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LAG Köln, Urteil vom 06.09.2012, 5 SaGa 14/12
Schlagworte: | Kündigungsschutzprozess, Weiterbeschäftigung | |
Gericht: | Landesarbeitsgericht Köln | |
Aktenzeichen: | 5 SaGa 14/12 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 06.09.2012 | |
Leitsätze: |
2. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der erstinstanzliche Kammertermin erst mehrere Monate nach Ablauf der Kündigungsfrist stattfinden soll. |
|
Vorinstanzen: | Arbeitsgericht Köln, Urteil vom 6 Ga 86/12 | |
Tenor:
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 06. September 2012 – 6 Ga 86/12 – teilweise abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin bis zur erstinstanzlichen Entscheidung über den Weiterbeschäftigungsantrag im Verfahren Arbeitsgericht Köln 8 Ca 3541/12 als Assistentin/Sekretärin zu beschäftigen.
II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III. Die erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 1/5 und die Beklagte zu 4/5. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 1/3 und die Beklagte zu 2/3.
Tatbestand
Die Klägerin macht ihre Beschäftigung während eines laufenden Kündigungsschutzverfahrens geltend.
Die 56jährige Klägerin ist bei der Beklagten seit dem 1. Juni 2002 als Assistentin/Sekretärin der Geschäftsleitung beschäftigt. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 27. April 2012 zum 31. Juli 2012 und erneut mit Schreiben mit 31. Mai 2012 zum 31. August 2012.
Der Betriebsrat hatte zuvor beiden Kündigungen widersprochen. Er stützte die Widersprüche auf eine fehlerhafte soziale Auswahl. Die Klägerin sei sozial schutzwürdiger als Frau H , weil Frau H verheiratet und „Doppelverdienerin“ sei. Zudem könne die Klägerin auf einem anderen Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden. Wegen des weiteren Inhalts der Widerspruchsschreiben wird auf die Kopien Bl. 27 ff. und 38 ff. d. A. Bezug genommen.
Die Klägerin hat beim Arbeitsgericht Köln (8 Ca 3541/12) Kündigungsschutzklage erhoben. Kammertermin ist bestimmt worden auf den 21. März 2013.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei wegen des Widerspruchs des Betriebsrats zu ihrer vorläufigen Beschäftigung verpflichtet. Die Eilbedürftigkeit sei wegen des erst im März 2013 im Hauptsacheverfahren anstehenden Kammertermins gegeben. Zudem sei sie seit August 2012 arbeitslos.
Die Klägerin hat beantragt,
die Verfügungsbeklagte zu verurteilen, bei Meidung eines vom Gericht festzusetzenden Zwangsgeldes gegen die Verfügungsbeklagte bzw. einer Zwangshaft gegen die gesetzlichen Vertreter der Verfügungsbeklagten, sie nach Ablauf des 31.07.2012 wie auch nach Ablauf des 31.08.2012 bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses (Arbeitsgericht Köln – 8 Ca 3541/112 -) als Assistentin/Sekretärin nach näherer Maßgabe des Anstellungsvertrages vom 04.03.2002 weiter zu beschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Widerklagend hat sie beantragt,
sie von der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung der Klägerin zu entbinden.
Die Klägerin hat beantragt,
die Widerklage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, sie müsse die Klägerin nicht beschäftigen. Der Widerspruch des Betriebsrats sei offensichtlich unwirksam. Sie könne die Klägerin nicht beschäftigen, weil ihre bisherigen Tätigkeiten ersatzlos weggefallen seien.
Das Arbeitsgericht hat die Klage und die Widerklage mit Urteil vom 6. September 2012 abgewiesen. Gegen das ihr am 17. September 2012 zugestellte erstinstanzliche Urteil hat die Klägerin am 24. September 2012 Berufung eingelegt und diese am 28. September 2012 begründet.
Die Klägerin ist nach wie vor der Auffassung, die Beklagte sei zu ihrer vorläufigen Weiterbeschäftigung verpflichtet.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Köln – Az.: 6 Ga 86/12 – vom 06.09.2012 insoweit abzuändern, als die Beklagte im Wege der einstweiligen Verfügung verurteilt wird, bei Meidung eines vom Gericht festzusetzenden Zwangsgeldes gegen die Beklagte bzw. einer Zwangshaft gegen die gesetzlichen Vertreter der Beklagten, sie nach Ablauf des 31.07.2012 wie auch nach Ablauf des 31.08.2012 bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses (Arbeitsgericht Köln – Az.: 8 Ca 3541/12) als Assistentin/Sekretärin nach näherer Maßgabe des Anstellungsvertrages vom 04.03.2002 weiter zu beschäftigen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags das angefochtene Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf die
Sitzungsprotokolle Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I. Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 1 und Abs. 2 ArbGG statthaft und wurde gemäß §§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 und 5 ArbGG, §§ 519 und 520 ZPO frist- und formgerecht eingelegt und begründet.
I. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache überwiegend Erfolg. Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte, bis zur erstinstanzlichen Entscheidung über ihren im Verfahren ArbG Köln 8 Ca 3541/12 geltend gemachten Weiterbeschäftigungsantrag als Assistentin/Sekretärin beschäftigt zu werden. Der weitergehend geltend gemachte Anspruch besteht nicht.
1. Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte, bis zur erstinstanzlichen Entscheidung über ihren im Verfahren ArbG Köln 8 Ca 3541/12
geltend gemachten Weiterbeschäftigungsantrag als Assistentin/Sekretärin beschäftigt zu werden. Insoweit besteht ein Verfügungsanspruch und ein Verfügungsgrund.
a) Der Erlass einer einstweiligen Verfügung setzt das Vorliegen eines Verfügungsgrundes und eines Verfügungsanspruches voraus, welche glaubhaft zu machen sind (§ 62 Abs. 2 ArbGG i. V. m. §§ 936, 920 Abs. 2 ZPO).
aa) Nach § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG kann der Arbeitnehmer während des laufenden Kündigungsschutzprozesses seine Beschäftigung nach Ablauf der Kündigungsfrist verlangen, wenn der Betriebsrat der Kündigung frist- und ordnungsgemäß widersprochen hat. Der Widerspruch des Betriebsrats ist nach § 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG schriftlich zu begründen. Der Betriebsrat kann einer Kündigung nicht aus beliebigen Gründen, sondern nur aus den in § 102 Abs. 3 BetrVG abschließend aufgezählten Erwägungen widersprechen.
An das Vorliegen einer ordnungsgemäßen Begründung des Betriebsrats sind keine strengen Anforderungen zu stellen. Es ist nicht erforderlich, dass der Betriebsrat im Widerspruchsschreiben Tatsachen angibt, die schlüssig einen Widerspruchsgrund i. S. v. § 102 Abs. 3 BetrVG ergeben. Allerdings ist dem Betriebsrat ein Mindestmaß an konkreter Argumentation abzuverlangen. Ein rein spekulativer Widerspruch etwa in dem Sinne, es sei im Betrieb irgendeine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit vorhanden, reicht nicht aus. So muss der Betriebsrat, wenn er den aus § 102 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG folgenden Widerspruchsgrund geltend macht, konkret darlegen, auf welchem (freien) Arbeitsplatz eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in Betracht kommt; hierbei muss der Arbeitsplatz zumindest in bestimmbarer Weise angegeben und der Bereich bezeichnet werden, in dem der Arbeitnehmer anderweitig beschäftigt werden kann (BAG 11. Mai 2000 – 2 AZR 54/99 – NZA 2000, 1055; 17. Juni 1999 – 2 AZR 608/98 – NZA 1999, 1154; LAG Köln 24. November 2005 – 6 Sa 1172/05 – juris).
bb) Hinsichtlich des Verfügungsgrundes ist zu beachten, dass es der Sache nach um eine teilweise Vorwegnahme der Hauptsache geht. An eine sog. Befriedigungsverfügung sind grundsätzlich strenge Anforderungen zu stellen. Allerdings muss stets auch der so genannte Justizgewährungsanspruch, der seine Grundlage im Rechtsstaatsprinzip hat (Art. 20 Abs. 3 GG), ausreichend beachtet werden. Eine Befriedigungsverfügung kann demnach erforderlich sein, wenn sie das praktisch einzige Mittel ist, das Recht des Gläubigers zu schützen. Auf der anderen Seite muss beachtet werden, dass das rechtsstaatliche Gebot des effektiven Rechtsschutzes nicht nur für den Gläubiger, sondern auch für den Schuldner gilt. Entscheidend ist daher eine an dem „Gebot der Ausgewogenheit des einstweiligen Rechtsschutzes“ ausgerichtete prozessrechtliche Abwägung der Interessen beider Parteien im jeweils gegebenen Einzelfall (LAG Hessen 08.10. 2010 – 3 SaGa 496/10 – juris; LAG München 18.02.2002 – 5 Sa 612/02 – NZA-RR 2003, 269).
Macht der Arbeitnehmer geltend, dass er im Eilrechtsschutz seinen Beschäftigungsanspruch im nicht beendeten Arbeitsverhältnis durchsetzen möchte, so wird der hierzu erforderliche Eilrechtsgrund in aller Regel bejaht. Er besteht darin, dass der Beschäftigungsanspruch als Fixschuld mit jedem Tag der Nichtbeschäftigung unmöglich wird (§ 275 Abs. 1 BGB) und der Rechtsverlust daher irreversibel ist (LAG Hessen 08.10. 2010 – 3 SaGa 496/10 – juris).
Der drohende Zeitablauf ist auch zu berücksichtigen, wenn es um die Durchsetzung eines aus § 102 Abs. 5 BetrVG folgenden Weiterbeschäftigungsanspruchs geht. Der gesetzlich begründete Anspruch soll gerade dann zum Tragen kommen, wenn noch nicht endgültig geklärt ist, ob die
vom Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung wirksam ist oder nicht. Er würde in seinem Anwendungsbereich praktisch erheblich entwertet, wenn im einstweiligen Rechtsschutz weitgehende Anforderungen an die Begründung des Verfügungsgrundes gestellt würden.
Vor diesem Hintergrund ergibt sich der Verfügungsgrund für den aus § 102 Abs. 5 BetrVG folgenden Weiterbeschäftigungsanspruch regelmäßig aus dem drohenden Zeitablauf. Weitergehende Umstände im Sinne einer besonderen Dringlichkeit braucht der Verfügungskläger nicht vorzutragen (LAG Köln 24. November 2005 – 6 Sa 1172/05 – juris). Dies gilt jedenfalls dann, wenn der erstinstanzliche Kammertermin erst mehrere Monate nach Ablauf der Kündigungsfrist stattfinden soll.
b) Nach diesen Grundsätzen besteht sowohl ein Verfügungsanspruch als auch ein Verfügungsgrund.
Der Verfügungsanspruch folgt aus § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG. Der Betriebsrat hat der Kündigung frist- und ordnungsgemäß widersprochen. Er hat jedenfalls den in § 102 Abs. 3 Nr. 1 BetrVG normierten Widerspruchsgrund mit einer ausreichende Begründung geltend gemacht. Er hat dargelegt, warum er die Klägerin für sozial schutzwürdiger hält als Frau H . Nicht maßgeblich ist, ob die Argumentation des Betriebsrats rechtlich zutreffend ist. Dies wird im Hauptsacheverfahren zu klären sein. Ausreichend ist, dass ein Mindestmaß an konkreter Argumentation gegeben ist.
Die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, es sei ihr unmöglich, die Klägerin weiter zu beschäftigen.
Diesem Einwand stehen zunächst grundsätzliche Erwägungen entgegen.
Der betriebsverfassungsrechtliche Weiterbeschäftigungsanspruch gilt auch und gerade für betriebsbedingte Kündigungen. Bei einer betriebsbedingten Kündigung beruft sich der Arbeitgeber regelmäßig darauf, es bestehe keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr für den Arbeitnehmer. Dies hat den Gesetzgeber nicht dazu veranlasst, den betriebsverfassungsrechtlichen Weiterbeschäftigungsanspruch entfallen zu lassen. Daher ist der Arbeitgeber regelmäßig mit dem Einwand, er könne den Arbeitnehmer nicht beschäftigen, ausgeschlossen. Dieser Einwand ist nur dann zu berücksichtigen, wenn der Arbeitgeber die Entbindung von der Weiterbeschäftigungspflicht beantragt (§ 102 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 BetrVG). Der von der Beklagten erstinstanzlich geltend gemachte Antrag ist rechtskräftig abgewiesen worden.
Zudem ist darauf hinzuweisen, dass der Beklagten die Beschäftigung der Klägerin schon deswegen nicht unmöglich ist, weil sie eine weitere Arbeitnehmerin beschäftigt, die vergleichbare Tätigkeiten verrichtet, nämlich Frau H.
Der Verfügungsgrund ergibt sich daraus, dass der Beschäftigungsanspruch der Klägerin ohne den Erlass einer einstweiligen Verfügung über mehrere Monate nicht zu realisieren wäre, obwohl er von Rechts wegen gegeben ist. Die tatsächliche Beschäftigung der Klägerin ließe sich auch später für die verstrichene Zeit nicht nachholen.
2. Der weitergehende Antrag der Klägerin war abzuweisen.
Die dargestellte Eilbedürftigkeit besteht nur bis zur erstinstanzlichen Entscheidung über den Weiterbeschäftigungsantrag, nicht bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses. Denn die Eilbedürftigkeit folgt – wie dargelegt – daraus, dass noch keine erstinstanzliche Entscheidung im Hauptsacheverfahren ergangen ist.
Eine Androhung von Zwangsmitteln war nicht vorzunehmen (§ 888 Abs. 2 ZPO).
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG i. V. m. § 92 Abs. 1 ZPO.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
Dr. Sievers
Crefeld
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