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Bayrische Landesbank kann sich von Betriebsrentenzusagen freikaufen
17.11.2016. Vor mehr als vier Jahren legte das Bundesarbeitsgericht (BAG) der Bayrischen Landesbank bei der Umgestaltung ihrer Betriebsrentenzusagen zurecht juristische Steine in den Weg:
Die von der Bank unternommene einseitige Ablösung einer (teuren) Versorgungszusage, die seit 1972 als Betriebsübung Bestand hatte, war rechtlich unwirksam (BAG, Urteil vom 15.05.2012, 3 AZR 128/11, wir berichteten in: Arbeitsrecht aktuell: 12/196 Betriebliche Übung und Betriebsrente).
Vorgestern entschied das BAG zugunsten der Bank: Sie hatte ergänzende Einzelvereinbarungen mit Bankmitarbeitern getroffen und Ablösungen gezahlt, um ihnen das neue Betriebsrentensystem schmackhaft zu machen. Diese von der Bank vorformulierten Vereinbarungen waren in Ordnung, so das BAG: BAG, Urteil vom 15.11.2016, 3 AZR 539/15 (Pressemeldung des Gerichts).
- Kann der Arbeitgeber Betriebsrentenzusagen durch klar gefasste Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) "einfach so" ablösen oder müssen die Gerichte eine Inhaltskontrolle vornehmen?
- Wieder vor dem BAG: Der Streit zwischen der Bayrischen Landesbank und ihren Arbeitnehmern über die Fortsetzung der beamtenähnlichen Pensionszusagen
- BAG: Eine Betriebsrentenzusage nach dem Modell der Beamtenversorgung kann durch AGB in eine finanziell ungünstigere Zusage überführt werden
Kann der Arbeitgeber Betriebsrentenzusagen durch klar gefasste Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) "einfach so" ablösen oder müssen die Gerichte eine Inhaltskontrolle vornehmen?
Über die Gewährung von Betriebsrenten kann der Arbeitgeber im Prinzip frei entscheiden, d.h. er muss keine Betriebsrenten zusagen. Daran ändert auch das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats über die Details einer Versorgungsregelung nichts, denn dieses Mitbestimmungsrecht (gemäß § 87 Abs.1 Nr.10 Betriebsverfassungsgesetz - BetrVG) betrifft nicht das "Ob" einer Pensionszusage und auch nicht die zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel, sondern nur die Art und Weise der Umsetzung einer Betriebsrentenzusage, d.h. das "Wie".
Aufgrund der Freiwilligkeit von Betriebsrentenzusagen ist anerkannt, dass sie auch durch arbeitsvertragliche Regelungen begründet werden können. Da hier viele Arbeitnehmer in gleicher Weise betroffen sind, gibt der Arbeitgeber vertragliche Betriebsrentenregelungen in der Regel einseitig vor und lässt sie sich von den Arbeitnehmern abzeichnen, d.h. solche Regelungen sind Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) des Arbeitgebers.
Können Betriebsrentenanwartschaften durch AGB geschaffen werden, ist es im Prinzip auch möglich, sie durch AGB wieder abzuändern, und zwar auch in einer für den Arbeitnehmer ungünstigen Weise.
Nun müssen solche vom Arbeitgeber vorformulierten Änderungsvereinbarungen zwar klar und verständlich sein, denn das folgt aus § 307 Abs.1 Satz 2, Abs.3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), doch liegt der eigentliche Stolperstein bei der sog. Inhaltskontrolle von AGB, d.h. bei § 307 Abs.1 Satz 1, Abs.2 BGB. Danach dürfen die AGB des Arbeitgebers den Arbeitnehmer nicht entgegen "Treu und Glauben unangemessen benachteiligen". Aber wo liegt hier die Grenze bei der Verschlechterung einer Betriebsrentenzusage?
An dieser Stelle fragt sich, ob die Abänderung bzw. Verschlechterung einer Betriebsrentenzusage per AGB überhaupt einer Inhaltskontrolle gemäß § 307 Abs.1 Satz 1 BGB unterliegt, denn dazu müssten die zu überprüfenden Klauseln von gesetzlichen Vorschriften abweichen. Das ist nach allgemeiner Ansicht aber nicht der Fall, wenn per AGB Hauptleistungspflichten der Arbeitsvertragsparteien vereinbart werden, also z.B. Arbeitszeit, die Arbeitsaufgaben und die Lohnhöhe.
Da man in einer Betriebsrentenzusage eine Art Vergütungsregelung sehen kann, liegt die Schlussfolgerung nahe, dass Änderungen und/oder Verschlechterungen von Betriebsrentenzusagen per AGB von den Gerichten nicht inhaltlich auf ihre "Angemessenheit" hin überprüft werden können. Aber gilt das auch dann, wenn Arbeitnehmer solche Vereinbarungen in einer Situation treffen, in der rechtlich völlig unklar ist, ob der Arbeitgeber nicht notfalls auch einseitig Betriebsrentenzusagen ändern kann?
Wieder vor dem BAG: Der Streit zwischen der Bayrischen Landesbank und ihren Arbeitnehmern über die Fortsetzung der beamtenähnlichen Pensionszusagen
Die Bayrische Landesbank, eine Anstalt des öffentlichen Rechts, machte ihren Arbeitnehmern seit 1972 mehr als anständige Betriebsrentenzusagen. Danach konnten die Arbeitnehmer eine an der Beamtenversorgung orientierte Rentenzahlung erwarten. Und wer 20 Jahre im Kreditgewerbe und davon zehn Jahre bei der Landesbank gearbeitet hatte, erhielt sogar unter bestimmten Voraussetzungen ein sog. "Versorgungsrecht".
Dieses Recht stellte die begünstigten Arbeitnehmer nicht nur beim Thema Rente, sondern auch beim Kündigungsschutz, bei der Beihilfe und der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall Beamten weitgehend gleich. Aufgrund spezieller Regelungen waren diese Arbeitnehmer sozialversicherungsfrei.
Im Jahre 2009 beschloss der Vorstand, dieses teure System auf ein "beitragsorientiertes" und "marktübliches" Versorgungssystem umzustellen. Ab Anfang 2010 bzw. für die Zukunft sollten die bislang geltenden Zusagen nicht mehr gelten. In einer dazu mit dem Personalrat getroffenen Dienstvereinbarung war geregelt, dass Arbeitnehmer eine Wechselprämie erhalten sollten, wenn sie "freiwillig" der Überführung ihrer Pensionszusagen in das neue System zustimmten.
Im Jahre 2010 wurde es turbulent, denn im Januar dieses Jahres gab das Arbeitsgericht München zwei Arbeitnehmern Recht, die auf Erteilung eines Versorgungsrechts gemäß den alten Regelungen geklagt hatten. Darüber informierte der Personalrat seine Kollegen, während die Bank zeitgleich vorformulierte Erklärungen an die Arbeitnehmer verschickte, mit denen diese die "Einstellung der Erteilung“ des Versorgungsrechts absegnen konnten. Diese Einverständniserklärungen unterschrieben viele Mitarbeiter, wohl auch deshalb, weil die Bank Wechselprämien von einigen zehntausend Euro zahlte.
Zwei Jahre später entschied dann das BAG wie oben erwähnt, dass das einseitige Vorgehen der Bank rechtswidrig war (Urteil vom 15.05.2012, 3 AZR 128/11, wir berichteten in: Arbeitsrecht aktuell: 12/196 Betriebliche Übung und Betriebsrente). Daher kam es für den Wechsel in das neue Versorgungssystem auf die 2010 getroffenen Einzelvereinbarungen an, die viele Arbeitnehmer infolge des BAG-Urteils nicht mehr gelten lassen wollten.
Einer der Betroffenen erklärte gut ein Jahr nach der BAG-Entscheidung (am 05.06.2013) die Anfechtung seiner Einverständniserklärung und verklagte die Bank auf die Feststellung, dass die Bank dazu verpflichtet sei, ihm bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen ein Versorgungsrecht nach der alten Betriebsrentenregelung zu erteilen. Die Bank wehrte sich und verlangte hilfsweise, falls die den Prozess verlieren sollte, die gezahlten gut 48.000,00 EUR Wechselprämie zurück.
Mit seiner Klage hatte der Arbeitnehmer weder vor dem Arbeitsgericht München (Urteil vom 02.03.2015, 8 Ca 9843/14) noch in der Berufung vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) München Glück (LAG München, Urteil vom 06.08.2015, 3 Sa 254/15). Das LAG meinte nämlich, dass ein Anfechtungsrecht nicht bestand und die streitige Vereinbarung mit dem AGB-Recht vereinbar war. Insbesondere, so das LAG, konnte der Kläger keine gerichtliche Inhaltskontrolle der Vereinbarung verlangen, da mit ihr Hauptleistungspflichten vereinbart wurden.
BAG: Eine Betriebsrentenzusage nach dem Modell der Beamtenversorgung kann durch AGB in eine finanziell ungünstigere Zusage überführt werden
Auch das BAG entschied gegen den Bankangestellten. Zur Begründung heißt es in der derzeit allein vorliegenden Pressemeldung:
Mit der streitigen Einverständniserklärung hat der Kläger einer Regelung zugestimmt, die den Anspruch auf Erteilung eines Versorgungsrechts aufhebt. Diese Vereinbarung einer Vertragsänderung war - als AGB der Bank - weder unklar noch überraschend, so das BAG, d.h. sie entsprach § 307 Abs.1 Satz 2 BGB und § 305c Abs.1 BGB.
Anders als das LAG München war das BAG zwar der Meinung, dass hier auch eine inhaltliche Überprüfung der streitigen Vereinbarung erforderlich war, denn die Bank als Arbeitgeber hatte sich im Jahre 2010 darauf berufen, zu der Änderung des Versorgungssystems auch ohne das Einverständnis der Arbeitnehmer berechtigt zu sein. Diese Inhaltskontrolle nutzte dem Banker allerdings im Ergebnis nichts, da das BAG zu dem Ergebnis kam, dass die Vereinbarung inhaltlich in Ordnung war, d.h. den Kläger nicht "unangemessen benachteiligte".
Als "Prüfungsmaßstab" will das BAG in solchen Fällen (gütliche Streitbeilegung durch Vergleich, den der Arbeitgeber einseitig vorformuliert hat) § 779 BGB heranziehen. Nach dieser Vorschrift kann der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis durch gegenseitiges Nachgeben bzw. durch Vergleich beseitigt werden.
Obwohl sich dies der Pressemeldung nicht klar entnehmen lässt, würde das BAG eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers durch einen vom Arbeitgeber entworfenen Vergleich wohl in den Fällen annehmen, in denen nicht beide Parteien nachgeben, sondern einseitig der Arbeitnehmer. Das war hier nicht der Fall, schon allein wegen der nicht unerheblichen Wechselprämie.
Fazit: Erklären sich Arbeitnehmer zur künftigen Aufgabe bzw. Abänderung von Betriebsrentenanwartschaften bereit, sind die dazu vom Arbeitgeber vorformulierten Mustererklärungen auf ihre Angemessenheit hin zu überprüfen (§ 307 Abs.1 Satz 1 BGB), falls die Erklärungen in einer Situation abgegeben werden, in der unklar ist, ob der Arbeitgeber auch ohne das OK der Arbeitnehmer zu einer Änderung berechtigt ist. Dann liegt in dem Einverständnis der Arbeitnehmer eine Art Klageverzicht, und der ist inhaltlich angemessen, wenn es dafür eine Gegenleistung gibt.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15.11.2016, 3 AZR 539/15 (Pressemeldung des Gerichts)
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15.11.2016, 3 AZR 539/15
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15.05.2012, 3 AZR 128/11
- Landesarbeitsgericht München, Urteil vom 06.08.2015, 3 Sa 254/15
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Hinweis: In der Zwischenzeit, d.h. nach Erstellung dieses Artikels, hat das BAG seine Entscheidungsgründe veröffentlicht. Das vollständig begründete Urteil des BAG finden Sie hier:
Letzte Überarbeitung: 8. Januar 2021
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