HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

ARBEITSRECHT AKTUELL // 09/107

Ei­ni­gungs­stel­le bei Streit über In­for­ma­ti­ons­rech­te des Wirt­schafts­aus­schus­ses setzt ak­tu­el­les Aus­kunfts­ver­lan­gen vor­aus

Ei­ne Ei­ni­gungs­stel­le nach § 109 Be­trVG hat nicht die Auf­ga­be, nach­träg­lich fest­zu­stel­len, ob dem Wirt­schafts­aus­schuss be­stimm­te In­for­ma­tio­nen ge­nau­er hät­ten er­teilt wer­den sol­len: Lan­des­ar­beits­ge­richt Köln, Be­schluss vom 02.03.2009, 2 TaBV 111/08
Die Ei­ni­gungs­stel­le nach § 109 Be­trVG soll ak­tu­el­le In­for­ma­ti­ons­de­fi­zi­te rasch be­he­ben

23.06.2009. Die Ei­ni­gungs­stel­le, die ge­mäß §109 Be­triebs­ver­fas­sungs­ge­setz (Be­trVG) bei Strei­tig­kei­ten über In­for­ma­ti­ons­rech­te des Wirt­schafts­aus­schus­ses an­ge­ru­fen wer­den kann, hat nach ei­ner ak­tu­el­len Ent­schei­dung des Lan­des­ar­beits­ge­richts (LAG) Köln nicht die Auf­ga­be, ver­gan­ge­ne Vor­gän­ge recht­lich zu be­wer­ten.

Ob be­stimm­te, vom Wirt­schafts­aus­schuss ver­lang­te und vom Ar­beit­ge­ber er­teil­te In­for­ma­tio­nen zu spät oder zu un­ge­nau oder un­voll­stän­dig er­teilt wor­den sind, ist ei­ne recht­li­che Be­wer­tung ver­gan­ge­ner Vor­gän­ge, die au­ßer­halb der Zu­stän­dig­keit der Ei­ni­gungs­stel­le ge­mäß § 109 Be­trVG liegt.

Ein An­trag auf die ge­richt­li­che Ein­set­zung ei­ner Ei­ni­gungs­stel­le mit ei­ner der­ar­ti­gen Ziel­set­zung ist da­her we­gen "of­fen­kun­di­ger Un­zu­stän­dig­keit" der be­an­trag­ten Ei­ni­gungs­stel­le ab­zu­wei­sen: LAG Köln, Be­schluss vom 02.03.2009, 2 TaBV 111/08.

Was gehört zu den Auf­ga­ben ei­ner Ei­ni­gungs­stel­le gemäß § 109 Satz 1 Be­trVG?

In Un­ter­neh­men mit in der Re­gel mehr als 100 ständig beschäftig­ten Ar­beit­neh­mern ist ein Wirt­schafts­aus­schuss zu er­rich­ten, der als Hilfs­or­gan des Be­triebs­rats An­sprech­part­ner des Ar­beit­ge­bers in wirt­schaft­li­chen Fra­gen ist.

Der Ar­beit­ge­ber hat den Wirt­schafts­aus­schuss gemäß § 106 Abs. 2 Be­triebs­ver­fas­sungs­ge­setz (Be­trVG) recht­zei­tig und um­fas­send über die wirt­schaft­li­chen An­ge­le­gen­hei­ten des Un­ter­neh­mens un­ter Vor­la­ge der er­for­der­li­chen Un­ter­la­gen zu un­ter­rich­ten, so­weit da­durch nicht die Be­triebs- und Geschäfts­ge­heim­nis­se des Un­ter­neh­mens gefähr­det wer­den, so­wie die sich dar­aus er­ge­ben­den Aus­wir­kun­gen auf die Per­so­nal­pla­nung dar­zu­stel­len. Bei Streit über den Um­fang der Pflicht des Ar­beit­ge­bers, dem Wirt­schafts­aus­schuss Auskünf­te zu er­tei­len und Un­ter­la­gen vor­zu­le­gen, ent­schei­det aus Gründen der Wah­rung der Be­triebs- und Geschäfts­ge­heim­nis­se des Ar­beit­ge­bers gemäß § 109 Be­trVG nicht das Ar­beits­ge­richt, son­dern die Ei­ni­gungs­stel­le.

Al­ler­dings ist das Ar­beits­ge­richt gemäß § 98 Ar­beits­ge­richts­ge­setz (ArbGG) dafür zuständig, über die Er­rich­tung und Be­set­zung ei­ner Ei­ni­gungs­stel­le im Sin­ne von § 109 Be­trVG zu ent­schei­den, wenn sich Ar­beit­ge­ber und Be­triebs­rat nicht nur über den Um­fang der dem Wirt­schafts­aus­schuss zu er­tei­len­den In­for­ma­tio­nen strei­ten, son­dern auch über die Fra­ge, ob nun­mehr die Ei­ni­gungs­stel­le tätig wer­den soll.

Auf­grund der mit ei­nem Ver­fah­ren vor der Ei­ni­gungs­stel­le ver­bun­de­nen Kos­ten genügt in der Re­gel be­reits die An­ru­fung der Ei­ni­gungs­stel­le durch den Be­triebs­rat bzw. die da­mit ver­bun­de­ne Dro­hung mit ei­nem ge­richt­li­chen Ei­ni­gungs­stel­len­be­set­zungs­ver­fah­ren, um den Ar­beit­ge­ber zur Er­tei­lung von In­for­ma­tio­nen und zur Vor­la­ge von Un­ter­la­gen zu be­we­gen. Ärger­lich ist aus Sicht des Be­triebs­rats nur hin und wie­der, dass die­se Ko­ope­ra­ti­on des Ar­beit­ge­bers mit mehr oder we­ni­ger er­heb­li­cher Zeit­verzöge­rung er­folgt.

Frag­lich ist da­her, ob ein lau­fen­des Ge­richts­ver­fah­ren zur Ein­set­zung ei­ner Ei­ni­gungs­stel­le gemäß § 109 Be­trVG auch dann noch auf­recht­er­hal­ten wer­den kann, wenn der Ar­beit­ge­ber un­ter dem Druck des lau­fen­den Ge­richts­ver­fah­rens und zur Ver­mei­dung der (ge­richt­li­chen Ein­set­zung der) Ei­ni­gungs­stel­le In­for­ma­tio­nen und Un­ter­la­gen her­ausrückt. Kann die Ei­ni­gungs­stel­le dann nachträglich fest­stel­len, dass be­stimm­te In­for­ma­tio­nen früher hätten er­teilt wer­den können?

Mit die­ser Fra­ge be­fasst sich ein Be­schluss des Lan­des­ar­beits­ge­richts (LAG) Köln vom 02.03.2009, 2 TaBV 111/08.

Bon­ner Großun­ter­neh­men strei­tet mit dem Be­triebs­rat darüber, ob die dem Wirt­schafts­aus­schuss ge­ge­be­nen In­for­ma­tio­nen zu ei­ner ge­plan­ten Zu­sam­men­le­gung von Stand­or­ten aus­rei­chend wa­ren

Ein bun­des­weit täti­ges Un­ter­neh­men plan­te be­gin­nend ab Sep­tem­ber 2008 ei­ne Be­triebsände­rung in Form der Zu­sam­men­le­gung bzw. Kon­zen­tra­ti­on von Stand­or­ten. Hierüber in­for­mier­te sie im Lau­fe des Sep­tem­ber und des Ok­to­ber 2008 mehr­fach so­wohl den Wirt­schafts­aus­schuss als auch den Be­triebs­rat. Die­ser war trotz­dem mit der In­for­ma­ti­ons­po­li­tik des Un­ter­neh­mens nicht zu­frie­den und be­an­trag­te am 10. Ok­to­ber 2008 beim Ar­beits­ge­richt Bonn die Ein­set­zung ei­ner Ei­ni­gungs­stel­le.

Am 16.10.2008 über­mit­tel­te der Wirt­schafts­aus­schus­ses dem Ar­beit­ge­ber ei­nen 18 Punk­te um­fas­sen­den Fra­gen­ka­ta­log, der am 21.10.2008 per E-Mail be­ant­wor­tet wur­de. Dar­auf­hin stell­te der Be­triebs­rat am 22.10.2008 ergänzen­de Fra­gen, die am 24.10.2008 be­ant­wor­tet wur­den.

Mit Blick auf die­ses Hin und Her er­wei­ter­te er am 31.10.2008 im Ge­richts­ver­fah­ren die dort anhängi­gen Anträge im Be­schluss­ver­fah­ren da­hin­ge­hend, dass die Ei­ni­gungs­stel­le auch da­zu ein­ge­setzt wer­den sol­le, um fest­zu­stel­len, dass die vom Wirt­schafts­aus­schuss mit Schrei­ben vom 16.10.2008 ver­lang­ten Auskünf­te un­genügend er­teilt wor­den sei­en.

Das Ar­beits­ge­richt gab den zu­letzt ge­stell­ten Anträgen des Be­triebs­rats teil­wei­se statt, in­dem es mit Be­schluss vom 05.11.2008 ei­nen Ei­ni­gungs­stel­len­vor­sit­zen­den be­stell­te, und zwar zu ei­ner Ei­ni­gungs­stel­le gemäß § 109 Be­trVG zu den The­men

  1. Ver­pflich­tung des Ar­beit­ge­bers, dem Wirt­schafts­aus­schuss den vollständi­gen Busi­ness-Ca­se zum Pro­jekt "FIT" nebst der Wirt­schaft­lich­keits­be­rech­nung die­ses Pro­jekts vor­zu­le­gen und die be­ab­sich­tig­ten Maßnah­men um­fas­send zu erläutern und zu be­gründen so­wie
  2. fest­zu­stel­len, dass die vom Wirt­schafts­aus­schuss mit Schrei­ben vom 16.10.2008 ver­lang­te Aus­kunft (Fra­gen­ka­ta­log) un­genügend er­teilt wor­den ist.

Hier­ge­gen le­gen der Ar­beit­ge­ber Be­schwer­de zum Lan­des­ar­beits­ge­richt Köln ein.

LAG Köln: Ei­ne Ei­ni­gungs­stel­le nach § 109 Be­trVG hat nicht die Auf­ga­be, nach­träg­lich fest­zu­stel­len, ob dem Wirt­schafts­aus­schuss be­stimm­te In­for­ma­tio­nen ge­nau­er hät­ten er­teilt wer­den sol­len

Das Lan­des­ar­beits­ge­richt Köln gab der Be­schwer­de statt und hob den Be­schluss des Ar­beits­ge­richts Bonn auf. Zur Be­gründung be­zieht sich das Ge­richt auf § 98 Abs.1 Satz 2 ArbGG, wo­nach ein An­trag auf Ei­ni­gungs­stel­len­be­set­zung vom Ge­richt we­gen feh­len­der Zuständig­keit der Ei­ni­gungs­stel­le zurück­ge­wie­sen wer­den kann, wenn die Ei­ni­gungs­stel­le of­fen­kun­dig un­zuständig ist. Das war hier nach An­sicht des LAG Köln der Fall.

Da­zu ver­weist das LAG Köln zum ei­nen dar­auf, dass ei­ne Ver­pflich­tung zur Vor­la­ge des „Busi­ness-Ca­se“ zu der ge­plan­ten Be­triebsände­rung zwi­schen den Par­tei­en zu­letzt nicht mehr strei­tig war, da der Ar­beit­ge­ber die mit Busi­ness-Ca­se ge­mein­ten Do­ku­men­te be­reits vor­ge­legt und erläutert hat­te. Falls der Be­triebs­rat, so das LAG, hier ergänzen­de oder zusätz­li­che Erläute­run­gen be­gehrt, so müss­te er zunächst ein­mal außer­ge­richt­lich mit die­sem Be­geh­ren an den Ar­beit­ge­ber her­an­tre­ten. Erst im Wei­ge­rungs- bzw. Streit­fall wäre dann das Ar­beits­ge­richt zuständig, um über ei­ne Ei­ni­gungs­stel­le gemäß § 109 Be­trVG zu ent­schei­den.

Im übri­gen ist das LAG Köln der An­sicht, dass auch die zwei­te, der Ei­ni­gungs­stel­le im Be­schluss des Ar­beits­ge­richts Bonn vom 04.11.2008 zu­ge­wie­se­ne Auf­ga­be kein aus­rei­chen­der Grund für ei­ne ge­richt­li­che Ei­ni­gungs­stel­len­be­set­zung sein könne. Die Ei­ni­gungs­stel­le hat im Fal­le des § 109 Be­trVG nämlich nicht die Auf­ga­be, so das Ge­richt, ei­nen in der Ver­gan­gen­heit lie­gen­den Sach­ver­halt im We­ge ei­ner Fest­stel­lung recht­lich zu klären. Da­her liegt die vom Ar­beits­ge­richt Bonn der Ei­ni­gungs­stel­le zu­ge­wie­se­ne Auf­ga­be ei­ner rück­wir­ken­den Klärung, dass bzw. ob die vom Wirt­schafts­aus­schuss mit Schrei­ben vom 16.10.2008 ver­lang­te Aus­kunft (Fra­gen­ka­ta­log) un­genügend er­teilt wor­den ist, von vorn­her­ein außer­halb der ge­setz­li­chen Zuständig­keit der Ei­ni­gungs­stel­le im Sin­ne von § 109 Be­trVG.

Dem Lan­des­ar­beits­ge­richt Köln ist zu­zu­stim­men, da die Ei­ni­gungs­stel­le in den Fällen des § 109 Be­trVG den Zweck hat, ak­tu­el­le bzw. an­dau­ern­de Strei­tig­kei­ten um den Um­fang der In­for­ma­ti­ons­pflich­ten des Ar­beit­ge­bers zu klären. In die­sen Fällen ist der di­rek­te We­ge zum Ar­beits­ge­richt ver­sperrt. Hat sich der Ar­beit­ge­ber da­ge­gen aus Sicht des Be­triebs­rats in der Ver­gan­gen­heit nicht kor­rekt ver­hal­ten, al­so z.B. In­for­ma­tio­nen zu spät er­teilt oder Un­ter­la­gen verzögert über­reicht, kann dies un­mit­tel­bar in ei­nem ar­beits­ge­richt­li­chen Be­schluss­ver­fah­ren geklärt wer­den. Hier wäre ei­ne Ei­ni­gungs­stel­le da­her überflüssig..

Fa­zit: Die Dro­hung mit der Ei­ni­gungs­stel­le und mit ei­nem ge­richt­li­chen Ver­fah­ren der Ei­ni­gungs­stel­len­be­set­zung ist für den Be­triebs­rat ein sinn­vol­les Druck­mit­tel, so­lan­ge Streit über In­for­ma­ti­ons­pflich­ten des Ar­beit­ge­bers ge­genüber dem Wirt­schafts­aus­schuss be­steht. Hat sich ein sol­cher Streit fak­tisch er­le­digt, soll­te der Be­triebs­rat auch ein Ei­ni­gungs­stel­len­be­set­zungs­ver­fah­ren nicht mehr wei­ter be­trei­ben.

Nähe­re In­for­ma­tio­nen fin­den Sie hier:

Letzte Überarbeitung: 6. Juli 2016

Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:

Dr. Martin Hensche
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hensche@hensche.de
Christoph Hildebrandt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hildebrandt@hensche.de
Nina Wesemann
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Kontakt:
040 / 69 20 68 04
wesemann@hensche.de

Bewertung:

Auf Facebook teilen Auf Google+ teilen Ihren XING-Kontakten zeigen Beitrag twittern

 

Für Personaler, betriebliche Arbeitnehmervertretungen und andere Arbeitsrechtsprofis: "Update Arbeitsrecht" bringt Sie regelmäßig auf den neusten Stand der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung. Informationen zu den Abo-Bedingungen und ein kostenloses Ansichtsexemplar finden Sie hier:

Alle vierzehn Tage alles Wichtige
verständlich / aktuell / praxisnah

HINWEIS: Sämtliche Texte dieser Internetpräsenz mit Ausnahme der Gesetzestexte und Gerichtsentscheidungen sind urheberrechtlich geschützt. Urheber im Sinne des Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (UrhG) ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Martin Hensche, Lützowstraße 32, 10785 Berlin.

Wörtliche oder sinngemäße Zitate sind nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung des Urhebers bzw. bei ausdrücklichem Hinweis auf die fremde Urheberschaft (Quellenangabe iSv. § 63 UrhG) rechtlich zulässig. Verstöße hiergegen werden gerichtlich verfolgt.

© 1997 - 2024:
Rechtsanwalt Dr. Martin Hensche, Berlin
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Lützowstraße 32, 10785 Berlin
Telefon: 030 - 26 39 62 0
Telefax: 030 - 26 39 62 499
E-mail: hensche@hensche.de