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BVerfG, Be­schluss vom 06.07.2010, 2 BvL 13/09

   
Schlagworte: Häusliches Arbeitszimmer, Gleichheit vor dem Gesetz, Werbungskosten
   
Gericht: Bundesverfassungsgericht
Aktenzeichen: 2 BvL 13/09
Typ: Beschluss
Entscheidungsdatum: 06.07.2010
   
Leitsätze:

1. Zur Berücksichtigung der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer im Einkommensteuerrecht.

Vorinstanzen: Finanzgericht Münster, Vorlagebeschluss vom 8.05.2009, 1 K 2872/08 E
   

BUN­DES­VER­FASSUN­GS­GERICHT

- 2 BvL 13/09 -

IM NA­MEN DES VOL­KES

In dem Ver­fah­ren
zur ver­fas­sungs­recht­li­chen Prüfung,

ob durch die im Steu­erände­rungs­ge­setz 2007 vom 19. Ju­li 2006 (BGBl I S. 1652) er-folg­te Ände­rung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG ei­ne Re­ge­lung ge­trof­fen wor­den ist, die in­so­weit ge­gen den Gleich­heits­grund­satz (Art. 3 Abs. 1 GG) verstößt, als der Ab­zug von Auf­wen­dun­gen für ein häus­li­ches Ar­beits­zim­mer auch dann nicht mehr möglich ist, wenn für die be­trieb­li­che oder be­ruf­li­che Tätig­keit kein an­de­rer Ar­beits­platz zur Verfügung steht,

- Aus­set­zungs- und Vor­la­ge­be­schluss des Fi­nanz­ge­richts Müns­ter vom 8. Mai 2009 - 1 K 2872/08 E -

hat das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt - Zwei­ter Se­nat - un­ter Mit­wir­kung der Rich­te­rin­nen und Rich­ter
Präsi­dent Voßkuh­le,

Broß,

Os­ter­loh,

Di Fa­bio,

Mel­ling­hoff,

Lübbe-Wolff,

Ger­hardt,

Land­au

am 6. Ju­li 2010 be­schlos­sen:

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§ 4 Ab­satz 5 Satz 1 Num­mer 6b des Ein­kom­men­steu­er­ge­set­zes in der seit In­kraft­tre­ten des Steu­erände­rungs­ge­set­zes 2007 vom 19. Ju­li 2006 (Bun­des­ge­setz­blatt I Sei­te 1652) gel­ten­den Fas­sung ist mit Ar­ti­kel 3 Ab­satz 1 des Grund­ge­set­zes un­ver­ein­bar, so­weit das Ab­zugs­ver­bot Auf­wen­dun­gen für ein häus­li­ches Ar­beits­zim­mer auch dann um­fasst, wenn für die be­trieb­li­che oder be­ruf­li­che Tätig­keit kein an­de­rer Ar­beits­platz zur Verfügung steht.

G r ü n d e :

A.

Die Vor­la­ge be­trifft die Fra­ge, ob die Ein­schränkung der steu­er­li­chen Berück­sich­ti­gung von Auf­wen­dun­gen für ein häus­li­ches Ar­beits­zim­mer als Wer­bungs­kos­ten be­zie­hungs­wei­se Be­triebs­aus­ga­ben in­fol­ge der Ände­rung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG durch das Steu­erände­rungs­ge­setz 2007 vom 19. Ju­li 2006 (BGBl I 2006, S. 1652) in­so­weit mit dem Grund­ge­setz, ins­be­son­de­re mit dem all­ge­mei­nen Gleich­heits­satz des Art. 3 Abs. 1 GG, un­ver­ein­bar ist, als der Ab­zug von Auf­wen­dun­gen für ein häus­li­ches Ar­beits­zim­mer auch dann nicht möglich ist, wenn für die be­trieb­li­che oder be­ruf­li­che Tätig­keit kein an­de­rer Ar­beits­platz zur Verfügung steht.

I.

1. Mit dem Jah­res­steu­er­ge­setz 1996 vom 11. Ok­to­ber 1995 (BGBl I S. 1250) wur­de in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG erst­mals ei­ne sach­li­che und be­tragsmäßige Ein­schränkung des Be­triebs­aus­ga­ben- und des Wer­bungs­kos­ten­ab­zugs (§ 9 Abs. 5 Satz 1 EStG) für steu­er­lich an­zu­er­ken­nen­de, aus­sch­ließlich be­trieb­lich oder be­ruf­lich ge­nutz­te häus­li­che Ar­beits­zim­mer ge­setz­lich ge­re­gelt. Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 EStG durf­ten Auf­wen­dun­gen für ein häus­li­ches Ar­beits­zim­mer so­wie die Kos­ten der Aus­stat­tung den Ge­winn nicht min­dern. Ei­ne Aus­nah­me vom Ab­zugs­ver­bot dem Grun­de nach galt nach Satz 2 der Vor­schrift, wenn die be­trieb­li­che oder be­ruf­li­che Nut­zung des Ar­beits­zim­mers mehr als 50 % der ge­sam­ten be­trieb­li­chen und be­ruf­li­chen Tätig­keit be­trug oder wenn für die be­trieb­li­che oder be­ruf­li­che Tätig­keit kein an­de­rer Ar­beits­platz zur Verfügung stand. In die­sem Fall wur­de die Höhe der ab­zieh­ba­ren Auf­wen­dun­gen zunächst auf 2.400 DM, später mit der Um­stel­lung auf den Eu­ro durch das Steu­er-
 


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Eu­roglättungs­ge­setz vom 19. De­zem­ber 2000 (BGBl I S. 1790) auf 1.250 Eu­ro be­grenzt und ei­ne un­be­schränk­te Ab­zugsmöglich­keit nur noch zu­ge­las­sen, wenn das Ar­beits­zim­mer den Mit­tel­punkt der ge­sam­ten be­trieb­li­chen und be­ruf­li­chen Tätig­keit bil­de­te (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 EStG in der Fas­sung des Jah­res­steu­er­ge­set­zes 1996).

2. Das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt hat in sei­nem Ur­teil vom 7. De­zem­ber 1999 (BVerfGE 101, 297) die Ver­fas­sungsmäßig­keit des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG in der Fas­sung des Jah­res­steu­er­ge­set­zes 1996 be­jaht. Die Be­gren­zung der Ab­zugsfähig­keit der Auf­wen­dun­gen für das häus­li­che Ar­beits­zim­mer sei sach­lich ge­recht­fer­tigt, da ei­ne Nach­prüfung der Nut­zung durch die Fi­nanz­behörden we­gen des en­gen Zu­sam­men­hangs zur Sphäre der pri­va­ten Le­bensführung und des Schut­zes durch Art. 13 GG we­sent­lich ein­ge­schränkt oder gar unmöglich sei. Auch die Höhe des zulässi­gen Ab­zugs be­geg­ne kei­nen ver­fas­sungs­recht­li­chen Be­den­ken, da das Ein­kom­men­steu­er­ge­setz durch die Fest­le­gung ei­ner ty­pi­sie­ren­den Höchst­gren­ze in­di­vi­du­ell ge­stalt­ba­re Be­son­der­hei­ten un­berück­sich­tigt las­sen könne. Das Ent­fal­len der Höchst­gren­ze für Steu­er­pflich­ti­ge, bei de­nen das häus­li­che Ar­beits­zim­mer den Mit­tel­punkt der be­trieb­li­chen und be­ruf­li­chen Tätig­keit bil­det, ha­be vor der Ver­fas­sung eben­falls Be­stand. Der Ge­setz­ge­ber be­mes­se hier un­ter­schied­li­che Rechts­fol­gen nach der Er­for­der­lich­keit der Auf­wen­dun­gen. Auch wenn die­se Er­for­der­lich­keit in der Re­gel nicht Vor­aus­set­zung der Wer­bungs­kos­ten sei, könne sie zur ty­pi­sie­ren­den Ab­gren­zung von Er­werbs- und Pri­vat­sphäre her­an­ge­zo­gen wer­den, wenn die­se Le­bens­be­rei­che - wie beim häus­li­chen Ar­beits­zim­mer - we­ni­ger räum­lich-ge­genständ­lich und mehr funk­ti­ons­be­stimmt von­ein­an­der ge­trennt wer­den müss­ten. In­so­weit sei die Dif­fe­ren­zie­rung nach dem „Mit­tel­punkt“ er­werbs­wirt­schaft­li­cher Tätig­keit sach­ge­recht.

3. Mit dem Steu­erände­rungs­ge­setz 2007 wur­de die Ab­zugsmöglich­keit wei­ter ein­ge­schränkt. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG er­laubt den Ab­zug der Auf­wen­dun­gen für ein häus­li­ches Ar­beits­zim­mer so­wie die Kos­ten der Aus­stat­tung nur noch, wenn das Ar­beits­zim­mer den Mit­tel­punkt der ge­sam­ten be­trieb­li­chen und be­ruf­li­chen Betäti­gung bil­det. In die­sem Fall sind die Auf­wen­dun­gen in vol­ler Höhe steu­er­lich ab­zugsfähig. § 9 Abs. 5 EStG ord­net die sinn­gemäße An­wen­dung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG für den Be­reich der Über­schuss­einkünf­te im Sin­ne von § 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG an.

Die ein­schlägi­gen Vor­schrif­ten des Ein­kom­men­steu­er­ge­set­zes in der Fas­sung des Steu­erände­rungs­ge­set­zes 2007 lau­ten:

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§ 4 Ge­winn­be­griff im All­ge­mei­nen


(4) Be­triebs­aus­ga­ben sind die Auf­wen­dun­gen, die durch den Be­trieb ver­an­lasst sind.

(5) Die fol­gen­den Be­triebs­aus­ga­ben dürfen den Ge­winn nicht min­dern:

(...)

(Nr. 6b) Auf­wen­dun­gen für ein häus­li­ches Ar­beits­zim­mer so­wie die Kos­ten der Aus­stat­tung. Dies gilt nicht, wenn das Ar­beits­zim­mer den Mit­tel­punkt der ge­sam­ten be­trieb­li­chen und be­ruf­li­chen Betäti­gung bil­det; (...)

§ 9 Wer­bungs­kos­ten

(1) Wer­bungs­kos­ten sind Auf­wen­dun­gen zur Er­wer­bung, Si­che­rung und Er­hal­tung der Ein­nah­men. Sie sind bei der Ein­kunfts­art ab­zu­zie­hen, bei der sie er­wach­sen sind.


(...)

(5) § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 bis 5, 6b bis 8a, 10, 12 und Abs. 6 so­wie § 4 f gel­ten sinn­gemäß. (...)

§ 52 An­wen­dungs­vor­schrif­ten

(1) Die­se Fas­sung des Ge­set­zes ist, so­weit in den fol­gen­den Absätzen nichts an­de­res be­stimmt ist, erst­mals für den Ver­an­la­gungs­zeit­raum 2007 an­zu­wen­den. Beim Steu­er­ab­zug vom Ar­beits­lohn gilt Satz 1 mit der Maßga­be, dass die­se Fas­sung erst­mals auf den lau­fen­den Ar­beits­lohn an­zu­wen­den ist, der für ei­nen nach dem 31. De­zem­ber 2006 en­den­den Lohn­zah­lungs­zeit­raum ge­zahlt wird, und auf sons­ti­ge Bezüge, die nach dem 31. De­zem­ber 2006 zu­fließen. (...)


II.

1. Die Kläger des Aus­gangs­ver­fah­rens sind zu­sam­men ver­an­lag­te Ehe­gat­ten. Der Kläger er­ziel­te im Jahr 2007 als Haupt­schul­leh­rer Einkünf­te aus nicht­selbständi­ger Ar­beit (§ 19 EStG). Zur Vor­be­rei­tung sei­nes Un­ter­richts nutz­te er täglich für zwei St­un­den ein aus­sch­ließlich be­ruf­lich ge­nutz­tes häus­li­ches Ar­beits­zim­mer von 10 qm, was 11 % der Ge­samtfläche sei­nes Hau­ses ent­spricht. Die vom Kläger be­an­trag­te Zu­wei­sung ei­nes Ar­beits­plat­zes in der Schu­le zur Vor- und Nach­be­rei­tung des Un­ter­richts so­wie für die Kor­rek­tur der schrift­li­chen Ar­bei­ten war vom Schulträger ab­ge­lehnt wor­den. Der Kläger be­an­trag­te in der Ein­kom­men­steue­rer-

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klärung für das Jahr 2007 die Berück­sich­ti­gung von Auf­wen­dun­gen für das häus­li­che Ar­beits­zim­mer in Höhe von 892 Eu­ro und wei­te­rer Wer­bungs­kos­ten in Höhe von ins­ge­samt 736 Eu­ro. Die Kläge­rin mach­te Wer­bungs­kos­ten in Höhe von ins­ge­samt 766 Eu­ro gel­tend. Das Fi­nanz­amt ließ bei der Fest­set­zung der Steu­er die Auf­wen­dun­gen des Klägers in Höhe von 892 Eu­ro für das häus­li­che Ar­beits­zim­mer un­berück­sich­tigt. Dies führ­te zum An­satz des Ar­beit­neh­mer­pausch­be­trags nach § 9a Satz 1 Nr. 1a EStG in Höhe von 920 Eu­ro. Die nach er­folg­lo­sem Ein­spruch er­ho­be­ne Kla­ge we­gen der Nicht­berück­sich­ti­gung der Auf­wen­dun­gen für das häus­li­che Ar­beits­zim­mer führ­te zur Vor­la­ge des Fi­nanz­ge­richts Müns­ter nach Art. 100 Abs. 1 GG.

2. Das vor­le­gen­de Ge­richt ist da­von über­zeugt, dass die Vor­schrift des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG in der Fas­sung des Steu­erände­rungs­ge­set­zes 2007 in­so­weit ver­fas­sungs­wid­rig ist, als die Auf­wen­dun­gen ei­nes Steu­er­pflich­ti­gen für ein häus­li­ches Ar­beits­zim­mer auch dann nicht die Einkünf­te min­dern dürfen, wenn für die be­trieb­li­che oder be­ruf­li­che Tätig­keit kein an­de­rer Ar­beits­platz zur Verfügung steht. Zur Be­gründung sei­ner Auf­fas­sung führt es im We­sent­li­chen aus:

a) § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG sei we­gen Ver­s­toßes ge­gen das in Art. 3 Abs. 1 GG ver­an­ker­te Prin­zip der Be­steue­rung nach der fi­nan­zi­el­len Leis­tungsfähig­keit und ge­gen das Ge­bot der Fol­ge­rich­tig­keit ver­fas­sungs­wid­rig. Ei­ne ver­fas­sungs­kon­for­me Aus­le­gung ins­be­son­de­re des Be­griffs „Mit­tel­punkt der ge­sam­ten be­trieb­li­chen und be­ruf­li­chen Betäti­gung“ da­hin­ge­hend, dass ein häus­li­ches Ar­beits­zim­mer auch dann vor­lie­ge, wenn ein an­de­rer Ar­beits­platz nicht zur Verfügung ste­he, sei nach dem Wort­laut der Vor­schrift und dem klar er­kenn­ba­ren Wil­len des Ge­setz­ge­bers nicht möglich.

b) Die Auf­wen­dun­gen für ein häus­li­ches Ar­beits­zim­mer so­wie die Kos­ten der Aus­stat­tung gehörten zu den die ein­kom­men­steu­er­li­che Be­mes­sungs­grund­la­ge min­dern­den Er­werbs­auf­wen­dun­gen. Sie sei­en in dem Fall, dass für die be­trieb­li­che und be­ruf­li­che Tätig­keit kein an­de­rer Ar­beits­platz zur Verfügung ste­he, nicht we­sent­lich pri­vat ver­an­lasst. Es han­de­le sich des­halb um Be­triebs­aus­ga­ben im Sin­ne des § 4 Abs. 4 EStG be­zie­hungs­wei­se um Wer­bungs­kos­ten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG. Folg­lich gehörten die Auf­wen­dun­gen zu den im Rah­men des ob­jek­ti­ven Net­to­prin­zips ab­zugsfähi­gen Auf­wen­dun­gen, auch wenn sie die pri­va­te Le­bensführung berühr­ten. Die Er­stre­ckung des Ab­zugs­ver­bots auch auf die Fälle, in de­nen für die be­trieb­li­che oder be­ruf­li­che Tätig­keit kein an­de­rer Ar­beits­platz zur Verfügung ste­he, oh­ne dass das häus­li­che Ar­beits­zim­mer den Mit­tel­punkt der ge-

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sam­ten be­trieb­li­chen und be­ruf­li­chen Tätig­keit bil­de, wei­che da­nach von der fol­ge­rich­ti­gen Um­set­zung der mit dem ob­jek­ti­ven Net­to­prin­zip ge­trof­fe­nen Be­las­tungs­ent­schei­dung ab.

c) Die­se Ein­schränkung des ob­jek­ti­ven Net­to­prin­zips sei nicht durch hin­rei­chen­de sach­li­che Gründe ge­recht­fer­tigt. Die vom Ge­setz­ge­ber mit der Neu­re­ge­lung be­ab­sich­tig­te Haus­halts­kon­so­li­die­rung könne für sich al­lein die Ab­kehr vom Ver­an­las­sungs­prin­zip nicht recht­fer­ti­gen. Förde­rungs- oder Len­kungs­zwe­cke, die Grund­la­ge ei­ner sach­li­chen Recht­fer­ti­gung für ei­ne Ab­wei­chung vom Ver­an­las­sungs­prin­zip sein könn­ten, lägen nicht vor.

Auch wer­de die Neu­re­ge­lung den ver­fas­sungs­recht­li­chen An­for­de­run­gen an ei­ne ty­pi­sie­ren­de Re­ge­lung nicht ge­recht. Der Ge­setz­ge­ber ha­be sich nicht am Re­gel­fall ori­en­tiert, son­dern den ty­pi­schen Fall, bei dem für ei­ne be­trieb­li­che oder be­ruf­li­che Tätig­keit kein an­de­rer Ar­beits­platz zur Verfügung ste­he, vom Ab­zug in vol­ler Höhe aus­ge­schlos­sen. Ei­ne für die Ty­pi­sie­rung er­for­der­li­che em­pi­ri­sche Be­ob­ach­tung sei nicht er­kenn­bar.

Ei­ne Recht­fer­ti­gung er­ge­be sich auch nicht un­ter dem As­pekt der Miss­brauchs­ab­wehr. Ei­ne be­son­de­re Miss­brauchs­ge­fahr sei bei Steu­er­pflich­ti­gen, de­nen kein an­de­rer Ar­beits­platz zur Verfügung ste­he, im Verhält­nis zu an­de­ren Steu­er­pflich­ti­gen mit ei­nem häus­li­chen Ar­beits­zim­mer im An­wen­dungs­be­reich der Ab­zugsmöglich­keit des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG, aber auch zu sol­chen mit ei­nem außerhäus­li­chen Ar­beits­zim­mer, für das kein Ab­zugs­ver­bot gel­te, nicht zu er­ken­nen. Auch Letz­te­re könn­ten das Ar­beits­zim­mer steu­erschädlich pri­vat nut­zen. Die Kon­troll­ein­schränkun­gen sei­en in al­len Fällen gleich.

III.

Zu dem Nor­men­kon­troll­ver­fah­ren ha­ben sich das Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Fi­nan­zen für die Bun­des­re­gie­rung so­wie der IV. und VI. Se­nat des Bun­des­fi­nanz­hofs geäußert.

1. Die Bun­des­re­gie­rung ist der Auf­fas­sung, dass § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG in der Fas­sung des Steu­erände­rungs­ge­set­zes 2007 nicht ge­gen die Ver­fas­sung ver­s­toße.
 


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a) Bei den Auf­wen­dun­gen für ein häus­li­ches Ar­beits­zim­mer han­de­le es sich um ge­misch­te Auf­wen­dun­gen, die nur aus­nahms­wei­se nach dem ob­jek­ti­ven Net­to­prin­zip zu berück­sich­ti­gen sei­en. Vor­aus­set­zung sei, dass sich der be­ruf­lich ge­nutz­te An­teil in leicht nach­prüfba­rer Wei­se von dem pri­vat ge­nutz­ten An­teil ab­gren­zen las­se und nicht nur ei­ne un­ter­ge­ord­ne­te Be­deu­tung ha­be. Dies sei in Be­zug auf die Auf­wen­dun­gen für ein häus­li­ches Ar­beits­zim­mer in der Pra­xis nicht der Fall, so dass mit der Ge­set­zesände­rung le­dig­lich ei­ne Rück­kehr zur Aus­gangs­sys­te­ma­tik voll­zo­gen wer­de. Dies ent­spre­che dem Ge­bot der Fol­ge­rich­tig­keit.

b) Selbst wenn das ob­jek­ti­ve Net­to­prin­zip zur An­wen­dung ge­lan­ge, sei sei­ne Durch­bre­chung auf­grund der Streit­anfällig­keit der Re­ge­lung ge­recht­fer­tigt. Zu­dem sei die tatsächli­che Nut­zung des Ar­beits­zim­mers kaum kon­trol­lier­bar. In­dem der Ge­setz­ge­ber mit der Neu­re­ge­lung nur noch auf den Mit­tel­punkt der be­trieb­li­chen und be­ruf­li­chen Tätig­keit und da­mit auf die Er­for­der­lich­keit der Nut­zung ab­stel­le, würden die ver­fas­sungs­recht­li­chen Gren­zen zulässi­ger Ty­pi­sie­rung ge­wahrt. Die Er­for­der­lich­keit des Auf­wands sei zwar grundsätz­lich kein We­sens­merk­mal des Be­triebs­aus­ga­ben- und Wer­bungs­kos­ten­be­griffs. Es han­de­le sich aber ins­be­son­de­re dann um ein sach­lich ge­eig­ne­tes Merk­mal für die An­er­ken­nung als Be­triebs­aus­ga­ben oder Wer­bungs­kos­ten, wenn Auf­wen­dun­gen die pri­va­te Le­bensführung berühr­ten oder in ei­ner Sphäre an­fie­len, die sich ei­ner si­che­ren Nach­prüfung durch Fi­nanz­ver­wal­tung und Fi­nanz­ge­rich­te entzögen.

2. Der IV. Se­nat des Bun­des­fi­nanz­hofs teilt im We­sent­li­chen die Auf­fas­sung des vor­le­gen­den Fi­nanz­ge­richts. Die Neu­re­ge­lung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG ver­s­toße ge­gen Art. 3 Abs. 1 GG, da sie die ge­setz­ge­be­ri­sche Ent­schei­dung, den Ab­zug von Auf­wen­dun­gen für ein häus­li­ches Ar­beits­zim­mer zu be­schränken, nicht fol­ge­rich­tig um­set­ze. Die Neu­re­ge­lung be­nach­tei­li­ge oh­ne sach­li­che Recht­fer­ti­gung Steu­er­pflich­ti­ge, de­nen für ih­re be­trieb­li­che oder be­ruf­li­che Tätig­keit kein an­de­rer Ar­beits­platz zur Verfügung ste­he und bei de­nen das Ar­beits­zim­mer nicht den Mit­tel­punkt der ge­sam­ten be­trieb­li­chen und be­ruf­li­chen Tätig­keit bil­de, ge­genüber den Steu­er­pflich­ti­gen, bei de­nen die­se Vor­aus­set­zung erfüllt sei. Die Fest­stel­lung, ob dem Steu­er­pflich­ti­gen für sei­ne be­trieb­li­che oder be­ruf­li­che Tätig­keit ein an­de­rer Ar­beits­platz zur Verfügung ste­he, sei nicht streit­anfälli­ger als die Fest­stel­lung, ob das Ar­beits­zim­mer den Mit­tel­punkt der ge­sam­ten be­trieb­li­chen oder be­ruf­li­chen Tätig­keit des Steu­er­pflich­ti­gen bil­de.

3. Der VI. Se­nat des Bun­des­fi­nanz­hofs ver­weist in sei­ner Stel­lung­nah­me auf die Ausführun­gen in sei­nem Be­schluss vom 25. Au­gust 2009 - VI B 69/09 - (BSt­Bl

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II S. 826 = BFHE 226, 85), mit dem er die Aus­set­zung der Voll­zie­hung der Ein­kom­men­steu­er auf­grund ver­fas­sungs­recht­li­cher Zwei­fel an der Gültig­keit des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG gewährt ha­be.

B.

Der Ge­gen­stand der zulässi­gen Vor­la­ge ist zu er­wei­tern.

Das vor­le­gen­de Ge­richt be­schränkt sich bei sei­ner Vor­la­ge zu­tref­fend auf die für das Aus­gangs­ver­fah­ren al­lein ent­schei­den­de Fra­ge, ob durch die im Steu­erände­rungs­ge­setz 2007 vom 19. Ju­li 2006 (BGBl I S. 1652) er­folg­te Ände­rung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG ei­ne Re­ge­lung ge­trof­fen wor­den ist, die in­so­weit ge­gen den Gleich­heits­grund­satz (Art. 3 Abs. 1 GG) verstößt, als der Ab­zug von Auf­wen­dun­gen für ein häus­li­ches Ar­beits­zim­mer auch dann nicht mehr möglich ist, wenn für die be­trieb­li­che oder be­ruf­li­che Tätig­keit kein an­de­rer Ar­beits­platz zur Verfügung steht. Das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt ist je­doch nicht dar­auf be­schränkt, die Ver­fas­sungsmäßig­keit ei­ner Norm nur un­ter dem­je­ni­gen ver­fas­sungs­recht­li­chen Ge­sichts­punkt zu prüfen, den das vor­le­gen­de Ge­richt zur Prüfung stellt. Viel­mehr ist die Norm in­so­weit, als sie zulässi­ger­wei­se vor­ge­legt wor­den ist, un­ter al­len denk­ba­ren ver­fas­sungs­recht­li­chen Ge­sicht­punk­ten Ge­gen­stand des Ver­fah­rens (vgl. BVerfGE 90, 226 <236>; 93, 121 <133>; 120, 125 <143 f.>; 122, 210 <228 f.>). Die Prüfung er­streckt sich da­her auf die Neu­re­ge­lung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG in der Fas­sung des Steu­erände­rungs­ge­set­zes 2007 in ih­rer Ge­samt­aus­wir­kung und um­fasst auch die Fra­ge, ob der Aus­schluss des Ab­zugs von Auf­wen­dun­gen für ein häus­li­ches Ar­beits­zim­mer mit Art. 3 Abs. 1 GG ver­ein­bar ist, so­weit die be­ruf­li­che oder be­trieb­li­che Nut­zung des Ar­beits­zim­mers mehr als 50 % der ge­sam­ten be­ruf­li­chen oder be­trieb­li­chen Tätig­keit beträgt.

Im Übri­gen be­schränkt sich die Vor­la­ge­fra­ge nach ih­rem Wort­laut zwar auf Satz 2 des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG, nach ih­rem Sinn ist sie je­doch auch auf Satz 1 der Norm zu er­stre­cken, denn erst aus dem Zu­sam­men­wir­ken bei­der Sätze folgt das vom vor­le­gen­den Ge­richt für ver­fas­sungs­wid­rig er­ach­te­te kon­kre­te Ab-zugs­ver­bot.

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C.


§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG in der seit In­kraft­tre­ten des Steu­erände­rungs­ge­set­zes 2007 gel­ten­den Fas­sung verstößt ge­gen Art. 3 Abs. 1 GG, so­weit Auf­wen­dun­gen für ein aus­sch­ließlich be­trieb­lich oder be­ruf­lich ge­nutz­tes häus­li­ches Ar­beits­zim­mer auch dann von der steu­er­li­chen Berück­sich­ti­gung aus­ge­schlos­sen sind, wenn für die be­trieb­li­che oder be­ruf­li­che Tätig­keit kein an­de­rer Ar­beits­platz zur Verfügung steht.

I.

1. Der all­ge­mei­ne Gleich­heits­satz (Art. 3 Abs. 1 GG) ge­bie­tet dem Ge­setz­ge­ber, we­sent­lich Glei­ches gleich und we­sent­lich Un­glei­ches un­gleich zu be­han­deln (vgl. BVerfGE 116, 164 <180>; 122, 210 <230>; stRspr). Er gilt für un­glei­che Be­las­tun­gen wie auch für un­glei­che Begüns­ti­gun­gen (BVerfGE 110, 412 <431>; 116, 164 <180>; 122, 210 <230>). Aus dem all­ge­mei­nen Gleich­heits­satz er­ge­ben sich je nach Re­ge­lungs­ge­gen­stand und Dif­fe­ren­zie­rungs­merk­ma­len un­ter­schied­li­che Gren­zen für den Ge­setz­ge­ber, die vom bloßen Willkürver­bot bis zu ei­ner stren­gen Bin­dung an Verhält­nismäßig­keits­er­for­der­nis­se rei­chen (stRspr; vgl. BVerfGE 110, 274 <291>; 112, 164 <174>; 116, 164 <180>; 122, 210 <230>). Für die An­for­de­run­gen an Recht­fer­ti­gungs­gründe für ge­setz­li­che Dif­fe­ren­zie­run­gen kommt es we­sent­lich dar­auf an, in wel­chem Maß sich die Un­gleich­be­hand­lung von Per­so­nen oder Sach­ver­hal­ten auf die Ausübung grund­recht­lich geschütz­ter Frei­hei­ten aus-wir­ken kann (stRspr; vgl. BVerfGE 112, 164 <174>; 122, 210 <230>). Ge­naue­re Maßstäbe und Kri­te­ri­en dafür, un­ter wel­chen Vor­aus­set­zun­gen der Ge­setz­ge­ber den Gleich­heits­satz ver­letzt, las­sen sich nicht abs­trakt und all­ge­mein, son­dern nur in Be­zug auf die je­weils be­trof­fe­nen un­ter­schied­li­chen Sach- und Re­ge­lungs­be­rei­che be­stim­men (stRspr; vgl. BVerfGE 105, 73 <111>; 107, 27 <45 f.>; 112, 268 <279>; 122, 210 <230>).

2. a) Im Be­reich des Steu­er­rechts hat der Ge­setz­ge­ber bei der Aus­wahl des Steu­er­ge­gen­stan­des und bei der Be­stim­mung des Steu­er­sat­zes ei­nen weit­rei­chen­den Ent­schei­dungs­spiel­raum (vgl. BVerfGE 93, 121 <136>; 107, 27 <47>; 117, 1 <30>; 122, 210 <230>). Die grundsätz­li­che Frei­heit des Ge­setz­ge­bers, die­je­ni­gen Sach­ver­hal­te zu be­stim­men, an die das Ge­setz die­sel­ben Rechts­fol­gen knüpft und die es so als recht­lich gleich qua­li­fi­ziert, wird hier, ins­be­son­de­re im Be­reich des Ein­kom­men­steu­er­rechts, vor al­lem durch zwei eng mit­ein­an­der ver­bun­de­ne Leit­li­ni­en be­grenzt: durch das Ge­bot der Aus­rich­tung der Steu­er­last am Prin­zip der fi­nan­zi­el­len Leis­tungsfähig­keit und durch das Ge­bot der Fol­ge­rich­tig­keit

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(vgl. BVerfGE 105, 73 <125>; 107, 27 <46 f.>; 116, 164 <180>; 117, 1 <30>; 122, 210 <231>). Da­nach muss im In­ter­es­se ver­fas­sungs­recht­lich ge­bo­te­ner steu­er­li­cher Last­en­gleich­heit (vgl. BVerfGE 84, 239 <268 ff.>) dar­auf ab­ge­zielt wer­den, Steu­er­pflich­ti­ge bei glei­cher Leis­tungsfähig­keit auch gleich hoch zu be­steu­ern (ho­ri­zon­ta­le Steu­er­ge­rech­tig­keit), während (in ver­ti­ka­ler Rich­tung) die Be­steue­rung höhe­rer Ein­kom­men im Ver­gleich mit der Steu­er­be­las­tung nied­ri­ge­rer Ein­kom­men an­ge­mes­sen sein muss (vgl. BVerfGE 82, 60 <89>; 99, 246 <260>; 107, 27 <46 f.>; 116, 164 <180>; 122, 210 <231>). Bei der Aus­ge­stal­tung des steu­er­recht­li­chen Aus­gangs­tat­be­stands muss die ein­mal ge­trof­fe­ne Be­las­tungs­ent­schei­dung fol­ge­rich­tig im Sin­ne der Be­las­tungs­gleich­heit um­ge­setzt wer­den. Aus­nah­men von ei­ner sol­chen fol­ge­rich­ti­gen Um­set­zung bedürfen ei­nes be­son­de­ren sach­li­chen Grun­des (vgl. BVerfGE 99, 88 <95>; 99, 280 <290>; 105, 73 <126>; 107, 27 <47>; 116, 164 <180 f.>; 117, 1 <31>; 122, 210 <231>).


b) Als be­son­de­re sach­li­che Gründe für Aus­nah­men von ei­ner fol­ge­rich­ti­gen Um­set­zung und Kon­kre­ti­sie­rung steu­er­ge­setz­li­cher Be­las­tungs­ent­schei­dun­gen hat das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt in sei­ner bis­he­ri­gen Recht­spre­chung (vgl., auch zum Fol­gen­den, näher BVerfGE 122, 210 <231 ff.>) vor al­lem außer­fis­ka­li­sche Förde­rungs- und Len­kungs­zwe­cke so­wie Ty­pi­sie­rungs- und Ver­ein­fa­chungs­er­for­der­nis­se an­er­kannt, nicht je­doch den rein fis­ka­li­schen Zweck staat­li­cher Ein­nah­men­erhöhung.

Ins­be­son­de­re ist die Be­fug­nis des Ge­setz­ge­bers zur Ver­ein­fa­chung und Ty­pi­sie­rung zu be­ach­ten: Je­de ge­setz­li­che Re­ge­lung muss ver­all­ge­mei­nern. Bei der Ord­nung von Mas­sen­er­schei­nun­gen ist der Ge­setz­ge­ber be­rech­tigt, die Viel­zahl der Ein­z­elfälle in dem Ge­samt­bild zu er­fas­sen, das nach den ihm vor­lie­gen­den Er­fah­run­gen die re­ge­lungs­bedürf­ti­gen Sach­ver­hal­te zu­tref­fend wie­der­gibt (vgl. BVerfGE 11, 245 <254>; 78, 214 <227>; 84, 348 <359>; 122, 210 <232>). Auf die­ser Grund­la­ge darf er grundsätz­lich ge­ne­ra­li­sie­ren­de, ty­pi­sie­ren­de und pau­scha­lie­ren­de Re­ge­lun­gen tref­fen, oh­ne al­lein schon we­gen der da­mit un­ver­meid­lich ver­bun­de­nen Härten ge­gen den all­ge­mei­nen Gleich­heits­satz zu ver­s­toßen (vgl. BVerfGE 84, 348 <359>; 113, 167 <236>; stRspr). Ty­pi­sie­rung be­deu­tet, be­stimm­te in we­sent­li­chen Ele­men­ten gleich ge­ar­te­te Le­bens­sach­ver­hal­te nor­ma­tiv zu­sam­men­zu­fas­sen. Be­son­der­hei­ten, die im Tatsächli­chen durch­aus be­kannt sind, können ge­ne­ra­li­sie­rend ver­nachlässigt wer­den. Der Ge­setz­ge­ber darf sich grundsätz­lich am Re­gel­fall ori­en­tie­ren und ist nicht ge­hal­ten, al­len Be­son­der­hei­ten je­weils durch Son­der­re­ge­lun­gen Rech­nung zu tra­gen (vgl. BVerfGE 82, 159 <185 f.>; 96, 1 <6>). Die ge­setz­li­chen Ver­all­ge­mei­ne­run­gen müssen al­ler­dings

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von ei­ner möglichst brei­ten, al­le be­trof­fe­nen Grup­pen und Re­ge­lungs­ge­genstände ein­sch­ließen­den Be­ob­ach­tung aus­ge­hen (vgl. BVerfGE 84, 348 <359>; 87, 234 <255>; 96, 1 <6>). Ins­be­son­de­re darf der Ge­setz­ge­ber für ei­ne ge­setz­li­che Ty­pi­sie­rung kei­nen aty­pi­schen Fall als Leit­bild wählen, son­dern muss rea­litäts­ge­recht den ty­pi­schen Fall als Maßstab zu­grun­de le­gen (BVerfGE 116, 164 <182 f.>; 122, 210 <233>; stRspr).

3. Die für die Last­en­gleich­heit im Ein­kom­men­steu­er­recht maßgeb­li­che fi­nan­zi­el­le Leis­tungsfähig­keit be­misst der ein­fa­che Ge­setz­ge­ber nach dem ob­jek­ti­ven und dem sub­jek­ti­ven Net­to­prin­zip. Im Rah­men des ob­jek­ti­ven Net­to­prin­zips hat der Ge­setz­ge­ber des Ein­kom­men­steu­er­ge­set­zes die Zu­ord­nung von Auf­wen­dun­gen zum be­trieb­li­chen be­zie­hungs­wei­se be­ruf­li­chen Be­reich, de­ret­we­gen die­se Auf­wen­dun­gen von den Ein­nah­men grundsätz­lich ab­zu­zie­hen sind, da­nach vor­ge­nom­men, ob ei­ne be­trieb­li­che be­zie­hungs­wei­se be­ruf­li­che Ver­an­las­sung be­steht (vgl. § 4 Abs. 4, § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG). Da­ge­gen min­dern Auf­wen­dun­gen für die Le­bensführung außer­halb des Rah­mens von Son­der­aus­ga­ben und außer­gewöhn­li­chen Be­las­tun­gen gemäß § 12 Nr. 1 EStG nicht die ein­kom­men­steu­er­li­che Be­mes­sungs­grund­la­ge.

Das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt hat bis­her of­fen ge­las­sen, ob das ob­jek­ti­ve Net­to­prin­zip, wie es in § 2 Abs. 2 EStG zum Aus­druck kommt, Ver­fas­sungs­rang hat; je­den­falls aber kann der Ge­setz­ge­ber die­ses Prin­zip beim Vor­lie­gen ge­wich­ti­ger Gründe durch­bre­chen und sich da­bei ge­ne­ra­li­sie­ren­der, ty­pi­sie­ren­der und pau­scha­lie­ren­der Re­ge­lun­gen be­die­nen (vgl. BVerfGE 81, 228 <237>; 107, 27 <48> m.w.N.). Hier­nach ent­fal­tet schon das ein­fach­recht­li­che ob­jek­ti­ve Net­to­prin­zip Be­deu­tung vor al­lem im Zu­sam­men­hang mit den An­for­de­run­gen an hin­rei­chen­de Fol­ge­rich­tig­keit bei der nähe­ren Aus­ge­stal­tung der ge­setz­ge­be­ri­schen Grund­ent­schei­dun­gen. Die Be­schränkung des steu­er­li­chen Zu­griffs nach Maßga­be des ob­jek­ti­ven Net­to­prin­zips als Aus­gangs­tat­be­stand der Ein­kom­men­steu­er gehört zu die­sen Grund­ent­schei­dun­gen, so dass Aus­nah­men von der fol­ge­rich­ti­gen Um­set­zung der mit dem ob­jek­ti­ven Net­to­prin­zip ge­trof­fe­nen Be­las­tungs­ent­schei­dung ei­nes be­son­de­ren, sach­lich recht­fer­ti­gen­den Grun­des bedürfen (vgl. BVerfGE 99, 280 <290>; 107, 27 <48>; 122, 210 <234>). Auf die­ser Grund­la­ge kann die Fra­ge nach dem Ver­fas­sungs­rang des ob­jek­ti­ven Net­to­prin­zips auch hier of­fen blei­ben.

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II.


Nach den dar­ge­leg­ten Maßstäben verstößt § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG in der Fas­sung des Steu­erände­rungs­ge­set­zes 2007 ge­gen den all­ge­mei­nen Gleich­heits­satz des Art. 3 Abs. 1 GG.

1. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG weicht mit der Be­gren­zung ab­zugsfähi­gen Auf­wan­des für ein aus­sch­ließlich be­trieb­lich oder be­ruf­lich ge­nutz­tes häus­li­ches Ar­beits­zim­mer von dem das Ein­kom­men­steu­er­recht prägen­den ob­jek­ti­ven Net­to­prin­zip ab, nach dem be­trieb­lich oder be­ruf­lich ver­an­lass­te Auf­wen­dun­gen als Be­triebs­aus­ga­ben nach § 4 Abs. 4 EStG oder als Wer­bungs­kos­ten nach § 9 Abs. 1 EStG von der Be­mes­sungs­grund­la­ge ab­zieh­bar sind. Ein aus­sch­ließlich be­ruf­lich ge­nutz­tes Ar­beits­zim­mer führt je­den­falls dem Grun­de nach zu be­ruf­lich ver­an­lass­tem Auf­wand, der als „ty­pi­scher“ Er­werbs­auf­wand nach dem ob­jek­ti­ven Net­to­prin­zip grundsätz­lich von der Be­mes­sungs­grund­la­ge ab­zu­zie­hen ist und nicht dem Ab­zugs­ver­bot des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG un­terfällt (vgl. be­reits BVerfGE 101, 297 <311>). Als ei­ne be­nach­tei­li­gen­de Aus­nah­me von ei­ner Be­las­tungs­grund­ent­schei­dung des Ein­kom­men­steu­er­ge­setz­ge­bers be­darf die­se Re­ge­lung des­halb ei­nes be­son­de­ren sach­li­chen Grun­des, um den An­for­de­run­gen des all­ge­mei­nen Gleich­heits­sat­zes zu genügen.

2. Mit dem weit­ge­hen­den Aus­schluss ab­zugsfähi­ger Auf­wen­dun­gen für ein häus­li­ches Ar­beits­zim­mer als Be­triebs­aus­ga­ben oder Wer­bungs­kos­ten be­ab­sich­tig­te der Ge­setz­ge­ber er­kenn­bar kei­nen grundsätz­li­chen Sys­tem­wech­sel bei der Ab­gren­zung sol­cher Aus­ga­ben, so dass in­so­weit die Möglich­keit ei­nes be­son­ders wei­ten ge­setz­ge­be­ri­schen Ge­stal­tungs­raums von vorn­her­ein aus­schei­det (vgl. BVerfGE 122, 210 <241 ff.>). Es han­delt sich bei der Neu­re­ge­lung viel­mehr um ei­ne Son­der­be­stim­mung für ei­nen Teil­be­reich von Auf­wen­dun­gen, der we­gen der not­wen­di­gen Ab­gren­zung zwi­schen Pri­vat­sphäre und Be­rufs­sphäre im Ver­wal­tungs­voll­zug als be­son­ders pro­ble­ma­tisch be­wer­tet wur­de.

3. Die im Ge­setz­ge­bungs­ver­fah­ren an­geführ­ten fis­ka­li­schen Gründe (vgl. BT­Drucks 16/1545, S. 1, 8, 12) sind nicht ge­eig­net, die Neu­re­ge­lung vor dem all­ge­mei­nen Gleich­heits­satz zu recht­fer­ti­gen. Das Ziel der Ein­nah­men­ver­meh­rung stellt für sich ge­nom­men kei­nen hin­rei­chen­den sach­li­chen Grund für Aus­nah­men von ei­ner fol­ge­rich­ti­gen Aus­ge­stal­tung ein­kom­men­steu­er­recht­li­cher Be­las­tungs­ent­schei­dun­gen dar. Dem Ziel der Ein­nah­men­ver­meh­rung dient je­de, auch ei­ne willkürli­che steu­er­li­che Mehr­be­las­tung. Für die ver­fas­sungs­ge­rech­te Ver­tei­lung von Mehr­be­las­tun­gen der Steu­er­pflich­ti­gen nach dem Maßstab der fi­nan­zi­el­len
 


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Leis­tungsfähig­keit enthält der Ein­nah­men­er­zie­lungs­zweck kein Richt­maß (vgl. BVerfGE 122, 210 <236 f.>).

4. Förde­rungs- und Len­kungs­zwe­cke kom­men als mögli­che Grund­la­ge sach­li­cher Recht­fer­ti­gung hier nicht in Be­tracht. Es fehlt in­so­weit an der für ei­ne recht­fer­ti­gen­de Wir­kung von steu­er­recht­li­chen Len­kungs­zwe­cken er­for­der­li­chen er­kenn­ba­ren ge­setz­ge­be­ri­schen Ent­schei­dung (stRspr, vgl. BVerfGE 122, 210 <232> m.w.N.). Der Um­stand, dass im Ge­setz­ge­bungs­ver­fah­ren als ge­setz­ge­be­ri­sches Ziel auch der Ab­bau steu­er­li­cher Sub­ven­tio­nie­rung ge­nannt wor­den ist (BT­Drucks 16/2028, S. 9), führt zu kei­ner ab­wei­chen­den Qua­li­fi­ka­ti­on.

5. So­weit die Neu­re­ge­lung die steu­er­li­che Berück­sich­ti­gung von Auf­wen­dun­gen für ein häus­li­ches Ar­beits­zim­mer auch dann aus­sch­ließt, wenn für die be­trieb­li­che oder be­ruf­li­che Tätig­keit kein an­de­rer Ar­beits­platz zur Verfügung steht, fin­det die Ab­wei­chung vom ob­jek­ti­ven Net­to­prin­zip auch kei­ne hin­rei­chen­de sach­li­che Le­gi­ti­ma­ti­on in der Ty­pi­sie­rungs­kom­pe­tenz des Ge­setz­ge­bers, denn sie genügt nicht den ver­fas­sungs­recht­li­chen An­for­de­run­gen an ty­pi­sie­ren­de Re­ge­lun­gen (vgl. oben C. I. 2. b>).

a) Zwar be­steht in Be­zug auf ei­ne sach­ge­rech­te Be­gren­zung der Ab­zugsfähig­keit von Auf­wen­dun­gen für ein häus­li­ches Ar­beits­zim­mer ein er­heb­li­cher Ge­stal­tungs­raum des Ge­setz­ge­bers so­wohl dem Grun­de als auch der Höhe nach, da ei­ne ef­fek­ti­ve Kon­trol­le der tatsächli­chen Nut­zung häus­li­cher Ar­beits­zim­mer we­gen des en­gen Zu­sam­men­hangs zur Sphäre der pri­va­ten Le­bensführung und des Schut­zes durch Art. 13 GG we­sent­lich ein­ge­schränkt oder gar unmöglich ist (BVerfGE 101, 297 <311>). In­di­vi­du­ell ge­stal­te­te Be­son­der­hei­ten dürfen hier mit der Fest­set­zung ei­ner ty­pi­sie­ren­den Höchst­gren­ze un­berück­sich­tigt blei­ben (vgl. BVerfGE 101, 297 <311 f.>, im An­schluss an BVerfGE 96, 1 <7>). An­ge­sichts der mögli­chen vielfälti­gen Fak­to­ren, von de­nen die Ent­schei­dun­gen der Steu­er­pflich­ti­gen über La­ge, Größe und Qua­lität ih­rer Woh­nung ein­sch­ließlich ei­nes Ar­beits­zim­mers abhängen, ist ins­be­son­de­re der An­satz ei­ner grob pau­scha­lie­ren­den Höchst­gren­ze, wie sie et­wa nach der Vorgänger­re­ge­lung be­stimmt war, ver­fas­sungs­recht­lich un­be­denk­lich (vgl. BVerfGE 101, 297 <311 f.>). Dem Ge­setz­ge­ber bleibt es auch un­be­nom­men, bei der Be­stim­mung des Höchst­be­tra­ges die ob­jek­tiv ge­ge­be­ne, staat­lich je­doch nicht be­ob­acht­ba­re Möglich­keit pri­va­ter Mit­be­nut­zung des häus­li­chen Ar­beits­zim­mers pau­schal zu berück­sich­ti­gen.

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b) Die Neu­re­ge­lung ver­fehlt je­doch das Ge­bot ei­ner hin­rei­chend rea­litäts­ge­rech­ten Ty­pi­sie­rung, so­weit sie die Berück­sich­ti­gung von Auf­wen­dun­gen für das häus­li­che Ar­beits­zim­mer auch dann aus­sch­ließt, wenn für die be­trieb­li­che oder be­ruf­li­che Tätig­keit kein an­de­rer Ar­beits­platz zur Verfügung steht. Bei die­ser Fall-grup­pe han­delt es sich um sol­che Fälle, in de­nen die Er­for­der­lich­keit ei­nes häus­li­chen Ar­beit­plat­zes durch ob­jek­ti­ve Merk­ma­le be­stimmt ist. Zwar ist die Er­for­der­lich­keit kei­ne all­ge­mei­ne Vor­aus­set­zung für die Qua­li­fi­ka­ti­on von Er­werbs­auf­wen­dun­gen, und zwar aus­weis­lich der An­ge­mes­sen­heits­re­gel des § 4 Abs. 5 Nr. 7 EStG auch dann nicht, wenn sol­che Auf­wen­dun­gen die Le­bensführung des Steu­er­pflich­ti­gen berühren. Die er­kenn­bar ge­ge­be­ne Er­for­der­lich­keit fun­giert in die­sem Fall aber als le­gi­ti­mes Hilfs­mit­tel ei­ner ty­pi­sie­ren­den Ab­gren­zung von Er­werbs-und Pri­vat­sphäre (vgl. BVerfGE 101, 297 <312>). Der Man­gel ei­nes al­ter­na­ti­ven Ar­beits­plat­zes lie­fert die leicht nach­prüfba­re Tat­sa­chen­ba­sis für die Fest­stel­lung der tatsächlich be­trieb­li­chen oder be­ruf­li­chen Nut­zung. Ge­mes­sen an den Zie­len des Ge­set­zes - Ver­ein­fa­chung, Streit­ver­mei­dung und Gleichmäßig­keit der Be­steue­rung (BT­Drucks 16/1545, S. 1, 8, 12) - ver­fehlt des­halb das Ab­zugs­ver­bot für Auf­wen­dun­gen für ein häus­li­ches Ar­beits­zim­mer für die Fall­grup­pe „kein an­de­res Ar­beits­zim­mer“ das Ge­bot hin­rei­chend rea­litäts­ge­rech­ter Ty­pi­sie­rung.

Ab­ge­se­hen von dem Um­stand, dass je­des be­lie­bi­ge Ver­bot des Ab­zugs von Auf­wen­dun­gen von der Be­mes­sungs­grund­la­ge zu ei­ner Ver­ein­fa­chung des Ge­set­zes­voll­zugs in­so­fern führt, als ein Prüfungs­punkt bei der Kon­trol­le der Steu­er­erklärung entfällt, ist es zu­dem zwei­fel­haft, ob die Neu­fas­sung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG ob­jek­tiv am Ziel der Ver­ein­fa­chung ori­en­tiert ist. Ei­ner­seits ist die Er­mitt­lung und Be­stim­mung der un­be­schränkt ab­zugsfähi­gen Kos­ten ei­nes Ar­beits­zim­mers, das den „qua­li­ta­ti­ven“ „Mit­tel­punkt“ der ge­sam­ten be­trieb­li­chen oder be­ruf­li­chen Tätig­keit bil­det (vgl. et­wa BFH BSt­Bl II 2004, S. 59 = BFHE 201, 106; BSt­Bl II 2004, S. 62 = BFHE 201, 93; BFH BSt­Bl II 2004, S. 65 = BFHE 201, 100; BFH BSt­Bl II 2005, S. 212 = BFHE 208, 263; BFH BSt­Bl II 2006, S. 18 = BFHE 210, 493), of­fen­kun­dig auf­wen­dig und streit­anfällig. An­de­rer­seits sind aber der Nach­weis und die Kon­trol­le ei­nes man­geln­den al­ter­na­ti­ven Ar­beits­plat­zes durch Vor­la­ge ei­ner Be­schei­ni­gung des Ar­beit­ge­bers un­kom­pli­ziert, und der Ge­setz­ge­ber verfügt zu­dem über wei­te­re Ver­ein­fa­chungsmöglich­kei­ten wie ei­ne Pau­scha­lie­rung der Auf­wen­dun­gen oder ein Höchst­be­trag, wie et­wa der früher gel­ten­de Be­trag, der in vie­len Fällen un­ter den tatsächli­chen Kos­ten ei­nes an­ge­mes­se­nen Ar­beits­raums lag.

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6. So­weit die be­ruf­li­che Ver­an­las­sung al­lein durch die Nut­zung des Ar­beits­zim­mers von mehr als 50 % der ge­sam­ten be­trieb­li­chen oder be­ruf­li­chen Tätig­keit in­di­ziert wird, verstößt die Er­wei­te­rung des Ab­zugs­ver­bots durch das Steu­erände­rungs­ge­setz 2007 nicht ge­gen Art. 3 Abs. 1 GG. Bei ei­ner ty­pi­sie­ren­den Be­trach­tung ist der Aus­schluss die­ser Fall­grup­pe ver­tret­bar, da der Um­fang der Nut­zung des Ar­beits­zim­mers al­len­falls ein schwa­ches In­diz für des­sen Not­wen­dig­keit ist, so­weit dem Steu­er­pflich­ti­gen von sei­nem Ar­beit­ge­ber ein wei­te­rer Ar­beits­platz zur Verfügung ge­stellt wird. Es fehlt zu­dem an leicht nach­prüfba­ren ob­jek­ti­ven An­halts­punk­ten für die Kon­trol­le der An­ga­ben des Steu­er­pflich­ti­gen zum Um­fang der zeit­li­chen Nut­zung des Ar­beits­zim­mers.


III.

So­weit § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG be­reits we­gen Ver­s­toßes ge­gen Art. 3 Abs. 1 GG ver­fas­sungs­wid­rig ist, kann of­fen blei­ben, ob der Aus­schluss der Ab­zugsfähig­keit der Auf­wen­dun­gen für ein häus­li­ches Ar­beits­zim­mer für den Fall, dass kein an­de­rer Ar­beits­platz vor­han­den ist, auch ge­gen Art. 12 Abs. 1 GG verstößt.

Im Übri­gen wird das Grund­recht der Be­rufs­frei­heit durch die Ver­sa­gung des Ab­zugs von Kos­ten ei­nes häus­li­chen Ar­beits­zim­mers nicht ver­letzt, da ei­ne in den Schutz­be­reich des Art. 12 Abs. 1 GG ein­grei­fen­de (stRspr, z.B. BVerfGE 37, 1 <17>; 47, 1 <21>; 98, 83 <97>; 113, 128 <145>; 123, 132 <139>) be­rufs­re­geln­de Ten­denz der ein­kom­men­steu­er­recht­li­chen Re­ge­lung nicht er­kenn­bar ist. We­der knüpft sie an be­stimm­te Be­ru­fe an, noch zielt sie auf Förde­rung und Len­kung be­stimm­ter Be­rufstätig­kei­ten. Viel­mehr er­fasst sie jeg­li­che auf Ein­nah­men­er­zie­lung ge­rich­te­te Tätig­keit mit dem Ziel, den Net­to­er­trag die­ser Tätig­keit nach dem Maß-stab fi­nan­zi­el­ler Leis­tungsfähig­keit gleichmäßig zu be­stim­men.

D.

I.

1. Der Ver­s­toß ei­ner Norm ge­gen das Grund­ge­setz kann ent­we­der zur Nich­ti­gerklärung (§ 82 Abs. 1 i.V.m. § 78 Satz 1, § 95 Abs. 3 BVerfGG) oder da­zu führen, dass das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt die mit der Ver­fas­sungs­wid­rig­keit ge­ge­be­ne Un­ver­ein­bar­keit der Norm mit dem Grund­ge­setz fest­stellt (vgl. § 31 Abs. 2, § 79 Abs. 1 BVerfGG). Ei­ne Erklärung nur der Un­ver­ein­bar­keit ist ins­be­son­de­re

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ge­bo­ten, wenn der Ge­setz­ge­ber ver­schie­de­ne Möglich­kei­ten hat, den Ver­fas­sungs­ver­s­toß zu be­sei­ti­gen. Das ist re­gelmäßig bei der Ver­let­zung des Gleich­heits­sat­zes der Fall (stRspr; vgl. BVerfGE 99, 280 <298>; 105, 73 <133>; 117, 1 <69>); 122, 210 <245>).

2. Da­nach ist § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG in der Fas­sung des Steu­erände­rungs­ge­set­zes 2007 le­dig­lich für un­ver­ein­bar mit Art. 3 Abs. 1 GG zu erklären, so­weit der Ab­zug von Auf­wen­dun­gen für ein häus­li­ches Ar­beits­zim­mer auch dann aus­ge­schlos­sen ist, wenn für die be­trieb­li­che oder be­ruf­li­che Tätig­keit kein an­de­rer Ar­beits­platz zur Verfügung steht. Dem Ge­setz­ge­ber ste­hen un­ter­schied­lich ty­pi­sie­ren­de und pau­scha­lie­ren­de Ge­stal­tungsmöglich­kei­ten zur Verfügung, um den ver­fas­sungs­wid­ri­gen Zu­stand durch Nor­men zu be­sei­ti­gen, die den ver­fas­sungs­recht­li­chen An­for­de­run­gen an fol­ge­rich­ti­ge Be­las­tungs­ent­schei­dun­gen ent­spre­chen und ein prak­ti­ka­bles Be­steue­rungs­ver­fah­ren gewähr­leis­ten.

II.

Stellt das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt die Un­ver­ein­bar­keit ei­ner Norm mit Art. 3 Abs. 1 GG fest, folgt dar­aus grundsätz­lich die Ver­pflich­tung des Ge­setz­ge­bers, rück­wir­kend, be­zo­gen auf den in der ge­richt­li­chen Fest­stel­lung ge­nann­ten Zeit-punkt, die Rechts­la­ge ver­fas­sungs­gemäß um­zu­ge­stal­ten. Ge­rich­te und Ver­wal­tungs­behörden dürfen die Norm im Um­fang der fest­ge­stell­ten Un­ver­ein­bar­keit nicht mehr an­wen­den, lau­fen­de Ver­fah­ren sind aus­zu­set­zen (stRspr; vgl. BVerfGE 73, 40 <101>; 105, 73 <134>).

Da­nach ist der Ge­setz­ge­ber ver­pflich­tet, den ver­fas­sungs­wid­ri­gen Zu­stand rück­wir­kend auf den 1. Ja­nu­ar 2007, den Be­ginn des An­wen­dungs­zeit­raums des Steu­erände­rungs­ge­set­zes 2007, durch Neu­fas­sung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG zu be­sei­ti­gen. Ei­ne mögli­che Aus­nah­me von die­ser Re­gel­fol­ge der Un­ver­ein­bar­keit, wie sie bei haus­halts­wirt­schaft­lich be­deut­sa­men Nor­men vom Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt wie­der­holt be­jaht wor­den ist (vgl. BVerfGE 93, 121 <148>; 105, 73 <134>; 117, 1 <70>), schei­det vor­lie­gend aus. Es han­delt sich um ei­nen ver­gleichs­wei­se kur­zen An­wen­dungs­zeit­raum der Neu­re­ge­lung, de­ren Ver­fas­sungsmäßig­keit stets um­strit­ten war und für den auch die Fi­nanz­ver­wal­tung be­reits auf Zwei­fel an der Ver­fas­sungsmäßig­keit mit ei­ner vorläufi­gen Re­ge­lung re­agiert hat­te (vgl. u.a. BMF-Schrei­ben vom 6. Ok­to­ber 2009, BSt­Bl I S. 1148, zur Statt­ga­be bei Anträgen auf Aus­set­zung der Voll­zie­hung; BMF-Schrei­ben vom 15. Fe­bru­ar 2010, BSt­Bl I S. 74, u.a. zur vorläufi­gen Steu­er­fest­set­zung).

- 17 -

E.

Die Ent­schei­dung ist mit 5:3 Stim­men er­gan­gen.

Voßkuh­le 

Broß 

Os­ter­loh 

Di Fa­bio 

Mel­ling­hoff 

Lübbe-Wolff

Ger­hardt 

Land­au

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