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ARBEITSRECHT
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ENTSCHEIDUNGSREPORT FÜR DIE BETRIEBLICHE PRAXIS 09|2023

Update Arbeitsrecht 09|2023 vom 03.05.2023

Leitsatzreport

Thüringer LAG: Das Unterlassen der Meldung offener Stellen gemäß § 164 Abs.1 Satz 2 SGB IX muss kein Diskriminierungsindiz sein

Thüringer Landesarbeitsgericht, Urteil vom 14.03.2023, 1 Sa 144/22

§§ 1, 2, 3, 7, 15, 22 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG); §§ 154 Abs.1; 164 Abs.1 Satz 2 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX); § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

Leitsatz der Redaktion:

Die Übererfüllung der Mindestbeschäftigungsquote kann den Anschein einer behinderungsbedingten Diskriminierung eines schwerbehinderten Bewerbers beseitigen, der sich im Allgemeinen daraus ergibt, dass der Arbeitgeber es entgegen § 164 Abs.1 Satz 2 SGB IX unterlassen hat, die Stelle bei der Arbeitsagentur zu melden.

Hintergrund:

Ein in Potsdam lebender schwerbehinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung von 60 bewarb sich auf eine Stelle als Mitarbeiter in einem Erfurter Service- und Beratungszentrum. Der private Arbeitgeber, der die durch § 154 Abs.1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) vorgeschriebene Schwerbehinderten-Beschäftigungsquote von fünf Prozent mit sieben Prozent seiner Arbeitsplätze übererfüllte, hatte es entgegen § 164 Abs.1 Satz 2 SGB IX unterlassen, die Stelle bei der Arbeitsagentur auszuschreiben. Beides war dem abgelehnten Bewerber nicht bekannt, als er nach Erhalt einer Absage eine Entschädigung wegen einer behaupteten Diskriminierung verlangte. Der Arbeitgeber lehnte eine Entschädigung ab, bot dem Bewerber aber exklusiv eine andere Stelle an, die dieser ablehnte. Das Arbeitsgericht Erfurt wies die Entschädigungsklage des Bewerbers ab (Urteil vom12.01.2022, 4 Ca 2048/20), und das Thüringer Landesarbeitsgericht (LAG) seine Berufung zurück. Das LAG hielt dem Arbeitgeber zugute, dass er die gesetzliche Beschäftigungsquote mit sieben Prozent der Arbeitsplätze übererfüllte. Damit weicht das LAG von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) ab. Denn laut BAG wird die Vermutung einer Diskriminierung, die im Einzelfall gemäß § 22 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vorliegt, nicht dadurch widerlegt, dass der Arbeitgeber die Mindestbeschäftigungsquote erfüllt (BAG, Urteil vom 17.08.2010, 9 AZR 839/08, Rn.50, s. dazu Update Arbeitsrecht 24|2021). Das LAG stützt die Klagabweisung aber weiterhin darauf, dass sich der Bewerber bei seiner Bewerbung rechtsmissbräuchlich verhalten hatte, d.h. sich nur zum Schein bzw. zur Erlangung einer Entschädigung beworben hatte. Daher musste das LAG die Revision zum BAG nicht zulassen.

Thüringer Landesarbeitsgericht, Urteil vom 14.03.2023, 1 Sa 144/22

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25.11.2021, 8 AZR 313/20

 

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