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Hes­si­sches LAG, Ur­teil vom 28.06.2010, 16 Sa­Ga 811/10

   
Schlagworte: Freistellung
   
Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 16 SaGa 811/10
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 28.06.2010
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Frankfurt, Urteil vom 21.05.2010, 24 Ga 99/10
   

Hes­si­sches Lan­des­ar­beits­ge­richt


Ak­ten­zei­chen: 16 Sa­Ga 811/10

(Ar­beits­ge­richt Frank­furt am Main: 24 Ga 99/10)

Be­schluss


In dem Be­ru­fungs­ver­fah­ren in Ar­rest- und einst­wei­li­gen Verfügungs­ver­fah­ren

Verfügungskläger und

Be­ru­fungskläger

Pro­zess­be­vollmäch­tigt.: 

Geschäfts­zei­chen

ge­gen

Verfügungs­be­klag­te und

Be­ru­fungs­be­klag­te

Pro­zess­be­vollmäch­tigt.: 

Geschäfts­zei­chen

Gemäß § 319 ZPO wird der ers­te Satz des Te­nors des Ur­teils vom 28. Ju­ni 2010 da­hin­ge­hend be­rich­tigt, dass die­ser lau­tet:

„Auf die Be­ru­fung des Verfügungsklägers wird das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Frank­furt am Main vom 21. Mai 2010 – 24 GA 99/10 – un­ter Zurück­wei­sung der Be­ru­fung im Übri­gen teil­wei­se ab­geändert:“


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Gründe:


Beim Ab­fas­sen der Ur­teils­for­mel hat das Ge­richt aus den Au­gen ver­lo­ren, dass das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts nur teil­wei­se ab­geändert wur­de und die Be­ru­fung im Übri­gen zurück­ge­wie­sen wur­de. Hier­bei han­delt es sich um ei­ne of­fen­sicht­li­che Ab­wei­chung zwi­schen dem vom Ge­richt Erklärten und dem Ge­woll­ten.

Die Rechts­be­schwer­de wird nicht zu­ge­las­sen.

Frank­furt am Main, den 26. Ju­li 2010 - Kam­mer 16 -

Der Vor­sit­zen­de

gez.
Vor­sit­zen­der Rich­ter am Lan­des­ar­beits­ge­richt

Hes­si­sches Lan­des­ar­beits­ge­richt


Ak­ten­zei­chen: 16 Sa­Ga 811/10

(Ar­beits­ge­richt Frank­furt am Main: 24 Ga 99/10)  

Verkündet am:

28. Ju­ni 2010

 

gez. Fi­scher

An­ge­stell­ter

Im Na­men des Vol­kes


Ur­teil

In dem Be­ru­fungs­ver­fah­ren in Ar­rest- und einst­wei­li­gen Verfügungs­ver­fah­ren

Verfügungskläger und

Be­ru­fungskläger

Pro­zess­be­vollmäch­tigt.:


ge­gen

Verfügungs­be­klag­te und

Be­ru­fungs­be­klag­te

Pro­zess­be­vollmäch­tigt.:

hat das Hes­si­sche Lan­des­ar­beits­ge­richt, Kam­mer 16,

auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 28. Ju­ni 2010
durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Lan­des­ar­beits­ge­richt als Vor­sit­zen­den
und den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter
und den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter
als Bei­sit­zer
für Recht er­kannt:


Auf die Be­ru­fung des Verfügungsklägers wird das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Frank­furt am Main vom 21. Mai 2010 - 24 Ga 99/10 - ab­geändert:
Die Verfügungs­be­klag­te wird ver­ur­teilt, den Verfügungskläger bis zum Vor­lie­gen ei­ner erst­in­stanz­li­chen Ent­schei­dung in dem beim Ar­beits­ge­richts Frank­furt am Main un­ter dem Ak­ten­zei­chen 24 Ca 3748/10 anhängi­gen Rechts­streits als Hub­wa­gen­fah­rer zu beschäfti­gen.

Die Verfügungs­be­klag­te hat die Kos­ten des Rechts­streits zu tra­gen.


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Tat­be­stand


Die Par­tei­en strei­ten in dem einst­wei­li­gen Verfügungs­ver­fah­ren über den An­spruch des Verfügungsklägers auf Beschäfti­gung im un­gekündig­ten Ar­beits­verhält­nis.


Die Verfügungs­be­klag­te be­treibt auf ver­schie­de­nen Flughäfen Air­line-Ca­te­ring. Bei ihr ist ein Be­triebs­rat ge­bil­det. Der 40 Jah­re al­te, ver­hei­ra­te­te, zwei Kin­dern un­ter­halts­ver­pflich­te­te Verfügungskläger ist seit 15. Ju­li 1999 als Hub­wa­gen­fah­rer im Be­trieb ZD der Verfügungs­be­klag­ten beschäftigt. Ihm wur­de am 19. Ok­to­ber 2006 für die Kom­mu­ni­ka­ti­on mit der Ein­satz­zen­tra­le und an­de­ren be­trieb­li­chen An­sprech­part­nern ein Mo­bil­te­le­fon zur Verfügung ge­stellt. Im Zu­sam­men­hang da­mit er­hielt der Verfügungskläger ein Schrei­ben der Verfügungs­be­klag­ten vom sel­ben Tag, in­dem es heißt:

"Die o.g. Te­le­fon­num­mer ist nur für dienst­li­che Ver­wen­dung vor­ge­se­hen. Für pri­va­te Gespräche ist die pri­va­te Duo­Bill-Nr. zu ver­wen­den."

Der Verfügungskläger mach­te von der Möglich­keit der Nut­zung der Duo­Bill-Nr. Ge­brauch.

An­fang 2010 führ­te die Verfügungs­be­klag­te im Be­reich Trans­port ei­ne Über­prüfung der Han­dy­rech­nun­gen durch und stell­te fest, dass der Verfügungskläger in der Zeit von April 2008 bis Ja­nu­ar 2010 un­ter sei­ner dienst­li­chen Han­dy­num­mer 115 SMS und 13 MMS ver­schick­te so­wie durch den Ein­satz des Han­dys im Aus­land Te­le­fon­kos­ten in Höhe von 543,16 € ver­ur­sach­te.


Hier­von er­hielt die da­ma­li­ge Per­so­nal­lei­te­rin der Verfügungs­be­klag­ten am 3. März 2010 Kennt­nis und bat den Verfügungskläger am sel­ben Tag um Stel­lung­nah­me bis 8. März 2010. Am 3. oder 4. März 2010 wur­de der Verfügungskläger von der Ar­beits­leis­tung frei­ge­stellt. Auf Wunsch des Verfügungsklägers bzw. sei­nes Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten verlänger­te die Verfügungs­be­klag­te die Frist zur Stel­lung­nah­me bis 11. März 2010. Un­ter dem 12. März 2010 hörte sie den Be­triebs­rat zu ei­ner be­ab­sich­tig­ten außer­or­dent­li­chen, hilfs­wei­se außer­or­dent­li­chen Kündi­gung mit so­zia­ler Aus­lauf­frist an. Nach­dem der Be­triebs­rat mit Schrei­ben vom 15. März 2010 die Zu­stim­mung ver­wei­ger­te, lei­te­te die Verfügungs­be­klag­te am 22. März 2010 ein Zu­stim­mungs­er­set­zungs­ver­fah­ren ein, das beim Ar­beits­ge-

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richt Frank­furt am Main un­ter dem Ak­ten­zei­chen 24 BV 181/10 anhängig ist und dem Verfügungskläger am 10. April 2010 zu­ge­stellt wur­de. Un­ter dem 12. April 2010 for­der­te der Pro­zess­be­vollmäch­tig­te des Verfügungsklägers von der Verfügungs­be­klag­ten die Auf­he­bung der Su­s­pen­die­rung und die ver­trags­gemäße Beschäfti­gung des Verfügungsklägers. Nach­dem in dem Ver­fah­ren 24 BV 181/10 der ursprüng­lich für den 19. April 2010 an­be­raum­te Ter­min auf den 10. Mai 2010 ver­legt wor­den war, be­an­trag­te der Pro­zess­be­vollmäch­tig­te des Verfügungsklägers am 7. Mai 2010 beim Ar­beits­ge­richt Frank­furt am Main den Er­lass ei­ner einst­wei­li­gen Verfügung auf ver­trags­gemäße Beschäfti­gung.

Der Verfügungskläger hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, ihm ste­he ein An­spruch auf Beschäfti­gung in­ner­halb des un­gekündigt be­ste­hen­den Ar­beits­verhält­nis­ses zu. Auch ein Verfügungs­grund lie­ge vor, da er erst mit Zu­stel­lung der An­trags­schrift in dem Ver­fah­ren 24 BV 181/10 am 10. April 2010 von der Kündi­gungs­ab­sicht der Verfügungs­be­klag­ten Kennt­nis er­langt ha­be.

Der Verfügungskläger hat be­an­tragt,

die Verfügungs­be­klag­ten im We­ge der einst­wei­li­gen Verfügung zu ver­ur­tei­len, den Verfügungskläger bis zum rechts­kräfti­gen Ab­schluss des beim Ar­beits­ge­richt Frank­furt am Main un­ter dem Ak­ten­zei­chen 24 BV 181/10 anhängi­gen Zu­stim­mungs­er­set­zungs­ver­fah­ren als Hub­wa­gen­fah­rer tatsächlich zu beschäfti­gen.

Die Verfügungs­be­klag­te hat be­an­tragt,

den An­trag auf Er­lass ei­ner einst­wei­li­gen Verfügung zurück­zu­wei­sen.

Sie hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, es feh­le be­reits am Verfügungs­an­spruch, da der durch ob­jek­ti­ve Tat­sa­chen ge­si­cher­te drin­gen­de Ver­dacht ei­ner straf­ba­ren Hand­lung be­ste­he. Durch die pri­va­te Nut­zung sei­nes aus­sch­ließlich zu dienst­li­chen Zwe­cken über­las­se­nen Mo­bil­te­le­fons ha­be der Kläger ei­nen Be­trug im straf­recht­li­chen Sin­ne be­gan­gen. Auf­grund die­ses Ver­trau­ens­bruchs über­wie­ge das In­ter­es­se der Verfügungs­be­klag­ten an ei­ner Su­s­pen­die­rung das Beschäfti­gungs­in­ter­es­se des Verfügungsklägers. Auch ein Verfügungs­grund lie­ge nicht vor. Der Verfügungskläger ha­be die Eil­bedürf­tig­keit sei­nes An­lie­gens da­durch wi­der­legt, dass er trotz sei­ner An­fang März 2010 er­folg­ten Frei­stel­lung erst­mals un­ter dem

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12. April 2010 sei­nen Beschäfti­gungs­an­spruch ge­genüber der Be­klag­ten und am 7. Mai 2010 ge­richt­lich gel­tend ge­macht ha­be.

Das Ar­beits­ge­richt hat den An­trag des Verfügungsklägers zurück­ge­wie­sen. Es könne da­hin­ste­hen, ob ein Verfügungs­an­spruch be­ste­he. Je­den­falls lie­ge kein Verfügungs­grund vor. Der Verfügungskläger ha­be zwei Mo­na­te zu­ge­war­tet, bis er zur Durch­set­zung sei­nes An­lie­gens ge­richt­li­che Hil­fe in An­spruch ge­nom­men hat. Er ha­be hier­durch ge­zeigt, dass ihm die Durch­set­zung sei­nes Beschäfti­gungs­an­spruchs nicht dring­lich ist und da­mit das Vor­lie­gen ei­nes Verfügungs­grun­des selbst wi­der­legt. We­gen der Ein­zel­hei­ten der Be­gründung wird auf die Ent­schei­dungs­gründe Blatt 189 bis 194 der Ak­ten Be­zug ge­nom­men.

Ge­gen die­ses Ur­teil, das dem Verfügungskläger am 28. Mai 2010 zu­ge­stellt wur­de, hat er am 2. Ju­ni 2010 Be­ru­fung ein­ge­legt und die­se gleich­zei­tig be­gründet.

Das Ar­beits­ge­richt sei zu Un­recht da­von aus­ge­gan­gen, dass der Verfügungskläger die Dring­lich­keit durch sein Zu­war­ten selbst wi­der­legt ha­be. Es hätte nicht ein­mal ein zu lan­ges Zu­war­ten vor­ge­le­gen, wenn der Verfügungskläger den in dem Par­al­lel­ver­fah­ren an­ste­hen­den Güte­ter­min ab­ge­war­tet hätte. In­zwi­schen ha­be der Verfügungskläger vor dem Ar­beits­ge­richt Frank­furt am Main ein Haupt­sa­che­ver­fah­ren hin­sicht­lich sei­nes Beschäfti­gungs­an­spru­ches gel­tend ge­macht, das dort un­ter dem Ak­ten­zei­chen 24 Ca 3748/10 geführt wird. Bis zum Vor­lie­gen ei­ner erst­in­stanz­li­chen Ent­schei­dung in je­nem Ver­fah­ren sei der Verfügungskläger zu beschäfti­gen.

Der Verfügungskläger be­an­tragt,

das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Frank­furt am Main vom 21. Mai 2010 - 24 BV 99/10 - ab­zuändern und die Verfügungs­be­klag­te im We­ge der einst­wei­li­gen Verfügung zu ver­ur­tei­len, den Kläger bis zum rechts­kräfti­gen Ab­schluss des beim Ar­beits­ge­richt Frank­furt am Main un­ter dem Ak­ten­zei­chen 24 BV 181/10 anhängi­gen Zu­stim­mungs­er­set­zungs­ver­fah­ren als Hub­wa­gen Fah­rer tatsächlich zu beschäfti­gen.

Die Verfügungs­be­klag­te be­an­tragt,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

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Das Ar­beits­ge­richt ha­be zu­tref­fend er­kannt, dass der Verfügungskläger die Eil­bedürf­tig­keit durch sein Ver­hal­ten wi­der­legt ha­be. Darüber hin­aus feh­le es auch am Vor­lie­gen ei­nes Verfügungs­an­spruchs.


We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des bei­der­sei­ti­gen Par­tei­vor­brin­gens wird auf die ge­wech­sel­ten Schriftsätze nebst An­la­gen so­wie die Sit­zungs­pro­to­kol­le Be­zug ge­nom­men. Die Ak­te des Ar­beits­ge­richts Frank­furt am Main 24 BV 181/10 war bei¬ge­zo­gen und Ge­gen­stand der münd­li­chen Ver­hand­lung.

Ent­schei­dungs­gründe

I.

Die Be­ru­fung ist statt­haft, § 8 Abs. 2 ArbGG, § 511 Abs. 1 ZPO, § 64 Abs. 2b Ar­beits­ge­richts­ge­setz. Sie ist auch form- und frist­ge­recht ein­ge­legt und be­gründet wor­den, § 66 Abs. 1 ArbGG, § 519, § 520 ZPO und da­mit ins­ge­samt zulässig.

II.

Die Be­ru­fung ist über­wie­gend be­gründet. Die Verfügungs­be­klag­te ist ver­pflich­tet, den Verfügungskläger bis zum Vor­lie­gen ei­ner erst­in­stanz­li­chen Ent­schei­dung in dem beim Ar­beits­ge­richt Frank­furt am Main un­ter dem Ak­ten­zei­chen 24 Ca 3748/10 anhängi­gen Rechts­streit als Hub­wa­gen­fah­rer zu beschäfti­gen.


1. Es be­steht ein Verfügungs­an­spruch auf ver­trags­gemäße Beschäfti­gung des Verfügungsklägers. Der Ar­beit­ge­ber ist grundsätz­lich ver­pflich­tet, sei­nen Ar­beit­neh­mer ver­trags­gemäß zu beschäfti­gen, wenn die­ser es ver­langt, § 611, § 613 in Ver­bin­dung mit § 242 BGB, wo­bei die Ge­ne­ral­klau­sel des § 242 BGB aus­gefüllt wird durch die Wer­tent­schei­dung der Ar­ti­kel 1 und 2 Grund­ge­setz. Der all­ge­mei­ne Beschäfti­gungs­an­spruch muss al­ler­dings dort zurück­tre­ten, wo über­wie­gen­de schutz­wer­te In­ter­es­sen des Ar­beit­ge­bers ent­ge­gen­ste­hen. Des­halb be­darf es ei­ner Abwägung der bei­der­sei­ti­gen In­ter­es­sen zur Fest­stel­lung, ob das In­ter­es­se des Ar­beit­ge­bers an der Nicht­beschäfti­gung schutzwürdig ist und über­wiegt. Dies kann et­wa der Fall sein beim Weg­fall der Ver­trau­ens­grund­la­ge. An­de­rer­seits kann sich auf Sei­ten des Ar­beit­neh­mers das all­ge­mei­ne ide­el­le Beschäfti­gungs­in­ter­es­sen im Ein­zel­fall noch durch be­son­de­re In­ter­es­sen ide­el­ler und/oder ma­te­ri­el­ler Art verstärken (Bun­des­ar­beits­ge­richt 27. Fe­bru­ar 1985 GS 1/84, NZA 1985, 702).
 

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Die­se Abwägung führt nicht da­zu, dass das In­ter­es­se des Ar­beit­ge­bers an der Nicht­beschäfti­gung des Verfügungsklägers über­wiegt. Aus­zu­ge­hen ist zunächst da­von, dass sich der Verfügungskläger nach wie vor in ei­nem un­gekündig­ten Ar­beits­verhält­nis be­fin­det und erst nach rechts­kräfti­gem Ab­schluss des Ver­fah­rens nach § 103 Be­trVG gekündigt wer­den kann. Es ist nicht aus­zu­sch­ließen, dass noch ei­ni­ge Zeit ver­ge­hen wird, bis die Verfügungs­be­klag­te be­rech­tigt ist, ei­ne Kündi­gung aus­zu­spre­chen, falls die vom Be­triebs­rat ver­wei­ger­te Zu­stim­mung über­haupt durch das Ge­richt er­setzt wird. Der Verfügungskläger würde in sei­nem Beschäfti­gungs­in­ter­es­se ganz er­heb­lich be­ein­träch­tigt, wenn er bis zu die­sem Ter­min von sei­ner Ar­beits­leis­tung frei­ge­stellt blei­ben müss­te. Dem­ge­genüber über­wie­gen die In­ter­es­sen der Verfügungs­be­klag­ten nicht. Zwar ist in­so­weit durch­aus zu berück­sich­ti­gen, dass auf­grund des Ver­hal­tens des Verfügungsklägers der Ver­trau­ens­be­reich berührt ist, oh­ne dass je­doch von ei­nem Weg­fall der Ver­trau­ens­grund­la­ge aus­zu­ge­hen ist, zu­mal sich das Fehl­ver­hal­ten des Verfügungsklägers nicht auf den Be­reich sei­ner Haupt­leis­tungs­pflicht be­zieht. Ent­schei­dend ist nach Über­zeu­gung der Be­ru­fungs­kam­mer, dass es den Par­tei­en möglich ist, das Ar­beits­verhält­nis in ei­ner Wei­se fort­zu­set­zen, dass wei­te­re Pri­vat­te­le­fo­na­te des Verfügungsklägers auf Kos­ten der Verfügungs­be­klag­ten aus­ge­schlos­sen wer­den können. Zwar benötigt der Verfügungskläger für die Ausübung sei­ner Tätig­keit als Hub­wa­gen­fah­rer ein Mo­bil­te­le­fon. Der Verfügungs­be­klag­ten steht es je­doch frei, die­ses dem Verfügungskläger aus­sch­ließlich für die dienst­li­che Nut­zung zu über­las­sen und je­de pri­va­te Nut­zung un­ter Kündi­gungs­an­dro­hung zu un­ter­sa­gen. Ent­spre­chen­des gilt für das Ver­sen­den von SMS und MMS. Die Kon­trol­le der Ein­hal­tung die­ser Vor­ga­be ist für die Verfügungs­be­klag­te mit nur ge­rin­gem und da­her zu­mut­ba­rem Auf­wand ver­bun­den. Zu­dem bleibt es ihr un­be­nom­men, je­weils vor Ar­beits­an­tritt des Verfügungsklägers die­sem das Mo­bil­te­le­fon aus­zuhändi­gen und es nach Ar­beits­en­de wie­der her­aus zu ver­lan­gen.

2. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Ar­beits­ge­richts liegt ein Verfügungs­grund vor, § 62 Abs. 2 Satz 1 ArbGG i.V.m. §§ 935, 940 ZPO. Nach ge­fes­tig­ter Recht­spre­chung des Hes­si­schen Lan­des­ar­beits­ge­richts (z.B. 3.3.2005 - 9 Sa­Ga 2286/04; 19.8.2002 - 16 Sa­Ga 1118/02) er­gibt sich der Verfügungs­grund be­reits dar­aus, dass der Verfügungs­an­spruch be­steht und durch Zeit­ab­lauf ver­ei­telt wird, wenn dem Ar­beit­ge­ber die Beschäfti­gung nicht durch einst­wei­li­ge Verfügung auf­ge­ge­ben wird. Ei­ner be­son­de­ren Dring­lich­keits­si­tua­ti­on be­darf es nicht, da die einst­wei­li­ge Verfügung ge­ra­de den Zweck hat, den endgülti­gen Rechts­ver­lust durch die lan­ge Dau­er des Haupt­sa­che­ver­fah­rens zu ver­mei­den (Hess. LAG 23.3.2004 -


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15 Sa­Ga 401/04). Zwar wird in Recht­spre­chung und Li­te­ra­tur die An­sicht ver­tre­ten, der einst­wei­li­gen Rechts­schutz in An­spruch neh­men­de Ar­beit­neh­mer könne durch lan­ges Zu­war­ten die nach § 940 ZPO er­for­der­li­che Dring­lich­keit ei­ner Be­frie­di­gungs­verfügung selbst wi­der­le­gen (Hess­LAG 5. Ju­li 2006-2 Sa­Ga 632/06 Rand­num­mer 21; Lan­des­ar­beits­ge­richt Rhein­land-Pfalz 25. Mai 2007-6 TaBV­GA 6/07 Rand­num­mer 19; Vos­sen, in GK-ArbGG § 62 Rand­num­mer 70,71).

Dies trifft auf den Verfügungskläger je­doch nicht zu. Das Ver­hal­ten des Verfügungsklägers lässt kei­nen Rück­schluss dar­auf zu, dass ihm die Gel­tend­ma­chung und ge­richt­li­che Ver­fol­gung sei­nes Beschäfti­gungs­an­spruchs nicht drin­gend war. Zwar hat er nach sei­ner Su­s­pen­die­rung am 4. März 2010 sei­ne Beschäfti­gung nicht so­gleich ge­genüber der Verfügungs­be­klag­ten ein­ge­for­dert. Dies er­folg­te viel­mehr erst am 12. April 2010 nach er­folg­ter Zu­stel­lung des An­trags der Verfügungs­be­klag­ten nach § 103 Be­trVG vom 10. April 2010. Nach­dem das Ar­beits­ge­richt in dem ge­nann­ten Be­schluss­ver­fah­ren den Güte­ter­min vom 19. April 2010 auf den 10. Mai 2010 ver­legt hat­te, war es aus Sicht der Be­ru­fungs­kam­mer sach­ge­recht, den An­trag auf Er­lass der einst­wei­li­gen Verfügung zeit­nah vor die­sem Ter­min bei Ge­richt ein­zu­rei­chen, um dort ins­ge­samt zu ei­ner Ei­ni­gung über die Fra­ge des Fort­be­stan­des des Ar­beits­verhält­nis­ses des Verfügungsklägers zu ge­lan­gen (vgl. LAG Ham­burg 16. Sep­tem­ber 2005 - 3 Sa 33/05, Rn. 56).

III.

Im Übri­gen ist die Be­ru­fung un­be­gründet.

Aus dem Zweck des einst­wei­li­gen Verfügungs­ver­fah­rens, ei­ne vorläufi­ge Re­ge­lung zu tref­fen, folgt, dass die Ver­pflich­tung zur Wei­ter­beschäfti­gung zeit­lich be­schränkt ist bis zum Vor­lie­gen ei­ner erst­in­stanz­li­chen Ent­schei­dung im Haupt­sa­che­ver­fah­ren.

IV.

Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

V.

Ge­gen die­se Ent­schei­dung ist die Re­vi­si­on nicht zulässig, § 72 Abs. 4 ArbGG.

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