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HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

LAG Ber­lin-Bran­den­burg, Ur­teil vom 21.03.2013, 18 Sa 2133/12

   
Schlagworte: Zeugnis: Berichtigung, Zeugnis: Beweislast
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen: 18 Sa 2133/12
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 21.03.2013
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 26.10.2012 - 28 Ca 18230/11
   

Lan­des­ar­beits­ge­richt

Ber­lin-Bran­den­burg  

Verkündet

am 21. März 2013

Geschäfts­zei­chen (bit­te im­mer an­ge­ben)

18 Sa 2133/12
28 Ca 18230/11
Ar­beits­ge­richt Ber­lin
 


S., Ge­richts­beschäftig­te
als Ur­kunds­be­am­tin der
Geschäfts­stel­le


Im Na­men des Vol­kes

Ur­teil

In Sa­chen
pp  


hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg, Kam­mer 18,
auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 21. März 2013
durch die Vor­sit­zen­de Rich­te­rin am Lan­des­ar­beits­ge­richt S. als Vor­sit­zen­de
so­wie den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter C. und die eh­ren­amt­li­che Rich­te­rin H.

für Recht er­kannt:

I. Die Be­ru­fung der Be­klag­ten ge­gen das Schluss-Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Ber­lin
vom 26. Ok­to­ber 2012 - 28 Ca 18230/11 - wird auf ih­re Kos­ten zurück­ge­wie­sen.

II. Die Re­vi­si­on wird zu­ge­las­sen.


S. C. H.

 

 

 

 

 

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Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten zu­letzt noch über die Ge­samt­be­wer­tung des Leis­tungs­ver­hal­tens in ei­nem der Kläge­rin von der Be­klag­ten nach Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses zum 30. Ju­ni 2011 zu er­tei­len­den Zeug­nis­ses.

Die Kläge­rin war in der Zahn­arzt­pra­xis der Be­klag­ten seit dem 01. Ju­li 2010 bis zum 30. Ju­ni 2011 als Emp­fangs­mit­ar­bei­te­rin/Re­zep­ti­ons­mitar-bei­te­rin/Büro­f­ach­kraft beschäftigt.
Die Be­klag­te er­teil­te ihr nach Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses ein Ar­beits­zeug­nis auf des­sen In­halt und Ge­stal­tung (Bl. 83 d. A.) Be­zug ge­nom­men. Mit Schrei­ben vom 10. No­vem­ber 2011 wand­te sich die Kläge­rin an die Be­klag­te mit dem Hin­weis, dass der über­mit­tel­te Text den An­for­de­run­gen an ein Zeug­nis nicht genüge. Dar­auf­hin über­mit­tel­te die Be­klag­te der Kläge­rin ein wei­te­res Zeug­nis (Bl. 86 d. A.), auf des­sen In­halt und Ge­stal­tung eben­falls Be­zug ge­nom­men.

Mit bei Ge­richt am 30. No­vem­ber 2011 ein­ge­reich­ter Kla­ge hat die Kläge­rin Er­tei­lung ei­nes von ihr be­reits vor­ge­richt­lich vor­for­mu­lier­ten Zeug­nis­ses be­gehrt (vgl. Kla­ge­schrift vom 29. No­vem­ber 2011, Bl. 2 d. A.).
Im Kam­mer­ter­min am 22. Ju­ni 2012 ha­ben sich die Par­tei­en im We­sent­li­chen auf den Text ei­nes Zeug­nis­ses, wie er ei­nem ge­richt­li­chen Ei­ni­gungs­vor­schlag vom 06. Fe­bru­ar 2012 ent­sprach, verständigt (Bl. 32, 33 d. A.) und ih­ren Streit dar­auf be­schränkt, ob im be­schrei­ben­den Teil des Zeug­nis­ses der Kläge­rin zu be­schei­ni­gen sei, dass zu ih­ren Auf­ga­ben die „Sau­ber­keit und Pfle­ge der ge­sam­ten Pra­xis, un­ter Berück­sich­ti­gung der Hy­gie­ne- und Si­cher­heits­be­stim­mun­gen“ auf­zu­neh­men sei so­wie auf die Ge­samt­be­wer­tung.

Durch Teil­ur­teil vom 20. Ju­ni 2012 hat das Ar­beits­ge­richt Ber­lin die Kla­ge hin­sicht­lich der be­gehr­ten Auf­ga­ben­be­schrei­bung ab­ge­wie­sen. Die hier­ge­gen ge­rich­te­te Be­ru­fung der Kläge­rin ist durch Ur­teil vom 11. Ok­to­ber 2012 zurück­ge­wie­sen wor­den.

Hin­sicht­lich der noch strei­ti­gen Ge­samt­be­wer­tung hat die Kläge­rin die Auf­fas­sung ver­tre­ten, ihr stünde die Be­ur­tei­lung „stets zu un­se­rer vol­len Zu­frie­den­heit“ zu, da ih­re Ar­beit ta­del­los ge­we­sen sei und die von der

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Be­klag­ten an­geführ­ten Mängel nicht zu­träfen. Auf die Ausführun­gen der Kläge­rin in­so­weit in ih­ren erst­in­stanz­li­chen Schriftsätzen, ins­be­son­de­re im Schrift­satz vom 17. Au­gust 2012 wird Be­zug ge­nom­men.


Die Kläge­rin hat be­an­tragt,

die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, ihr ein qua­li­fi­zier­tes Zeug­nis auf ih­rem geschäft­li­chen Brief­pa­pier in un­ge­knick­ter und un­ge­loch­ter Form zu er­tei­len mit dem In­halt:

Zeug­nis

Frau I. Sch., ge­bo­ren am …….1969 in Ber­lin, trat am 01. Ju­li 2010 in un­se­re Pra­xis ein und übte die Tätig­keit ei­ner Emp­fangs-/Re­zep­ti­ons­mit­ar­bei­te­rin aus. Zu den von ihr erfüll­ten Auf­ga­ben gehörten:

- Pra­xis­or­ga­ni­sa­ti­on
- Be­treu­ung der Pa­ti­en­ten
- Te­le­fon­ver­wal­tung und Ter­min­ver­ga­be
- An­we­sen­heit bei Vor­stel­lungs­gesprächen
- Er­stel­lung der Dienst- und Ur­laubspläne
- Führung und Ver­wal­tung der Pa­ti­en­ten­kar­tei­en bzw. -da­ten
- Aus­fer­ti­gung von Rech­nun­gen (Pro­phy­la­xe, PA-Vor­ver­hand­lun­gen)

Darüber hin­aus half Frau Sch. bei der Er­stel­lung des Pra­xis­qua­litäts­ma­nage­ments.
In der Zu­sam­men­ar­beit er­leb­ten wir Frau Sch. als en­ga­gier­te Mit­ar­bei­te­rin, die sich für die Be­lan­ge un­se­rer Pra­xis ein­setz­te und die ihr über­tra­ge­nen Ar­bei­ten stets zu un­se­rer vol­len Zu­frie­den­heit ausführ­te.
Durch ihr freund­li­ches und ver­bind­li­ches We­sen war sie so­wohl bei Pa­ti­en­ten und Vor­ge­setz­ten, als auch bei Kol­le­gen glei­cher­maßen geschätzt und be­liebt.
Frau Sch. verlässt un­se­re Pra­xis zum 30. Ju­ni 2011 auf ei­ge­nen Wunsch. Wir dan­ken ihr für ih­re Ar­beit und wünschen ihr persönlich und be­ruf­lich für die Zu­kunft al­les Gu­te und viel Er­folg.

(Un­ter­schrift).


Die Be­klag­te hat be­an­tragt,

die Kla­ge ab­zu­wei­sen.


Sie hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, der Kläge­rin sei al­len­falls als Ge­samt­be­wer­tung „zu un­se­rer vol­len Zu­frie­den­heit“ zu at­tes­tie­ren, da die­se kei­ne über­durch­schnitt­li­che Leis­tun­gen er­bracht ha­be, denn es sei zu zahl­rei­chen Fehl­leis­tun­gen in Be­zug auf das im Ar­beits­ver­trag ver­ein­bar­te Leis­tungs­spek­trum ge­kom­men. Auf die Ausführun­gen der Be­klag­ten

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in­so­weit in ih­ren erst­in­stanz­li­chen Schriftsätzen ins­be­son­de­re im Schrift­satz vom 06. Au­gust 2012 wird Be­zug ge­nom­men.

Durch Schlus­s­ur­teil vom 26. Ok­to­ber 2012 hat das Ar­beits­ge­richt Ber­lin der Kla­ge statt­ge­ge­ben und zur Be­gründung im We­sent­li­chen aus­geführt, die Kläge­rin ha­be An­spruch auf Be­schei­ni­gung gu­ter Leis­tun­gen und da­mit auf die Ge­samt­be­wer­tung „stets zu un­se­rer vol­len Zu­frie­den­heit“. Auf­grund veränder­ter Umstände im Wirt­schafts­le­ben, sei nämlich die be­gehr­te Be­ur­tei­lung kei­ne über­durch­schnitt­li­che Be­ur­tei­lung mehr, so dass nicht die Kläge­rin, son­dern die Be­klag­te die Dar­le­gungs- und Be­weis­last tref­fe und die­ser sei die Be­klag­te nicht aus­rei­chend sub­stan­ti­iert nach­ge­kom­men. We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten der Be­gründung der Ent­schei­dung wird auf die dor­ti­gen Gründe (Bl. 187 - 191 d. A.) ver­wie­sen.

Ge­gen die­ses ihr am 01. No­vem­ber 2012 zu­ge­stell­te Ur­teil hat die Be­klag­te mit am 14. No­vem­ber 2012 bei dem Lan­des­ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­ge­nem Schrift­satz Be­ru­fung ein­ge­legt und die­se mit am 20. De­zem­ber 2012 ein­ge­gan­ge­nem Schrift­satz be­gründet.

Die Be­klag­te ver­tritt un­ter Hin­weis auf die ständi­ge Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richt die Auf­fas­sung, die Kläge­rin tref­fe die Dar­le­gungs- und Be­weis­last für die Er­brin­gung der von ihr be­gehr­ten über­durch­schnitt­li­chen, weil gu­ten Leis­tungs­be­ur­tei­lung. Außer­dem ste­he ihr als Ar­beit­ge­be­rin bei der Ge­samt­be­wer­tung ein ge­wis­ser Be­ur­tei­lungs­spiel­raum zu un­ter Her­an­zie­hung auch sub­jek­ti­ver Ein­flüsse, wie dem Ver­gleich der Ar­beits­leis­tun­gen ein­zel­ner Ar­beit­neh­mer. Die Ge­samt­be­wer­tung „zu un­se­rer vol­len Zu­frie­den­heit“ sei leis­tungs­ge­recht, da die Ar­beits­leis­tung der Kläge­rin zahl­rei­che be­reits in ers­ter In­stanz schriftsätz­lich dar­ge­leg­te Un­zuläng­lich­kei­ten auf­ge­wie­sen ha­be.
We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des Vor­brin­gens der Be­klag­ten in der Be­ru­fungs­in­stanz wird auf ih­ren Be­ru­fungs­be­gründungs­schrift­satz vom 19. De­zem­ber 2012 ver­wie­sen.


Die Be­klag­te und Be­ru­fungskläge­rin be­an­tragt,

das Schlus­s­ur­teil des Ar­beits­ge­richts Ber­lin vom 26. Ok­to­ber 2012 - 28 Ca 18230/11 - auf­zu­he­ben und die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

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Die Kläge­rin und Be­ru­fungs­be­klag­te be­an­tragt,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.


Sie ver­tei­digt die an­ge­foch­te­ne Ent­schei­dung und tritt den Ausführun­gen der Be­klag­ten in der Be­ru­fungs­in­stanz ent­ge­gen.
Sie ver­tritt wei­ter die Auf­fas­sung, nur ei­ne gu­te Ge­samt­be­wer­tung sei leis­tungs­ge­recht und führt aus, aus wel­chen Gründen ih­re Erfüllung der ver­trag­lich ge­schul­de­ten Leis­tun­gen nicht nur nicht feh­ler­haft, son­dern so­gar über­durch­schnitt­lich sein.
We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des Vor­brin­gens der Kläge­rin in der Be­ru­fungs­in­stanz wird auf ih­ren Be­ru­fungs­be­ant­wor­tungs­schrift­satz vom 15. Ja­nu­ar 2013 nebst An­la­gen ver­wie­sen.


Ent­schei­dungs­gründe


I.

Die Be­ru­fung ist zulässig.
Sie ist gemäß den §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und 2 b ArbGG statt­haft und frist- und form­ge­recht i.S.d. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO ein­ge­legt und be­gründet wor­den.


II.

Die Be­ru­fung der Be­klag­ten hat in der Sa­che je­doch kei­nen Er­folg.

Die Kläge­rin hat ge­gen die Be­klag­te An­spruch auf Auf­nah­me ei­ner gu­ten Leis­tungs­be­ur­tei­lung in ihr Ar­beits­zeug­nis und da­mit auf die Be­ur­tei­lung mit „stets zu un­se­rer vol­len Zu­frie­den­heit“, denn die Be­klag­te, die auch nach Auf­fas­sung der er­ken­nen­den Be­ru­fungs­kam­mer die Dar­le­gungs­last und im Be­strei­tens­fal­le auch die Be­weis­last für die von ihr zu­ge­stan­de­ne Leis­tungs­be­ur­tei­lung mit „be­frie­di­gend“ bzw. „zu un­se­rer vol­len Zu­frie­den­heit“ trifft, hat et­wai­ge Leis­tungsmängel nicht aus­rei­chend dar­ge­legt.

1. Nach den all­ge­mei­nen Re­geln über die Ver­tei­lung der Dar­le­gungs­last hat je­de Par­tei die ihr güns­ti­gen Tat­sa­chen vor­zu­tra­gen. Der Ar­beit­neh­mer, der die Er­tei­lung ei­nes Zeug­nis­ses ver­langt, hat des­halb die Tat­sa­chen vor­zu­tra­gen, aus de­nen sich der Zeug­nis­an­spruch er­gibt. Das be­trifft

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zunächst al­lein die in § 109 Ge­wO be­stimm­ten Merk­ma­le, al­so das Be­ste­hen ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses, des­sen Be­en­di­gung und - wenn ein qua­li­fi­zier­tes Zeug­nis be­gehrt wird - das ent­spre­chen­de "Ver­lan­gen". Dem Ar­beit­ge­ber ob­liegt dann als Schuld­ner, die Tat­sa­chen dar­zu­le­gen, aus de­nen sich das Nicht­be­ste­hen des Zeug­nis­an­spruchs er­ge­ben. Hier­zu gehört auch der Ein­wand, der Zeug­nis­an­spruch sei im Sin­ne von § 362 BGB erfüllt. Die­ser Last genügt der Ar­beit­ge­ber, wenn er dar­legt, dass er ein den ge­setz­li­chen An­for­de­run­gen ent­spre­chen­des Zeug­nis er­teilt hat, die­ses al­so for­mell ord­nungs­gemäß ist und den all­ge­mein er­for­der­li­chen In­halt hat, al­so An­ga­ben zu Art und Dau­er des Ar­beits­verhält­nis­ses und zur Führung und Leis­tung des Ar­beit­neh­mers enthält.
Ist der Ar­beit­neh­mer mit dem er­teil­ten Zeug­nis nicht ein­ver­stan­den, kann er vom Ar­beit­ge­ber ge­richt­lich des­sen Be­rich­ti­gung oder Ergänzung ver­lan­gen. Mit ei­ner sol­chen Kla­ge macht er wei­ter­hin die Erfüllung sei­nes Zeug­nis­an­spruchs gel­tend und kei­nen dem Ge­setz frem­den Be­rich­ti­gungs­an­spruch. Denn der Zeug­nis­an­spruch rich­tet sich auf ein in­halt­lich "wah­res" Zeug­nis; das um­fasst auch die Schluss­no­te. Auch die­se muss "wahr" sein. Ein Ar­beit­neh­mer, der auf Grund sei­ner Ar­beits­leis­tung die Ge­samt­no­te "gut" ver­dient, kann ei­ne ent­spre­chen­de Be­ur­tei­lung be­an­spru­chen und die Aus­stel­lung ei­nes Zeug­nis­ses mit die­ser No­te durch­set­zen.
Auch im "Be­rich­ti­gungs­pro­zess", mit dem der Ar­beit­neh­mer ei­ne über­durch­schnitt­li­che Be­ur­tei­lung er­strebt, ver­bleibt es bei der all­ge­mei­nen Re­gel, dass der Ar­beit­neh­mer als der­je­ni­ge, der ei­nen An­spruch auf ei­ne kon­kre­te Zeug­nis­for­mu­lie­rung gel­tend macht, die hierfür er­for­der­li­chen Tat­sa­chen vor­zu­tra­gen hat.
(Vgl. zum Gan­zen BAG, Ur­teil vom 14.10.2003, 9 AZR 12/03, zi­tiert nach ju­ris.)
In die­ser Ent­schei­dung hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt auch fest­ge­hal­ten, dass die Be­wer­tung „zur vol­len Zu­frie­den­heit“ der No­te be­frie­di­gend zu­zu­rech­nen ist, was als durch­schnitt­li­che Leis­tung zu ver­ste­hen sei.

In sei­ner Ent­schei­dung vom 15. No­vem­ber 2011 (9 AZR 386/10 m.w.N.) hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt je­doch auch aus­geführt, dass das Ar­beits­zeug­nis re­gelmäßig als Be­wer­bungs­un­ter­la­ge und da­mit gleich­zei­tig als Ent­schei­dungs­grund­la­ge für die Per­so­nal­aus­wahl künf­ti­ger Ar­beit­ge­ber dient. Adres­sat ist da­mit ein größerer Per­so­nen­kreis, der nicht zwangsläufig über ein ein­heit­li­ches Sprach­verständ­nis verfügt. Dem­ent­spre­chend ist als maßgeb­li­cher ob­jek­ti­ver Empfänger­ho­ri­zont die

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Verständ­nismöglich­keit ei­nes durch­schnitt­lich Be­tei­lig­ten oder An­gehöri­gen des vom Zeug­nis an­ge­spro­che­nen Per­so­nen­krei­ses zu­grun­de zu le­gen. Zur Be­ur­tei­lung ei­ner For­mu­lie­rung ist auf die Sicht ei­nes ob­jek­ti­ven und da­mit un­be­fan­ge­nen Ar­beit­ge­bers mit Be­rufs- und Bran­chen­kennt­nis­sen ab­zu­stel­len. Ent­schei­dend ist, wie ein sol­cher Zeug­nis­le­ser das Zeug­nis und die ent­hal­te­nen For­mu­lie­run­gen auf­fas­sen muss. Be­nutzt der Ar­beit­ge­ber ein im Ar­beits­le­ben übli­ches Be­ur­tei­lungs­sys­tem, so ist das Zeug­nis aus Sicht des ob­jek­ti­ven Empfänger­ho­ri­zonts so zu le­sen, wie es die­ser Üblich­keit ent­spricht.

Vor­lie­gend hat sich die Be­klag­te für die so ge­nann­te Zu­frie­den­heits­ska­la zur Leis­tungs­be­wer­tung ent­schie­den.

Da­mit ist nach Auf­fas­sung der er­ken­nen­den Be­ru­fungs­kam­mer zur Ent­schei­dung der Fra­ge, wel­che der Par­tei­en die Dar­le­gungs- und Be­weis­last zu tra­gen hat, dar­auf ab­zu­stel­len, ob ein ob­jek­tiv un­be­fan­ge­ner Ar­beit­ge­ber mit Be­rufs- und Bran­chen­kennt­nis­sen die Leis­tungs­be­wer­tung „zu un­se­rer vol­len Zu­frie­den­heit“ zur heu­ti­gen Zeit noch als durch­schnitt­li­che Leis­tungs­be­wer­tung an­sieht bzw. ob die­se Leis­tungs­be­schrei­bung aus Sicht des ob­jek­ti­ven Empfänger­ho­ri­zonts noch der heu­ti­gen Üblich­keit ei­ner durch­schnitt­li­chen Be­wer­tung ent­spricht.

Zur Be­ur­tei­lung die­ser Üblich­keit hat das Ar­beits­ge­richt sich auf ei­ne Stu­die des Lehr­stuhls für Wirt­schafts- und So­zi­al­psy­cho­lo­gie der Fried­rich-Alex­an­der-Uni­ver­sität Er­lan­gen-Nürn­berg aus dem Jah­re 2011 gestützt. Dem schließt sich die er­ken­nen­de Be­ru­fungs­kam­mer an.
Die Stu­die hat 802 Ar­beits­zeug­nis aus den Bran­chen Dienst­leis­tung, Hand­werk, Han­del und In­dus­trie aus­ge­wer­tet und kam zu dem Er­geb­nis, dass 38,8% der Zeug­nis­se der Leis­tungs­be­wer­tung 1 oder 1,5 des übli­chen No­ten­sys­tems, 48,5% der Zeug­nis­se der No­te 2 oder 2,5, 11,6% der No­te 3 oder 3,5, 0,6% der No­te 4 so­wie 0,5% schlech­ter als 4 zu­zu­ord­nen wa­ren.
Die­se Stu­die wird durch ei­ne Aus­wer­tung von 1.000 Ar­beits­zeug­nis­sen durch die Per­so­nal­be­ra­tungs­ge­sell­schaft Per­so­nal­ma­nage­ment Ser­vices GmbH aus März 2010 gestützt. Bei 963 mit ei­ner Leis­tungs­zu­sam­men­fas­sung ver­se­he­nen Ar­beits­zeug­nis­sen wa­ren die Leis­tun­gen in 33,2% der Fälle mit sehr gut, in 35,1% der Fälle mit gut, in 15,8% der Fälle durch­schnitt­lich, in 3,3% der Fälle un­ter­durch­schnitt­lich und in 0,2% der Fälle mit man­gel­haft be­wer­tet wor­den. (Vgl. Düwell/Dahl,

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"Die Leis­tungs- und Ver­hal­tens­be­ur­tei­lung im Ar­beits­zeug­nis“ NZA 2011, 958ff.)
Vor die­sem Hin­ter­grund kann nach Auf­fas­sung der er­ken­nen­den Be­ru­fungs­kam­mer nicht mehr da­von aus­ge­gan­gen wer­den, dass es sich bei ei­ner Leis­tungs­be­wer­tung mit be­frie­di­gend nach dem heu­ti­gen Verständ­nis des Wirt­schafts­le­bens um ei­ne durch­schnitt­li­che Be­ur­tei­lung han­delt. Denn wenn 87,3% der in 2011 aus­ge­wer­te­ten Zeug­nis­se (bzw. 68,3% der 2010 aus­ge­wer­te­ten Zeug­nis­se) (sehr) gu­te Leis­tungs­be­wer­tun­gen ent­hal­ten, führt dies da­zu, dass ein künf­ti­ger Ar­beit­ge­ber bei der Per­so­nal­aus­wahl Zeug­nis­se mit ei­ner schlech­te­ren Be­wer­tung als Aus­schluss­kri­te­ri­um be­trach­tet und der Ar­beit­neh­mer da­mit Ge­fahr läuft im Be­wer­bungs­pro­zess al­lein des­we­gen schlech­te­re Chan­cen zu ha­ben.

Die­se Ent­wick­lung muss sich nach Auf­fas­sung der er­ken­nen­den Be­ru­fungs­kam­mer auch im "Zeug­nis­be­rich­ti­gungs­pro­zess" aus­wir­ken und zwar der Ge­stalt, dass die Leis­tungs­be­wer­tung mit gut nicht mehr als über­durch­schnitt­lich an­ge­se­hen wird, denn ei­ne sol­che ist zum Durch­schnitt ge­wor­den. Hier­aus wie­der­um ist nach Auf­fas­sung der er­ken­nen­den Be­ru­fungs­kam­mer zu fol­gern, dass die Dar­le­gungs- und Be­weis­last für die sei­ner Be­ur­tei­lun­gen mit be­frie­di­gend zu Grun­de lie­gen­den Tat­sa­chen dem Ar­beit­ge­ber als Schuld­ner des Zeug­nis­an­spru­ches auf­zu­er­le­gen ist.

2. Die Be­klag­te ist ih­rer dies­bezügli­chen Dar­le­gungs­last nach Auf­fas­sung der er­ken­nen­den Be­ru­fungs­kam­mer nicht aus­rei­chend nach­ge­kom­men.

Ihr Vor­trag bezüglich Fehl­leis­tun­gen der Kläge­rin im Schrift­satz vom 06. Au­gust 2012 ist nicht im er­for­der­li­chen Maße sub­stan­ti­iert. Man­gels An­ga­be kon­kre­ter Fälle und/oder Da­ten der "teil­wei­sen", "mehr­fa­chen", "des öfte­ren" Un­ter­las­sun­gen der Kläge­rin, war die­ser Vor­trag für die Kläge­rin nicht ein­mal ein­las­sungsfähig. So war ihr et­wa ein Ver­tei­di­gungs­vor­brin­gen der­ge­stalt, dass sie an be­stimm­ten "Vor­falls­ta­gen" auf­grund Ur­lau­bes oder Ar­beits­unfähig­keit nicht ge­ar­bei­tet ha­be, nicht möglich.
Aus die­sem Grun­de schied auch ei­ne Be­weis­auf­nah­me durch Ver­neh­mung der an­ge­bo­te­nen Zeu­gen aus, da es sich hier­bei um ei­nen Aus­for­schungs­be­weis ge­han­delt hätte.

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Nach al­le­dem war die Be­ru­fung der Be­klag­ten mit der Kos­ten­fol­ge des § 97 ZPO zurück­zu­wei­sen.


III.

Ge­gen die­se Ent­schei­dung war gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG die Re­vi­si­on zu­zu­las­sen.

Rechts­mit­tel­be­leh­rung



Ge­gen die­ses Ur­teil kann von der Be­klag­ten bei dem

Bun­des­ar­beits­ge­richt,
Hu­go-Preuß-Platz 1, 99084 Er­furt
(Post­adres­se: 99113 Er­furt),

Re­vi­si­on ein­ge­legt wer­den.

Die Re­vi­si­on muss in­ner­halb

ei­ner Not­frist von ei­nem Mo­nat

schrift­lich beim Bun­des­ar­beits­ge­richt ein­ge­legt wer­den.

Sie ist gleich­zei­tig oder in­ner­halb

ei­ner Frist von zwei Mo­na­ten

schrift­lich zu be­gründen.

Bei­de Fris­ten be­gin­nen mit der Zu­stel­lung des in vollständi­ger Form ab­ge­setz­ten Ur­teils, spätes­tens aber mit Ab­lauf von fünf Mo­na­ten nach der Verkündung.

Die Re­vi­si­ons­schrift muss die Be­zeich­nung des Ur­teils, ge­gen das die Re­vi­si­on ge­rich­tet wird und die Erklärung ent­hal­ten, dass ge­gen die­ses Ur­teil Re­vi­si­on ein­ge­legt wer­de.
Die Re­vi­si­ons­schrift und die Re­vi­si­ons­be­gründung müssen von ei­nem Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten un­ter­zeich­net sein.
Vor dem Bun­des­ar­beits­ge­richt müssen sich die Par­tei­en, außer im Ver­fah­ren vor ei­nem be­auf­trag­ten oder er­such­ten Rich­ter und bei Pro­zess­hand­lun­gen, die vor dem Ur­kunds­be­am­ten der Geschäfts­stel­le vor­ge­nom­men wer­den können, durch Pro­zess­be­vollmäch­tig­te ver­tre­ten las­sen. Als Be­vollmäch­tig­te sind außer Rechts­anwälten nur zu­ge­las­sen:
• Ge­werk­schaf­ten und Ver­ei­ni­gun­gen von Ar­beit­ge­bern so­wie Zu­sam­men­schlüsse sol­cher Verbände für ih­re Mit­glie­der oder für an­de­re Verbände oder Zu­sam­men­schlüsse mit ver­gleich­ba­rer Aus­rich­tung und de­ren Mit­glie­der,
• ju­ris­ti­sche Per­so­nen, de­ren An­tei­le sämt­lich im wirt­schaft­li­chen Ei­gen­tum ei­ner der im vor­ste­hen­den Punkt be­zeich­ne­ten Or­ga­ni­sa­tio­nen ste­hen, wenn die ju­ris­ti­sche Per­son aus­sch­ließlich die Rechts­be­ra­tung und Pro­zess­ver­tre­tung die­ser Or­ga­ni­sa­ti­on und ih­rer Mit­glie­der oder an­de­rer Verbände oder Zu­sam­men­schlüsse mit ver­gleich­ba­rer Aus­rich­tung und de­ren Mit­glie­der ent­spre­chend de­ren Sat­zung durchführt, und wenn die Or­ga­ni­sa­ti­on für die Tätig­keit der Be­vollmäch­tig­ten haf­tet.
Die­se müssen durch Per­so­nen mit Befähi­gung zum Rich­ter­amt han­deln.

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Der Schrift­form wird auch durch Ein­rei­chung ei­nes elek­tro­ni­schen Do­ku­ments i.S.d. § 46b ArbGG genügt. Nähe­re In­for­ma­tio­nen da­zu fin­den sich auf der In­ter­net­sei­te des Bun­des­ar­beits­ge­richts un­ter www.bun­des­ar­beits­ge­richt.de.

S.

C.

S.
für die ur­laubs­ab­we­sen­de
Frau H.


Hin­weis der Geschäfts­stel­le
Das Bun­des­ar­beits­ge­richt bit­tet, sämt­li­che Schriftsätze in sie­ben­fa­cher Aus­fer­ti­gung ein­zu­rei­chen.

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