HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

EuGH, Ur­teil vom 18.12.2014, C-354/13 - FOA

   
Schlagworte: Diskriminierung: Behinderung, Behinderung, Diskriminierung: Übergewicht
   
Gericht: Europäischer Gerichtshof
Aktenzeichen: C-354/13
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 18.12.2014
   
Leitsätze:

1. Das Unionsrecht ist dahin auszulegen, dass es kein allgemeines Verbot der Diskriminierung wegen Adipositas als solcher in Beschäftigung und Beruf enthält.

2. Die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf ist dahin auszulegen, dass die Adipositas eines Arbeitnehmers eine „Behinderung“ im Sinne dieser Richtlinie darstellt, wenn sie eine Einschränkung mit sich bringt, die u. a. auf physische, geistige oder psychische Beeinträchtigungen von Dauer zurückzuführen ist, die ihn in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vollen und wirksamen Teilhabe am Berufsleben, gleichberechtigt mit den anderen Arbeitnehmern, hindern können. Es ist Sache des nationalen Gerichts, zu prüfen, ob diese Voraussetzungen im Ausgangsverfahren erfüllt sind.

Vorinstanzen:
   

UR­TEIL DES GERICH­TSHOFS (Vier­te Kam­mer)

18. De­zem­ber 2014(*)

„Vor­la­ge zur Vor­ab­ent­schei­dung - So­zi­al­po­li­tik - Ent­las­sung - Grund - Adi­po­si­tas des Ar­beit­neh­mers - All­ge­mei­nes Ver­bot der Dis­kri­mi­nie­rung we­gen Adi­po­si­tas - Feh­len - Richt­li­nie 2000/78/EG - Gleich­be­hand­lung in Beschäfti­gung und Be­ruf - Ver­bot der Dis­kri­mi­nie­rung we­gen ei­ner Be­hin­de­rung - Vor­lie­gen ei­ner ‚Be­hin­de­rung‘“

In der Rechts­sa­che C-354/13

be­tref­fend ein Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chen nach Art. 267 AEUV, ein­ge­reicht vom Ret i Kol­ding (Däne­mark) mit Ent­schei­dung vom 25. Ju­ni 2013, beim Ge­richts­hof ein­ge­gan­gen am 27. Ju­ni 2013, in dem Ver­fah­ren

Fag og Ar­be­j­de (FOA), han­delnd für Kars­ten Kaltoft,

ge­gen

Kom­mu­n­er­nes Lands­fo­re­ning (KL), han­delnd für die Bil­lund Kom­mu­ne,

erlässt

DER GERICH­TSHOF (Vier­te Kam­mer)

un­ter Mit­wir­kung des Kam­mer­präsi­den­ten L. Bay Lar­sen, der Rich­te­rin K. Jürimäe, der Rich­ter J. Ma­le­n­ovský und M. Saf­jan (Be­richt­er­stat­ter) so­wie der Rich­te­rin A. Prechal,

Ge­ne­ral­an­walt: N. Jääski­nen,

Kanz­ler: C. Strömholm, Ver­wal­tungsrätin,

auf­grund des schrift­li­chen Ver­fah­rens und auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 12. Ju­ni 2014,

un­ter Berück­sich­ti­gung der Erklärun­gen

- der Fag og Ar­be­j­de (FOA), han­delnd für Herrn Kaltoft, ver­tre­ten durch J. Sand, ad­vo­kat,

- der Kom­mu­n­er­nes Lands­fo­re­ning (KL), han­delnd für die Bil­lund Kom­mu­ne, ver­tre­ten durch Y. Fre­de­ri­ksen, ad­vo­kat,

- der däni­schen Re­gie­rung, ver­tre­ten durch C. Thorning und M. Wolff als Be­vollmäch­tig­te,

- der Eu­ropäischen Kom­mis­si­on, ver­tre­ten durch M. Clau­sen und D. Mar­tin als Be­vollmäch­tig­te,

nach Anhörung der Schluss­anträge des Ge­ne­ral­an­walts in der Sit­zung vom 17. Ju­li 2014

fol­gen­des

Ur­teil

1 Das Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chen be­trifft die Aus­le­gung all­ge­mei­ner Grundsätze des Uni­ons­rechts und der Richt­li­nie 2000/78/EG des Ra­tes vom 27. No­vem­ber 2000 zur Fest­le­gung ei­nes all­ge­mei­nen Rah­mens für die Ver­wirk­li­chung der Gleich­be­hand­lung in Beschäfti­gung und Be­ruf (ABl. L 303, S. 16).
2 Die­ses Er­su­chen er­geht im Rah­men ei­nes Rechts­streits zwi­schen der Ge­werk­schaft Fag og Ar­be­j­de (FOA), die für Herrn Kaltoft han­delt, und der Kom­mu­n­er­nes Lands­fo­re­ning (KL) (Na­tio­na­ler Ver­band der däni­schen Ge­mein­den), die für die Bil­lund Kom­mu­ne (Ge­mein­de Bil­lund, Däne­mark) han­delt, über die Rechtmäßig­keit der Ent­las­sung von Herrn Kaltoft, die auf des­sen Adi­po­si­tas be­ru­hen soll.

Recht­li­cher Rah­men

Uni­ons­recht

3 In den Erwägungs­gründen 1, 11, 12, 15, 28 und 31 der Richt­li­nie 2000/78 heißt es:

„(1) Nach Ar­ti­kel 6 Ab­satz 2 [EUV] be­ruht die Eu­ropäische Uni­on auf den Grundsätzen der Frei­heit, der De­mo­kra­tie, der Ach­tung der Men­schen­rech­te und Grund­frei­hei­ten so­wie der Rechts­staat­lich­keit; die­se Grundsätze sind al­len Mit­glied­staa­ten ge­mein­sam. Die Uni­on ach­tet die Grund­rech­te, wie sie in der [am 4. No­vem­ber 1950 in Rom un­ter­zeich­ne­ten] Eu­ropäischen Kon­ven­ti­on zum Schutz der Men­schen­rech­te und Grund­frei­hei­ten gewähr­leis­tet sind und wie sie sich aus den ge­mein­sa­men Ver­fas­sungsüber­lie­fe­run­gen der Mit­glied­staa­ten als all­ge­mei­ne Grundsätze des Ge­mein­schafts­rechts er­ge­ben.

...

(11) Dis­kri­mi­nie­run­gen we­gen der Re­li­gi­on oder der Welt­an­schau­ung, ei­ner Be­hin­de­rung, des Al­ters oder der se­xu­el­len Aus­rich­tung können die Ver­wirk­li­chung der im EG-Ver­trag fest­ge­leg­ten Zie­le un­ter­mi­nie­ren, ins­be­son­de­re die Er­rei­chung ei­nes ho­hen Beschäfti­gungs­ni­veaus und ei­nes ho­hen Maßes an so­zia­lem Schutz, die He­bung des Le­bens­stan­dards und der Le­bens­qua­lität, den wirt­schaft­li­chen und so­zia­len Zu­sam­men­halt, die So­li­da­rität so­wie die Freizügig­keit.

(12) Da­her soll­te je­de un­mit­tel­ba­re oder mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung we­gen der Re­li­gi­on oder der Welt­an­schau­ung, ei­ner Be­hin­de­rung, des Al­ters oder der se­xu­el­len Aus­rich­tung in den von der Richt­li­nie ab­ge­deck­ten Be­rei­chen ge­mein­schafts­weit un­ter­sagt wer­den. …

...

(15) Die Be­ur­tei­lung von Tat­beständen, die auf ei­ne un­mit­tel­ba­re oder mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung schließen las­sen, ob­liegt den ein­zel­staat­li­chen ge­richt­li­chen In­stan­zen oder an­de­ren zuständi­gen Stel­len nach den ein­zel­staat­li­chen Rechts­vor­schrif­ten oder Ge­pflo­gen­hei­ten; in die­sen ein­zel­staat­li­chen Vor­schrif­ten kann ins­be­son­de­re vor­ge­se­hen sein, dass mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung mit al­len Mit­teln, ein­sch­ließlich sta­tis­ti­scher Be­wei­se, fest­zu­stel­len ist.

...

(28) In die­ser Richt­li­nie wer­den Min­dest­an­for­de­run­gen fest­ge­legt; es steht den Mit­glied­staa­ten so­mit frei, güns­ti­ge­re Vor­schrif­ten ein­zuführen oder bei­zu­be­hal­ten. Die Um­set­zung die­ser Richt­li­nie darf nicht ei­ne Ab­sen­kung des in den Mit­glied­staa­ten be­reits be­ste­hen­den Schutz­ni­veaus recht­fer­ti­gen.

...

(31) Ei­ne Ände­rung der Re­geln für die Be­weis­last ist ge­bo­ten, wenn ein glaub­haf­ter An­schein ei­ner Dis­kri­mi­nie­rung be­steht. Zur wirk­sa­men An­wen­dung des Gleich­be­hand­lungs­grund­sat­zes ist ei­ne Ver­la­ge­rung der Be­weis­last auf die be­klag­te Par­tei er­for­der­lich, wenn ei­ne sol­che Dis­kri­mi­nie­rung nach­ge­wie­sen ist. Al­ler­dings ob­liegt es dem Be­klag­ten nicht, nach­zu­wei­sen, dass der Kläger ei­ner be­stimm­ten Re­li­gi­on an­gehört, ei­ne be­stimm­te Welt­an­schau­ung hat, ei­ne be­stimm­te Be­hin­de­rung auf­weist, ein be­stimm­tes Al­ter oder ei­ne be­stimm­te se­xu­el­le Aus­rich­tung hat.“

4 Art. 1 die­ser Richt­li­nie be­stimmt:

„Zweck die­ser Richt­li­nie ist die Schaf­fung ei­nes all­ge­mei­nen Rah­mens zur Bekämp­fung der Dis­kri­mi­nie­rung we­gen der Re­li­gi­on oder der Welt­an­schau­ung, ei­ner Be­hin­de­rung, des Al­ters oder der se­xu­el­len Aus­rich­tung in Beschäfti­gung und Be­ruf im Hin­blick auf die Ver­wirk­li­chung des Grund­sat­zes der Gleich­be­hand­lung in den Mit­glied­staa­ten.“

5 Art. 2 Abs. 1 und 2 der Richt­li­nie sieht vor:

„(1) Im Sin­ne die­ser Richt­li­nie be­deu­tet ‚Gleich­be­hand­lungs­grund­satz‘, dass es kei­ne un­mit­tel­ba­re oder mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung we­gen ei­nes der in Ar­ti­kel 1 ge­nann­ten Gründe ge­ben darf.

(2) Im Sin­ne des Ab­sat­zes 1

a) liegt ei­ne un­mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung vor, wenn ei­ne Per­son we­gen ei­nes der in Ar­ti­kel 1 ge­nann­ten Gründe in ei­ner ver­gleich­ba­ren Si­tua­ti­on ei­ne we­ni­ger güns­ti­ge Be­hand­lung erfährt, als ei­ne an­de­re Per­son erfährt, er­fah­ren hat oder er­fah­ren würde;

...“

6

Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Richt­li­nie be­stimmt:

„Im Rah­men der auf die Ge­mein­schaft über­tra­ge­nen Zuständig­kei­ten gilt die­se Richt­li­nie für al­le Per­so­nen in öffent­li­chen und pri­va­ten Be­rei­chen, ein­sch­ließlich öffent­li­cher Stel­len, in Be­zug auf

...

c) die Beschäfti­gungs- und Ar­beits­be­din­gun­gen, ein­sch­ließlich der Ent­las­sungs­be­din­gun­gen und des Ar­beits­ent­gelts“.

7 Art. 5 der Richt­li­nie 2000/78 lau­tet:

„Um die An­wen­dung des Gleich­be­hand­lungs­grund­sat­zes auf Men­schen mit Be­hin­de­rung zu gewähr­leis­ten, sind an­ge­mes­se­ne Vor­keh­run­gen zu tref­fen. Das be­deu­tet, dass der Ar­beit­ge­ber die ge­eig­ne­ten und im kon­kre­ten Fall er­for­der­li­chen Maßnah­men er­greift, um den Men­schen mit Be­hin­de­rung den Zu­gang zur Beschäfti­gung, die Ausübung ei­nes Be­ru­fes, den be­ruf­li­chen Auf­stieg und die Teil­nah­me an Aus- und Wei­ter­bil­dungs­maßnah­men zu ermögli­chen, es sei denn, die­se Maßnah­men würden den Ar­beit­ge­ber un­verhält­nismäßig be­las­ten. Die­se Be­las­tung ist nicht un­verhält­nismäßig, wenn sie durch gel­ten­de Maßnah­men im Rah­men der Be­hin­der­ten­po­li­tik des Mit­glied­staa­tes aus­rei­chend kom­pen­siert wird.“

8 In Art. 8 Abs. 1 der Richt­li­nie heißt es:

„Die Mit­glied­staa­ten können Vor­schrif­ten einführen oder bei­be­hal­ten, die im Hin­blick auf die Wah­rung des Gleich­be­hand­lungs­grund­sat­zes güns­ti­ger als die in die­ser Richt­li­nie vor­ge­se­he­nen Vor­schrif­ten sind.“

9 Art. 10 Abs. 1 und 2 der Richt­li­nie be­stimmt:

„(1) Die Mit­glied­staa­ten er­grei­fen im Ein­klang mit ih­rem na­tio­na­len Ge­richts­we­sen die er­for­der­li­chen Maßnah­men, um zu gewähr­leis­ten, dass im­mer dann, wenn Per­so­nen, die sich durch die Nicht­an­wen­dung des Gleich­be­hand­lungs­grund­sat­zes für ver­letzt hal­ten und bei ei­nem Ge­richt oder ei­ner an­de­ren zuständi­gen Stel­le Tat­sa­chen glaub­haft ma­chen, die das Vor­lie­gen ei­ner un­mit­tel­ba­ren oder mit­tel­ba­ren Dis­kri­mi­nie­rung ver­mu­ten las­sen, es dem Be­klag­ten ob­liegt zu be­wei­sen, dass kei­ne Ver­let­zung des Gleich­be­hand­lungs­grund­sat­zes vor­ge­le­gen hat.

(2) Ab­satz 1 lässt das Recht der Mit­glied­staa­ten, ei­ne für den Kläger güns­ti­ge­re Be­weis­last­re­ge­lung vor­zu­se­hen, un­berührt.“

Däni­sches Recht

10 Die Richt­li­nie 2000/78 wur­de durch das Ge­setz Nr. 1417 zur Ände­rung des Ge­set­zes über das Ver­bot der Dis­kri­mi­nie­rung auf dem Ar­beits­markt u. a. (Lov nr. 1417 om ænd­ring af lov om for­bud mod forskels­be­hand­ling på ar­be­jds­mar­ke­det m. v.) vom 22. De­zem­ber 2004 in das däni­sche Recht um­ge­setzt.
11 § 1 Abs. 1 die­ses Ge­set­zes in der Fas­sung der Ge­set­zes­be­kannt­ma­chung Nr. 1349 vom 16. De­zem­ber 2008 (im Fol­gen­den: An­ti­dis­kri­mi­nie­rungs­ge­setz) be­stimmt:

„Dis­kri­mi­nie­rung im Sin­ne die­ses Ge­set­zes ist je­de un­mit­tel­ba­re oder mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung auf­grund der Ras­se, der Haut­far­be, der Re­li­gi­on oder des Glau­bens, der po­li­ti­schen An­schau­ung, der se­xu­el­len Ori­en­tie­rung, des Al­ters, ei­ner Be­hin­de­rung oder der na­tio­na­len, so­zia­len oder eth­ni­schen Her­kunft.“

12 § 2 Abs. 1 die­ses Ge­set­zes sieht vor:

„Ar­beit­ge­ber dürfen Ar­beit­neh­mer oder Be­wer­ber um freie Stel­len bei An­stel­lung, Kündi­gung, Ver­set­zung, Beförde­rung oder im Hin­blick auf Ent­gelt- und Ar­beits­be­din­gun­gen nicht un­ter­schied­lich be­han­deln.“

13 § 2a des Ge­set­zes be­stimmt:

„Der Ar­beit­ge­ber hat die ge­eig­ne­ten und im kon­kre­ten Fall er­for­der­li­chen Maßnah­men zu er­grei­fen, um den Men­schen mit Be­hin­de­rung den Zu­gang zur Beschäfti­gung, die Ausübung ei­nes Be­rufs, den be­ruf­li­chen Auf­stieg und die Teil­nah­me an Aus- und Wei­ter­bil­dungs­maßnah­men zu ermögli­chen. Dies gilt je­doch nicht, wenn die­se Maßnah­men den Ar­beit­ge­ber un­verhält­nismäßig be­las­ten würden. Die­se Be­las­tung ist nicht un­verhält­nismäßig, wenn sie durch öffent­li­che Maßnah­men aus­rei­chend kom­pen­siert wird.“

14 In § 7 Abs. 1 des An­ti­dis­kri­mi­nie­rungs­ge­set­zes heißt es:

„Per­so­nen, de­ren Rech­te durch Ver­s­toß ge­gen §§ 2 bis 4 ver­letzt wer­den, kann Scha­dens­er­satz zu­er­kannt wer­den.“

15 § 7a der Richt­li­nie lau­tet:

„Macht ei­ne Per­son, die sich in ih­ren Rech­ten gemäß §§ 2 bis 4 ver­letzt fühlt, tatsächli­che Umstände gel­tend, die ei­ne un­mit­tel­ba­re oder mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung ver­mu­ten las­sen, trägt die an­de­re Par­tei die Be­weis­last dafür, dass der Gleich­be­hand­lungs­grund­satz nicht ver­letzt wur­de.“

Aus­gangs­ver­fah­ren und Vor­la­ge­fra­gen

16 Am 1. No­vem­ber 1996 stell­te die Bil­lund Kom­mu­ne, die Teil der däni­schen öffent­li­chen Ver­wal­tung ist, Herrn Kaltoft mit be­fris­te­tem Ver­trag als Ta­ges­va­ter ein, der Kin­der im ei­ge­nen Heim be­treut.
17 Die Bil­lund Kom­mu­ne stell­te Herrn Kaltoft so­dann mit un­be­fris­te­tem Ver­trag zum 1. Ja­nu­ar 1998 als Ta­ges­va­ter ein. Herr Kaltoft übte die­se Tätig­keit et­wa 15 Jah­re aus.
18 Zwi­schen den Par­tei­en des Aus­gangs­ver­fah­rens ist un­strei­tig, dass Herr Kaltoft während der ge­sam­ten Zeit sei­ner Beschäfti­gung bei der Bil­lund Kom­mu­ne „adipös“ im Sin­ne der De­fi­ni­ti­on der Welt­ge­sund­heits­or­ga­ni­sa­ti­on (WHO) war. Die Adi­po­si­tas ist un­ter dem Code E66 in der „In­ter­na­tio­na­len sta­tis­ti­schen Klas­si­fi­ka­ti­on der Krank­hei­ten und ver­wand­ter Ge­sund­heits­pro­ble­me“ der WHO (ICD 10) auf­geführt.
19 Herr Kaltoft ver­such­te, Ge­wicht zu ver­lie­ren, und die Bil­lund Kom­mu­ne gewähr­te ihm im Rah­men ih­rer Ge­sund­heits­po­li­tik von Ja­nu­ar 2008 bis Ja­nu­ar 2009 ei­nen fi­nan­zi­el­len Zu­schuss für die Teil­nah­me an Sport­kur­sen und an­de­ren körper­li­chen Ak­ti­vitäten. Er ver­lor zwar Ge­wicht, nahm dann aber wie bei frühe­ren Ver­su­chen wie­der zu.
20 Im März 2010 nahm Herr Kaltoft sei­ne Ar­beit als Ta­ges­va­ter wie­der auf, nach­dem er ein Jahr Ur­laub aus fa­mi­liären Gründen ge­nom­men hat­te. In der Fol­ge wur­de er mehr­mals un­an­gekündigt von der für die Ta­ges­be­treu­er Ver­ant­wort­li­chen be­sucht, die sich nach sei­nem Ge­wichts­ver­lust er­kun­dig­te. Bei die­sen Be­su­chen wur­de fest­ge­stellt, dass das Ge­wicht von Herrn Kaltoft na­he­zu un­verändert ge­blie­ben war.
21 We­gen des Rück­gangs der Kin­der­zahl in der Bil­lund Kom­mu­ne hat­te Herr Kaltoft ab der 38. Ka­len­der­wo­che 2010 nur drei statt der vier Kin­der zu be­treu­en, für die er ei­ne Zu­las­sung er­hal­ten hat­te.
22

Der Vor­la­ge­ent­schei­dung zu­fol­ge wur­den die pädago­gi­schen Be­auf­trag­ten der Bil­lund Kom­mu­ne um Vor­schläge da­zu ge­be­ten, wel­cher der Ta­ges­be­treu­er ent­las­sen wer­den sol­le. Die für die Ta­ges­be­treu­er Ver­ant­wort­li­che ent­schied auf der Grund­la­ge die­ser Vor­schläge, dass es Herr Kaltoft sein sol­le.

23 Am 1. No­vem­ber 2010 wur­de Herrn Kaltoft te­le­fo­nisch mit­ge­teilt, dass die Bil­lund Kom­mu­ne in Be­tracht zie­he, ihn zu ent­las­sen. Dar­auf­hin wur­de das bei der Ent­las­sung ei­nes An­ge­stell­ten des öffent­li­chen Diens­tes gel­ten­de Anhörungs­ver­fah­ren ein­ge­lei­tet.
24 Am sel­ben Tag er­kun­dig­te sich Herr Kaltoft bei ei­nem Gespräch mit der für die Ta­ges­be­treu­er Ver­ant­wort­li­chen in An­we­sen­heit der Per­so­nal­ver­tre­te­rin nach dem Grund dafür, dass er als ein­zi­ger der Ta­ges­be­treu­er ent­las­sen wer­de. Die Par­tei­en des Aus­gangs­ver­fah­rens sind sich darüber ei­nig, dass die Adi­po­si­tas von Herrn Kaltoft bei die­sem Tref­fen erörtert wur­de. Da­ge­gen be­steht kei­ne Ei­nig­keit darüber, wie die Adi­po­si­tas von Herrn Kaltoft bei die­sem Tref­fen zur Spra­che ge­kom­men und in­wie­weit sie ein Ge­sichts­punkt ge­we­sen war, der in den zu sei­ner Ent­las­sung führen­den Ent­schei­dungs­pro­zess Ein­gang fand.
25 Mit Schrei­ben vom 4. No­vem­ber 2010 teil­te die Bil­lund Kom­mu­ne Herrn Kaltoft förm­lich mit, dass sie be­ab­sich­ti­ge, ihn zu ent­las­sen, und for­der­te ihn auf, ge­ge­be­nen­falls da­zu Stel­lung zu neh­men. In die­sem Schrei­ben wur­de dar­ge­legt, dass die ins Au­ge ge­fass­te Ent­las­sung „nach ei­ner kon­kre­ten Prüfung vor dem Hin­ter­grund ei­nes Rück­gangs der Kin­der­zahl und da­mit der Ar­beits­last [er­folgt], mit dem er­heb­li­che fi­nan­zi­el­le Aus­wir­kun­gen auf den Kin­der­be­treu­ungs­dienst und des­sen Or­ga­ni­sa­ti­on ver­bun­den sind“.
26 Herr Kaltoft konn­te kei­nen Auf­schluss über die ge­nau­en Gründe er­lan­gen, aus de­nen ge­ra­de er ent­las­sen wur­de. Er war der ein­zi­ge Ta­ges­be­treu­er, der we­gen des gel­tend ge­mach­ten Rück­gangs der Ar­beits­last ent­las­sen wur­de.
27 Da die Bil­lund Kom­mu­ne Herrn Kaltoft ei­ne Frist zur Stel­lung­nah­me ge­setzt hat­te, teil­te die­ser mit Schrei­ben vom 10. No­vem­ber 2010 mit, er ha­be den Ein­druck, er sei we­gen sei­ner Adi­po­si­tas ent­las­sen wor­den.
28 Mit Schrei­ben vom 22. No­vem­ber 2010 kündig­te die Bil­lund Kom­mu­ne Herrn Kaltoft und führ­te aus, dass die­se Kündi­gung nach ei­ner „kon­kre­ten Prüfung vor dem Hin­ter­grund ei­nes Rück­gangs der Kin­der­zahl“ er­folgt sei. Die Bil­lund Kom­mu­ne ging auf die Ausführun­gen von Herrn Kaltoft zu dem von ihm ver­mu­te­ten wirk­li­chen Grund für sei­ne Ent­las­sung in sei­nem Schrei­ben vom 10. No­vem­ber 2010 nicht ein.
29 Die FOA, die für Herrn Kaltoft han­delt, er­hob Kla­ge beim Ret i Kol­ding (Ge­richt in Kol­ding) und macht gel­tend, dass Herr Kaltoft Op­fer ei­ner Dis­kri­mi­nie­rung we­gen Adi­po­si­tas ge­wor­den sei und ihm dafür Scha­dens­er­satz zu leis­ten sei.
30 Un­ter die­sen Umständen hat das Ret i Kol­ding das Ver­fah­ren aus­ge­setzt und dem Ge­richts­hof fol­gen­de Fra­gen zur Vor­ab­ent­schei­dung vor­ge­legt:

1. Verstößt ei­ne Dis­kri­mi­nie­rung we­gen Adi­po­si­tas auf dem Ar­beits­markt im All­ge­mei­nen oder durch ei­nen öffent­li­chen Ar­beit­ge­ber im Be­son­de­ren ge­gen das Uni­ons­recht, wie es zum Bei­spiel in der Grund­rech­te be­tref­fen­den Be­stim­mung des Art. 6 EUV zum Aus­druck kommt?

2. Ist ein et­wai­ges uni­ons­recht­li­ches Ver­bot der Dis­kri­mi­nie­rung we­gen Adi­po­si­tas un­mit­tel­bar auf das Verhält­nis zwi­schen ei­nem däni­schen Staats­an­gehöri­gen und sei­nem Ar­beit­ge­ber, der ei­ne Behörde ist, an­wend­bar?

3. Hat, so­fern der Ge­richts­hof der Auf­fas­sung ist, dass in der Uni­on ein Ver­bot der Dis­kri­mi­nie­rung we­gen Adi­po­si­tas auf dem Ar­beits­markt im All­ge­mei­nen oder durch ei­nen öffent­li­chen Ar­beit­ge­ber im Be­son­de­ren be­steht, die Prüfung, ob ge­gen ein even­tu­el­les Ver­bot der Dis­kri­mi­nie­rung we­gen Adi­po­si­tas ver­s­toßen wur­de, ge­ge­be­nen­falls gemäß der ver­teil­ten Be­weis­last zu er­fol­gen, so dass zur wirk­sa­men Um­set­zung des Ver­bots in Fällen, in de­nen der An­schein ei­ner Dis­kri­mi­nie­rung be­steht, die Be­weis­last auf den be­klag­ten Ar­beit­ge­ber zu ver­la­gern ist?

4. Kann Adi­po­si­tas als ei­ne vom Schutz der Richt­li­nie 2000/78 um­fass­te Be­hin­de­rung be­trach­tet wer­den, und wel­che Kri­te­ri­en sind ge­ge­be­nen­falls aus­schlag­ge­bend dafür, dass die Adi­po­si­tas ei­ner Per­son kon­kret den Schutz die­ser Per­son durch das in die­ser Richt­li­nie ent­hal­te­ne Ver­bot der Dis­kri­mi­nie­rung we­gen ei­ner Be­hin­de­rung be­inhal­tet?

Zu den Vor­la­ge­fra­gen

Zur ers­ten Fra­ge

31 Mit sei­ner ers­ten Fra­ge möch­te das vor­le­gen­de Ge­richt wis­sen, ob das Uni­ons­recht da­hin aus­zu­le­gen ist, dass es ein all­ge­mei­nes Ver­bot der Dis­kri­mi­nie­rung we­gen Adi­po­si­tas als sol­cher in Beschäfti­gung und Be­ruf enthält.
32 Nach der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs gehört zu den Grund­rech­ten als in­te­gra­ler Be­stand­teil der all­ge­mei­nen Grundsätze des Uni­ons­rechts u. a. das all­ge­mei­ne Dis­kri­mi­nie­rungs­ver­bot, das für die Mit­glied­staa­ten so­mit ver­bind­lich ist, wenn die im Aus­gangs­ver­fah­ren in Re­de ste­hen­de in­ner­staat­li­che Si­tua­ti­on in den An­wen­dungs­be­reich des Uni­ons­rechts fällt (vgl. in die­sem Sin­ne Ur­teil Chacón Na­vas, C-13/05, EU:C:2006:456, Rn. 56).
33 Hier­zu ist fest­zu­stel­len, dass we­der der EU-Ver­trag noch der AEU-Ver­trag ei­ne Be­stim­mung enthält, die ei­ne Dis­kri­mi­nie­rung we­gen Adi­po­si­tas als sol­cher ver­bie­tet. Ins­be­son­de­re wird we­der in Art. 10 AEUV noch in Art. 19 AEUV auf Adi­po­si­tas Be­zug ge­nom­men.
34 Im Ein­zel­nen er­gibt sich zu Art. 19 AEUV aus der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs, dass die­ser Ar­ti­kel le­dig­lich ei­ne Re­ge­lung der Zuständig­kei­ten der Uni­on enthält und, da er nicht die Dis­kri­mi­nie­rung we­gen Adi­po­si­tas als sol­cher be­trifft, kei­ne Rechts­grund­la­ge für Maßnah­men des Ra­tes der Eu­ropäischen Uni­on zur Bekämp­fung ei­ner sol­chen Dis­kri­mi­nie­rung sein kann (vgl. ent­spre­chend Ur­teil Chacón Na­vas, EU:C:2006:456, Rn. 55).
35 Eben­so we­nig enthält das ab­ge­lei­te­te Uni­ons­recht ein Ver­bot der Dis­kri­mi­nie­rung we­gen Adi­po­si­tas in Beschäfti­gung und Be­ruf. Ins­be­son­de­re ist Adi­po­si­tas nicht in der Richt­li­nie 2000/78 als Dis­kri­mi­nie­rungs­grund auf­geführt.
36 Nach der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs darf der Gel­tungs­be­reich der Richt­li­nie 2000/78 nicht in ent­spre­chen­der An­wen­dung über die Dis­kri­mi­nie­run­gen we­gen der in Art. 1 die­ser Richt­li­nie ab­sch­ließend auf­gezähl­ten Gründe hin­aus aus­ge­dehnt wer­den (vgl. Ur­tei­le Chacón Na­vas, EU:C:2006:456, Rn. 56, und Cole­man, C-303/06, EU:C:2008:415, Rn. 46).
37 Da­her kann Adi­po­si­tas als sol­che nicht als ein wei­te­rer Grund ne­ben de­nen an­ge­se­hen wer­den, de­rent­we­gen Per­so­nen zu dis­kri­mi­nie­ren nach der Richt­li­nie 2000/78 ver­bo­ten ist (vgl. ent­spre­chend Ur­teil Chacón Na­vas, EU:C:2006:456, Rn. 57).
38 Im vor­lie­gen­den Fall enthält die dem Ge­richts­hof über­mit­tel­te Ak­te nichts, was dar­auf schließen ließe, dass der im Aus­gangs­ver­fah­ren frag­li­che Sach­ver­halt, so­weit er ei­ne Ent­las­sung be­trifft, die auf Adi­po­si­tas als sol­cher be­ru­hen soll, in den An­wen­dungs­be­reich des Uni­ons­rechts fällt.
39 In die­sem Zu­sam­men­hang fin­den auch die Be­stim­mun­gen der Char­ta der Grund­rech­te der Eu­ropäischen Uni­on kei­ne An­wen­dung auf ei­nen sol­chen Sach­ver­halt (vgl. in die­sem Sin­ne Ur­teil Åker­berg Frans­son, C-617/10, EU:C:2013:105, Rn. 21 und 22).
40 In An­be­tracht die­ser Erwägun­gen ist auf die ers­te Vor­la­ge­fra­ge zu ant­wor­ten, dass das Uni­ons­recht da­hin aus­zu­le­gen ist, dass es kein all­ge­mei­nes Ver­bot der Dis­kri­mi­nie­rung we­gen Adi­po­si­tas als sol­cher in Beschäfti­gung und Be­ruf enthält.

Zur zwei­ten und zur drit­ten Fra­ge

41 In An­be­tracht der Ant­wort auf die ers­te Fra­ge sind die zwei­te und die drit­te Fra­ge nicht zu be­ant­wor­ten.

Zur vier­ten Fra­ge

42 Mit sei­ner vier­ten Fra­ge möch­te das vor­le­gen­de Ge­richt wis­sen, ob die Richt­li­nie 2000/78 da­hin aus­zu­le­gen ist, dass die Adi­po­si­tas ei­nes Ar­beit­neh­mers ei­ne „Be­hin­de­rung“ im Sin­ne die­ser Richt­li­nie dar­stel­len kann und, falls ja, wel­che Kri­te­ri­en aus­schlag­ge­bend dafür sind, dass dem Be­tref­fen­den der durch die Richt­li­nie gewähr­te Schutz ge­gen Dis­kri­mi­nie­rung we­gen ei­ner Be­hin­de­rung zu­gu­te kommt.

Zur Zulässig­keit

43 Die däni­sche Re­gie­rung trägt vor, dass die vier­te Fra­ge un­zulässig sei, da sie hy­po­the­tisch sei. Aus den vom vor­le­gen­den Ge­richt dar­ge­leg­ten tatsächli­chen Umständen er­ge­be sich nämlich nicht, dass Herr Kaltoft während sei­ner Beschäfti­gung bei der Bil­lund Kom­mu­ne nicht in der La­ge ge­we­sen wäre, sei­ne Tätig­keit aus­zuüben, und erst recht nicht, dass da­von aus­ge­gan­gen wor­den wäre, dass er un­ter ei­ner „Be­hin­de­rung“ im Sin­ne der Richt­li­nie 2000/78 lei­de. Die Be­ant­wor­tung die­ser Fra­ge wäre da­her der Ent­schei­dung des Aus­gangs­rechts­streits nicht sach­dien­lich.
44 Außer­dem las­se die Ant­wort auf die vier­te Fra­ge kei­nen Raum für vernünf­ti­ge Zwei­fel, da sie klar aus der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs ab­ge­lei­tet wer­den könne. Denn im Licht von Rn. 47 des Ur­teils HK Dan­mark (C-335/11 und C-337/11, EU:C:2013:222) könne das vor­le­gen­de Ge­richt im Aus­gangs­ver­fah­ren selbst über die De­fi­ni­ti­on des Be­griffs „Be­hin­de­rung“ im Sin­ne der Richt­li­nie 2000/78 ent­schei­den.
45 In­so­weit ist dar­auf hin­zu­wei­sen, dass im Rah­men des Ver­fah­rens nach Art. 267 AEUV nur das na­tio­na­le Ge­richt, das mit dem Rechts­streit be­fasst ist und in des­sen Ver­ant­wor­tungs­be­reich die zu er­las­sen­de Ent­schei­dung fällt, im Hin­blick auf die Be­son­der­hei­ten der Rechts­sa­che so­wohl die Er­for­der­lich­keit ei­ner Vor­ab­ent­schei­dung für den Er­lass sei­nes Ur­teils als auch die Er­heb­lich­keit der dem Ge­richts­hof von ihm vor­ge­leg­ten Fra­gen zu be­ur­tei­len hat. Da­her ist der Ge­richts­hof grundsätz­lich ge­hal­ten, über ihm vor­ge­leg­te Fra­gen zu be­fin­den, wenn sie die Aus­le­gung des Uni­ons­rechts be­tref­fen. Die Ver­mu­tung der Er­heb­lich­keit der von den na­tio­na­len Ge­rich­ten zur Vor­ab­ent­schei­dung vor­ge­leg­ten Fra­gen kann nur aus­nahms­wei­se wi­der­legt wer­den, und zwar dann, wenn die er­be­te­ne Aus­le­gung des Uni­ons­rechts of­fen­sicht­lich in kei­nem Zu­sam­men­hang mit der Rea­lität oder dem Ge­gen­stand des Aus­gangs­rechts­streits steht, wenn das Pro­blem hy­po­the­ti­scher Na­tur ist oder wenn der Ge­richts­hof nicht über die tatsächli­chen und recht­li­chen An­ga­ben verfügt, die für ei­ne zweck­dien­li­che Be­ant­wor­tung der ihm vor­ge­leg­ten Fra­gen er­for­der­lich sind (vgl. u. a. Ur­tei­le Åker­berg Frans­son, EU:C:2013:105, Rn. 39 und 40, so­wie B., C-394/13, EU:C:2014:2199, Rn. 19).
46 Im vor­lie­gen­den Fall ist sich das vor­le­gen­de Ge­richt nicht si­cher, wie der Be­griff „Be­hin­de­rung“ im Sin­ne der Richt­li­nie 2000/78 aus­zu­le­gen ist, und möch­te mit sei­ner vier­ten Fra­ge wis­sen, ob die­ser Be­griff auf ei­nen adipösen Ar­beit­neh­mer an­wend­bar ist, der ent­las­sen wur­de.
47 Un­ter die­sen Umständen ist nicht of­fen­sicht­lich, dass das vor­le­gen­de Ge­richt die von ihm er­be­te­ne Aus­le­gung des Uni­ons­rechts für die Ent­schei­dung des bei ihm anhängi­gen Rechts­streits nicht benötigt.
48 Es ist fer­ner ei­nem na­tio­na­len Ge­richt kei­nes­wegs un­ter­sagt, dem Ge­richts­hof ei­ne Fra­ge zur Vor­ab­ent­schei­dung vor­zu­le­gen, de­ren Be­ant­wor­tung kei­nen Raum für vernünf­ti­ge Zwei­fel lässt (vgl. Ur­teil Pai­ner, C-145/10, EU:C:2011:798, Rn. 64 und die dort an­geführ­te Recht­spre­chung).
49 Da­her ist die vier­te Fra­ge als zulässig an­zu­se­hen.

Be­ant­wor­tung der Fra­ge

50 Vor­ab ist fest­zu­stel­len, dass die Richt­li­nie 2000/78 nach ih­rem Art. 1 die Schaf­fung ei­nes all­ge­mei­nen Rah­mens zur Bekämp­fung von Dis­kri­mi­nie­run­gen in Beschäfti­gung und Be­ruf aus ei­nem der in die­sem Ar­ti­kel ge­nann­ten Gründe be­zweckt, zu de­nen die Be­hin­de­rung zählt (vgl. Ur­teil Chacón Na­vas, Rn. 41).
51 Nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. a die­ser Richt­li­nie liegt ei­ne un­mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung vor, wenn ei­ne Per­son we­gen ei­nes der in Art. 1 die­ser Richt­li­nie ge­nann­ten Gründe in ei­ner ver­gleich­ba­ren Si­tua­ti­on ei­ne we­ni­ger güns­ti­ge Be­hand­lung erfährt als ei­ne an­de­re Per­son.
52 Gemäß ih­rem Art. 3 Abs. 1 Buchst. c gilt die Richt­li­nie 2000/78 im Rah­men der auf die Uni­on über­tra­ge­nen Zuständig­kei­ten für al­le Per­so­nen in öffent­li­chen und pri­va­ten Be­rei­chen, ein­sch­ließlich öffent­li­cher Stel­len, u. a. in Be­zug auf die Ent­las­sungs­be­din­gun­gen.
53 Nach der Ra­ti­fi­zie­rung des Übe­r­ein­kom­mens der Ver­ein­ten Na­tio­nen über die Rech­te von Men­schen mit Be­hin­de­run­gen, das mit dem Be­schluss 2010/48/EG des Ra­tes vom 26. No­vem­ber 2009 (ABl. 2010, L 23, S. 35) im Na­men der Eu­ropäischen Ge­mein­schaft ge­neh­migt wur­de, hat der Ge­richts­hof fest­ge­stellt, dass der Be­griff „Be­hin­de­rung“ im Sin­ne der Richt­li­nie 2000/78 so zu ver­ste­hen ist, dass er ei­ne Ein­schränkung er­fasst, die u. a. auf phy­si­sche, geis­ti­ge oder psy­chi­sche Be­ein­träch­ti­gun­gen von Dau­er zurück­zuführen ist, die in Wech­sel­wir­kung mit ver­schie­de­nen Bar­rie­ren den Be­tref­fen­den an der vol­len und wirk­sa­men Teil­ha­be am Be­rufs­le­ben, gleich­be­rech­tigt mit den an­de­ren Ar­beit­neh­mern, hin­dern können (vgl. Ur­tei­le HK Dan­mark, EU:C:2013:222, Rn. 37 bis 39; Z., C-363/12, EU:C:2014:159, Rn. 76, und Glat­zel, C-356/12, EU:C:2014:350, Rn. 45).
54 Die­ser Be­griff „Be­hin­de­rung“ ist so zu ver­ste­hen, dass er nicht nur die Unmöglich­keit er­fasst, ei­ne be­ruf­li­che Tätig­keit aus­zuüben, son­dern auch ei­ne Be­ein­träch­ti­gung der Ausübung ei­ner sol­chen Tätig­keit. Ei­ne an­de­re Aus­le­gung wäre mit dem Ziel die­ser Richt­li­nie un­ver­ein­bar, die ins­be­son­de­re Men­schen mit Be­hin­de­rung Zu­gang zur Beschäfti­gung oder die Ausübung ei­nes Be­rufs ermögli­chen soll (vgl. Ur­teil Z., EU:C:2014:159, Rn. 77 und die dort an­geführ­te Recht­spre­chung).
55 Für den An­wen­dungs­be­reich die­ser Richt­li­nie je nach Ur­sa­che der Be­hin­de­rung zu dif­fe­ren­zie­ren, würde außer­dem ih­rem Ziel selbst, die Gleich­be­hand­lung zu ver­wirk­li­chen, wi­der­spre­chen (vgl. Ur­teil HK Dan­mark, EU:C:2013:222, Rn. 40).
56 Der Be­griff „Be­hin­de­rung“ im Sin­ne der Richt­li­nie 2000/78 hängt nämlich nicht da­von ab, in­wie­weit der Be­tref­fen­de ge­ge­be­nen­falls zum Auf­tre­ten sei­ner Be­hin­de­rung bei­ge­tra­gen hat.
57 Darüber hin­aus geht die De­fi­ni­ti­on des Be­griffs „Be­hin­de­rung“ im Sin­ne von Art. 1 der Richt­li­nie 2000/78 der Be­stim­mung und Be­ur­tei­lung der in Art. 5 der Richt­li­nie ins Au­ge ge­fass­ten ge­eig­ne­ten Vor­keh­rungs­maßnah­men vor­aus. Gemäß dem 16. Erwägungs­grund die­ser Richt­li­nie soll mit sol­chen Maßnah­men nämlich den Bedürf­nis­sen von Men­schen mit Be­hin­de­rung Rech­nung ge­tra­gen wer­den, und sie sind da­her Fol­ge und nicht Tat­be­stands­merk­mal der Be­hin­de­rung (vgl. in die­sem Sin­ne Ur­teil HK Dan­mark, EU:C:2013:222, Rn. 45 und 46). Da­her kann nicht al­lein des­halb, weil Herrn Kaltoft ge­genüber kei­ne sol­chen Vor­keh­rungs­maßnah­men ge­trof­fen wur­den, da­von aus­ge­gan­gen wer­den, dass er nicht be­hin­dert im Sin­ne der Richt­li­nie sein kann.
58 Es ist fest­zu­stel­len, dass Adi­po­si­tas als sol­che kei­ne „Be­hin­de­rung“ im Sin­ne der Richt­li­nie 2000/78 ist, da sie ih­rem We­sen nach nicht zwangsläufig ei­ne Ein­schränkung wie die in Rn. 53 des vor­lie­gen­den Ur­teils be­schrie­be­ne zur Fol­ge hat.

59

Da­ge­gen fällt die Adi­po­si­tas ei­nes Ar­beit­neh­mers, wenn sie un­ter be­stimm­ten Umständen ei­ne Ein­schränkung mit sich bringt, die ins­be­son­de­re auf phy­si­sche, geis­ti­ge oder psy­chi­sche Be­ein­träch­ti­gun­gen zurück­zuführen ist, die ihn in Wech­sel­wir­kung mit ver­schie­de­nen Bar­rie­ren an der vol­len und wirk­sa­men Teil­ha­be am Be­rufs­le­ben, gleich­be­rech­tigt mit den an­de­ren Ar­beit­neh­mern, hin­dern können, und wenn die­se Ein­schränkung von lan­ger Dau­er ist, un­ter den Be­griff „Be­hin­de­rung“ im Sin­ne der Richt­li­nie 2000/78 (vgl. in die­sem Sin­ne Ur­teil HK Dan­mark, EU:C:2013:222, Rn. 41).
60 Dies wäre ins­be­son­de­re dann der Fall, wenn der Ar­beit­neh­mer auf­grund sei­ner Adi­po­si­tas an der vol­len und wirk­sa­men Teil­ha­be am Be­rufs­le­ben, gleich­be­rech­tigt mit den an­de­ren Ar­beit­neh­mern, ge­hin­dert wäre, und zwar auf­grund ein­ge­schränk­ter Mo­bi­lität oder dem Auf­tre­ten von Krank­heits­bil­dern, die ihn an der Ver­rich­tung sei­ner Ar­beit hin­dern oder zu ei­ner Be­ein­träch­ti­gung der Ausübung sei­ner be­ruf­li­chen Tätig­keit führen.
61 Im vor­lie­gen­den Fall steht, wie das vor­le­gen­de Ge­richt aus­geführt hat, fest, dass Herr Kaltoft während der ge­sam­ten Zeit sei­ner Beschäfti­gung bei der Bil­lund Kom­mu­ne - al­so über ei­nen lan­gen Zeit­raum - adipös war.
62 Es ist Sa­che des vor­le­gen­den Ge­richts, zu prüfen, ob im Aus­gangs­rechts­streit die Adi­po­si­tas von Herrn Kaltoft trotz des Um­stands, dass er - wie in Rn. 17 des vor­lie­gen­den Ur­teils aus­geführt - sei­ne Ar­beit et­wa 15 Jah­re lang ver­rich­tet hat, zu ei­ner Ein­schränkung geführt hat, die die in Rn. 53 des vor­lie­gen­den Ur­teils ge­nann­ten Vor­aus­set­zun­gen erfüllt.
63 Für den Fall, dass das vor­le­gen­de Ge­richt zu dem Schluss ge­langt, dass die Adi­po­si­tas von Herrn Kaltoft die in Rn. 53 des vor­lie­gen­den Ur­teils ge­nann­ten Vor­aus­set­zun­gen erfüllt, ist bezüglich der Be­weis­last dar­auf hin­zu­wei­sen, dass nach Art. 10 Abs. 1 der Richt­li­nie 2000/78 die Mit­glied­staa­ten im Ein­klang mit ih­rem na­tio­na­len Ge­richts­we­sen die er­for­der­li­chen Maßnah­men er­grei­fen müssen, um zu gewähr­leis­ten, dass im­mer dann, wenn Per­so­nen, die sich durch die Nicht­an­wen­dung des Gleich­be­hand­lungs­grund­sat­zes für ver­letzt hal­ten und bei ei­nem Ge­richt oder ei­ner an­de­ren zuständi­gen Stel­le Tat­sa­chen glaub­haft ma­chen, die das Vor­lie­gen ei­ner un­mit­tel­ba­ren oder mit­tel­ba­ren Dis­kri­mi­nie­rung ver­mu­ten las­sen, es dem Be­klag­ten ob­liegt zu be­wei­sen, dass kei­ne Ver­let­zung des Gleich­be­hand­lungs­grund­sat­zes vor­ge­le­gen hat. Nach Art. 10 Abs. 2 lässt Abs. 1 das Recht der Mit­glied­staa­ten, ei­ne für den Kläger güns­ti­ge­re Be­weis­last­re­ge­lung vor­zu­se­hen, un­berührt.
64 Nach al­le­dem ist auf die vier­te Fra­ge zu ant­wor­ten, dass die Richt­li­nie 2000/78 da­hin aus­zu­le­gen ist, dass die Adi­po­si­tas ei­nes Ar­beit­neh­mers ei­ne „Be­hin­de­rung“ im Sin­ne die­ser Richt­li­nie dar­stellt, wenn sie ei­ne Ein­schränkung mit sich bringt, die u. a. auf phy­si­sche, geis­ti­ge oder psy­chi­sche Be­ein­träch­ti­gun­gen von Dau­er zurück­zuführen ist, die ihn in Wech­sel­wir­kung mit ver­schie­de­nen Bar­rie­ren an der vol­len und wirk­sa­men Teil­ha­be am Be­rufs­le­ben, gleich­be­rech­tigt mit den an­de­ren Ar­beit­neh­mern, hin­dern können. Es ist Sa­che des na­tio­na­len Ge­richts, zu prüfen, ob die­se Vor­aus­set­zun­gen im Aus­gangs­ver­fah­ren erfüllt sind.

Kos­ten

65 Für die Par­tei­en des Aus­gangs­ver­fah­rens ist das Ver­fah­ren ein Zwi­schen­streit in dem bei dem vor­le­gen­den Ge­richt anhängi­gen Rechts­streit; die Kos­ten­ent­schei­dung ist da­her Sa­che die­ses Ge­richts. Die Aus­la­gen an­de­rer Be­tei­lig­ter für die Ab­ga­be von Erklärun­gen vor dem Ge­richts­hof sind nicht er­stat­tungsfähig.

Aus die­sen Gründen hat der Ge­richts­hof (Vier­te Kam­mer) für Recht er­kannt:

1. Das Uni­ons­recht ist da­hin aus­zu­le­gen, dass es kein all­ge­mei­nes Ver­bot der Dis­kri­mi­nie­rung we­gen Adi­po­si­tas als sol­cher in Beschäfti­gung und Be­ruf enthält.

2. Die Richt­li­nie 2000/78/EG des Ra­tes vom 27. No­vem­ber 2000 zur Fest­le­gung ei­nes all­ge­mei­nen Rah­mens für die Ver­wirk­li­chung der Gleich­be­hand­lung in Beschäfti­gung und Be­ruf ist da­hin aus­zu­le­gen, dass die Adi­po­si­tas ei­nes Ar­beit­neh­mers ei­ne „Be­hin­de­rung“ im Sin­ne die­ser Richt­li­nie dar­stellt, wenn sie ei­ne Ein­schränkung mit sich bringt, die u. a. auf phy­si­sche, geis­ti­ge oder psy­chi­sche Be­ein­träch­ti­gun­gen von Dau­er zurück­zuführen ist, die ihn in Wech­sel­wir­kung mit ver­schie­de­nen Bar­rie­ren an der vol­len und wirk­sa­men Teil­ha­be am Be­rufs­le­ben, gleich­be­rech­tigt mit den an­de­ren Ar­beit­neh­mern, hin­dern können. Es ist Sa­che des na­tio­na­len Ge­richts, zu prüfen, ob die­se Vor­aus­set­zun­gen im Aus­gangs­ver­fah­ren erfüllt sind.

Un­ter­schrif­ten

* Ver­fah­rens­spra­che: Dänisch.

Quel­le: Ge­richts­hof der Eu­ropäischen Uni­on (EuGH), http://cu­ria.eu­ro­pa.eu

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