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Hes­si­sches LAG, Ur­teil vom 20.08.2013, 13 Sa 269/13

   
Schlagworte: Haftung des Arbeitnehmers, Haftung: Auszubildender
   
Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 13 Sa 269/13
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 20.08.2013
   
Leitsätze:

- Das Werfen eines Wuchtgewichts für Autoreifen in einer Kfz-Werkstatt ist keine betriebliche Tätigkeit. Für die dadurch entstandene Augenverletzung eines Arbeitskollegen haftet der Arbeitnehmer in vollem Umfang.

- Zu den Voraussetzungen einer Schmerzensgeldrente

Vorinstanzen: Arbeitsgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 24.01.2013, 19 Ca 4510/12
   

Tat­be­stand:

Die Par­tei­en strei­ten um Schmer­zens­geld­ansprüche so­wie um die Fest­stel­lung ei­ner Scha­dens­er­satz­pflicht des Be­klag­ten.

Der am 29. Mai 1993 ge­bo­re­ne Kläger war eben­so wie der – z. Zt. ar­beits­lo­se und über kei­ne er­heb­li­chen Geld­mit­tel verfügen­de - Be­klag­te in der ers­ten Jah­reshälf­te 2011 als Aus­zu­bil­den­der bei der A GmbH und Co. KG beschäftigt, die in B ei­nen Kfz-Han­del nebst Werk­statt und da­zu­gehöri­gem La­ger un­terhält. Das La­ger des Aus­bil­dungs­be­trie­bes be­steht aus ei­ner Rei­he von Räum­lich­kei­ten, die auf meh­re­re Eta­gen ver­teilt sind. Im 3. Stock be­fin­det sich ein recht­eckig ge­schnit­te­ner Raum, in dem ei­ne Ma­schi­ne zum Aus­wuch­ten von Au­torädern auf­ge­stellt ist. Sie be­fin­det sich an ei­nem En­de des Ar­beits­rau­mes. Am an­de­ren En­de be­fin­den sich Durchgänge zu an­gren­zen­den Räum­en so­wie der Zu­gang zu ei­nem Auf­zug. We­gen der Ein­zel­hei­ten wird auf die Skiz­ze auf Bl. 71 d.A. so­wie die Licht­bil­der auf Bl 73 und 74 d.A. ver­wie­sen.

Am Mor­gen des 24. Fe­bru­ar 2011 be­fan­den sich der Kläger, der Be­klag­te, der Zeu­ge C und der Zeu­ge D ge­gen 08.15 Uhr gleich­zei­tig im Ar­beits­raum. Der Be­klag­te stand an der Wucht­ma­schi­ne, der Kläger am an­de­ren En­de des Rau­mes in der Nähe der Auf­zugstür. Die Dis­tanz ist zwi­schen den Par­tei­en strei­tig. Der Be­klag­te warf so­dann oh­ne Vor­war­nung ein ca. 10 Gramm schwe­res sog. Wucht­ge­wicht aus Alu­mi­ni­um durch den Ar­beits­raum. Die­ses traf den Kläger am lin­ken Au­ge, am Au­gen­lid und an der lin­ken Schläfe. Der Kläger trug ei­ne Horn­haut­ver­let­zung so­wie ei­ne Ober­lid­rand­ver­let­zung da­von und wur­de in ei­ne Au­gen­kli­nik ver­bracht, wo er sich bis zum 03. März 2011 ei­ner sta­ti­onären Be­hand­lung (ein­sch­ließlich ope­ra­ti­ver Ver­sor­gung) un­ter­zog.

Nach die­sem Vor­fall mach­te der Kläger an­walt­lich ver­tre­ten Scha­dens­er­satz­ansprüche ge­genüber dem Be­klag­ten gel­tend. Des­sen Haft­pflicht­ver­si­che­rung wies die Ansprüche mit Schrei­ben vom 03. Mai 2011, wel­ches der da­ma­li­gen Rechts­anwältin des Klägers am 05. Mai 2011 zu­ging, zurück.

Am 29. Sep­tem­ber 2011 wur­de der Kläger er­neut in ei­ner Au­gen­kli­nik un­ter­sucht. Der Zu­stand des lin­ken Au­ges nach der am 24. Fe­bru­ar 2011 ent­stan­de­nen Horn­haut­ver­let­zung und der dar­auf­hin durch­geführ­ten Horn­haut­naht wur­den un­ter­sucht. Der Be­fund enthält An­ga­ben zur Exis­tenz ei­ner Horn­haut­nar­be, ei­ner zu­neh­men­den Vi­sus­ver­schlech­te­rung so­wie ei­ner Lin­s­entrübung. Der Kläger würde über die Möglich­keit und die Ri­si­ken ei­ner Ka­ta­rak­t­ope­ra­ti­on hin­ge­wie­sen. We­gen der Ein­zel­hei­ten wird auf Bl. 12f. d.A. ver­wie­sen. Am 21. De­zem­ber 2011 ließ sich der Kläger au­genärzt­lich zum Zwe­cke der Er­stel­lung ei­nes sog. ers­ten Ren­ten­gut­ach­tens für die Be­rufs­ge­nos­sen­schaft Holz und Me­tall un­ter­su­chen. Es wur­den insb. ei­ne mas­si­ve Seh­ver­min­de­rung am lin­ken Au­ge, das Vor­lie­gen ei­ner Horn­haut­nar­be so­wie das Feh­len räum­li­chen Seh­vermögens at­tes­tiert. We­gen der Ein­zel­hei­ten des Ren­ten­gut­ach­tens, wel­ches am 06. Fe­bru­ar 2012 er­stellt wur­de, wird auf Bl. 16ff. d.A. ver­wie­sen. Vom 21. bis 25. März 2012 be­fand sich der Kläger er­neut in sta­ti­onärer Be­hand­lung in ei­ner Au­gen­kli­nik. Er un­ter­zog sich ei­nem wei­te­ren ope­ra­ti­ven Ein­griff am lin­ken Au­ge, bei dem ei­ne Kunst­lin­se (Hin­ter­kam­mer­lin­se) ins lin­ke Au­ge ein­ge­setzt wur­de. Ihm wur­de mit­ge­teilt, dass trotz kom­pli­ka­ti­ons­lo­sen Ver­laufs der Ope­ra­ti­on auf­grund der Horn­haut­nar­be ei­ne Vi­sus­ein­schränkung ver­blei­ben wer­de. We­gen der Ein­zel­hei­ten wird auf Bl. 14f. d.A. ver­wie­sen.

Die Be­rufs­ge­nos­sen­schaft Holz und Me­tall zahlt dem Kläger seit dem 01. Ju­li 2011 auf­grund des Vor­falls ei­ne mo­nat­li­che Ren­te in Höhe von EUR 204,40.

Der hat Kläger be­haup­tet, der Be­klag­te ha­be das Wucht­ge­wicht am 24. Fe­bru­ar 2011 aus ei­ner Dis­tanz von ca. 13 Me­tern auf ihn ge­wor­fen. Der Wurf sei mit gehöri­ger Kraft er­folgt, da an­ders die Wei­te des Wurfs nicht hätte er­reicht wer­den können. Der Be­klag­te ha­be sich ge­genüber dem Zeu­gen C da­hin­ge­hend geäußert, dass er sich vom Kläger gestört gefühlt und des­halb den Wurf aus­geführt ha­be. Der Kläger hat wei­ter be­haup­tet, der Be­klag­te ha­be das Wucht­ge­wicht ge­zielt in Rich­tung sei­nes Kop­fes ge­wor­fen.

Sämt­li­che in den von ihm vor­ge­leg­ten ärzt­li­chen Be­rich­ten dia­gnos­ti­zier­ten Be­ein­träch­ti­gun­gen sei­nes lin­ken Au­ges gin­gen al­lein auf die durch den Be­klag­ten am 24. Fe­bru­ar 2011 zu­gefügte Ver­let­zung zurück. Vor die­ser Ver­let­zung sei bei ihm zu kei­ner Zeit das Vor­lie­gen ei­nes Grau­en Stars dia­gnos­ti­ziert wor­den. Auch ha­be er vor der Ver­let­zung den für das Ab­sol­vie­ren der Führer­schein­prüfung er­for­der­li­chen Seh­test am 05. Ju­ni 2010 oh­ne wei­te­res be­stan­den.

Der Kläger hat außer­dem be­haup­tet, er ha­be sich am 29. Au­gust 2012 ei­nem äußerst schmerz­haf­ten La­ser-Ein­griff we­gen Ein­trübung der am 21. März 2012 ein­ge­setz­ten Kunst­lin­se un­ter­zie­hen müssen. Am 05. Sep­tem­ber 2012 ha­be ein wei­te­rer schmerz­haf­ter Ein­griff mit La­ser­tech­nik statt­ge­fun­den. Ei­ne Nach­un­ter­su­chung sei am 12. Sep­tem­ber 2012 er­folgt. Die Zu­kunfts­pro­gno­sen für ei­ne Hei­lung des ver­letz­ten Au­ges sei­en ungüns­tig. Es dro­he ei­ne Über­be­las­tung des rech­ten Au­ges, was zu wei­te­ren Pro­ble­men führen könne. Ver­let­zungs­pro­fil und Scha­dens­bild ließen sich noch im­mer nicht ab­sch­ließend be­ur­tei­len und be­wer­ten.

Der Kläger hat die An­sicht ver­tre­ten, dass ihm ein Schmer­zens­geld in Höhe von min­des­tens EUR 175.000,- von dem Be­klag­ten zu­ste­he.

Der Kläger hat be­an­tragt,

1. den Be­klag­ten zu ver­ur­tei­len, an ihn ein Schmer­zens­geld, des­sen Höhe in das Er­mes­sen des Ge­richts ge­stellt wird, nebst Zin­sen in Höhe von fünf Pro­zent­punk­ten über den Ba­sis­zins­satz seit dem 5. Mai 2012 zu zah­len;
2. den Be­klag­ten zu ver­ur­tei­len, an ihn ei­ne mo­nat­li­che Ren­te zu zah­len, de­ren Höhe in das Er­mes­sen des Ge­richts ge­stellt wird;
3. fest­zu­stel­len, dass der Be­klag­te ver­pflich­tet ist, ihm al­len wei­te­ren, über die nach Zif­fer 1 be­gehr­ten An­spruch hin­aus­ge­hen­den Scha­den aus dem Vor­fall vom 24. Fe­bru­ar 2011 zu er­set­zen, so­weit die Scha­dens­er­satz­ansprüche nicht auf So­zi­al­ver­si­che­rungs­träger oder sons­ti­ge Drit­te über­ge­gan­gen sind.

Der Be­klag­te hat be­an­tragt,

Die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Der Be­klag­te hat be­haup­tet, es ha­be ein Auf­fang­behält­nis für die Wucht­ge­wich­te ge­fehlt. Da­her ha­be man die­se Ge­wich­te nach dem Ent­fer­nen fal­len­ge­las­sen bzw. zur Sei­te oder nach hin­ten ge­wor­fen, sie abends zu­sam­men­ge­kehrt und ent­sorgt. Er selbst ha­be sich am Mor­gen des 24. Fe­bru­ar 2011 eben­so ver­hal­ten und - als er von der rech­ten Sei­te aus über die Wucht­ma­schi­ne ge­beugt war - das Wucht­ge­wicht, das den Kläger traf, hin­ter sich ge­wor­fen, oh­ne den Kläger vor­her wahr­ge­nom­men zu ha­ben. Der Wurf sei we­der ge­zielt noch mit großer Wucht er­folgt. Er ha­be auch nicht da­mit ge­rech­net, dass er ei­ne Per­son tref­fen wer­de oder auch nur tref­fen könne. Viel­mehr ha­be er sich kei­ne Ge­dan­ken über sein Ver­hal­ten ge­macht, da es sich um ei­ne alltägli­che Hand­lungs­wei­se ge­han­delt ha­be.

Das Ar­beits­ge­richt hat Be­weis er­ho­ben durch die Ver­neh­mung der Zeu­gen D und C. We­gen des Er­geb­nis­ses der Be­weis­auf­nah­me wird auf Bl. 68 ff. d.A. ver­wie­sen.

Durch Ur­teil vom 24. Ja­nu­ar 2013 hat das Ar­beits­ge­richt dem Kläger 10.000,00 € Schmer­zens­geld zu­ge­bil­ligt und fest­ge­stellt, dass der Be­klag­te ver­pflich­tet ist, dem Kläger al­len wei­te­ren Scha­den aus dem zi­tier­ten Scha­dens­er­eig­nis zu er­set­zen, so­weit der An­spruch nicht auf Drit­te über­ge­gan­gen ist. Im Übri­gen hat es die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Be­gründet hat das Ar­beits­ge­richt dies im We­sent­li­chen da­mit, dass der Be­klag­te selbst für die fahrlässig ver­ur­sach­te Körper­ver­let­zung des Klägers haf­te, weil der Scha­den nicht durch ei­ne be­trieb­li­che Tätig­keit ver­ur­sacht wor­den sei. Die an­ge­mes­se­ne Höhe des Schmer­zens­gel­des lie­ge bei 10.000,00 €. Ei­ne Schmer­zens­geld­ren­te ne­ben die­ser Sum­me kom­me nicht in Be­tracht. Das Fest­stel­lungs­be­geh­ren sei be­gründet, weil wei­te­re ge­sund­heit­li­che Be­ein­träch­ti­gun­gen beim Kläger nicht aus­zu­sch­ließen sei­en. We­gen der Ein­zel­hei­ten wird auf Tat­be­stand und Ent­schei­dungs­gründe des erst­in­stanz­li­chen Ur­teils ver­wie­sen (Bl. 76 – 84 Rück­sei­te d. A.).

Ge­gen die­ses dem Kläger am 19. Fe­bru­ar 2013 zu­ge­stell­te Ur­teil hat die­ser mit ei­nem am 06. März 2013 beim er­ken­nen­den Ge­richt ein­ge­gan­ge­nen Schrift­satz Be­ru­fung ein­ge­legt und die­se nach recht­zei­tig be­an­trag­ter Verlänge­rung der Be­ru­fungs­be­gründungs­frist bis 19. Mai 2013 mit ei­nem am
16. Mai 2013 ein­ge­gan­ge­nen Schrift­satz be­gründet.

Der Be­klag­te hat nach Zu­stel­lung des Ur­teils am 19. Fe­bru­ar 2013 eben­falls mit ei­nem am 19. März 2013 beim er­ken­nen­den Ge­richt ein­ge­gan­ge­nen Schrift­satz Be­ru­fung ein­ge­legt und die­se nach recht­zei­tig be­an­trag­ter Verlänge­rung der Be­ru­fungs­be­gründungs­frist bis 19. Mai 2013 mit ei­nem am
17. Mai 2013 ein­ge­gan­ge­nen Schrift­satz be­gründet.

Der Kläger wie­der­holt und ver­tieft sein erst­in­stanz­li­ches Vor­brin­gen im Um­fang sei­ner Be­ru­fung. Die er­lit­te­nen Ver­let­zun­gen und die zukünf­ti­gen Schmer­zen recht­fer­tig­ten ein höhe­res Schmer­zens­geld und auch ei­ne Schmer­zens­geld­ren­te. Es droh­ten ei­ne fort­schrei­ten­de Seh­ver­schlech­te­rung und wei­te­re schmerz­haf­te ope­ra­ti­ve Ein­grif­fe am Au­ge. Der Be­klag­te ha­be wis­sen können, dass er mit sei­nem Wurf je­man­den tref­fen und ver­let­zen könn­te.

Der Kläger be­an­tragt,

das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Frank­furt am Main vom 24. Ja­nu­ar 2013 – 19 Ca 4510/12 – teil­wei­se ab­zuändern und
1. den Be­klag­ten zu ver­ur­tei­len, ihm ein Schmer­zens­geld, des­sen Höhe in das Er­mes­sen des Ge­richts ge­stellt wird, nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 05. Mai 2011 zu zah­len, abzüglich durch erst­in­stanz­li­ches Ur­teil zu­ge­spro­che­ne 10.000,00 € nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 05. Mai 2011;
2. den Be­klag­ten zu ver­ur­tei­len, ihm ei­ne mo­nat­li­che Ren­te zu zah­len, de­ren Höhe in das Er­mes­sen des Ge­richts ge­stellt wird.

Der be­klag­te be­an­tragt,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen,

und wei­ter im We­ge ei­ge­ner Be­ru­fung das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Frank­furt am Main vom 24. Ja­nu­ar 2013 – 19 Ca 4510/12 – ab­zuändern und die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Der Kläger be­an­tragt,

die Be­ru­fung des Be­klag­ten zurück­zu­wei­sen.

Der Be­klag­te ver­tei­digt das erst­in­stanz­li­che Ur­teil, was die Ab­wei­sung der Schmer­zens­geld­ren­te be­trifft. Er, der Be­klag­te, schul­de darüber hin­aus auch kein Schmer­zens­geld und haf­te auch nicht für die zukünf­ti­gen Schäden des Klägers, weil er das Wucht­ge­wicht, wie in dem Be­trieb üblich, acht­los hin­ter sich ge­wor­fen ha­be. Ei­nen Streit mit dem Kläger ha­be es nicht ge­ge­ben. Die Flug­bahn des Wucht­ge­wichts sei nicht ge­nau er­mit­telt wor­den. Er ha­be nie­man­den ver­let­zen wol­len und auch nicht da­mit rech­nen können, dass er beim Weg­wer­fen des Wucht­ge­wichts je­man­den trifft. Der ver­lang­te Schmer­zens­geld­be­trag sei je­den­falls über­setzt. Spätfol­gen sei­en nicht dar­ge­legt. Da­mit sei auch das Fest­stel­lungs­be­geh­ren nicht ge­recht­fer­tigt.

We­gen des wei­te­ren Vor­brin­gens der Par­tei­en im zwei­ten Rechts­zug wird auf den vor­ge­tra­ge­nen In­halt der ge­wech­sel­ten Schriftsätze nebst An­la­gen so­wie auf die Nie­der­schrift der Be­ru­fungs­ver­hand­lung vom 20. Au­gust 2013 Be­zug ge­nom­men.

Ent­schei­dungs­gründe

Die gemäß den §§ 8 Abs. 2 ArbGG ; 511 ZPO an sich statt­haf­ten Be­ru­fun­gen der Par­tei­en be­geg­nen hin­sicht­lich des Wer­tes des Be­schwer­de­ge­gen­stan­des ( § 64 Abs. 2 ArbGG ) kei­nen Be­den­ken. Sie sind nach Maßga­be der im Tat­be­stand mit­ge­teil­ten Da­ten form- und frist­ge­recht ein­ge­legt so­wie recht­zei­tig und ord­nungs­gemäß be­gründet wor­den ( §§ 66 Abs. 1 ArbGG ; 517 ; 519 ; 520 ZPO ) und da­mit ins­ge­samt zulässig.

Die Be­ru­fung des Klägers ist teil­wei­se be­gründet.

Die Be­ru­fung des Be­klag­ten ist in vol­lem Um­fang un­be­gründet.

Der Kläger hat über das be­reits vom Ar­beits­ge­richt zu­ge­spro­che­ne Schmer­zens­geld von 10.000,00 € An­spruch auf wei­te­re 15.000,00 €, ins­ge­samt al­so 25.000,00 €. Der An­spruch folgt aus § 823 Abs. 1 BGB in Ver­bin­dung mit § 253 Abs. 2 BGB .

Der Be­klag­te hat Tat­be­stands­vor­aus­set­zun­gen des § 823 Abs. 1 BGB erfüllt. Er hat den Kläger am Mor­gen des 24. Fe­bru­ar 2011 durch ei­nen Wurf mit ei­nem Wucht­ge­wicht am Au­ge ver­letzt und ihn da­mit an Körper bzw. Ge­sund­heit geschädigt. Der Wurf war für die er­lit­te­nen Ver­let­zun­gen ursächlich. Vorschädi­gun­gen des Au­ges lie­gen nicht vor. Recht­fer­ti­gungs­grun­de hierfür sind nicht er­sicht­lich.

Die im ers­ten Rechts­zug durch­geführ­te Be­weis­auf­nah­me hat er­ge­ben, dass der Be­klag­te das Wucht­ge­wicht mit ei­nem ge­wis­sen Kraft­auf­wand hin­ter sich durch den Ar­beits­raum in Rich­tung auf den Kläger ge­wor­fen hat. Der Raum hat nach nur un­sub­stan­ti­iert be­zwei­fel­ter Be­haup­tung des Klägers ca. 13 m Länge. Der Be­klag­te stand et­wa an dem ei­nen En­de des Rau­mes, der Kläger et­wa am an­de­ren En­de. Wie das Ar­beits­ge­richt der durch­geführ­ten Be­weis­auf­nah­me schon zu­tref­fend ab­ge­lei­tet hat, kann ei­ne sol­che Wurf­dis­tanz mit ei­nem 10 g schwe­ren Me­tallstück nach all­ge­mei­ner Le­bens­er­fah­rung nur mit ei­nem ganz er­heb­li­chen Kraft­auf­wand über­brückt wer­den, wo­bei hin­zu kommt, dass sich das Wucht­ge­wicht nach ca. 13 m noch im­mer nicht am En­de sei­ner Flug­bahn be­fun­den hat, son­dern viel­mehr in Au­genhöhe des Klägers. Ein sol­cher Kraft­auf­wand ist nach Auf­fas­sung der Kam­mer ein In­diz für ei­nen be­wusst und ge­wollt aus­geführ­ten Wurf.

Der Be­klag­te wuss­te auch, dass der Kläger dort stand. Gleich­wohl kann man dem Be­klag­ten schon we­gen der ab­ge­wand­ten Körper­hal­tung (Wurf nach hin­ten) kei­nen Vor­satz un­ter­stel­len, wohl aber Fahrlässig­keit. Fahrlässig han­delt, wer die im Ver­kehr er­for­der­li­che Sorg­falt Außer­acht lässt, § 276 Abs. 1 Satz 2 BGB . Da­bei geht das bürger­li­che Recht von ei­nem ob­jek­ti­ven Sorg­falts­maßstab aus. Maßgeb­lich ist die Sorg­falts­pflicht, die die kon­kre­te Si­tua­ti­on er­for­der­lich macht. Er­for­der­lich ist das Maß an Um­sicht und Sorg­falt, das nach dem Ur­teil be­son­ne­ner und ge­wis­sen­haf­ter An­gehöri­ge des in Be­tracht kom­men­den Ver­kehrs­krei­ses zu be­ach­ten ist. Dies wie­der­um hängt von den Umständen des Ein­zel­falls ab (vgl. statt vie­ler MüKO-BGB-Wag­ner, 5. Auf­la­ge 2009, § 823 Rand­zif­fer 36 m. w. N.). Bei An­wen­dung die­ses Maßsta­bes han­del­te der Be­klag­te am Mor­gen des 24. Fe­bru­ar 2011 un­ter Berück­sich­ti­gung sei­nes ei­ge­nen Vor­trags fahrlässig. Das Her­um­wer­fen von Wucht­ge­wich­ten in ei­nem Ar­beits­raum, in dem an­de­re Men­schen an­we­send sind bzw. mit ih­rer An­we­sen­heit zu rech­nen ist, ent­spricht nach Auf­fas­sung der Kam­mer in kei­ner Wei­se dem Maß an Um­sicht und Sorg­falt, das ein ge­wis­sen­haf­ter Aus­zu­bil­den­der im KFZ-Ge­wer­be zu be­ach­ten hat. Das Er­geb­nis der Be­weis­auf­nah­me und die Würdi­gung durch das Ar­beits­ge­richt sind von den Par­tei­en nicht be­zwei­felt wor­den. Die Rügen der Par­tei­en in­so­weit rich­ten sich ge­gen tatsächli­che As­pek­te, auf die es nicht an­kommt. So ist es un­er­heb­lich, ob der Be­klag­te ein Wucht­ge­wicht un­mit­tel­bar aus dem Wucht­vor­gang her­aus­ge­wor­fen oder zunächst vom Bo­den auf­ge­ho­ben hat. Un­er­heb­lich ist auch, ob das Wucht­ge­wicht, be­vor es den Kläger traf, zunächst an ei­ner Wand ab­ge­prallt ist oder ob für die Wucht­ge­wich­te Sam­mel­behälter vor­ge­se­hen wa­ren oder nicht. Es mag auch da­hin­ste­hen, ob sich die Par­tei­en vor dem Wurf ge­strit­ten ha­ben oder nicht. Dies al­les be­ein­flusst den Vor­wurf fahrlässi­gen Han­delns durch den Be­klag­ten in nur ir­re­le­van­tem Um­fang.

Der Schmer­zens­geld­an­spruch ist dem Grun­de nach auch nicht gemäß § 106 Abs. 1 Satz 1 , § 105 Abs. 1 SGB VII aus­ge­schlos­sen. Die Vor­aus­set­zun­gen für ei­nen sol­chen Haf­tungs­aus­schluss lie­gen nicht vor.

Nach § 105 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Per­so­nen, die durch ei­ne be­trieb­li­che Tätig­keit ei­nen Ver­si­che­rungs­fall von Ver­si­cher­ten den­sel­ben Be­triebs ver­ur­sa­chen, zum Er­satz des Per­so­nen­scha­dens nur bei Vor­satz oder bei ei­nem We­ge­un­fall ver­pflich­tet. Der Haf­tungs­aus­schluss um­fasst auch und ins­be­son­de­re sol­che Schäden, die nicht vom Träger der Un­fall­ver­si­che­rung er­stat­tet wer­den, wie et­wa Schmer­zens­geld ( BAG vom 22. April 2004 – 8 AZR 159/03 -, AP Nr. 3 zu § 105 SGB VII). Auf die­se Wei­se wird – ver­fas­sungs­gemäß (BVerfG vom 07. No­vem­ber 1972 – 1BvL 17/71 – u. a., NJW 1973, 269; BVerfG vom 8. Fe­bru­ar 1995 - 1 BvR 753/94 - NJW 1995, 1607) – die Kol­li­si­on von Zi­vil- und So­zi­al­recht gelöst, wel­che da­durch ent­steht, dass der zur Un­fall­ver­si­che­rung al­lein her­an­ge­zo­ge­ne Ar­beit­ge­ber bei Per­so­nenschäden, die durch fahrlässi­ges Han­deln von Ar­beits­kol­le­gen un­ter­ein­an­der ver­ur­sacht wer­den, bei An­er­ken­nung ei­ner Er­satz­pflicht der Ar­beit­neh­mer un­ter­ein­an­der befürch­ten müss­te, nach den Grundsätzen des in­ner­be­trieb­li­chen Scha­dens­aus­gleichs zusätz­lich in Re­gress ge­nom­men zu wer­den (BAG, a. a.O.). Der Haf­tungs­aus­schluss nach § 105 SGB VII ist al­ler­dings auf be­trieb­li­che Tätig­kei­ten be­schränkt, da auch nur bei sol­chen ein in­ner­be­trieb­li­cher Scha­dens­aus­gleich zu Las­ten des Ar­beit­ge­bers statt­fin­den kann (BAG GS vom 27. Sep­tem­ber 1994 – GS 1/89 (A) -, AP Nr. 103 zu § 611 BGB Haf­tung des Ar­beit­neh­mers; BAG vom 18. April 2002 – 8 AZR 348/01 -, AP Nr. 122 zu § 611 BGB Haf­tung des Ar­beit­neh­mers; ErfK/Rolfs, 13. Aufl 2013, § 105 SGB VII Rand­num­mer 3; Ar­beits­ge­richt Ober­hau­sen vom 17. Fe­bru­ar 2010 – 1 Ca 1181/09 -, zi­tiert nach ju­ris).

Um ei­ne be­trieb­li­che Tätig­keit in die­sem Sin­ne han­delt es sich im vor­lie­gen­den Fall nicht. Das hat das Ar­beits­ge­richt be­reits zu­tref­fend in Ori­en­tie­rung an den vom Bun­des­ar­beits­ge­richt auf­ge­stell­ten Kri­te­ri­en er­kannt (BAG vom 22. April 2004, a. a. O., m. w. N.).

Der Be­griff der „be­trieb­li­chen Tätig­keit” ist ein ob­jek­ti­ver Be­griff. Die be­trieb­li­che Tätig­keit ist grundsätz­lich mit der ver­si­cher­ten Tätig­keit nach § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII gleich­zu­set­zen. Aus der Zu­gehörig­keit des Schädi­gers zum Be­trieb und ei­nem Han­deln im Be­trieb des Ar­beit­ge­bers al­lein kann aber noch nicht auf ei­ne Scha­dens­ver­ur­sa­chung durch ei­ne be­trieb­li­che Tätig­keit ge­schlos­sen wer­den, denn nicht je­de Tätig­keit im Be­trieb des Ar­beit­ge­bers muss zwin­gend ei­ne be­triebs­be­zo­ge­ne sein. Eben­so we­nig führt be­reits die Be­nut­zung ei­nes Be­triebs­mit­tels zur An­nah­me ei­ner be­trieb­li­chen Tätig­keit. Ent­schei­dend für das Vor­lie­gen ei­ner be­trieb­li­chen Tätig­keit und das Ein­grei­fen des Haf­tungs­aus­schlus­ses i. S. des § 105 Abs. 1 SGB VII ist die Ver­ur­sa­chung des Scha­dens­er­eig­nis­ses durch ei­ne Tätig­keit des Schädi­gers, die ihm von dem Be­trieb oder für den Be­trieb über­tra­gen war oder die von ihm im Be­triebs­in­ter­es­se aus­geführt wur­de. Ei­ne be­trieb­li­che Tätig­keit in die­sem Sin­ne liegt nicht nur dann vor, wenn ein Ar­beit­neh­mer ei­ne Auf­ga­be ver­rich­tet, die in den en­ge­ren Rah­men des ihm zu­ge­wie­se­nen Auf­ga­ben­krei­ses fällt, denn der Be­griff der be­trieb­li­chen Tätig­keit ist nicht eng aus­zu­le­gen. Er um­fasst auch die Tätig­kei­ten, die in na­hem Zu­sam­men­hang mit dem Be­trieb und sei­nem be­trieb­li­chen Wir­kungs­kreis ste­hen. Die Tätig­keit des Schädi­gers muss im vor­ge­nann­ten Sin­ne be­triebs­be­zo­gen sein. Die Art, wie die Tätig­keit aus­geführt wird (sach­gemäß oder feh­ler­haft, vor­sich­tig oder leicht­sin­nig), ent­schei­det nicht darüber, ob es sich um ei­ne be­trieb­li­che Tätig­keit han­delt oder nicht. Der be­trieb­li­che Cha­rak­ter der Tätig­keit geht nicht da­durch ver­lo­ren, dass der Ar­beit­neh­mer bei der Ausführung der Tätig­keit grob fahrlässig oder vorsätz­lich sei­ne Ver­hal­tens­pflich­ten ver­letzt; der­ar­ti­ge Ver­hal­tens­verstöße lie­gen zwar nicht im In­ter­es­se des Ar­beit­ge­bers, dem wird aber durch ei­ne ent­spre­chen­de Haf­tung des Ar­beit­neh­mers Rech­nung ge­tra­gen. Für die Haf­tungs­frei­stel­lung ist da­nach maßgeb­lich, ob der Scha­den in Ausführung ei­ner be­triebs­be­zo­ge­nen Tätig­keit im dar­ge­stell­ten Sin­ne oder aber bei Ge­le­gen­heit der Tätig­keit im Be­trieb durch den Schädi­ger ver­ur­sacht wur­de und folg­lich nur dem persönlich-pri­va­ten Be­reich des schädi­gen­den Ar­beit­neh­mers zu­zu­rech­nen ist. Um ei­nen sol­chen Fall han­delt es sich ins­be­son­de­re, wenn der Scha­den in­fol­ge ei­ner ne­ben der be­trieb­li­chen Ar­beit verübten, ge­fah­renträch­ti­gen Spie­le­rei, Ne­cke­rei oder Schläge­rei ein­tritt. Die Be­triebs­be­zo­gen­heit ei­ner Tätig­keit entfällt da­her im­mer, wenn die schädi­gen­de Hand­lung nach ih­rer An­la­ge und der In­ten­ti­on des Schädi­gers schon gar nicht auf die Förde­rung der Be­triebs­in­ter­es­sen aus­ge­rich­tet ist oder ih­nen gar zu­wi­derläuft. Es kommt mit­hin dar­auf an, zu wel­chem Zweck die zum Scha­dens­er­eig­nis führen­de Hand­lung be­stimmt war. Ei­ne be­trieb­li­che Tätig­keit liegt vor, wenn der Schädi­ger bei ob­jek­ti­ver Be­trach­tungs­wei­se aus sei­ner Sicht im Be­triebs­in­ter­es­se han­deln durf­te, sein Ver­hal­ten un­ter Berück­sich­ti­gung der Ver­kehrsüblich­keit nicht un­ty­pisch ist und kei­nen Ex­zess dar­stellt (BAG, Ur­teil v. 22. April 2004, a. a. O.; all­ge­mein: Bro­se RdA 2011, 205).

Un­ter Berück­sich­ti­gung die­ser Grundsätze hat der Be­klag­te vor­lie­gend kei­ne be­trieb­li­che Tätig­keit aus­geführt, als er dem Kläger das Wucht­ge­wicht ans lin­ke Au­ge warf. Die­se Hand­lung war nicht mehr be­triebs­be­zo­gen, auch wenn sie vom Ar­beits­platz des Be­klag­ten aus vollführt wor­den ist. Der Be­klag­te han­del­te bei ob­jek­ti­ver Be­trach­tung aus sei­ner Sicht nicht im Be­triebs­in­ter­es­se. Er hat das Wucht­ge­wicht aus persönlich-pri­va­ten Gründen durch den Ar­beits­raum ge­wor­fen.

Ent­ge­gen der An­sicht des Be­klag­ten han­delt es sich bei dem Wurf ge­ra­de nicht um ein acht­lo­ses Nach­hin­ten­wer­fen des Wurf­ge­wichts zum Zwe­cke der Ent­sor­gung. Der Be­klag­te hat viel­mehr, wie oben be­reits aus­geführt, das Wucht­ge­wicht zwar nicht ge­zielt auf den Kläger ge­wor­fen, je­doch mit er­heb­li­cher Kraft hin­ter sich in Rich­tung auf den Kläger, der auch nach Kennt­nis des Be­klag­ten dort stand. Schon die Höhe, in der das Wucht­ge­wicht nach ca. 13 m das Au­ge des Klägers traf („Au­genhöhe“) wi­der­legt zwei­fels­frei die Be­haup­tung des Be­klag­ten von ei­nem acht­lo­sen Weg­wer­fen des Wucht­ge­wichts. Selbst wenn es, wie der Be­klag­te wei­ter be­haup­tet, öfter vor­kommt, das Wucht­ge­wich­te „her­um­ge­wor­fen“ wer­den, wird dar­aus kei­ne Hand­lung, die der Förde­rung der Be­triebs­zwe­cke dient und da­mit haf­tungs­pri­vi­le­giert wäre. Wenn sich der Be­klag­te wei­ter auf die oben an­geführ­te Ent­schei­dung des Bun­des­ar­beits­ge­richts vom 22. April 2004 be­ruft, nach der selbst ein „Schub­ser mit der Hand vor die Brust“ bei Ar­beits­kol­le­gen noch als be­trieb­li­che Tätig­kei­ten im Sin­ne des § 105 Abs. 1 SGB VII gel­te, über­sieht er, dass je­ner Schub­ser den dor­ti­gen Kläger mit Nach­druck dar­auf hin­wei­sen soll­te, dass die­ser zu spät er­schie­nen war und nicht bei Ab­la­de­vorgängen be­hilf­lich ge­we­sen sei. Die­se „Auf­for­de­rung“ zu ver­trags­gemäßen Ver­hal­ten hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt (je­den­falls auch) als be­triebs­be­zo­gen ver­stan­den. Von ei­ner sol­chen Ver­bin­dung zu den Be­triebs­zwe­cken kann im vor­lie­gen­den Fall kei­ne Re­de sein. Der Be­klag­te woll­te den Kläger mit dem Wurf nicht da­zu ani­mie­ren, sei­ne Ar­beit or­dent­lich zu er­le­di­gen.

Die Höhe des be­gehr­ten Schmer­zens­geld­an­spruchs ist auf 25.000,00 € an­zu­set­zen.

Der BGH und die heu­te ganz herr­schen­de Mei­nung ge­hen hin­sicht­lich der Funk­ti­on des Schmer­zens­gel­des von ei­ner Dop­pel­funk­ti­on aus. Der Schmer­zens­geld­an­spruch dient dem Op­fer so­wohl zum Aus­gleich der er­lit­te­nen Un­bill als auch sei­ner Ge­nug­tu­ung. Da­bei steht die Aus­gleichs­funk­ti­on im Vor­der­grund. Der Schädi­ger soll durch Zah­lung des Schmer­zens­gel­des dem Geschädig­ten in ers­ter Li­nie Aus­gleich für die er­lit­te­ne im­ma­te­ri­el­le Be­ein­träch­ti­gung leis­ten. Da­ne­ben soll der An­spruch dem Geschädig­ten auch Ge­nug­tu­ung ver­schaf­fen (View­eg/Lorz in ju­ris PK-BGB 6. Auf­la­ge 2012, § 253 Rand­zif­fer 26 bis 28).

Die Dau­er, Art und Schwe­re der Ver­let­zung stel­len ent­schei­den­de Fak­to­ren bei der Be­mes­sung des Schmer­zens­gel­des dar. Auch die Be­deu­tung ei­nes Or­gans für die Le­bensführung des Ver­letz­ten spielt ei­ne ent­schei­den­de Rol­le. Der Ver­lust von Sin­nen, wie des Ge­ruchs­sinns oder Seh­vermögens, der die Er­leb­nisfähig­keit des Ver­letz­ten er­heb­lich ein­schränkt, be­gründet ei­ne ent­spre­chend ho­he Schmer­zens­geld­sum­me. Aber auch dem Ver­lust an all­ge­mei­ner Wertschätzung und da­durch an Le­bens­freu­de wird nach wie vor von der Recht­spre­chung ein be­son­de­res Ge­wicht bei­ge­mes­sen. Die Dau­er der Be­las­tun­gen, ins­be­son­de­re des Hei­lungs­pro­zes­ses hat großes Ge­wicht bei der Be­mes­sung des Schmer­zens­gel­des, vor al­lem Dau­erschäden bei jun­gen Men­schen sind zu berück­sich­ti­gen (Spind­ler in Bam­ber­ger/Roth, Beck’scher On­line-Kom­men­tar BGB, Stand 01. Mai 2013, § 253 Rand­zif­fer 29 ff m. w. N.).

Der Kläger hat durch den Un­fall vom 24. Fe­bru­ar 2011 er­heb­li­che Be­ein­träch­ti­gun­gen hin­neh­men müssen. Er muss­te je­den­falls zwei ope­ra­ti­ve Ein­grif­fe an sei­nem lin­ken Au­ge er­dul­den und die mit sol­chen Ein­grif­fen ver­bun­de­nen Schmer­zen, Ängs­te und Ri­si­ken. Für die da­mit ver­bun­de­nen sta­ti­onären Kran­ken­haus­auf­ent­hal­te war zu­dem ein nicht un­er­heb­li­cher Zeit­auf­wand er­for­der­lich. Mit den ope­ra­ti­ven Ein­grif­fen konn­te die Schädi­gung des lin­ken Au­ges nicht be­ho­ben wer­den. Un­strei­tig bleibt dem Kläger wei­ter­hin zu­min­dest ei­ne Horn­haut­nar­be. Er­schwe­rend kommt hin­zu, dass der Kläger im Zeit­punkt der Schädi­gung sei­nes Au­ges noch sehr jung ge­we­sen ist und mit den Be­ein­träch­ti­gun­gen, nämlich ei­ner mas­si­ven Seh­be­hin­de­rung, nach gewöhn­li­chem Lauf der Din­ge über Jahr­zehn­te wird um­ge­hen müssen. Die Seh­be­ein­träch­ti­gung des Klägers ist fort­schrei­tend. Bei die­ser Sach­la­ge mag im vor­lie­gen­den Fall of­fen­blei­ben, ob die von dem Be­klag­ten be­zwei­fel­ten Nach­ope­ra­tio­nen vom Au­gust und Sep­tem­ber 2012 statt­ge­fun­den ha­ben und wie schmerz­haft sie even­tu­ell ge­we­sen sein mögen. Im Hin­blick auf die ab­zuwägen­den Ge­samt­umstände käme die­sen Ope­ra­tio­nen für die Be­mes­sung des Schmer­zens­gel­des kei­ne ent­schei­den­de Be­deu­tung mehr zu.

Bei der Höhe des Schmer­zens­gel­des hat sich die Kam­mer auch an Ent­schei­dun­gen an­de­rer Ge­rich­te ori­en­tiert. So hat das OLG Ol­den­burg ( Ur­teil vom 04. Ja­nu­ar 2007 – 15 W 51/06 -, zi­tiert nach ju­ris) 25.000,00 € Schmer­zens­geld zu­ge­spro­chen bei 80 %-igem Seh­ver­lust an ei­nem Au­ge nach ei­nem un­pro­vo­zier­ten Faust­schlag. Das OLG München (Ur­teil vom 17. No­vem­ber 2011 – 1 U 4499/07 -, zi­tiert nach ju­ris) hat 30.000,00 € zu­ge­spro­chen bei fal­scher ärzt­li­cher Aufklärung und ei­ner un­kor­ri­gier­ba­ren Fehl­sich­tig­keit. Das OLG Karls­ru­he ( Ur­teil vom 11. Sep­tem­ber 2002 – 7 U 102/01 -, VersR 2004, 244) hat für ei­ne star­ke Seh­be­hin­de­rung nach ei­ner nicht er­prob­ten Be­hand­lungs­me­tho­de 25.000,00 € zu­ge­spro­chen. Das OLG Düssel­dorf ( Ur­teil vom 18. Ju­li 1997 – 22 U 5/97 -, zi­tiert nach ju­ris) hat für den To­tal­ver­lust des rech­ten Au­ges 20.000,00 € zu­ge­spro­chen. Ei­ne höhe­re Sum­me als die aus­ge­ur­teil­te kam auch in An­se­hung der vom Kläger zi­tier­ten Ent­schei­dung des OLG Stutt­gart vom 18. März 2003 (- 1 U 81/02 -, zi­tiert nach ju­ris) nicht in Be­tracht. In je­nem Fall ging es um die feh­ler­haf­te Be­hand­lung ei­nes Ge­hirn­tu­mors, die auch zu ei­ner ein­sei­ti­gen Ge­sichts­feld­einschränkung führ­te (Schmer­zens­geld 100.000,00 €). Da­mit ist der vor­lie­gen­de Fall nicht ver­gleich­bar.

In der Sa­che er­folg­los ist die Be­ru­fung des Klägers, so­weit sie sich ge­gen die Ab­wei­sung des mo­nat­li­chen Schmer­zens­geld­ren­ten­an­spruchs rich­tet.

Schmer­zens­geld wird re­gelmäßig in Ka­pi­tal ge­schul­det. Nur bei schwers­ten Dau­erschäden kommt ei­ne Ren­te in Be­tracht, z. B. dann, wenn ein Sin­nes­or­gan ver­lo­ren wur­de und die Be­ein­träch­ti­gung der Le­bensführung sich ständig schmerz­lich fort­setzt. Es müssen mas­si­ve Dau­erschädi­gun­gen vor­lie­gen und das von dem Ver­letz­ten ständig neu er­leb­te Leid muss die Zah­lung ei­ner Ren­te – zusätz­lich zu ei­nem Ka­pi­tal­be­trag – recht­fer­ti­gen (ständi­ge Recht­spre­chung, vgl. z. B. BGH vom 15. März 1994 – VI ZR 44/93 -, NJW 1994, 1592 m. w. N.; OLG Ko­blenz vom 25. No­vem­ber 2011- 12 U 714/02 -, zi­tiert nach ju­ris; LG Karls­ru­he vom 05. Fe­bru­ar 2013 – 7 O 116/11 -, zi­tiert nach ju­ris; vgl. all­ge­mein auch Heß/Bur­mann, NJW – Spe­zi­al 2012, 265). Ein nach die­sen Maßstäben schwers­ter Dau­er­scha­den mit ständig neu er­leb­tem Leid kann im vor­lie­gen­den Fall bei al­ler Tra­gik des Ge­sche­hens nicht er­kannt wer­den. Der Kläger wird zwar auf dem lin­ken Au­ge dau­er­haft seh­be­hin­dert sein. Ständi­ge oder re­gelmäßig wie­der­keh­ren­de Schmer­zen sind nach Einschätzung der Kam­mer der­zeit je­doch nicht zu er­war­ten.

Der Zins­an­spruch für das Schmer­zens­geld folgt aus den § 286 , 288 BGB .

Die Be­ru­fung des Be­klag­ten ist in vol­lem Um­fang un­be­gründet.

So­weit sich der Be­klag­te ge­gen sei­ne Ver­pflich­tung zur Zah­lung jed­we­den Schmer­zens­gel­des wen­det, er­gibt sich die feh­len­de Be­gründung sei­ner Be­ru­fung schon aus den obi­gen Ausführun­gen zum Schmer­zens­geld­an­spruch des Klägers.

Er­folg­los wen­det sich der Be­klag­te auch ge­gen die vom Ar­beits­ge­richt ge­trof­fe­ne Fest­stel­lung der Haf­tung für zukünf­ti­gen Scha­den.

Die­ser An­trag ist, wie das Ar­beits­ge­richt schon zu­tref­fend fest­ge­stellt hat, oh­ne Wei­te­res zulässig im Sin­ne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO . Die Be­ru­fungs­kam­mer ver­weist zur Ver­mei­dung von Wie­der­ho­lun­gen auf die ent­spre­chen­den Ausführun­gen des Ar­beits­ge­richts, die sie sich zu Ei­gen macht.

Das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO er­for­der­li­che Fest­stel­lungs­in­ter­es­se liegt eben­falls vor. Es ist ge­ge­ben, wenn künf­ti­ge Scha­dens­fol­gen – sei es auch nur ent­fernt - möglich, ih­re Art, ihr Um­fang und so­gar ihr Ein­tritt aber noch un­ge­wiss sind.

Da­von ist im vor­lie­gen­den Fall aus­zu­ge­hen. Es spricht schon die Ver­mu­tung dafür, dass die streit­be­fan­ge­nen un­fall­be­ding­ten Ver­let­zun­gen ei­nes Au­ges nie völlig aus­ge­heilt sein dürf­ten und ir­gend­wann wohl Nach­be­hand­lun­gen nötig sind. Das reicht für die be­gehr­te Fest­stel­lung. Der Be­klag­te hat Ge­gen­tei­li­ges auch nie be­haup­tet. Ergänzend ver­weist die Be­ru­fungs­kam­mer eben­falls auf die ent­spre­chen­den Ausführun­gen des Ar­beits­ge­richts, die sie sich zu Ei­gen macht.

Des be­an­trag­ten Schrift­satz­nach­las­ses für den Be­klag­ten zur Stel­lung­nah­me auf den Schrift­satz des Klägers vom 13. Au­gust 2013 be­durf­te es nicht, da die vor­lie­gen­de Ent­schei­dung nicht auf die­sem Schrift­satz be­ruht.

Die Kos­ten des Be­ru­fungs­ver­fah­rens tra­gen die Par­tei­en nach Maßga­be ih­res je­wei­li­gen Un­ter­lie­gens ( § 92 Abs. 1 ZPO ).

Ei­ne ge­setz­lich be­gründe­te Ver­an­las­sung zur Zu­las­sung der Re­vi­si­on ( § 72 Abs. 2 ArbGG ) ist nicht er­sicht­lich.

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