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LAG Köln, Ur­teil vom 29.10.2012, 5 Sa 549/11

   
Schlagworte: Dienstkleidung, Diskriminierung: Geschlecht, Gleichbehandlung
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Aktenzeichen: 5 Sa 549/11
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 29.10.2012
   
Leitsätze:

1. Männliche Piloten können auch dann zum Tragen einer Pilotenmütze verpflichtet werden, wenn es Pilotinnen freigestellt ist, ob sie die Pilotenmütze tragen.

2. Eine derartige in einer Betriebsvereinbarung getroffene Regelung verstößt nicht gegen das AGG. Maßgeblich hierfür ist, dass die für Frauen und Männer geltenden Vorschriften zur Pilotenmütze nicht isoliert betrachtet und miteinander verglichen werden können. Zu berücksichtigen ist vielmehr, dass die Betriebsparteien für Frauen und Männer unterschiedliche Regelungen zur Dienstkleidung getroffen haben. Ein Vergleich des gesamten Regelwerks zur Dienstkleidung für Männer und Frauen ergibt, dass die Ausgestaltung der Dienstkleidung in der Betriebsvereinbarung für das jeweilige Geschlecht nicht zu einer günstigeren oder eine weniger günstigen, sondern lediglich zu einer anderen Behandlung führt. Eine lediglich andere Behandlung, die nicht mit einer Herabsetzung gegenüber dem anderen Geschlecht verbunden ist, stellt keine vom AGG erfasste Benachteiligung dar.

Vorinstanzen: Arbeitsgericht Köln, Urteil vom 5.4.2011 - 12 Ca 8659/10
Nachfolgend Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 30.09.2014, 1 AZR 1083/12
   

Te­nor:

1. Auf die Be­ru­fung der Be­klag­ten wird das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Köln vom 05. April 2011 – 12 Ca 8659/10 – teil­wei­se ab­geändert:

Der Fest­stel­lungs­an­trag wird ab­ge­wie­sen.

2. Die Kos­ten des Rechts­streits tra­gen der Kläger zu 2/3 und die Be­klag­te zu 1/3.

3. Die Re­vi­si­on wird zu­ge­las­sen.

Tat­be­stand:

Die Par­tei­en strei­ten darüber, ob Pi­lo­ten im Ge­gen­satz zu Pi­lo­tin­nen ver­pflich­tet wer­den können, im Flug­ha­fen ei­ne Pi­lo­tenmütze zu tra­gen.

Der Kläger ist bei der be­klag­ten Flug­ge­sell­schaft seit dem 7. April 2006 als Flug­zeugführer beschäftigt.

Bei der Be­klag­ten gilt ei­ne „Be­triebs­ver­ein­ba­rung Dienst­be­klei­dung“. Zur Pi­lo­tenmütze sieht die­se für Frau­en vor, dass sie ge­tra­gen wer­den kann, aber nicht zur vollständi­gen Uni­form gehört. Für Männer ist ge­re­gelt, dass die Mütze zwin­gend in dem der Öffent­lich­keit zugäng­li­chen Flug­ha­fen­be­reich zu tra­gen ist.

Kon­kret be­stimmt § 4 der Be­triebs­ver­ein­ba­rung:

„§ 4 Uni­form­tei­le für das Cock­pit­per­so­nal

(1) Uni­form­tei­le für Da­men

(1.1) An­zug

Der Bla­zer gehört zur vollständi­gen Uni­form und muss stets mit­geführt wer­den. Der Zwei­rei­her wird – aus­ge­nom­men sit­zen­de Tätig­keit – zu­ge­knöpft ge­tra­gen. Zur Uni­form­ho­se ist der Gürtel zu tra­gen, so­fern Gürtel­schlau­fen vor­han­den sind.

Bei ho­hen Tem­pe­ra­tu­ren kann der Bla­zer auf dem Weg vorn und zum Flug­zeug ab­ge­legt wer­den, vor­aus­ge­setzt, dass sich die Blu­se in ein­wand­frei­em Zu­stand be­fin­det. Das ein­heit­li­che Er­schei­nungs­bild ist zu gewähr­leis­ten.

(1.2) Blu­se

Die Blu­se kann mit den vor­ge­schrie­be­nen Ac­ces­soires ver­vollständigt wer­den. Die Ärmel dürfen nicht auf­ge­rollt wer­den. Die Blu­se wird mit nicht mehr als ma­xi­mal 2 Knöpfen von oben of­fen ge­tra­gen. Die Blu­se wird mit Schul­terstücken ge­tra­gen.

(1.3) Pull­over, Pul­lun­der, Da­men-Strick­ja­cke

Pull­over, Pul­lun­der und Strick­ja­cke sind zusätz­li­che wärmen­de Klei­dungsstücke, aber nicht Er­satz für die Uni­form­ja­cke. Im Cock­pit und in den Ru­he­zo­nen können die Strick­sa­chen oh­ne Uni­form­ja­cke ge­tra­gen wer­den.

(1.4) Cock­pit-Mütze

Die Cock­pitmütze kann ge­tra­gen wer­den, gehört aber nicht zur vollständi­gen Uni­form.

(1.5)Da­men-Out­door­man­tel/Bla­zer­man­tel/Out­door­ja­cke

Wenn der Out­door­man­tel/Bla­zer­man­tel oder die Out­door­ja­cke of­fen ge­tra­gen wird, muss der Uni­vorm­bla­zer dar­un­ter ge­schlos­sen sein. Zum Out­door­man­tel oder zur Out­door­ja­cke darf nur der dun­kel­blaue Woll­schal ge­tra­gen wer­den. Die Ka­pu­ze der Out­door­ja­cke darf nur bei Re­gen über den Kopf ge­zo­gen wer­den. In Gebäuden und bei tro­cke­nem Wet­ter darf sie nicht sicht­bar sein.

(1.6) Ac­ces­soires/Woll­schal

Zur Blu­se wird ge­ne­rell ein Ac­ces­soire ge­tra­gen.

Da­men­kra­wat­te, Her­ren­kra­wat­te (blau), Kra­wat­ten­tuch, Ni­cki­tuch oder Schal­tuch können zu al­len Ar­ti­keln, der Woll­schal je­doch nur zum Out­door­man­tel/Out­door­ja­cke oder zum Bla­zer­man­tel, ge­tra­gen wer­den.

(1.7) Hand­schu­he

Zur Dienst­be­klei­dung können die dun­kel­blau­en Hand­schu­he ge­tra­gen wer­den.

(1.8) Hand­ta­sche

Zur Uni­form kann die Luft­han­sa-Hand­ta­sche ge­tra­gen wer­den. Sie ist im­mer ge­schlos­sen zu hal­ten und soll nicht überfüllt wir­ken. Das Tra­gen von Pri­vat­hand­ta­schen zur Uni­form ist nicht ge­stat­tet.

(1.9) Strümp­fe

Zur Uni­form sind un­auffälli­ge Strumpf­ho­sen/Strümp­fe zu tra­gen. Sie müssen farb­lich zur Uni­form pas­sen und dürfen we­der Ver­zie­run­gen noch Nähte auf­wei­sen. Da­men­strümp­fe müssen ein­far­big dun­kel­blau bzw. schwarz sein.

(1.10) Schu­he

Zur Uni­form sol­len klas­si­sche dun­kel­blaue/schwar­ze, ge­schlos­se­ne Glatt­le­der­schu­he ge­tra­gen wer­den, die den Uni­form­cha­rak­ter nicht verfälschen und ein an­ge­mes­se­nes, äußeres Er­schei­nungs­bild gewähr­leis­ten. Pla­teau-Schu­he sind nicht er­laubt.

(1.11) Le­der­stie­fel

Glat­te, dun­kel­blaue oder schwar­ze Stie­fel/Stie­fe­let­ten oh­ne auffälli­ge Ver­zie­rung (kein Lack- oder Wild­le­der) sind un­ter der Ho­se zulässig, so­fern der Schaft sich nicht ab­zeich­net.

(2) Uni­form­tei­le für Her­ren

Erklärung zu den Uni­form­tei­len für Her­ren-Cock­pit­per­so­nal:

(2.1) An­zug

Das Sak­ko gehört zur vollständi­gen Uni­form und muss stets mit­geführt wer­den. Der Zwei­rei­her wird – aus­ge­nom­men sit­zen­de Tätig­keit – zu­ge­knöpft ge­tra­gen. Zur Uni­form­ho­se ist der Gürtel zu tra­gen. Sicht­bar ge­tra­ge­ne Ho­senträger sind nicht er­laubt. Bei ho­hen Tem­pe­ra­tu­ren kann das Sak­ko auf dem Weg vom und zum Flug­zeug ab­ge­legt wer­den, vor­aus­ge­setzt, dass sich das Uni­form­hemd in ein­wand­frei­em Zu­stand be­fin­det. Das ein­heit­li­che Er­schei­nungs­bild ist zu gewähr­leis­ten.

(2.2) Hemd, Kra­wat­te

Uni­form­hem­den wer­den nur mit Schul­terstücken und der kor­rekt sit­zen­den Kra­wat­te ge­tra­gen.

Lan­ge Ärmel dürfen nicht auf­ge­rollt wer­den.

(2.3) Pull­over, Pul­lun­der, Strick­ja­cke

Pull­over, Pul­lun­der und Strick­ja­cke sind zusätz­li­che wärmen­de Klei­dungsstücke, aber nicht Er­satz für das Uni­form­s­ak­ko.

Im Cock­pit und in den Ru­he­zo­nen können die Strick­sa­chen oh­ne das Uni­form­s­ak­ko ge­tra­gen wer­den.

(2.4) Cock­pit-Mütze

Die Cock­pit-Mütze ist in dem der Öffent­lich­keit zugäng­li­chen Flug­ha­fen­be­reich zu tra­gen.

(2.5) Her­ren-Out­door­man­tel/Out­door­ja­cke

Wenn der Out­door­man­tel oder die Out­door­ja­cke of­fen ge­tra­gen wird, muss das Uni­form­s­ak­ko dar­un­ter ge­schlos­sen sein. Zum Out­door­man­tel oder zur Out­door­ja­cke darf nur der dun­kel­blaue Woll­schal ge­tra­gen wer­den. Die Ka­pu­ze der Out­door­ja­cke darf nur bei Re­gen über den Kopf ge­zo­gen wer­den. In Gebäuden und bei tro­cke­nem Wet­ter darf sie nicht sicht­bar sein

(2.6) Woll­schal

Der Woll­schal darf nur zum Out­door­man­tel oder zur Out­door­ja­cke ge­tra­gen wer­den.

(2.7) Hand­schu­he

Zur Dienst­be­klei­dung können die dun­kel­blau­en Hand­schu­he ge­tra­gen wer­den.

(2.8) Strümp­fe

Die Strümp­fe müssen farb­lich zur Uni­form pas­sen und dürfen kei­ne Ver­zie­run­gen auf­wei­sen.

Her­ren­strümp­fe müssen ein­far­big dun­kel­blau bzw. schwarz sein.

(2.9) Schu­he

Zur Uni­form sol­len klas­si­sche dun­kel­blaue/schwar­ze, ge­schlos­se­ne Glatt­le­der­schu­he ge­tra­gen wer­den, die den Uni­form­cha­rak­ter nicht verfälschen und ein an­ge­mes­se­nes, äußeres Er­schei­nungs­bild gewähr­leis­ten. Pla­teau-Schu­he sind nicht er­laubt.

(2.10) Le­der­stie­fel

Wet­ter­be­dingt können glat­te schwar­ze Stie­fel (kein Wild­le­der) oh­ne auffälli­ge Ver­zie­rung ge­tra­gen wer­den. Die Ho­se ist über den Stie­feln zu tra­gen, der Schaft darf sich nicht ab­zeich­nen. Sprin­ger­stie­fel sind nicht ge­stat­tet.“

Der Kläger war am 18. De­zem­ber 2009 für ei­nen Flug nach N Y ein­ge­teilt. Während der Flug­vor­be­rei­tung wur­de er von sei­nem Vor­ge­setz­ten ge­fragt, ob er sei­ne Pi­lo­tenmütze bei sich führe. Der Kläger ver­nein­te dies und be­rief sich un­ter Hin­weis auf das All­ge­mei­ne Gleich­be­hand­lungs­ge­setz (AGG) dar­auf, dass die Vor­schrift der Be­triebs­ver­ein­ba­rung nich­tig sei. Er wur­de dar­auf­hin von dem Flug ab­ge­setzt.

Der Kläger blieb in ei­nem am 29. Ja­nu­ar 2010 geführ­ten Per­so­nal­gespräch bei sei­ner Hal­tung. Er erklärte al­ler­dings, dass er künf­tig die Pi­lo­tenmütze tra­gen wer­de, so­lan­ge es kei­ne ab­wei­chen­de Kom­man­dan­ten­ent­schei­dung ge­be. Die­se Erklärung hat er in der Kam­mer­ver­hand­lung vor dem Lan­des­ar­beits­ge­richt da­hin­ge­hend präzi­siert, dass er nur so­lan­ge be­reit sei, die Pi­lo­tenmütze an­zu­zie­hen, bis ei­ne an­der­wei­ti­ge ge­richt­li­che Ent­schei­dung vor­lie­ge.

Der Kläger hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, er wer­de we­gen sei­nes Ge­schlechts be­nach­tei­ligt, weil er die Pi­lo­tenmütze tra­gen müsse. Die Be­klag­te wol­le tra­dier­te Rol­len­bil­der fortführen, die durch das AGG ge­ra­de über­wun­den wer­den soll­ten.

Der Kläger hat be­an­tragt,

1. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, die ihm mit Schrei­ben vom 08.02.2010 er­teil­te Gesprächs­no­tiz zurück­zu­neh­men und aus der Per­so­nal­ak­te zu ent­fer­nen;

2. fest­zu­stel­len, dass er nicht ver­pflich­tet ist, sei­ne Cock­pit-Mütze in dem der Öffent­lich­keit zugäng­li­chen Flug­ha­fen­be­reichs zu tra­gen, so­lan­ge die Be­klag­te aus­sch­ließlich das männ­li­che Cock­pit­per­so­nal zum Tra­gen der Cock­pit-Mütze in dem der Öffent­lich­keit zugäng­li­chen Flug­ha­fen­be­reich ver­pflich­tet.

Die Be­klag­te hat be­an­tragt,

die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Sie hat dar­auf ver­wie­sen, dass bei den weib­li­chen Cock­pit­mit­ar­bei­tern die Mütze nicht Teil der Uni­form sei, son­dern le­dig­lich Ac­ces­soire. Die Uni­form ori­en­tie­re sich bis heu­te an der ers­ten Uni­form, die Mit­ar­bei­ter der Be­klag­ten ge­tra­gen hätten. Dem klas­si­schen und tra­dier­ten Außen­auf­tritt ent­spre­che es, dass nur männ­li­che Pi­lo­ten stets ei­ne Pi­lo­tenmütze zu tra­gen hätten. Da­durch wer­de der Kläger nicht be­nach­tei­ligt, weil die Re­ge­lung nicht Aus­druck ei­ner un­ter­schied­li­chen Wer­tig­keit der Ge­schlech­ter sei.

Zu­dem könne die Pi­lo­tenmütze von Pi­lo­tin­nen nicht mit je­der Fri­sur ge­tra­gen wer­den.

Das Ar­beits­ge­richt hat der Kla­ge mit Ur­teil vom 5. April 2011 statt­ge­ge­ben. Ge­gen das ihr am 6. Mai 2011 zu­ge­stell­te erst­in­stanz­li­che Ur­teil hat die Be­klag­te am 24. Mai 2011 Be­ru­fung ein­ge­legt und die­se nach Verlänge­rung der Be­ru­fungs­be­gründungs­frist bis zum 17. Au­gust 2011 am 17. Au­gust 2011 be­gründet.

Die Be­klag­te ist nach wie vor der Auf­fas­sung, die un­ter­schied­li­che Aus­ge­stal­tung der Dienst­klei­dung sei recht­lich nicht zu be­an­stan­den. Es ge­he um ih­ren Außen­auf­tritt und ih­ren Wie­der­er­ken­nungs­wert, bei de­nen sie ge­sell­schaft­li­che Kon­ven­tio­nen zu berück­sich­ti­gen ha­be.

Die Be­klag­te be­an­tragt,

das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Köln vom 5. April 2011 – 12 Ca 8659/10 – teil­wei­se ab­zuändern und den Fest­stel­lungs­an­trag ab­zu­wei­sen.

Der Kläger be­an­tragt,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Er ver­weist dar­auf, dass es nicht um un­ter­schied­li­che Dienst­klei­dung für Männer und Frau­en ge­he. Die Pi­lo­tenmütze sei für Männer nicht an­ders aus­ge­stal­tet als für Frau­en. Da­her be­ste­he in Be­zug auf die Pi­lo­tenmütze der ein­zi­ge Un­ter­schied zwi­schen den Ge­schlech­tern dar­in, dass das ei­ne Ge­schlecht zum Tra­gen der Mütze ver­pflich­tet wer­de, während es dem an­de­ren Ge­schlecht frei ste­he, ob es die Mütze an­zie­he.

We­gen der Ein­zel­hei­ten des Sach- und Streit­stan­des wird auf den Tat­be­stand des an­ge­foch­te­nen Ur­teils, die im Be­ru­fungs­ver­fah­ren ge­wech­sel­ten Schriftsätze, die ein­ge­reich­ten Un­ter­la­gen so­wie die Sit­zungs­nie­der­schrif­ten Be­zug ge­nom­men.

Ent­schei­dungs­gründe:

I. Die Be­ru­fung der Be­klag­ten ist zulässig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 1 und Abs. 2 ArbGG statt­haft und wur­de gemäß §§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 und 5 ArbGG, §§ 519 und 520 ZPO frist- und form­ge­recht ein­ge­legt und be­gründet.

II. Das Rechts­mit­tel hat auch in der Sa­che Er­folg. Der Fest­stel­lungs­an­trag ist zwar zulässig, aber un­be­gründet. Der Kläger ist nach § 4 Abs. 2.4 der
Be­triebs­ver­ein­ba­rung Dienst­be­klei­dung ver­pflich­tet, sei­ne Pi­lo­tenmütze in dem der Öffent­lich­keit zugäng­li­chen Flug­ha­fen­be­reich zu tra­gen. Die­se Be­stim­mung ist wirk­sam. Sie verstößt nicht ge­gen das Be­nach­tei­li­gungs­ver­bot we­gen des Ge­schlechts gemäß § 7 Abs. 1 i.V.m. § 1 AGG. Männ­li­che Pi­lo­ten wer­den ge­genüber weib­li­chen Pi­lo­ten nicht be­nach­tei­ligt, weil sie durch die Aus­ge­stal­tung der Dienst­klei­dung in der
Be­triebs­ver­ein­ba­rung nicht ei­ne we­ni­ger güns­ti­ge­re Be­hand­lung, son­dern le­dig­lich ei­ne an­de­re Be­hand­lung er­fah­ren, mit der sie ge­genüber dem an­de­ren Ge­schlecht nicht her­ab­ge­setzt wer­den.

1. Der Fest­stel­lungs­an­trag ist zulässig. Für die be­gehr­te Fest­stel­lung be­steht ein Fest­stel­lungs­in­ter­es­se.

a) Nach § 46 Abs. 2 Abs. 1 ArbGG i. V. m. § 256 Abs. 1 ZPO kann Kla­ge auf Fest­stel­lung des Be­ste­hens oder Nicht­be­ste­hens ei­nes Rechts­verhält­nis­ses er­ho­ben wer­den, wenn der Kläger ein recht­li­ches In­ter­es­se dar­an hat, dass das Rechts­verhält­nis durch rich­ter­li­che Ent­schei­dung als­bald fest­ge­stellt wer­de.

Das Fest­stel­lungs­in­ter­es­se ist nur dann ge­ge­ben, wenn durch die Ent­schei­dung über den Fest­stel­lungs­an­trag der Streit ins­ge­samt be­sei­tigt wird und das Rechts­verhält­nis der Par­tei­en ab­sch­ließend geklärt wer­den kann. Es fehlt, wenn durch die Ent­schei­dung kein Rechts­frie­den ge­schaf­fen wird, weil nur ein­zel­ne Ele­men­te ei­nes Rechts­verhält­nis­ses zur Ent­schei­dung des Ge­richts ge­stellt wer­den. Die Rechts­kraft der Ent­schei­dung muss wei­te­re ge­richt­li­che Aus­ein­an­der­set­zun­gen über die zwi­schen den Par­tei­en strit­ti­gen Fra­gen um den­sel­ben Fra­gen­kom­plex aus­sch­ließen (st. Rspr., et­wa BAG 16. No­vem­ber 2011 – 4 AZR 839/09 – ju­ris; 21. April 2010 – 4 AZR 755/08 – EzA § 256 ZPO 2002 Nr. 9; 14. De­zem­ber 2005 - 4 AZR 522/04 - EzA § 256 ZPO 2002 Nr. 7; 29. No­vem­ber 2001 - 4 AZR 757/00 - BA­GE 100, 43).

b) Nach die­sen Grundsätzen be­steht für die be­gehr­te Fest­stel­lung ein Fest­stel­lungs­in­ter­es­se.

Dies er­gibt sich dar­aus, dass die Be­klag­te den Kläger für ver­pflich­tet hält, die Pi­lo­tenmütze zu tra­gen. Die Ver­let­zung ei­ner be­ste­hen­den Pflicht kann zu ar­beits­recht­li­chen Sank­tio­nen bis hin zu ei­ner Kündi­gung führen.

Der Kläger kann nicht dar­auf ver­wie­sen wer­den, vor ei­ner ge­richt­li­chen Klärung ar­beits­recht­li­che Maßnah­men der Be­klag­ten zu ris­kie­ren, die er dann ge­richt­lich an­grei­fen könn­te. Dies wäre dem Kläger nicht zu­mut­bar und würde nicht da­zu führen, ei­nen wei­te­ren Pro­zess zu ver­mei­den. Zu­dem ist zu berück­sich­ti­gen, dass in ei­nem der­ar­ti­gen Ver­fah­ren die hier zu ent­schei­den­de Fra­ge nur Vor­fra­ge wäre und so­mit zu ihr kei­ne in Rechts­kraft er­ge­hen­de Ent­schei­dung er­ge­hen könn­te.

2. Der Fest­stel­lungs­an­trag ist un­be­gründet. Der Kläger ist nach § 4 Abs. 2.4 der Be­triebs­ver­ein­ba­rung Dienst­be­klei­dung ver­pflich­tet, sei­ne Pi­lo­tenmütze in dem der Öffent­lich­keit zugäng­li­chen Flug­ha­fen­be­reich zu tra­gen. Die in der Be­triebs­ver­ein­ba­rung Dienst­be­klei­dung ge­trof­fe­ne Re­ge­lung ist wirk­sam. Sie verstößt nicht ge­gen das Be­nach­tei­li­gungs­ver­bot we­gen des Ge­schlechts gemäß § 7 Abs. 1 i.V.m. § 1 AGG. Männ­li­che Pi­lo­ten wer­den ge­genüber weib­li­chen Pi­lo­ten nicht be­nach­tei­ligt. Maßgeb­lich hierfür ist, dass die Vor­schrif­ten zur Pi­lo­tenmütze nicht iso­liert be­trach­tet und mit­ein­an­der ver­glei­chen wer­den können. Zu berück­sich­ti­gen ist viel­mehr, dass die Be­triebs­par­tei­en für Frau­en und Männer un­ter­schied­li­che Re­ge­lun­gen zur Dienst­klei­dung ge­trof­fen ha­ben. Ein Ver­gleich des ge­sam­ten Re­gel­werks zur Dienst­klei­dung für Männer und Frau­en er­gibt, dass die Aus­ge­stal­tung der Dienst­klei­dung in der Be­triebs­ver­ein­ba­rung für das je­wei­li­ge Ge­schlecht nicht zu ei­ner güns­ti­ge­ren oder ei­ne we­ni­ger güns­ti­gen, son­dern le­dig­lich zu ei­ner an­de­ren Be­hand­lung führt. Ei­ne le­dig­lich an­de­re Be­hand­lung, die nicht mit ei­ner Her­ab­set­zung ge­genüber dem an­de­ren Ge­schlecht ver­bun­den ist, stellt kei­ne vom AGG er­fass­te Be­nach­tei­li­gung dar.

a) Nach § 7 Abs. 1 AGG dürfen Beschäftig­te nicht we­gen ei­nes in § 1 AGG ge­nann­ten Grun­des be­nach­tei­ligt wer­den. Ver­ein­ba­run­gen, die ge­gen die­ses Be­nach­tei­li­gungs­ver­bot ver­s­toßen, sind nach § 7 Abs. 2 AGG un­wirk­sam. Der Be­griff der Be­nach­tei­li­gung be­stimmt sich nach § 3 AGG. Ei­ne un­mit­tel­ba­re Be­nach­tei­li­gung liegt nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG vor, wenn ei­ne Per­son we­gen ei­nes in § 1 AGG ge­nann­ten Grun­des ei­ne we­ni­ger güns­ti­ge Be­hand­lung erfährt, als ei­ne an­de­re Per­son in ei­ner ver­gleich­ba­ren Si­tua­ti­on erfährt, er­fah­ren hat oder er­fah­ren würde.

Aus der in § 3 Abs. 1 AGG vor­ge­nom­me­nen Be­griffs­be­stim­mung, die nicht al­lein auf ei­ne un­glei­che Be­hand­lung, son­dern – darüber hin­aus­ge­hend – auf ei­ne „we­ni­ger güns­ti­ge Be­hand­lung“ ab­stellt, folgt, dass ei­ne un­ter­schied­li­che Be­hand­lung al­lein noch kei­ne Be­nach­tei­li­gung be­gründet. Für das Dis­kri­mi­nie­rungs­merk­mal „Al­ter“ fol­gert das BAG dar­aus, dass ei­ne Be­nach­tei­li­gung nur bei ei­ner Un­gleich­be­hand­lung ge­ge­ben ist, die für den Be­trof­fe­nen ei­nen ein­deu­ti­gen Nach­teil be­wirkt. Die un­ter­schied­li­che Be­hand­lung muss zu ei­ner Zurück­set­zung führen (BAG 25. Fe­bru­ar 2010 – 6 AZR 911/08 – BA­GE 133, 265).

Die­se Recht­spre­chung ist auf an­de­re vom AGG er­fass­te Dis­kri­mi­nie­rungs­merk­ma­le zu über­tra­gen. Hierfür spricht, dass der Ge­setz­ge­ber den Be­griff der Be­nach­tei­li­gung in § 3 Abs. 1 AGG für al­le Dis­kri­mi­nie­rungs­merk­ma­le gleich de­fi­niert hat. Darüber hin­aus ist auf den Zweck des Ge­set­zes zu ver­wei­sen. Die­ser be­steht nicht dar­in, ei­ne vollständi­ge Gleich­be­hand­lung (an­ders aus­ge­drückt: Gleich­ma­che­rei) in al­len Le­bens­be­rei­chen zu be­wir­ken. Viel­mehr sol­len nach § 1 AGG Be­nach­tei­li­gun­gen ver­hin­dert bzw. be­sei­tigt wer­den.

Dar­aus folgt kon­kret für ei­ne vor­ge­schrie­be­ne Dienst­klei­dung, dass das AGG un­ter­schied­li­chen Be­klei­dungs­vor­schrif­ten für Frau­en und Männern nicht ent­ge­gen­steht. Sie wur­den vor dem AGG all­ge­mein als zulässig er­ach­tet. Es war nicht Zweck der Einführung des AGG, dar­an et­was zu ändern. Da­her ist es et­wa auch dann zulässig, weib­li­che Mit­ar­bei­ter frei darüber ent­schei­den zu las­sen, ob sie ei­nen An­zug oder ei­nen Rock tra­gen wol­len, wenn Männer zum Tra­gen ei­nes An­zugs ver­pflich­tet wer­den. Et­was an­de­res gilt nur dann, wenn die Aus­ge­stal­tung der Dienst­klei­dungs­vor­schrif­ten ei­ne un­ter­schied­li­che Wertschätzung der Ge­schlech­ter er­ken­nen lässt (so zu­tref­fend Müko-BGB/Thüsing, 12. Aufl. 2012, § 3 AGG Rn. 2).

b) Nach die­sen Grundsätzen wird der Kläger durch die in der Be­triebs­ver­ein­ba­rung Dienst­be­klei­dung vor­ge­se­he­ne Ver­pflich­tung, in dem der Öffent­lich­keit zugäng­li­chen Flug­ha­fen­be­reich ei­ne Pi­lo­tenmütze zu tra­gen, nicht we­gen sei­nes Ge­schlechts be­nach­tei­ligt. Er erfährt durch die Aus­ge­stal­tung der Dienst­klei­dung in der Be­triebs­ver­ein­ba­rung nicht ei­ne we­ni­ger güns­ti­ge­re Be­hand­lung als sei­ne weib­li­chen Kol­le­gen, son­dern le­dig­lich ei­ne an­de­re Be­hand­lung. Dies stellt kei­ne Dis­kri­mi­nie­rung we­gen sei­nes Ge­schlechts dar. Dem steht nicht ent­ge­gen, dass Männer die Pi­lo­tenmütze tra­gen müssen, während Frau­en die Wahl ha­ben, ob sie die Mütze an­zie­hen oder nicht. Die in der Be­triebs­ver­ein­ba­rung zu der Pi­lo­tenmütze ge­trof­fe­nen Be­stim­mun­gen sind nicht iso­liert mit­ein­an­der zu ver­glei­chen. Ei­ne iso­lier­te Be­trach­tung würde nicht dem Um­stand ge­recht, dass die Be­triebs­par­tei­en de­tail­lier­te Re­ge­lun­gen hin­sicht­lich der Uni­form­tei­le für das Cock­pit­per­so­nal ge­trof­fen ha­ben, in de­nen sie ins­ge­samt und nicht nur für ein­zel­ne Klei­dungsstücke zwi­schen den Uni­form­tei­len für Da­men und den Uni­form­tei­len für Her­ren dif­fe­ren­zie­ren. Die­se für Da­men und Her­ren vor­ge­nom­me­ne Ge­samt­re­ge­lung enthält an meh­re­ren Stel­len un­ter­schied­li­che Vor­schrif­ten für die Ge­schlech­ter, oh­ne dass auch nur im An­satz die Zurück­set­zung des ei­nen ge­genüber dem an­de­ren Ge­schlecht er­kenn­bar wäre. So sieht § 4 Abs. 1.2 der Be­triebs­ver­ein­ba­rung vor, dass Da­men Blu­sen mit den vor­ge­schrie­be­nen Ac­ces­soires zu tra­gen ha­ben. Da­ge­gen ha­ben Männer nach § 4 Abs. 2.2 der Be­triebs­ver­ein­ba­rung Hemd und Kra­wat­te zu tra­gen. Zu der für die Ge­schlech­ter un­ter­schied­lich aus­ge­stal­ten Dienst­be­klei­dung gehört bei Männern die Pi­lo­tenmütze, während die Be­triebs­ver­ein­ba­rung für Da­men aus­drück­lich vor­sieht, dass die Pi­lo­tenmütze nicht Be­stand­teil der vollständi­gen Uni­form ist.

III. Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt aus § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO.

IV. Die Kam­mer hat die Re­vi­si­on gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zu­ge­las­sen, weil sie der Fra­ge, un­ter wel­chen Vor­aus­set­zun­gen un­ter­schied­li­che Vor­schrif­ten zur Dienst­klei­dung für Frau­en und Männer zu ei­ner Be­nach­tei­li­gung führen, grundsätz­li­che Be­deu­tung bei­misst.

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