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LAG Hamm, Ur­teil vom 12.10.2016, 16 Sa 51/13

   
Schlagworte: Urlaub: Elternzeit, Elternzeit: Urlaub, Urlaubsabgeltung
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Aktenzeichen: 16 Sa 51/13
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 12.10.2016
   
Leitsätze:

1) § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG, der dem Arbeitgeber die Kürzung des Erholungsurlaubs für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit gestattet, ist europarechtlich nicht zu beanstanden.

2) Die Erklärung über die Kürzung des während des Erziehungsurlaubs entstandenen Urlaubsanspruchs kann nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr abgegeben werden.

Vorinstanzen: Arbeitsgericht Hamm, Urteil vom 18.12.2012, 4 Ca 1729/12 L
Nachgehend Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.05.2015, 9 AZR 725/13
   

Te­nor:

Auf die Be­ru­fung der Kläge­rin wird das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Hamm vom 18.12.2012 – 4 Ca 1729/12 L – teil­wei­se ab­geändert und die Be­klag­te ver­ur­teilt, an die Kläge­rin 7.234,50 € brut­to nebst 5 % Zin­sen seit dem 05.06.2012 zu zah­len.

Die Be­klag­te trägt die Kos­ten des Rechts­streits zu 94 %, die Kläge­rin zu 6 %.

Die Re­vi­si­on wird in­so­weit zu­ge­las­sen, als die Be­klag­te zur Ab­gel­tung des Ur­laubs für Zei­ten des Er­zie­hungs­ur­laubs ver­ur­teilt wor­den ist. Im Übri­gen wird sie nicht zu­ge­las­sen.

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten um die Ab­gel­tung von Ur­laubs­ansprüchen aus den Jah­ren 2010 bis 2012.

Die Kläge­rin war vom 01.04.2007 bis zum 15.05.2012 bei der Be­klag­ten zu ei­nem Ge­halt von mo­nat­lich 2.000,-- € brut­to beschäftigt. Ein schrift­li­cher Ar­beits­ver­trag ist nicht ab­ge­schlos­sen wor­den. Ab dem 01.05.2010 be­stand für sie nach Fest­stel­lung ei­ner Schwan­ger­schaft ein Beschäfti­gungs­ver­bot. Am 21.12.2010 wur­de ihr Sohn ge­bo­ren. Nach Ab­lauf der Mut­ter­schutz­fris­ten be­fand sich die Kläge­rin bis zum15.05.2012 in El­tern­zeit.

Die Kläge­rin hat­te ei­nen jähr­li­chen Ur­laubs­an­spruch von 36 Ta­gen be­rech­net auf ei­ne Fünf-Ta­ge-Wo­che. Im Jah­re 2010 be­fand sie sich vom 02. bis 09.04. im Um­fang von sechs Ta­gen in Ur­laub, so­dass ein Rest­an­spruch von 30 Ur­laubs­ta­gen ver­blieb. Mit An­walts­schrei­ben vom 24.05.2012 mach­te die Kläge­rin die Ab­rech­nung der Ur­laubs­ansprüche aus den Jah­ren 2010 bis ein­sch­ließlich 2012 und die Aus­zah­lung des sich aus der Ab­rech­nung er­ge­ben­den Be­tra­ges ge­genüber der Be­klag­ten un­ter Frist­set­zung bis zum 04.06.2012 gel­tend. Die ge­setz­te Frist hat die Be­klag­te frucht­los ver­strei­chen las­sen. Mit ei­ner am 04.09.2012 beim Ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­ge­nen Kla­ge ver­folgt die Kläge­rin den An­spruch auf Ab­rech­nung wei­ter und be­gehr­te darüber hin­aus die Ver­ur­tei­lung der Be­klag­ten zur Zah­lung ei­ner Ur­laubs­ab­gel­tung in Höhe von 7.507,50 € brut­to nebst Zin­sen. Hier­bei geht sie von Rest­ur­laubs­ansprüchen im Um­fang von 30 Ta­gen für das Jahr 2010, von 36 Ta­gen für das Jahr 2011 und – nach Erörte­rung in der münd­li­chen Ver­hand­lung vor dem Be­ru­fungs­ge­richt – 13,5 Ta­gen für das Jahr 2012 aus. Die Ur­laubs­vergütung be­rech­net sie mit 91,-- € brut­to.

Mit Schrift­satz vom 07.09.2012 hat die Be­klag­te Kla­ge­ab­wei­sung be­an­tragt und erklärt, dass der Er­ho­lungs­ur­laub, der der Kläge­rin für das Ur­laubs­jahr zu­ste­he, für je­den vol­len Ka­len­der­mo­nat der El­tern­zeit um 1/12 gekürzt wer­de.

Durch Ur­teil vom 18.12.2012 hat das Ar­beits­ge­richt die Kla­ge in vol­lem Um­fang ab­ge­wie­sen. Zur Be­gründung hat es aus­geführt, die Kläge­rin ha­be Ur­laubs­ansprüche er­wor­ben, die durch die Erklärung der Be­klag­ten vom 07.09.2012 gemäß der Kürzungs­be­stim­mung des § 17 Abs.1 Satz 1 BEEG er­lo­schen sei­en. Die Kürzungs­erklärung sei auch nicht ver­spätet, da sie nicht zu ei­nem be­stimm­ten Zeit­punkt aus­zu­spre­chen sei und ei­ne Erklärungs­frist ge­setz­lich nicht vor­ge­se­hen sei. Der Ab­gel­tungs­an­spruch, der erst mit Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses ent­ste­he und gel­tend ge­macht wer­den könne, könne erst da­nach durch ei­ne ent­spre­chen­de Erklärung gekürzt wer­den.

Ge­gen die­ses der Kläge­rin am 02.01.2013 zu­ge­stell­te Ur­teil hat die­se am 07.01.2013 Be­ru­fung ein­ge­legt. Sie hat die Be­ru­fung nach Verlänge­rung der Be­gründungs­frist bis zum 02.04.2013 frist­ge­recht be­gründet.

Die Kläge­rin ist der An­sicht, dass die Kürzung des ihr zu­ste­hen­den Ur­laubs­ab­gel­tungs­an­spruchs nach Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses man­gels ge­setz­li­cher Grund­la­ge nicht mehr möglich sei.

Sie be­an­tragt un­ter Be­ru­fungsrück­nah­me im Übri­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Hamm vom 18.12.2012 – 4 Ca 1729/12 L - ab­zuändern und 10 die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an die Kläge­rin 7.234,50 € brut­to nebst 5 % Zin­sen seit dem 05.06.2012 zu zah­len.

Die Be­klag­te be­an­tragt,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Sie ver­tei­digt das erst­in­stanz­li­che Ur­teil als zu­tref­fend.

Zum wei­te­ren Sach­vor­trag der Par­tei­en im Be­ru­fungs­ver­fah­ren wird auf die zwi­schen ih­nen ge­wech­sel­ten Schriftsätze nebst An­la­gen Be­zug ge­nom­men.

Ent­schei­dungs­gründe

Die zulässi­ge Be­ru­fung der Kläge­rin ist teil­wei­se be­gründet.

Die Kläge­rin hat zunächst An­spruch auf Ab­gel­tung ih­res Rest­ur­laubs von 30 Ta­gen für das Jahr 2010 so­wie von 4,5 Ur­laubs­ta­gen bis zum 15.02.2011. Hier­bei han­delt es sich um die Zei­ten vor Be­ginn der El­tern­zeit. Außer­dem ste­hen ihr für Fe­bru­ar 2011 und Mai 2012 je wei­te­re 1,5 Ur­laubs­ta­ge zu. Auf der Grund­la­ge ei­ner Ur­laubs­vergütung von 91,--€ brut­to, de­ren Höhe zwi­schen den Par­tei­en un­strei­tig ist, er­gibt sich hier­aus ein Ge­samt­an­spruch von 3.549,-- € brut­to. Da die Be­klag­te den Ur­laubs­an­spruch der Kläge­rin für die Zeit von März 2011 bis April 2012 nicht wirk­sam gekürzt hat, ste­hen der Kläge­rin wei­te­re 42 Ur­laubs­ta­ge zu, die mit 3.822,-- € brut­to ab­zu­gel­ten sind. Die­se For­de­run­gen sind ab dem 05.06.2012 gemäß §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB je­den­falls mit 5 % zu ver­zin­sen.

I

Der An­spruch der Kläge­rin auf Ab­gel­tung des Ur­laubs im Um­fang von 34,5 Ta­gen er­gibt sich aus §§ 7 Abs. 4 BurlG, 17 Abs. 2 und 3 BEEG in Ver­bin­dung mit der ar­beits­ver­trag­li­chen Ab­re­de der Par­tei­en zum Um­fang des Er­ho­lungs­ur­laubs. Hier­bei ist die Zeit bis zum Be­ginn der El­tern­zeit am 16.02.2012 berück­sich­tigt.

1) Die­ser An­spruch der Kläge­rin ist nicht we­gen der Kürzungsmöglich­keit nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG er­lo­schen. Da­nach kann der Ar­beit­ge­ber nur den Ur­laub kürzen, der dem Ar­beit­neh­mer oder der Ar­beit­neh­me­rin für das Ur­laubs­jahr zu­steht, der während der El­tern­zeit ent­steht. Nach § 17 Abs. 2 BEEG hat der Ar­beit­ge­ber den Ur­laub, den der Ar­beit­neh­mer oder die Ar­beit­neh­me­rin vor dem Be­ginn der El­tern­zeit nicht oder nicht vollständig er­hal­ten hat, nach der El­tern­zeit im lau­fen­den oder nächs­ten Ur­laubs­jahr zu gewähren. Bei Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses ist die­ser Ur­laub nach Ab­satz 3 der Vor­schrift ab­zu­gel­ten. Bei die­ser Vor­schrift han­delt es sich um ei­ne ge­setz­li­che Son­der­re­ge­lung zu der Ver­fall­vor­schrift des § 7 Abs. 3 BurlG. Auch für den aus dem Jah­re 2010 re­sul­tie­ren­den Ur­laubs­an­spruch kommt es des­halb vor­lie­gend nicht dar­auf an, wel­che Über­tra­gungs­fris­ten ge­ge­be­nen­falls gel­ten würden. Die Be­fris­tung in § 17 Abs. 2 BEEG, wo­nach der Ar­beit­ge­ber den Rest­ur­laub nach der El­tern­zeit im lau­fen­den oder im nächs­ten Ur­laubs­jahr zu gewähren hat, ist vor­lie­gend ein­ge­hal­ten (vgl. zu die­ser Fra­ge­stel­lung BAG vom 28.07.1992, 9 AZR 340/91, DB 1993, 642; vom 23.04.1996, 9 AZR 165/95, NZA 1997, 44).

2) Dem An­spruch der Kläge­rin steht auch nicht ent­ge­gen, dass sie den Ur­laubs­an­spruch we­gen der Beschäfti­gungs­ver­bo­te nach §§ 3, 6 MuSchG nicht hat rea­li­sie­ren können. Aus­fall­zei­ten we­gen mut­ter­schutz­recht­li­cher Beschäfti­gungs­ver­bo­te gel­ten nach § 17 Satz 1 MuSchG für den An­spruch auf be­zahl­ten Er­ho­lungs­ur­laub als Beschäfti­gungs­zei­ten. Es entfällt le­dig­lich die Pflicht zur Ar­beits­leis­tung. Die Ar­beit­neh­me­rin hat An­spruch auf Wei­ter­gewährung ih­res bis­he­ri­gen Durch­schnitts­ver­diens­tes, wenn sie we­gen ei­nes Beschäfti­gungs­ver­bots mit der Ar­beit aus­setzt. Es be­steht für die ge­sam­te Dau­er des mut­ter­schutz­recht­li­chen Beschäfti­gungs­ver­bots ein An­spruch auf Mut­ter­schutz­lohn. Da­mit kommt es nicht zum Ru­hen des Ar­beits­verhält­nis­ses. In­so­weit un­ter­schei­den sich Zei­ten mut­ter­schutz­recht­li­cher Beschäfti­gungs­ver­bo­te von der El­tern­zeit, in der das Ar­beits­verhält­nis ruht (vgl. auch BAG vom 17.05.2011, 9 AZR 197/10, ju­ris).

3) Auch wenn der El­tern­ur­laub Mit­te des Mo­nats Fe­bru­ar 2012 be­gon­nen hat, so be­steht der Ur­laubs­an­spruch für den vol­len Ka­len­der­mo­nat, so­mit für wei­te­re 1,5 Ta­ge. Hier­aus er­gibt sich ein Ur­laubs­ab­gel­tungs­an­spruch von 136,50 € brut­to. Die Kürzungsmöglich­keit nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG be­zieht sich auf je­den vol­len „Ka­len­der­mo­nat" der El­tern­zeit, an­ders als § 5 Abs. 1 BUrlG nicht auf je­den vol­len „Mo­nat". Ein Ka­len­der­mo­nat un­ter­schei­det sich von ei­nem Mo­nat da­durch, dass die­ser ei­nem der Mo­nats­na­men des Jah­res zu­ge­ord­net wird. Be­ginnt oder en­det die El­tern­zeit im Lau­fe ei­nes Ka­len­der­mo­nats, kom­men die­se Ka­len­der­mo­na­te für die Kürzung nicht in Be­tracht. Hier­aus folgt auch, dass der Kläge­rin für den Mo­nat Mai 2012 ein an­tei­li­ger An­spruch auf Ab­gel­tung des Ur­laubs im Um­fang von 1,5 Ur­laubs­ta­gen, das sind 136,50 € brut­to, zu­steht (ErfKom/Gall­ner, 13. Aufl., § 17 BEEG, Rd­nr. 3).

II

Die Kläge­rin be­sitzt vor­lie­gend je­doch auch für die Zeiträume, für die die Be­klag­te grundsätz­lich nach § 17 Abs. 1 BEEG be­rech­tigt war, ih­ren Ur­laub we­gen des in An­spruch ge­nom­me­nen El­tern­ur­laubs zu kürzen, ei­nen Ur­laubs­an­spruch, der ab­zu­gel­ten ist. Hier­bei han­delt es sich um in den Mo­na­ten März bis De­zem­ber 2011 und Ja­nu­ar bis April 2012 ent­stan­de­ne Ur­laubs­ansprüche im Um­fang von 42 Ur­laubs­ta­gen zu ei­ner Ur­laubs­vergütung von 3.822,-- €.

1) Die Kürzungs­vor­schrift des § 17 Abs. 1 BEEG verstößt nicht ge­gen eu­ro­pa­recht­li­che Vor­ga­ben.

a) Zwar gewährt Art. 7 Abs. 1 Richt­li­nie 2003/88/EG je­dem Ar­beit­neh­mer ei­nen An­spruch auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub. Die­ser An­spruch darf nicht re­strik­tiv aus­ge­legt wer­den. Er kann nicht da­von abhängig ge­macht wer­den, dass Ar­beit­neh­mer während des Be­zugs­zeit­raums tatsächlich ge­ar­bei­tet ha­ben. Den­noch gilt die­ser Grund­satz nicht in je­dem Fall. So hat der EuGH in sei­nem Ur­teil vom 08.11.2012 (Hei­mann und Tolt­schin, C-229/11 und C-230/11, NZA 2012, 1273) die Kürzung des An­spruchs auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub für Fälle der Kurz­ar­beit zu­ge­las­sen. Er hat Ar­beit­neh­mer in Kurz­ar­beit als „vorüber­ge­hend teil­zeit­beschäftig­te Ar­beit­neh­mer" an­ge­se­hen und auf die am 06.06.1997 ge­schlos­se­ne Rah­men­ver­ein­ba­rung über Teil­zeit­ar­beit im An­hang der Richt­li­nie 97/81/EG vom 15.12.1997 hin­ge­wie­sen. Nach § 4 der Rah­men­ver­ein­ba­rung über Teil­zeit­ar­beit gilt der Pro-ra­ta-tem­po­ris-Grund­satz für die Beschäfti­gungs­be­din­gun­gen von Teil­zeit­beschäftig­ten, wo dies an­ge­mes­sen ist. Für den An­spruch ei­nes Kurz­ar­bei­ters auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub be­deu­tet dies, dass er ent­spre­chend die­sem Grund­satz gekürzt wer­den kann.

b) Auch Ar­beit­neh­mer, de­ren Ar­beits­verhält­nis während der El­tern­zeit un­ter Su­s­pen­die­rung der wech­sel­sei­ti­gen Haupt­pflich­ten ruht, sind mit ak­tiv Beschäftig­ten grundsätz­lich nicht ver­gleich­bar. So hat der EuGH ent­schie­den, dass ei­ne Weih­nachts­gra­ti­fi­ka­ti­on leis­tungs­min­dernd für Zei­ten des Er­zie­hungs­ur­laubs berück­sich­tigt wer­den kann (Ur­teil vom 21.10.1999, Le­wen, C-333/97, NZA 1999, 1325). Mit Ur­teil vom 22.10.2009 (Meerts, C-116/08, NZA 2010, 29) hat er § 2 Nr. 6 und 7 der am 14.12.1995 ge­schlos­se­nen Rah­men­ver­ein­ba­rung über den El­tern­ur­laub im An­hang der Richt­li­nie 96/34/EG aus­ge­legt. Zum ei­nen be­stimmt § 2 Nr. 6 der Rah­men­ver­ein­ba­rung über den El­tern­ur­laub, dass die Rech­te, die der Ar­beit­neh­mer zu Be­ginn des El­tern­ur­laubs er­wor­ben hat­te oder da­bei war zu er­wer­ben, bis zum En­de des El­tern­ur­laubs be­ste­hen blei­ben. Zum an­de­ren ver­weist § 2 Nr. 7 der Rah­men­ver­ein­ba­rung je­doch auf die Mit­glied­staa­ten, wenn es dar­um geht, den Sta­tus des Ar­beits­ver­tra­ges oder Ar­beits­verhält­nis­ses für den Zeit­raum des El­tern­ur­laubs zu be­stim­men. Hier­zu gehört auch, in wel­chem Maß der Ar­beit­neh­mer während die­ses Zeit­raums wei­te­re Ansprüche ge­genüber dem Ar­beit­ge­ber er­wer­ben kann. Al­ler­dings darf durch die Aus­ge­stal­tung die­ser Ansprüche nicht in die nach § 2 Nr. 6 der Rah­men­ver­ein­ba­rung er­wor­be­nen Rech­te ein­ge­grif­fen wer­den.

c) Dem na­tio­na­len Ge­setz­ge­ber ist es so­mit er­laubt, Ansprüche für die El­tern­zeit in vol­lem Um­fang zu re­geln, so­lan­ge die Gren­ze des § 2 Nr. 6 der Rah­men­ver­ein­ba­rung ein­ge­hal­ten und nicht in be­reits be­ste­hen­de oder im Er­werb be­find­li­che Ansprüche ein­ge­grif­fen wird. In­dem § 7 Abs. 1 Satz 1 BEEG den Ar­beit­ge­ber be­rech­tig, während der El­tern­zeit ent­stan­de­ne Ur­laubs­ansprüche für je­den vol­len Ka­len­der­mo­nat zu kürzen, sind die­se Gren­zen ge­wahrt. Die Vor­schrift als sol­che ist eu­ro­pa­recht­lich nicht zu be­an­stan­den.

d) Die Richt­li­nie 96/34/EG ist zwar mit Wir­kung vom 08.03.2012 auf­ge­ho­ben und durch die Richt­li­nie 2010/18/EU vom 08.03.2010 er­setzt wor­den, de­ren Um­set­zungs­frist am 08.03.2012 ab­lief. Die Richt­li­nie 2010/18/EU enthält im An­hang ei­ne um­fang­reich übe­r­ar­bei­te­te Rah­men­ver­ein­ba­rung zum El­tern­ur­laub. Je­doch ent­spricht § 5 Nr. 2 und 3 im Wort­laut § 2 Nr. 6 und 7 der Vorgänger­richt­li­nie.

2) Auch wenn die Kürzung des El­tern­ur­laubs nach al­le­dem recht­lich zulässig ist, so ist sie im vor­lie­gen­den Fall je­doch ver­spätet erklärt wor­den und da­mit un­wirk­sam.

a) Al­ler­dings enthält § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG kei­ne Wirk­sam­keits­vor­aus­set­zun­gen für die Kürzungs­erklärung. Es ist nur ei­ne emp­fangs­bedürf­ti­ge rechts­geschäft­li­che Erklärung er­for­der­lich, um den An­spruch auf Er­ho­lungs­ur­laub her­ab­zu­set­zen. Die­se Erklärung kann aus­drück­lich oder still­schwei­gend ab­ge­ge­ben wer­den. Ins­be­son­de­re enthält die ge­setz­li­che Vor­schrift kei­nen Zeit­punkt, zu dem die­se Erklärung ab­ge­ge­ben wer­den muss (vgl. auch BAG vom 28.07.1992, 9 AZR 340/91, aaO.). Nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts kann der Ar­beit­ge­ber den Ur­laub auch noch nach En­de des Ar­beits­verhält­nis­ses, zu ei­nem Zeit­punkt, zu dem be­reits ein Ur­laubs­ab­gel­tungs­an­spruch ent­stan­den ist, kürzen.

b) Die­se Recht­spre­chung be­ruht je­doch auf der zwi­schen­zeit­lich auf­ge­ge­be­nen so­ge­nann­ten Sur­ro­gats­theo­rie, wo­nach der Ur­laubs­ab­gel­tungs­an­spruch Sur­ro­gat des Ur­laubs­an­spruchs sei. Sei es möglich, den Er­ho­lungs­ur­laub nach § 17 Abs. 1 BEEG zu kürzen, könne der Ar­beit­ge­ber eben­so das Sur­ro­gat des Ur­laubs, die Ur­laubs­ab­gel­tung kürzen. Der Ar­beit­neh­mer er­hiel­te dann die im Um­fang ver­min­der­te Ur­laubs­ab­gel­tung (BAG vom 28.07.1992, 9 AZR 340/91, aaO. Rd­nr. 20). Das Bun­des­ar­beits­ge­richt hat mit sei­ner Recht­spre­chungsände­rung im An­schluss an die Schultz-Hoff-Ent­schei­dung des EuGH vom 20.01.2009 (C-315/06 und 520/06, NZA 2009, 135) die Sur­ro­gats­theo­rie in vol­lem Um­fang auf­ge­ge­ben. Es sieht den Ab­gel­tungs­an­spruch nun­mehr als rei­nen Geld­an­spruch an, der auch nicht dem Fris­ten­re­gime des Bun­des­ur­laubs­ge­set­zes un­ter­liegt (BAG vom 19.06.2012, 9 AZR 652/10, NZA 2012, 1087). Die völli­ge Auf­ga­be der Sur­ro­gats­theo­rie hat zur Fol­ge, dass der Ur­laubs­ab­gel­tungs­an­spruch nun­mehr stets ei­nen auf ei­ne fi­nan­zi­el­le Vergütung im Sin­ne des Art. 7 Abs. 2 der Richt­li­nie 2003/88/EG ge­rich­te­ten rei­nen Geld­an­spruch dar­stellt. Die­ser ent­steht mit Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses und wird nach § 271 BGB so­fort fällig (so schon BAG vom 09.08.2011, 9 AZR 365/10, NZA 2011, 1421). Der mit Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses am 15.05.2010 ent­stan­de­ne und fälli­ge Geld­an­spruch konn­te durch die Erklärung der Be­klag­ten vom 07.09.2012 nicht mehr nachträglich gekürzt wer­den.

III

Die Kos­ten­ent­schei­dung be­ruht auf §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 97 Abs. 1 ZPO, 516 Abs. 3 ZPO.

Gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG hat das Ge­richt die Re­vi­si­on in­so­weit zu­ge­las­sen, als die Be­klag­te für Zei­ten des Er­zie­hungs­ur­laubs zur Ab­gel­tung der ent­stan­de­nen Ur­laubs­ansprüche ver­ur­teilt wor­den ist. Dies be­trifft Ur­laubs­ansprüche von je 1,5 Ur­laubs­ta­gen für Fe­bru­ar 2011 und Mai 2012 so­wie Ur­laubs­ansprüche von 30 Ta­gen für die Zeit von April bis De­zem­ber 2011 und 12 Ta­gen für die Zeit von Ja­nu­ar bis April 2012. So­weit die Ur­laubs­ansprüche in der Zeit vor Be­ginn der El­tern­zeit ent­stan­den sind, be­steht kein An­lass, die Re­vi­si­on zu­zu­las­sen.

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