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BAG, Ur­teil vom 25.08.2016, 8 AZR 53/15

   
Schlagworte: Betriebsübergang
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 8 AZR 53/15
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 25.08.2016
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 26.11.2014, 4 Sa 274/13
Arbeitsgericht Halle, Urteil vom 23.01.2013, 8 Ca 1237/12
   

BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT

8 AZR 53/15
4 Sa 274/13
Lan­des­ar­beits­ge­richt
Sach­sen-An­halt

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am
25. Au­gust 2016

UR­TEIL

Wirth, Ur­kunds­be­am­tin
der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen

Kläge­rin, Be­ru­fungs­be­klag­te und Re­vi­si­onskläge­rin,

pp.

Be­klag­ter, Be­ru­fungskläger und Re­vi­si­ons­be­klag­ter,

hat der Ach­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 25. Au­gust 2016 durch die Vor­sit­zen­de Rich­te­rin am Bun­des­ar­beits­ge­richt Prof. Dr. Schlewing, die Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Vo­gel­sang und Dr. Ro­loff so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Dr. Volz und Kandler für Recht er­kannt:

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Die Re­vi­si­on der Kläge­rin ge­gen das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts Sach­sen-An­halt vom 26. No­vem­ber 2014 - 4 Sa 274/13 - wird zurück­ge­wie­sen.

Die Kläge­rin hat die Kos­ten des Re­vi­si­ons­ver­fah­rens zu tra­gen.

Von Rechts we­gen!

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten darüber, ob das Ar­beits­verhält­nis der Kläge­rin zum 1. Ju­ni 2011 im We­ge des Be­triebsüber­gangs von dem J e.V. (im Fol­gen­den J) auf den Be­klag­ten über­ge­gan­gen ist.

Der Be­klag­te ist im Zu­ge der Kreis­ge­biets­neu­re­ge­lung nach § 4 des Ge­set­zes zur Kreis­ge­biets­neu­re­ge­lung vom 11. No­vem­ber 2005 (LK­Geb­NRG - GVBl. LSA S. 692) aus den Land­krei­sen M und S her­vor­ge­gan­gen.
Der J führ­te bis zum 31. Mai 2011 den bo­den­ge­bun­de­nen Ret­tungs­dienst im Alt­kreis S durch. Er be­trieb Ret­tungs­wa­chen in den Ge­mein­den S, R, Sch so­wie in A. Über die Räum­lich­kei­ten der Ret­tungs­wa­chen in R, Sch und A be­stan­den zwi­schen dem J und dem Be­klag­ten Un­ter­miet­verträge, über die Räum­lich­kei­ten der Ret­tungs­wa­che in S, die im Ei­gen­tum des Be­klag­ten ste­hen, hat­ten die­ser und der J ei­nen Miet­ver­trag ge­schlos­sen. Der J beschäftig­te in den Ret­tungs­wa­chen ins­ge­samt 41 Ar­beit­neh­mer. Die Ret­tungs­leit­stel­le wur­de vom Be­klag­ten be­trie­ben.
Der J führ­te den Ret­tungs­dienst zu­letzt mit fünf Ret­tungs­trans­port­wa­gen (im Fol­gen­den RTW), ei­nem Kran­ken­trans­port­wa­gen (im Fol­gen­den KTW) so­wie ei­nem Not­arz­t­ein­satz­fahr­zeug (im Fol­gen­den NEF) durch. Er hat­te sämt­li­che Fahr­zeu­ge im Jahr 2006 er­wor­ben. Ent­spre­chend dem Ret­tungs­dienst­be­reichs­plan des Be­klag­ten (zum Ret­tungs­dienst­be­reichs­plan des Be­klag­ten vom 9. De­zem­ber 2010 vgl. Amts­blatt des Land­krei­ses Mans­feld-Südharz vom

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31. De­zem­ber 2010 S. 1) wa­ren die Ret­tungs­wa­che S mit ei­nem KTW, zwei RTW so­wie ei­nem NEF und die Ret­tungs­wa­chen R, Sch und A mit je­weils ei-nem RTW aus­ge­stat­tet.
Die Kläge­rin war seit dem 20. April 2001 bei dem JUH - zu­letzt als Ret­tungs­as­sis­ten­tin - beschäftigt. Im Dienst­ver­trag der Kläge­rin heißt es ua.:
„§ 2
Ver­trags­grund­la­ge

Für das Dienst­verhält­nis gel­ten die Ar­beits­ver­trags­richt­li­ni­en des Dia­ko­ni­schen Wer­kes der Evan­ge­li­schen Kir­che in Deutsch­land (AVR) in der je­weils gülti­gen Fas­sung, ...
...
§ 5
Al­ters­ver­sor­gung

Im Sin­ne des § 27 Abs. 1 Satz 2 AVR si­chert die J ei­ne an­ge­mes­se­ne zusätz­li­che Al­ters- und Hin­ter­blie­be­nen­ver­si­che­rung nach Ab­lauf ei­ner War­te­zeit von fünf Jah­ren zu. ...“

Die in § 5 des Dienst­ver­trags zu­ge­sag­te be­trieb­li­che Al­ters­ver­sor­gung wur­de über die G AG durch­geführt.
En­de 2010 ent­schloss sich der Be­klag­te, den bo­den­ge­bun­de­nen Ret­tungs­dienst ab dem 1. Ju­ni 2011 auf der Grund­la­ge ei­ner ver­wal­tungs­in­ter­nen Ver­ein­ba­rung durch den „Ei­gen­be­trieb Ret­tungs­dienst“ selbst durch­zuführen. In der Fol­ge­zeit kündig­te er die Un­ter-/Miet­verhält­nis­se mit dem J über die Ret­tungs­wa­chen zum 31. Mai 2011. Zu die­sem Zeit­punkt en­de­te auch die Ge­neh­mi­gung des J zur Durchführung der Not­fall­ret­tung.
An­fang 2011 er­teil­te der Be­klag­te ei­nen Auf­trag für die Lie­fe­rung und den Aus­bau von Neu­fahr­zeu­gen für den Be­trieb der Ret­tungs­wa­chen mit zum Teil veränder­ter me­di­zin­tech­ni­scher Aus­stat­tung, und zwar für fünf RTW, ei­nen KTW und ein NEF. Die Fahr­zeu­ge wur­den im Mai 2011 an den Be­klag­ten aus­ge­lie­fert.
Der Be­klag­te hat­te sich ent­schlos­sen, den für den Be­trieb der Ret­tungs­wa­chen ab dem 1. Ju­ni 2011 er­for­der­li­chen Per­so­nal­be­darf durch Neu­ein­stel­lun­gen ab­zu­de­cken, und hat­te zu die­sem Zweck bun­des­weit Stel­len von

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Ret­tungs­as­sis­ten­ten und Ret­tungs­sa­nitätern aus­ge­schrie­ben. Da er be­ab­sich­tig­te, den Ret­tungs­dienst in ei­nem Zwei­schicht­mo­dell mit ei­ner 40-St­un­den-wo­che zu be­trei­ben, such­te er ins­ge­samt mehr als 50 Beschäftig­te. Auf die Stel­len­aus­schrei­bung gin­gen beim Be­klag­ten et­wa 70 Be­wer­bun­gen ein. Hier­aus wähl­te er in ei­nem Aus­wahl­ver­fah­ren mehr als 50 Be­wer­ber aus, dar­un­ter al­le zu­vor beim J beschäftig­ten 41 Mit­ar­bei­ter. En­de Mai 2011 schloss er mit die­sen neue Ar­beits­verträge, in de­nen es aus­zugs­wei­se heißt:
„§ 1
(1) ... wird ab 01.06.2011 auf un­be­stimm­te Zeit
...
ein­ge­stellt.
§ 2
Das Ar­beits­verhält­nis be­stimmt sich nach der durch­ge­schrie­be­nen Fas­sung des Ta­rif­ver­tra­ges für den öffent­li­chen Dienst (TVöD) für den Dienst­leis­tungs­be­reich Ver­wal­tung (TVöD-V) und den ergänzen­den, ändern­den oder er­set­zen­den Ta­rif­verträgen in der für den Be­reich der Ver­ei­ni­gung der kom­mu­na­len Ar­beit­ge­ber­verbände (VKA) je­weils gel­ten­den Fas­sung ...
§ 3
Die Pro­be­zeit beträgt sechs Mo­na­te.“
Ab dem 1. Ju­ni 2011 über­nahm der Be­klag­te die Ret­tungs­wa­chen an den Stand­or­ten S, R, Sch so­wie A ein­sch­ließlich der Ein­rich­tungs­ge­genstände vom J und be­trieb dort den Ret­tungs­dienst mit den von ihm an­ge­schaff­ten Ein­satz­fahr­zeu­gen. Für den Er­werb des In­ven­tars der Ret­tungs­wa­chen zahl­te er im Ju­ni 2011 an den J ins­ge­samt 10.000,00 Eu­ro. Die Ret­tungs­fahr­zeu­ge des J über­nahm er nicht.
An­fang Ju­ni 2011 ver­sa­hen die Beschäftig­ten ih­ren Dienst noch in der bis­he­ri­gen Dienst­klei­dung des J. Darüber hin­aus fand in den ers­ten Ta­gen noch der bis­he­ri­ge, beim J gülti­ge Dienst­plan An­wen­dung.
Die Kläge­rin hat mit ih­rer Kla­ge die Fest­stel­lung be­gehrt, dass zwi­schen ihr und dem Be­klag­ten in­fol­ge ei­nes Be­triebsüber­gangs seit dem 1. Ju­ni 2011

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ein Ar­beits­verhält­nis be­steht. Zu­dem hat sie den Be­klag­ten auf Zah­lung - auf der Ba­sis der AVR er­rech­ne­ter - rückständi­ger Dif­fe­renz­vergütung an sich so­wie auf Zah­lung von Beiträgen für die be­trieb­li­che Al­ters­ver­sor­gung an die G AG in An­spruch ge­nom­men.
Sie hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, der Ret­tungs­dienst sei zum 1. Ju­ni 2011 im We­ge des Be­triebsüber­gangs gemäß § 613a BGB auf den Be­klag­ten über­ge­gan­gen. Nach der ge­bo­te­nen Ge­samt­schau al­ler Umstände sei von ei­nem iden­titäts­wah­ren­den Über­gang des Be­triebs aus­zu­ge­hen. Der Be­klag­te ha­be die Ret­tungs­wa­chen nebst In­ven­tar so­wie al­le ehe­ma­li­gen Mit­ar­bei­ter des J über­nom­men und set­ze die­se in ih­ren bis­he­ri­gen Funk­tio­nen ein. Eben­so sei die Kund­schaft über­ge­gan­gen. Die Art des Be­triebs sei auch über den 31. Mai 2011 hin­aus gleich ge­blie­ben. Dass der Be­klag­te nicht die beim J vor­han­de­nen Fahr­zeu­ge über­nom­men ha­be, ste­he der An­nah­me ei­nes Be­triebsüber­gangs nicht ent­ge­gen. Beim Ret­tungs­dienst kom­me es im We­sent­li­chen auf die men­sch­li­che Ar­beits­kraft an. Die Fahr­zeu­ge nebst ih­rer tech­ni­schen Aus­stat­tung sei­en - an­ders als die Mit­ar­bei­ter, die von Ge­set­zes we­gen über ei­ne be­stimm­te Qua­li­fi­ka­ti­on verfügen müss­ten - oh­ne Wei­te­res kurz­fris­tig aus­tausch­bar. Sie stünden dem je­wei­li­gen Be­trei­ber des Ret­tungs­diens­tes zu­dem nur „tem­porär“ zur Verfügung. Sie würden über ei­nen Zeit­raum von sechs Jah­ren ab­ge­schrie­ben. Da­nach fi­nan­zier­ten die Kran­ken­kas­sen neue Fahr­zeu­ge. Vor die­sem Hin­ter­grund sei nicht nur da­von aus­zu­ge­hen, dass der Be­klag­te, so­fern er von den Kran­ken­kas­sen kei­ne Fi­nan­zie­rungs­zu­sa­ge für die von ihm neu be­schaff­ten Fahr­zeu­ge er­hal­ten hätte, die Fahr­zeu­ge des J über­nom­men hätte. Auch der J hätte Neu­an­schaf­fun­gen vor­ge­nom­men, wenn er den Ret­tungs­dienst fort­geführt hätte. Der Um­stand, dass sie mit dem Be­klag­ten ei­nen Ar­beits­ver­trag ge­schlos­sen ha­be, spre­che nicht ge­gen ei­nen Be­triebsüber­gang. Die­ser Ver­trag sei nach § 134 BGB we­gen Um­ge­hung von § 613a BGB nich­tig.
Die Kläge­rin hat - so­weit für das Re­vi­si­ons­ver­fah­ren von Be­deu­tung - zu­letzt be­an­tragt
fest­zu­stel­len, dass ihr Ar­beits­verhält­nis mit dem J zum 1. Ju­ni 2011 im We­ge des Be­triebsüber­gangs nach § 613a BGB auf den Be­klag­ten über­ge­gan­gen ist.

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Der Be­klag­te hat Kla­ge­ab­wei­sung be­an­tragt. Er hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, beim Ret­tungs­dienst han­de­le es sich um ei­nen be­triebs­mit­tel­ge­prägten Be­trieb, bei dem ins­be­son­de­re die Ret­tungs­fahr­zeu­ge mit der dar­in be­find­li­chen Me­di­zin­tech­nik iden­titätsprägend sei­en. Er ha­be in­des - was un­strei­tig ist - we­der die Fahr­zeu­ge des J noch die dar­in be­find­li­che Me­di­zin­tech­nik über­nom­men, son­dern - was eben­falls un­strei­tig ist - neue Fahr­zeu­ge mit ei­ner zum Teil an­de­ren me­di­zin­tech­ni­schen Aus­stat­tung an­ge­schafft. Dass die Fahr­zeu­ge ab­ge­schrie­ben ge­we­sen sei­en, sei un­er­heb­lich. Sie hätten noch Ver­wen­dung fin­den können und sei­en vom J - wenn auch an an­de­rer Stel­le - wei­ter­hin zum Zwe­cke des Ret­tungs­diens­tes ein­ge­setzt wor­den. Auch dies ist un­strei­tig. Da § 613a BGB an die tatsächli­che Fortführung an­knüpfe, kom­me es auch nicht dar­auf an, war­um er die Fahr­zeu­ge des J nicht über­nom­men ha­be. Im Hin­blick auf die zu­vor beim J beschäftig­ten Mit­ar­bei­ter, mit de­nen er neue Ar­beits­verträge ge­schlos­sen ha­be, müsse berück­sich­tigt wer­den, dass die­se sich auf die bun­des­wei­te Stel­len­aus­schrei­bung be­wor­ben hätten und von ihm in ei­nem Aus­wahl­ver­fah­ren nach Bes­ten­aus­le­se­ge­sichts­punk­ten aus­gewählt wor­den sei­en. Zu­dem wir­ke sich aus, dass er ein an­de­res Schicht­mo­dell prak­ti­zie­re, wes­halb sei­ne Ar­beits­or­ga­ni­sa­ti­on grund­ver­schie­den sei. Das In­ven­tar der Ret­tungs­wa­chen sei nicht iden­titätsprägend.
Das Ar­beits­ge­richt hat, nach­dem es die Zah­lungs­anträge ab­ge­trennt hat­te, der Kla­ge statt­ge­ge­ben. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat auf die Be­ru­fung des Be­klag­ten das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts ab­geändert und die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Mit der Re­vi­si­on ver­folgt die Kläge­rin ihr Fest­stel­lungs­be­geh­ren wei­ter. Der Be­klag­te be­an­tragt die Zurück­wei­sung der Re­vi­si­on.

Ent­schei­dungs­gründe

Die Re­vi­si­on der Kläge­rin ist un­be­gründet. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die Kla­ge im Er­geb­nis zu Recht ab­ge­wie­sen. Die Kla­ge ist zulässig, aber

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un­be­gründet, weil der Be­trieb „Ret­tungs­dienst“ nicht iSv. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf den Be­klag­ten über­ge­gan­gen ist.

I. Der auf Fest­stel­lung ge­rich­te­te An­trag der Kläge­rin ist in der ge­bo­te­nen Aus­le­gung zulässig.

1. Der Kla­ge­an­trag be­darf der Aus­le­gung. 

a) Das Re­vi­si­ons­ge­richt hat pro­zes­sua­le Wil­lens­erklärun­gen selbstständig aus­zu­le­gen. Maßge­bend sind die für Wil­lens­erklärun­gen des bürger­li­chen Rechts ent­wi­ckel­ten Grundsätze. Ent­spre­chend § 133 BGB ist nicht am buchstäbli­chen Sinn des in der Pro­zes­serklärung gewähl­ten Aus­drucks zu haf­ten, viel­mehr ist der in der Erklärung verkörper­te Wil­le zu er­mit­teln. Im Zwei­fel sind pro­zes­sua­le Wil­lens­erklärun­gen so aus­zu­le­gen, dass das ge­wollt ist, was aus Sicht der Pro­zess­par­tei nach den Maßstäben der Rechts­ord­nung vernünf­tig ist und der wohl­ver­stan­de­nen In­ter­es­sen­la­ge ent­spricht. Da­bei sind die schutzwürdi­gen Be­lan­ge des Pro­zess­geg­ners zu berück­sich­ti­gen (vgl. et­wa BAG 7. Ju­li 2015 - 10 AZR 416/14 - Rn. 18, BA­GE 152, 108; 2. Sep­tem­ber 2014 - 3 AZR 951/12 - Rn. 34).

b) Die Aus­le­gung des Kla­ge­an­trags er­gibt, dass die Kläge­rin - wie sie im Ter­min zur münd­li­chen Ver­hand­lung vor dem Se­nat zu­dem aus­drück­lich klar­ge­stellt hat - die Fest­stel­lung be­gehrt, dass zwi­schen ihr und dem Be­klag­ten seit dem 1. Ju­ni 2011 ein Ar­beits­verhält­nis zu den Be­din­gun­gen ih­res mit dem J ge­schlos­se­nen Ar­beits­ver­trags be­steht.
Zwar ist der An­trag der Kläge­rin sei­nem Wort­laut nach dar­auf ge­rich­tet fest­zu­stel­len, dass ihr Ar­beits­verhält­nis mit dem J zum 1. Ju­ni 2011 im We­ge des Be­triebsüber­gangs nach § 613a BGB auf den Be­klag­ten über­ge­gan­gen ist. Vor dem Hin­ter­grund, dass die Kläge­rin mit dem Be­klag­ten ei­nen neu­en Ar­beits­ver­trag ge­schlos­sen hat­te und gel­tend macht, die­ser sei we­gen Um­ge­hung von § 613a BGB nach § 134 BGB nich­tig, be­schränkt sich das Rechts­schutz­be­geh­ren der Kläge­rin al­ler­dings er­kenn­bar nicht auf die Fest­stel­lung, dass es zu ei­nem Be­triebsüber­gang auf den Be­klag­ten ge­kom­men ist; viel­mehr geht es der Kläge­rin auch um die Fest­stel­lung, dass das Ar­beits­verhält­nis mit dem Be-

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klag­ten zu be­stimm­ten Ar­beits­be­din­gun­gen, nämlich zu den Ar­beits­be­din­gun­gen ih­res mit dem J ge­schlos­se­nen Ar­beits­ver­trags be­steht. Be­reits aus die­sem Grund kann da­hin­ste­hen, ob der Über­gang des Ar­beits­verhält­nis­ses als sol­cher ein Rechts­verhält­nis iSv. § 256 Abs. 1 ZPO ist und Ge­gen­stand ei­ner Fest­stel­lungs­kla­ge sein kann (ab­leh­nend BAG 16. Mai 2002 - 8 AZR 320/01 - zu B II 1 der Gründe; MüKoBGB/Müller-Glöge 7. Aufl. BGB § 613a Rn. 206; be­ja­hend wohl BAG 24. Sep­tem­ber 2015 - 2 AZR 593/14 - Rn. 22).

2. Der Kla­ge­an­trag ist in die­ser Aus­le­gung zulässig, ins­be­son­de­re be­steht das nach § 256 Abs. 1 ZPO er­for­der­li­che Fest­stel­lungs­in­ter­es­se. Der Be­klag­te stellt ei­ne Ver­pflich­tung, die Kläge­rin zu den Be­din­gun­gen des mit dem J ge­schlos­se­nen Ar­beits­ver­trags zu beschäfti­gen, in Ab­re­de. Auch der grundsätz­li­che Vor­rang der Leis­tungs­kla­ge steht der Zulässig­keit des Fest­stel­lungs­an­trags nicht ent­ge­gen. Da die auf den un­veränder­ten Be­stand ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses ge­rich­te­te Fest­stel­lungs­kla­ge nicht nur Grund­la­ge für Zah­lungs­ansprüche ist, son­dern auch für ei­ne Rei­he wei­te­rer ver­schie­de­ner ge­gen­sei­ti­ger Ansprüche re­le­vant sein kann, kann sie auch ne­ben ei­nem Leis­tungs­an­trag er­ho­ben wer­den (vgl. et­wa BAG 10. Mai 2012 - 8 AZR 434/11 - Rn. 22).

II. Die Kla­ge ist un­be­gründet. Der Be­trieb „Ret­tungs­dienst“ ist - wie das Lan­des­ar­beits­ge­richt im Er­geb­nis zu­tref­fend an­ge­nom­men hat - nicht im We­ge des Be­triebsüber­gangs iSv. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf den Be­klag­ten über­ge­gan­gen, wes­halb der Ar­beits­ver­trag zwi­schen der Kläge­rin und dem Be­klag­ten nicht we­gen Um­ge­hung von § 613a BGB nach § 134 BGB nich­tig sein kann.

1. Ein Be­triebs(teil)über­gang iSv. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB - wie auch iSd. Richt­li­nie 2001/23/EG - liegt vor, wenn die für den Be­trieb ver­ant­wort­li­che natürli­che oder ju­ris­ti­sche Per­son, die die Ar­beit­ge­ber­ver­pflich­tun­gen ge­genüber den Beschäftig­ten ein­geht, im Rah­men ver­trag­li­cher Be­zie­hun­gen wech­selt und die in Re­de ste­hen­de Ein­heit nach der Über­nah­me durch den neu­en In­ha­ber ih­re Iden­tität be­wahrt (vgl. nur EuGH 26. No­vem­ber 2015 - C-509/14 - [Ai­ra Pas­cu­al ua.] Rn. 28; 6. März 2014 - C-458/12 - [Ama­to­ri ua.] Rn. 29 f. mwN; BAG 22. Ja­nu­ar 2015 - 8 AZR 139/14 - Rn. 13 mwN; 18. Sep­tem­ber 2014 - 8 AZR 733/13 - Rn. 18).

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a) Da­bei muss es um ei­ne auf Dau­er an­ge­leg­te wirt­schaft­li­che Ein­heit ge­hen, de­ren Tätig­keit nicht auf die Ausführung ei­nes be­stimm­ten Vor­ha­bens be­schränkt ist (ua. EuGH 6. März 2014 - C-458/12 - [Ama­to­ri ua.] Rn. 31; 13. Sep­tem­ber 2007 - C-458/05 - [Joui­ni ua.] Rn. 31, Slg. 2007, I‑7301; 15. De­zem­ber 2005 - C-232/04 und C-233/04 - [Güney-Görres und De­mir] Rn. 32, Slg. 2005, I-11237; 10. De­zem­ber 1998 - C-127/96, C-229/96 und C-74/97 - [Hernández Vi­dal ua.] Rn. 26 mwN, Slg. 1998, I-8179; 19. Sep­tem­ber 1995 - C-48/94 - [Ry­gaard] Rn. 20, Slg. 1995, I-2745). Um ei­ne sol­che Ein­heit han­delt es sich bei je­der hin­rei­chend struk­tu­rier­ten und selbstständi­gen Ge­samt­heit von Per­so­nen und Sa­chen zur Ausübung ei­ner wirt­schaft­li­chen Tätig­keit mit ei­ge­nem Zweck (EuGH 6. März 2014 - C-458/12 - [Ama­to­ri ua.] Rn. 31 f. mwN). Die Kon­ti­nuität der im Rah­men ei­ner wirt­schaft­li­chen Ein­heit be­ste­hen­den Ar­beits­verhält­nis­se soll un­abhängig von ei­nem In­ha­ber­wech­sel gewähr­leis­tet wer­den. Ent­schei­dend für ei­nen Über­gang iSv. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB ist da­her, dass die be­tref­fen­de Ein­heit ih­re Iden­tität be­wahrt, was na­ment­lich dann zu be­ja­hen ist, wenn der Be­trieb tatsächlich wei­ter­geführt oder wie­der auf­ge­nom­men wird (EuGH 9. Sep­tem­ber 2015 - C-160/14 - [Fer­rei­ra da Sil­va e Bri­to ua.] Rn. 25 mwN).

b) Den für das Vor­lie­gen ei­nes Über­gangs maßge­ben­den Kri­te­ri­en kommt je nach der Art des be­trof­fe­nen Un­ter­neh­mens oder Be­triebs, je nach der aus­geübten Tätig­keit und je nach den Pro­duk­ti­ons- oder Be­triebs­me­tho­den un­ter­schied­li­ches Ge­wicht zu (näher EuGH 15. De­zem­ber 2005 - C-232/04 und C-233/04 - [Güney-Görres und De­mir] Rn. 35, Slg. 2005, I-11237; BAG 18. Sep­tem­ber 2014 - 8 AZR 733/13 - Rn. 18). Bei der Prüfung, ob ei­ne sol­che Ein­heit ih­re Iden­tität be­wahrt, müssen sämt­li­che den be­tref­fen­den Vor­gang kenn­zeich­nen­den Tat­sa­chen berück­sich­tigt wer­den. Da­zu gehören na­ment­lich die Art des Un­ter­neh­mens oder Be­triebs, der et­wai­ge Über­gang der ma­te­ri­el­len Be­triebs­mit­tel wie Gebäude und be­weg­li­che Güter, der Wert der im­ma­te­ri­el­len Ak­ti­va im Zeit­punkt des Über­gangs, die et­wai­ge Über­nah­me der Haupt­be­leg­schaft durch den neu­en In­ha­ber, der et­wai­ge Über­gang der Kund­schaft so­wie der Grad der Ähn­lich­keit zwi­schen den vor und nach dem Über­gang ver­rich­te­ten Tätig­kei­ten und die Dau­er ei­ner even­tu­el­len Un­ter­bre­chung die­ser Tätig­kei-

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ten. Die­se Umstände sind je­doch nur Teil­as­pek­te der vor­zu­neh­men­den Ge­samt­be­wer­tung und dürfen des­halb nicht iso­liert be­trach­tet wer­den (vgl. ua. EuGH 26. No­vem­ber 2015 - C-509/14 - [Ai­ra Pas­cu­al ua.] Rn. 32; 20. Ja­nu­ar 2011 - C-463/09 - [CLE­CE] Rn. 34 mwN, Slg. 2011, I-95; BAG 18. Sep­tem­ber 2014 - 8 AZR 733/13 - aaO; 22. Mai 2014 - 8 AZR 1069/12 - Rn. 21, BA­GE 148, 168).

aa) Kommt es im We­sent­li­chen auf die men­sch­li­che Ar­beits­kraft an, kann ei­ne struk­tu­rier­te Ge­samt­heit von Ar­beit­neh­mern trotz des Feh­lens nen­nens­wer­ter ma­te­ri­el­ler oder im­ma­te­ri­el­ler Vermögens­wer­te ei­ne wirt­schaft­li­che Ein­heit dar­stel­len. Wenn ei­ne Ein­heit oh­ne nen­nens­wer­te Vermögens­wer­te funk­tio­niert, kann die Wah­rung ih­rer Iden­tität nach ih­rer Über­nah­me nicht von der Über­nah­me der­ar­ti­ger Vermögens­wer­te abhängen. Die Wah­rung der Iden­tität der wirt­schaft­li­chen Ein­heit ist in ei­nem sol­chen Fall an­zu­neh­men, wenn der neue Be­triebs­in­ha­ber nicht nur die be­tref­fen­de Tätig­keit wei­terführt, son­dern auch ei­nen nach Zahl und Sach­kun­de we­sent­li­chen Teil des Per­so­nals über­nimmt (vgl. EuGH 6. Sep­tem­ber 2011 - C-108/10 - [Scat­to­lon] Rn. 49, Slg. 2011, I-7491; BAG 22. Mai 2014 - 8 AZR 1069/12 - Rn. 22, BA­GE 148, 168).

bb) Kommt es nicht im We­sent­li­chen auf die men­sch­li­che Ar­beits­kraft an, da die Tätig­keit bei­spiels­wei­se in er­heb­li­chem Um­fang ma­te­ri­el­le Be­triebs­mit­tel er­for­dert, ist bei der Würdi­gung zu berück­sich­ti­gen, ob die­se vom al­ten auf den neu­en In­ha­ber über­ge­gan­gen sind (vgl. EuGH 25. Ja­nu­ar 2001 - C-172/99 - [Liiken­ne] Rn. 39, Slg. 2001, I-745). Vor die­sem Hin­ter­grund kann der Über­gang ma­te­ri­el­ler Be­triebs­mit­tel ein we­sent­li­ches Kri­te­ri­um sein, auf­grund des­sen ein Be­triebsüber­gang an­zu­neh­men ist (vgl. EuGH 9. Sep­tem­ber 2015 - C-160/14 - [Fer­rei­ra da Sil­va e Bri­to ua.] Rn. 29).

cc) Al­lein in der bloßen Fortführung ei­ner Tätig­keit durch ei­nen an­de­ren (Funk­ti­ons­nach­fol­ge) oder der bloßen Auf­trags­nach­fol­ge zeigt sich kein Be­triebs(teil)über­gang (vgl. EuGH 20. Ja­nu­ar 2011 - C-463/09 - [CLE­CE] Rn. 36 und 41, Slg. 2011, I-95; BAG 22. Mai 2014 - 8 AZR 1069/12 - Rn. 23, BA­GE 148, 168).

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2. Da­nach ist die wirt­schaft­li­che Ein­heit „Ret­tungs­dienst“ nicht un­ter Wah­rung ih­rer Iden­tität vom J auf den Be­klag­ten über­ge­gan­gen.

a) Zwar führt der Be­klag­te seit dem 1. Ju­ni 2011, dh. oh­ne zeit­li­che Un­ter­bre­chung, den bo­den­ge­bun­de­nen Ret­tungs­dienst selbst durch und nutzt hierfür die zu­vor vom J ge­nutz­ten Ret­tungs­wa­chen samt In­ven­tar. Auch beschäftigt der Be­klag­te all die Per­so­nen, die zu­vor für den J tätig wa­ren. Da­bei kann vor­lie­gend da­hin­ste­hen, ob die­sem Um­stand be­reits des­halb kein be­son­de­res Ge­wicht zu­kommt, weil der Be­klag­te sich ent­schlos­sen hat­te, den Per­so­nal­be­darf durch Neu­ein­stel­lun­gen ab­zu­de­cken und ob er sei­ne Aus­wah­l­ent­schei­dung den Vor­ga­ben von Art. 33 Abs. 2 GG ent­spre­chend nach dem Grund­satz der Bes­ten­aus­le­se ge­trof­fen hat mit der Fol­ge, dass er nicht mehr frei war in der Ent­schei­dung, die ursprüng­lich beim J Beschäftig­ten ein­zu­stel­len. Eben­so kann of­fen­blei­ben, ob und ggf. wie sich im Rah­men der Ge­samt­be­wer­tung der Um­stand aus­wir­ken kann, dass der Be­klag­te mehr Per­so­nal im Ret­tungs­dienst beschäftigt als zu­vor beim J zum Ein­satz kam und dass er die Dienst­pläne an­ders ge­stal­tet.

b) Ein Be­triebsüber­gang iSv. § 613a Abs. 1 BGB schei­tert vor­lie­gend dar­an, dass der Be­klag­te sämt­li­che Fahr­zeu­ge, mit de­nen der J bis zum 31. Mai 2011 den bo­den­ge­bun­de­nen Ret­tungs­dienst durchführ­te, nämlich die fünf RTW, den KTW so­wie das NEF, nicht über­nom­men hat. Die­sen Fahr­zeu­gen kommt im Rah­men der vor­zu­neh­men­den Ge­samt­be­wer­tung ne­ben dem Per­so­nal und den Ret­tungs­wa­chen ei­ne iden­titäts­be­stim­men­de Wir­kung zu. Sie sind für die wirt­schaft­li­che Ein­heit „Ret­tungs­dienst“ un­ver­zicht­bar.

aa) Ent­ge­gen der An­nah­me des Lan­des­ar­beits­ge­richts sind zwar nicht (aus­sch­ließlich) die ma­te­ri­el­len Be­triebs­mit­tel - ins­be­son­de­re die Fahr­zeu­ge - für den Be­trieb „Ret­tungs­dienst“ iden­titäts­be­stim­mend. Viel­mehr wird die Iden­tität des Ret­tungs­diens­tes eben­so durch das Ret­tungs­per­so­nal mit­ge­prägt, das für die ord­nungs­gemäße Durchführung des Ret­tungs­diens­tes un­ver­zicht­bar ist, über ei­ne be­stimm­te Aus­bil­dung/Qua­li­fi­zie­rung verfügen muss und nicht oh­ne Wei­te­res durch an­de­res Ret­tungs­per­so­nal er­setzt wer­den kann. So­weit sich aus den Ur­tei­len des Se­nats vom 10. Mai 2012 (- 8 AZR 434/11 - Rn. 36 ff.;

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- 8 AZR 639/10 - Rn. 36 ff.; - 8 AZR 433/11 - Rn. 33 ff. und - 8 AZR 436/11 - Rn. 37 ff.) et­was an­de­res er­gibt, hält der Se­nat hier­an nicht fest.
Nach § 3 Abs. 1 Rett­DVO-LSA vom 15. No­vem­ber 1994 (im Fol­gen­den Rett­DVO-LSA) müssen die im Ret­tungs­dienst ein­ge­setz­ten Ret­tungs­wa­gen und Kran­ken­trans­port­wa­gen im Ein­satz mit min­des­tens zwei Per­so­nen be­setzt sein, von de­nen zu­min­dest in der Not­fall­ret­tung min­des­tens ei­ne die Er­laub­nis zur Führung der Be­rufs­be­zeich­nung „Ret­tungs­as­sis­tent“ oder „Ret­tungs­as­sis­ten­tin“ ha­ben muss, während die Übri­gen min­des­tens die Aus­bil­dung zu Ret­tungs­sa­nitätern er­folg­reich ab­ge­schlos­sen ha­ben müssen. Auch der Ret­tungs­dienst­be­reichs­plan des Be­klag­ten enthält kla­re - auch zeit­li­che - Vor­ga­ben für die Be­set­zung der Fahr­zeu­ge. Da­nach müssen der KTW in S von Mon­tag bis Frei­tag in der Zeit von 7:00 Uhr bis 17:00 Uhr mit zwei Ret­tungs­sa­nitätern, die RTW in S, A, R und Sch durchgängig mit je ei­nem Ret­tungs­as­sis­ten­ten und ei­nem Ret­tungs­sa­nitäter und das NEF in S - eben­falls durchgängig - mit ei­nem Ret­tungs­sa­nitäter und ei­nem Not­arzt be­setzt sein.
Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Be­klag­ten ist das Ret­tungs­per­so­nal auch nicht oh­ne Wei­te­res durch an­de­res er­setz­bar. Dies zeigt schon der Um­stand, dass sich auf die Aus­schrei­bung des Be­klag­ten, mit der die­ser mehr als 50 Ret­tungs­sa­nitäter/in­nen und Ret­tungs­as­sis­ten­ten/in­nen such­te, über die 41 zu­vor beim J Beschäftig­ten hin­aus le­dig­lich 29 Per­so­nen be­wor­ben ha­ben und der Be­klag­te mit die­sen al­lein die of­fe­nen Stel­len nicht hätte be­set­zen und da­mit den Ret­tungs­dienst nicht hätte durchführen können.

bb) Al­ler­dings ver­bleibt es da­bei, dass vor­lie­gend die Iden­tität des Ret­tungs­diens­tes auch durch die Fahr­zeu­ge, die der Be­klag­te nicht über­nom­men hat, ent­schei­dend mit­ge­prägt wird. Auch die­se sind für die Durchführung des Ret­tungs­diens­tes un­ver­zicht­bar. Die Fahr­zeu­ge müssen zu­dem be­stimm­ten Vor­ga­ben im Hin­blick auf die me­di­zin­tech­ni­sche Aus­stat­tung genügen. Nach § 2 Abs. 1 Rett­DVO-LSA sol­len die im Ret­tungs­dienst ein­ge­setz­ten Ret­tungs­mit­tel dem Stand der Tech­nik ent­spre­chen. Nach § 2 Abs. 2 Rett­DVO-LSA sind die Fahr­zeu­ge für die Not­fall­ret­tung bzw. für den qua­li­fi­zier­ten Kran­ken­trans­port aus­zu­stat­ten. Dies schließt die Aus­stat­tung mit der er­for­der­li­chen me­di­zin­tech-

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ni­schen Ausrüstung mit ein. Be­reits aus die­sem Grund kommt die Ein­heit „Ret­tungs­dienst“ - ent­ge­gen der Rechts­auf­fas­sung der Kläge­rin - nicht oh­ne nen­nens­wer­te ma­te­ri­el­le Vermögens­wer­te aus, es kommt beim Ret­tungs­dienst da­mit nicht „im We­sent­li­chen“ auf die men­sch­li­che Ar­beits­kraft an.

(1) Aus dem von der Kläge­rin an­geführ­ten Um­stand, dass die Fahr­zeu­ge be­reits „buch­hal­te­risch“ ab­ge­schrie­ben wa­ren, er­gibt sich nichts an­de­res.
Zwar ha­ben Ab­schrei­bun­gen die Funk­ti­on, Wert­min­de­run­gen zu er­fas­sen und zu ver­rech­nen, die bei Vermögens­ge­genständen des Um­lauf- oder An­la­ge­vermögens ein­tre­ten (vgl. et­wa Baum­bach/Hopt/Merkt HGB 37. Aufl. § 253 Rn. 10). Die Ab­schrei­bung be­sagt aber nichts darüber, ob der ent­spre­chen­de Vermögens­ge­gen­stand tatsächlich noch ver­wend­bar und da­mit wert­hal­tig ist. Des­halb be­sagt die „buch­hal­te­ri­sche“ Be­hand­lung der Ret­tungs­fahr­zeu­ge nichts darüber, ob die­se noch funk­ti­ons- und ein­satzfähig wa­ren. Nur hier­auf kommt es vor­lie­gend aber an. § 613a Abs. 1 BGB macht - im Ein­klang mit der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ropäischen Uni­on zur Richt­li­nie 2001/23/EG - den Über­gang der Ar­beits­verhält­nis­se da­von abhängig, dass der Be­trieb un­ter Wah­rung sei­ner Iden­tität über­nom­men wur­de, wo­bei im Rah­men der Ge­samt­be­wer­tung auch der et­wai­ge Über­gang der ma­te­ri­el­len Be­triebs­mit­tel zu berück­sich­ti­gen ist. Der Be­klag­te hätte die Fahr­zeu­ge, die noch funk­ti­ons-und ein­satzfähig wa­ren und die vom J ab dem 1. Ju­ni 2011 in ei­nem an­de­ren Ret­tungs­dienst­be­reich ein­ge­setzt wur­den, über­neh­men können. Er hat dies aber nicht ge­tan, son­dern neue Fahr­zeu­ge mit ei­ner zum Teil veränder­ten me­di­zin­tech­ni­schen Aus­stat­tung an­ge­schafft.

(2) Die Kläge­rin kann sich auch nicht mit Er­folg dar­auf be­ru­fen, die Fahr­zeu­ge sei­en dem je­wei­li­gen Be­trei­ber des Ret­tungs­diens­tes nur „tem­porär“ zu­ge­wie­sen, was sich dar­aus er­ge­be, dass die­se über ei­nen Zeit­raum von sechs Jah­ren ab­ge­schrie­ben würden und die Kran­ken­kas­sen da­nach neue Fahr­zeu­ge fi­nan­zier­ten.
Ab­ge­se­hen da­von, dass der J letzt­ma­lig im Jahr 2006 Neu­fahr­zeu­ge be­schafft hat­te und der Ab­schrei­bungs­zeit­raum von sechs Jah­ren we­der zum Zeit­punkt der Be­stel­lung der Neu­fahr­zeu­ge durch den Be­klag­ten An­fang 2011

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noch am 1. Ju­ni 2011, ab dem der Be­klag­te den Ret­tungs­dienst selbst durchführ­te, ab­ge­lau­fen war, recht­fer­tigt die von der Kläge­rin an­geführ­te „Fi­nan­zie­rung“ der Neu­fahr­zeu­ge durch die Kran­ken­kas­sen nicht die An­nah­me, die Fahr­zeu­ge, die vom J auf ei­ge­ne Rech­nung an­ge­schafft wor­den wa­ren, sei­en die­sem nur tem­porär bis zum Ab­lauf des Ab­schrei­bungs­zeit­raums zu­ge­wie­sen wor­den. Zwar gehören die Ab­schrei­bun­gen auf die Fahr­zeu­ge zu den be­triebs­wirt­schaft­li­chen Kos­ten des Ret­tungs­diens­tes, die die Träger des bo­den­ge­bun­de­nen Ret­tungs­diens­tes iSv. § 3 Abs. 1 Rett­DG LSA vom 21. März 2006 (im Fol­gen­den Rett­DG LSA) und ggf. die Leis­tungs­er­brin­ger iSv. § 3 Abs. 2 Rett­DG LSA nach § 12 Abs. 1 Rett­DG LSA für ih­ren je­wei­li­gen Be­reich un­ter Berück­sich­ti­gung der ent­stan­de­nen und der vor­aus­seh­ba­ren Auf­wen­dun­gen er­mit­teln und auf de­ren Grund­la­ge sie nach § 12 Abs. 2 Rett­DG LSA mit der Ge­samt­heit der zuständi­gen Träger der So­zi­al­ver­si­che­rung (Kos­tenträger) kos­ten­de­cken­de Be­nut­zungs­ent­gel­te ver­ein­ba­ren, die vom Träger des Ret­tungs­diens­tes gemäß § 12 Abs. 4 Rett­DG LSA in der so fest­ge­setz­ten Höhe durch Sat­zung ge­genüber al­len Nut­zern des Ret­tungs­diens­tes be­stimmt wer­den. Die­se mit­tel­ba­re Re­fi­nan­zie­rung der An­schaf­fungs­kos­ten der Fahr­zeu­ge über die Be­nut­zungs­ent­gel­te, die ih­rer­seits letzt­lich von den Kos­tenträgern, dh. den Kran­ken­kas­sen bzw. den Trägern der ge­setz­li­chen Un­fall­ver­si­che­rung ge­tra­gen wer­den, ändert al­ler­dings nichts dar­an, dass die vom J an­ge­schaff­ten Ret­tungs­fahr­zeu­ge auch nach Ab­lauf des Ab­schrei­bungs­zeit­raums wei­ter ge­nutzt wer­den konn­ten. Der J hat von die­ser Möglich­keit auch Ge­brauch ge­macht und die Fahr­zeu­ge - wenn auch in ei­nem an­de­ren Ret­tungs­dienst­be­reich - ein­ge­setzt.

(3) Letzt­lich ist es auch un­er­heb­lich, ob der Be­klag­te, so­fern er von den Kran­ken­kas­sen kei­ne „Fi­nan­zie­rungs­zu­sa­ge“ für die von ihm neu be­schaff­ten Fahr­zeu­ge er­hal­ten hätte, die Fahr­zeu­ge des J über­nom­men hätte und ob der J, wenn er den Ret­tungs­dienst fort­geführt hätte, Neu­fahr­zeu­ge an­ge­schafft hätte. Ein Be­triebs(teil)über­gang iSv. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB setzt vor­aus, dass die in Re­de ste­hen­de Ein­heit nach der Über­nah­me durch den neu­en In­ha­ber tatsächlich ih­re Iden­tität be­wahrt. Da­nach ist hier für ei­ne hy­po­the­ti­sche Be­trach­tung kein Raum.

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III. Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Schlewing
Vo­gel­sang
Ro­loff
Volz
R. Kandler














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