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BAG, Ur­teil vom 21.10.2009, 5 AZR 951/08

   
Schlagworte: Mindestlohn, Leiharbeit, Arbeitnehmerüberlassung, Zeitarbeit, Equal pay
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 5 AZR 951/08
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 21.10.2009
   
Leitsätze: Ein beim Entleiher als Maler eingesetzter Leiharbeitnehmer hat nur dann Anspruch auf den tariflichen Mindestlohn, wenn der Entleiherbetrieb in den betrieblichen Geltungsbereich des Tarifvertrags zur Regelung eines Mindestlohns für gewerbliche Arbeitnehmer im Maler- und Lackiererhandwerk fällt.
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Hannover, Urteil vom 08.11.2007, 13 Ca 277/07
Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 2.10.2008, 7 Sa 462/08
   


BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT


5 AZR 951/08
7 Sa 462/08
Lan­des­ar­beits­ge­richt
Nie­der­sach­sen

 

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am

21. Ok­to­ber 2009

UR­TEIL

Met­ze, Ur­kunds­be­am­ter

der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen

Kläger, Be­ru­fungs­be­klag­ter und Re­vi­si­onskläger,

pp.

Be­klag­te, Be­ru­fungskläge­rin und Re­vi­si­ons­be­klag­te,

hat der Fünf­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der Be­ra­tung vom 21. Ok­to­ber 2009 durch den Vi­ze­präsi­den­ten des Bun­des­ar­beits­ge­richts Dr. Müller-Glöge, den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Prof. Dr. Mi­kosch, die Rich­te­rin am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Laux so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Prof. Dr. Dr. hc. Hromad­ka und Busch­mann für Recht er­kannt:
 


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1. Die Re­vi­si­on des Klägers ge­gen das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts Nie­der­sach­sen vom 2. Ok­to­ber 2008 - 7 Sa 462/08 - wird zurück­ge­wie­sen.


2. Der Kläger hat die Kos­ten der Re­vi­si­on zu tra­gen.

Von Rechts we­gen!

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten über Min­dest­lohn­ansprüche. 


Der Kläger, ge­lern­ter Ma­ler, ist seit 2006 bei der Be­klag­ten, ei­nem Zeit­ar­beits­un­ter­neh­men, als Pro­duk­ti­ons­hel­fer/Hilfs­kraft beschäftigt. Von Fe­bru­ar bis April 2007 wur­de der Kläger bei ei­ner Kun­din der Be­klag­ten, der Z Ge­sell­schaft mbH, zu Ma­ler­ar­bei­ten ein­ge­setzt. Die­ses Un­ter­neh­men be­treibt kei­nen Ma­ler- oder La­ckie­rer­be­trieb. Die Be­klag­te zahl­te für die dort ge­leis­te­ten 235,5 St­un­den den ar­beits­ver­trag­lich ver­ein­bar­ten Brut­to­stun­den­lohn iHv. 7,00 Eu­ro.


Der Kläger macht gel­tend, ihm ste­he als Leih­ar­beit­neh­mer der St­un­den­lohn nach dem Ta­rif­ver­trag zur Re­ge­lung ei­nes Min­dest­lohns für ge­werb­li­che Ar­beit­neh­mer im Ma­ler- und La­ckie­rer­hand­werk (im Fol­gen­den: TV-Min­dest­lohn) iHv. 7,85 Eu­ro brut­to zu.

Der Kläger hat - so­weit für die Re­vi­si­on noch von In­ter­es­se - be­an­tragt, die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an den Kläger 200,18 Eu­ro brut­to nebst Zin­sen iHv. fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz aus 62,05 Eu­ro seit dem 21. März 2007, aus 51,00 Eu­ro seit dem 21. April 2007 und aus 87,13 Eu­ro seit dem 21. Mai 2007 zu zah­len.


Die Be­klag­te hat Kla­ge­ab­wei­sung be­an­tragt. Die An­wen­dung des Ta­rif­ver­trags zur Re­ge­lung ei­nes Min­dest­lohns für ge­werb­li­che Ar­beit­neh­mer im
 


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Ma­ler- und La­ckie­rer­hand­werk set­ze vor­aus, dass der Ent­lei­her­be­trieb in den be­trieb­li­chen Gel­tungs­be­reich des TV-Min­dest­lohn fal­le.

Das Ar­beits­ge­richt hat der Kla­ge statt­ge­ge­ben. Auf die Be­ru­fung der Be­klag­ten hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Mit der vom Be­ru­fungs­ge­richt zu­ge­las­se­nen Re­vi­si­on be­gehrt der Kläger die Wie­der­her­stel­lung des erst­in­stanz­li­chen Ur­teils.

Ent­schei­dungs­gründe

I. Die Re­vi­si­on ist un­be­gründet. Dem Kläger steht der er­ho­be­ne An­spruch auf Zah­lung des ta­rif­li­chen Min­dest­lohns für ge­werb­li­che Ar­beit­neh­mer im Ma­ler- und La­ckie­rer­hand­werk nicht zu.


1. Der An­spruch auf Zah­lung ei­nes ta­rif­li­chen Min­dest­stun­den­lohns iHv. 7,85 Eu­ro brut­to er­gibt sich nicht aus § 4 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1 TVG. Der Kläger ist nicht ta­rif­ge­bun­den und der TV-Min­dest­lohn ist nicht nach den Vor­schrif­ten des TVG für all­ge­mein­ver­bind­lich erklärt wor­den.


2. Die An­wend­bar­keit des Min­dest­lohns für Ma­ler folgt auch nicht aus § 1 Satz 3 der Drit­ten Ver­ord­nung über zwin­gen­de Ar­beits­be­din­gun­gen im Ma­ler-und La­ckie­rer­hand­werk vom 31. Au­gust 2005. Die­se Ver­ord­nung er­streckt zwar die Gel­tung der Ta­rif­nor­men auf nicht ta­rif­ge­bun­de­ne Ar­beit­ge­ber und Ar­beit­neh­mer, setzt aber vor­aus, dass de­ren Ar­beits­verhält­nis­se in den räum­li­chen, be­trieb­li­chen und persönli­chen Gel­tungs­be­reich des Ta­rif­ver­trags fal­len. Der Ein­satz von Leih­ar­beit­neh­mern in Ent­lei­her­be­trie­ben außer­halb des be­trieb­li­chen Gel­tungs­be­reichs des Ta­rif­ver­trags wird von der Ver­ord­nung nicht ge­re­gelt. Des­halb be­darf die von der Be­klag­ten auf­ge­wor­fe­ne Fra­ge nach der Wirk­sam­keit die­ser Ver­ord­nung (vgl. OVG Ber­lin-Bran­den­burg 18. De­zem­ber 2008 - 1 B 13.08 - ZTR 2009, 207) kei­ner Ent­schei­dung.
 


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a) Wird ein Leih­ar­beit­neh­mer von ei­nem Ent­lei­her mit Tätig­kei­ten beschäftigt, die in den Gel­tungs­be­reich der Drit­ten Ver­ord­nung fal­len, so hat ihm der Ver­lei­her nach § 1 Satz 3 der Ver­ord­nung das im Ta­rif­ver­trag ge­re­gel­te Min­des­tent­gelt zu gewähren. Die Ver­ord­nung enthält selbst kei­ne aus­drück­li­che Re­ge­lung ih­res Gel­tungs­be­reichs. Sie ver­weist auf den Gel­tungs­be­reich des Ta­rif­ver­trags zur Re­ge­lung ei­nes Min­dest­lohns für ge­werb­li­che Ar­beit­neh­mer im Ma­ler- und La­ckie­rer­hand­werk ein­sch­ließlich An­hang. Da­mit müssen der räum­li­che, persönli­che und be­trieb­li­che Gel­tungs­be­reich die­ses Ta­rif­ver­trags eröff­net sein. Al­lein der Um­stand, dass ein Leih­ar­beit­neh­mer ei­ne Tätig­keit als Ma­ler ver­rich­tet, be­gründet noch kei­nen An­spruch auf den ta­rif­li­chen Min­dest­lohn im Ma­ler- und La­ckie­rer­ge­wer­be. Nach § 1 Abs. 2 Ziff. 1 TV-Min­dest­lohn gehören zum be­trieb­li­chen Gel­tungs­be­reich al­le Be­trie­be des Ma­ler- und La­ckie­rer­hand­werks. Um ei­nen sol­chen han­delt es sich bei dem Be­trieb des Ent­lei­hers der Be­klag­ten, in dem der Kläger im streit­be­fan­ge­nen Zeit­raum ein­ge­setzt wur­de, nicht.

b) Die Drit­te Ver­ord­nung ent­spricht mit die­ser Be­schränkung ih­res Gel­tungs­be­reichs § 1 Abs. 2a AEntG in der bis zum 30. Ju­ni 2007 gel­ten­den Fas­sung (heu­te § 8 Abs. 3 AEntG). Da­nach hat der Ver­lei­her dem Leih­ar­beit­neh­mer, den er mit Tätig­kei­ten beschäftigt, die in den Gel­tungs­be­reich ei­nes für all­ge­mein­ver­bind­lich erklärten Ta­rif­ver­trags oder ei­ner Rechts­ver­ord­nung nach § 1 Abs. 3a AEntG aF fal­len, die in die­sem Ta­rif­ver­trag oder die­ser Rechts­ver­ord­nung vor­ge­schrie­be­nen Ar­beits­be­din­gun­gen zu gewähren. Dies ent­spricht dem Zweck des § 1 Abs. 2a AEntG aF. Das am 1. März 1996 in Kraft ge­tre­te­ne AEntG ent­hielt ursprüng­lich kei­ne Re­ge­lung für Leih­ar­beit­neh­mer. Ei­ne Re­ge­lung hier­zu wur­de erst durch das Ers­te SGB III-Ände­rungs­ge­setz vom 16. De­zem­ber 1997 (BGBl. I S. 2970 ff.) auf­grund der Be­schluss­emp­feh­lung und des Be­richts des Aus­schus­ses für Ar­beit und So­zi­al­ord­nung vom 12. No­vem­ber 1997 (BT-Drucks. 13/8994 S. 39, 70) ein­gefügt. Mit der Ergänzung des AEntG soll­te ver­hin­dert wer­den, dass Ar­beit­ge­ber auf den Ein­satz von Leih­ar­beit­neh­mern aus­wei­chen, um sich der An­wen­dung des AEntG im Be­reich des Bau­ne­ben­ge­wer­bes zu ent­zie­hen (Ko­ber­ski/Ass­hoff/Hold AEntG 2. Aufl. § 1 Rn. 185 f.). Die Re­ge­lung soll­te al­so die Fälle er­fas­sen, in de­nen der
 


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Ent­lei­her­be­trieb selbst in den Gel­tungs­be­reich des AEntG fiel, die An­wen­dung des AEntG aber durch den Ein­satz von Leih­ar­beit­neh­mern un­ter­lief. In den An­wen­dungs­be­reich des AEntG aF fie­len aber nur Ent­lei­her­be­trie­be, die die Vor­aus­set­zun­gen des § 1 Abs. 1 Satz 1 AEntG aF erfüll­ten, dh. Be­trie­be, die über­wie­gend Bau­leis­tun­gen er­brach­ten. So erklärt sich auch, dass die Re-ge­lung für Leih­ar­beit­neh­mer in­ner­halb des AEntG und nicht des AÜG ge­schaf­fen wur­de.


Käme es da­ge­gen, wie der Kläger meint, al­lein auf „Tätig­kei­ten“ aus dem Be­reich des Ma­ler- und La­ckie­rer­ge­wer­bes im Ent­lei­her­be­trieb an, führ­te dies zu ei­nem Wer­tungs­wi­der­spruch, weil der Ent­lei­her­be­trieb an ge­werb­li­che Ar­beit­neh­mer, die bei ihm selbst an­ge­stellt sind, nicht den ta­rif­li­chen Min­dest-lohn des Ma­ler- und La­ckie­rer­hand­werks gewähren müss­te. Die­ser Wi­der­spruch lässt sich nicht da­mit recht­fer­ti­gen, Leih­ar­beit­neh­mern müsse we­gen der schwie­ri­gen Fest­stell­bar­keit des be­trieb­li­chen Gel­tungs­be­reichs des Ent­lei­her­be­triebs auf­grund kurz­fris­ti­ger Einsätze ei­ne von die­sem un­abhängi­ge und ge­ge­be­nen­falls höhe­re Vergütung zu­ste­hen.


Die wei­te­re Ent­wick­lung der ge­setz­li­chen Re­ge­lun­gen ei­nes Min­dest­lohn­an­spruchs für Leih­ar­beit­neh­mer spricht nicht ge­gen die­se Aus­le­gung des Ge­set­zes. Denn die nach­fol­gen­den Ände­run­gen des AEntG be­tra­fen nicht die An­spruchs­vor­aus­set­zun­gen, son­dern be­schränk­ten sich auf re­dak­tio­nel­le Punk­te (vgl. § 1 Abs. 2a, 3a AEntG idF des Ge­set­zes zu Kor­rek­tu­ren in der So­zi­al­ver­si­che­rung und zur Si­che­rung der Ar­beit­neh­mer­rech­te vom 19. De­zem­ber 1998, BGBl. I S. 3843, 3850 f.; idF des Ers­ten Ge­set­zes für mo­der­ne Dienst­leis­tun­gen am Ar­beits­markt vom 23. De­zem­ber 2002, BGBl. I S. 4607, 4619; idF des Ge­set­zes zur Förde­rung ganzjähri­ger Beschäfti­gung vom 24. April 2006, BGBl. I S. 926, 932; idF des Ers­ten Ge­set­zes zur Ände­rung des Ar­beit­neh­mer-Ent­sen­de­ge­set­zes vom 25. April 2007, BGBl. I S. 576).
 


II. Die Kos­ten­ent­schei­dung be­ruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Müller-Glöge 

Mi­kosch 

Laux

Hromad­ka 

Busch­mann

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