäftig­ten im Leh­rer­dienst des be­klag­ten Lan­des Ber­lin im Frühjahr 2000 Frau­en ge­we­sen sei­en.

Ge­gen die­ses Ur­teil leg­te das un­ter­le­ge­ne Land Ber­lin Sprung­re­vi­si­on zum Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt (BVerwG) ein, das das Ver­fah­ren aus­setz­te und mit Vor­la­ge­be­schluss vom 11.05.2006 (2 C 8.05) dem Eu­ropäischen Ge­richts­hof die Fra­ge vor­leg­te, ob Art. 141 EG ei­ner na­tio­na­len Re­ge­lung ent­ge­gen­ste­he, nach der die Vergütung für ei­ne über die re­guläre Ar­beits­zeit hin­aus­ge­hen­de Mehr­ar­beit so­wohl bei voll­zeit­beschäftig­ten als auch bei teil­zeit­beschäftig­ten Be­am­ten in der­sel­ben Höhe ge­zahlt wird, die nied­ri­ger ist als die an­tei­li­ge Be­sol­dung, die bei voll­zeit­beschäftig­ten Be­am­ten auf ei­nen gleich­lan­gen Teil ih­rer re­gulären Ar­beits­zeit entfällt, wenn über­wie­gend Frau­en teil­zeit­beschäftigt sind?

Wie man die­ser Ent­schei­dung des BVerwG ent­neh­men kann, sieht es den Be­gründungs­an­satz des Ver­wal­tungs­ge­richts Ber­lin als durch­aus rich­tig an, möch­te aber zu­vor vom EuGH geklärt ha­ben, ob in Fällen der vor­lie­gen­den Art ei­ne mit­tel­ba­re Ent­gelt­dis­kri­mi­nie­rung vor­liegt, die ge­gen Art.141 AG verstößt. Da auf­grund des Vor­la­ge­be­schlus­ses des BVerwG die Sa­che nun­mehr beim Eu­ropäischen Ge­richts­hof (EuGH) anhängig ist, hat der EuGH die Mei­nung des zuständi­gen Ge­ne­ral­an­walts zu hören. Im vor­lie­gen­den Fall äußer­te sich der Ge­ne­ral­an­walt Dáma­so Ruiz-Ja­rabo Co­lo­mer mit Schluss­an­trag vom 10.07.2007.

Ge­ne­ral­an­walt Co­lo­mer: Das Eu­ro­pa­recht lässt es nicht zu, Teil­zeit­be­am­ten ei­ne ge­rin­ge­re Vergütung für Mehr­ar­beit zu zah­len als Voll­zeit­be­am­ten

Der Ge­ne­ral­an­walt schlug dem EuGH vor, die vom BVerwG vor­ge­leg­te Vor­la­ge­fra­ge wie folgt zu be­ant­wor­ten:

Art. 141 EG ist in dem Sin­ne aus­zu­le­gen, dass er ei­ner na­tio­na­len Re­ge­lung ent­ge­gen­steht, nach der Über­stun­den, die von Teil­zeit­beschäftig­ten in der Zeit­span­ne zwi­schen dem En­de ih­rer re­gulären Ar­beits­zeit und der­je­ni­gen von Voll­zeit­beschäftig­ten ge­leis­tet wer­den, ge­rin­ger vergütet wer­den als die von Letz­te­ren er­brach­ten re­gulären Ar­beits­stun­den, wenn die Un­gleich­be­hand­lung we­sent­lich mehr Frau­en als Männer be­trifft und nicht nach­ge­wie­sen wird, dass die­se Re­ge­lung zur Er­rei­chung ei­nes le­gi­ti­men Zie­les un­erläss­lich ist und auf Fak­to­ren be­ruht, die ob­jek­tiv ge­recht­fer­tigt sind und nichts mit ei­ner Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Ge­schlechts zu tun ha­ben.

Soll­te der EuGH die­sem Ent­schei­dungs­vor­schlag fol­gen, so hätte dies nicht nur zur Fol­ge, dass die deut­schen be­am­ten­recht­li­chen Re­ge­lun­gen über die Mehr­ar­beits­vergütung zu­guns­ten der mit Mehr­ar­beit be­las­te­ten Teil­zeit­kräfte zu ändern wären.

Viel­mehr wäre auch im Be­reich der Pri­vat­wirt­schaft bzw. des Ar­beits­rechts an­hand des eu­ro­pa­recht­li­chen Grund­sat­zes der Lohn­gleich­heit zu prüfen, ob die be­ste­hen­den - ver­trag­li­chen, ta­rif­li­chen oder in Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen ent­hal­te­nen - Re­ge­lun­gen über Über­stun­den­vergütung den Ver­gleich zwi­schen der (Ge­samt-)Vergütung von Teil­zeit­kräften mit der (an­tei­li­gen) re­gulären Vergütung von Voll­zeit­kräften aus­hal­ten.

Ein­zel­hei­ten zu dem Vor­gang fin­den Sie hier:

Letzte Überarbeitung: 30. Dezember 2018

Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:

Dr. Martin Hensche
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hensche@hensche.de
Christoph Hildebrandt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hildebrandt@hensche.de
Nina Wesemann
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Kontakt:
040 / 69 20 68 04
wesemann@hensche.de

Bewertung:

Auf Facebook teilen Auf Google+ teilen Ihren XING-Kontakten zeigen Beitrag twittern

 

Für Personaler, betriebliche Arbeitnehmervertretungen und andere Arbeitsrechtsprofis: "Update Arbeitsrecht" bringt Sie regelmäßig auf den neusten Stand der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung. Informationen zu den Abo-Bedingungen und ein kostenloses Ansichtsexemplar finden Sie hier:

Alle vierzehn Tage alles Wichtige
verständlich / aktuell / praxisnah

HINWEIS: Sämtliche Texte dieser Internetpräsenz mit Ausnahme der Gesetzestexte und Gerichtsentscheidungen sind urheberrechtlich geschützt. Urheber im Sinne des Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (UrhG) ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Martin Hensche, Lützowstraße 32, 10785 Berlin.

Wörtliche oder sinngemäße Zitate sind nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung des Urhebers bzw. bei ausdrücklichem Hinweis auf die fremde Urheberschaft (Quellenangabe iSv. § 63 UrhG) rechtlich zulässig. Verstöße hiergegen werden gerichtlich verfolgt.

© 1997 - 2024:
Rechtsanwalt Dr. Martin Hensche, Berlin
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Lützowstraße 32, 10785 Berlin
Telefon: 030 - 26 39 62 0
Telefax: 030 - 26 39 62 499
E-mail: hensche@hensche.de