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HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

BVerfG, Be­schluss vom 09.12.2008, 2 BvR 717/08

   
Schlagworte: Arbeitsvertragsrichtlinien, Kirchenarbeitsrecht, AVR
   
Gericht: Bundesverfassungsgericht
Aktenzeichen: 2 BvR 717/08
Typ: Beschluss
Entscheidungsdatum: 09.12.2008
   
Leitsätze:
Vorinstanzen:
   

BUN­DES­VER­FASSUN­GS­GERICHT

- 2 BvR 717/08 -

In dem Ver­fah­ren
über
die Ver­fas­sungs­be­schwer­de

des Herrn R ...

- Be­vollmäch­tig­te: Rechts­anwälte Dr. Ar­min Sch­wal­fen­berg & Ju­dith Ja­ckel, Ucken­dor­fer Weg 1, 35745 Her­born -

ge­gen a) den Be­schluss der Ver­wal­tungs­kam­mer der Evan­ge­li­schen Kir­che im Rhein­land vom 7. März 2008 - VK 16/2006 -,

b) das Ur­teil der Ver­wal­tungs­kam­mer der Evan­ge­li­schen Kir­che im Rhein­land vom 17. Au­gust 2007 - VK 16/2006 -,

c) den Wi­der­spruchs­be­scheid des Lan­des­kir­chen­am­tes der Evan­ge­li­schen Kir­che im Rhein­land vom 24. Ok­to­ber 2006 - 11-41:R/0293/01 -,

d) den Wi­der­spruchs­be­scheid des Kol­le­gi­ums des Lan­des­kir­chen­am­tes der Evan­ge­li­schen Kir­che im Rhein­land vom 15. Au­gust 2006 - 11-41:R/0293 -,


e) den Be­scheid der Ge­mein­sa­men Ver­sor­gungs­kas­se für Pfar­rer und Kir­chen­be­am­te vom 8. Au­gust 2006 - 55 088 5 -,

f) den Be­scheid des Lan­des­kir­chen­am­tes der Evan­ge­li­schen Kir­che im Rhein­land vom 22. Ju­ni 2006 - 11-41:R/0293 -

hat die 2. Kam­mer des Zwei­ten Se­nats des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts durch
die Rich­ter Broß,
Di Fa­bio
und Land­au
gemäß § 93b in Ver­bin­dung mit § 93a BVerfGG in der Fas­sung der Be­kannt­ma­chung vom 11. Au­gust 1993 (BGBl I S. 1473) am 9. De­zem­ber 2008 ein­stim­mig be­schlos­sen:

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Die Ver­fas­sungs­be­schwer­de wird nicht zur Ent­schei­dung an­ge­nom­men.

G r ü n d e :

Die Ver­fas­sungs­be­schwer­de ist nicht zur Ent­schei­dung an­zu­neh­men, weil die An­nah­me­vor­aus­set­zun­gen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vor­lie­gen.

I.

1. Die Ver­fas­sungs­be­schwer­de ist un­zulässig. Ei­ne Ver­fas­sungs­be­schwer­de kann nach § 90 Abs. 1 BVerfGG nur we­gen Grund­rechts­ver­let­zun­gen durch die "öffent­li­che Ge­walt" er­ho­ben wer­den. Ak­te der öffent­li­chen Ge­walt im Sin­ne die­ser Vor­schrift sind aber nur Maßnah­men al­ler drei grund­rechts­ver­pflich­te­ten Staats­funk­tio­nen, mit­hin al­le Staats­ge­walt (vgl. Be­th­ge, in: Maunz/Schmidt-Bleib­treu/Klein/Be­th­ge, BVerfGG, 25. Erg.-Lief. März 2006, § 90 Rn. 182; Rup­pert, in: Um­bach/Cle­mens/Dol­lin­ger, BVerfGG, 2. Aufl. 2005, § 90 Rn. 53 f.). An­ge­spro­chen sind der (deut­sche) Staat in sei­ner Ein­heit (BVerfGE 4, 27 <30>) und die von ihm aus­ge­hen­den - un­mit­tel­ba­ren oder mit­tel­ba­ren - Ein­wir­kun­gen auf die Sphäre ei­nes Grund­recht­strägers. Folg­lich um­fasst die­ser Be­griff nicht rein in­ner­kirch­li­che Maßnah­men (BVerfGE 18, 385 <386>; stRspr: BVerfGE 42, 312 <334 f.>; 66, 1 <20>; 72, 278 <289>; 111, 1 <5>; BVerfG, Vor­prüfungs­aus­schuss, Be­schluss vom 1. Ju­ni 1983 - 2 BvR 453/83 -, NJW 1983, S. 2569; BVerfG, Vor­prüfungs­aus¬schuss, Be­schluss vom 5. Ju­li 1983 - 2 BvR 514/83 -, NJW 1983, S. 2569 f.; BGHZ 12, 321 <325>; 34, 372 <373 f.>; 46, 96 <99>; BVerw­GE 25, 226 <229 ff.>; 28, 345 <347 f.>; 30, 326 <327 f.>; 66, 241 <244 f.>; 95, 379 <380>; 117, 145 <147>; BVerwG, Ur­teil vom 25. No­vem­ber 1982 - 2 C 38/81 -, Zev­KR 28 <1983>, S. 421, 424 f.>; BVerwG, Be­schluss vom 20. No­vem­ber 1992 - 7 B 48/92 -, NVwZ

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1993, S. 672; BA­GE 30, 247 <252 ff.>; 51, 238 <244 f.>; 64, 131 <135 ff.>; BAG, Ur­teil vom 7. Fe­bru­ar 1990 - 5 AZR 84/89 -, NJW 1990, S. 2082 <2083>; OVG Mag­de­burg, Be­schluss vom 24. Fe­bru­ar 1997 - B 2 S 30/96 -, NJW 1998, S. 3070 <3071 f.>; Hess­VGH, Be­schluss vom 6. No­vem­ber 2002 - 10 UZ 2439/00 -, DÖV 2003, S. 256 f.; OVG Rhein­land-Pfalz, Be­schluss vom 15. Ju­li 2004 - 6 B 10891/04 -, NJW 2004, S. 3731 f.; VG Stutt­gart, Ur­teil vom 14. Ju­li 2005 - 17 K 1515/05 -, verfügbar in JURIS; VGH Ba­den-Würt­tem­berg, Be­schluss vom 13. Ok­to­ber 2005 - 4 S 1542/05 -, DÖV 2006, S. 177 f.; VG Han­no­ver, Ur­teil vom 8. März 2006 - 6 A 2792/05 -, Zev­KR 51 <2006>, S. 602 <603>).

2. Nach dem kir­chen­po­li­ti­schen Sys­tem des Grund­ge­set­zes ord­net und ver­wal­tet je­de Re­li­gi­ons­ge­sell­schaft ih­re An­ge­le­gen­hei­ten selbstständig in­ner­halb der Schran­ken des für al­le gel­ten­den Ge­set­zes. Sie ver­leiht ih­re Ämter oh­ne Mit­wir­kung des Staa­tes oder der bürger­li­chen Ge­mein­de (Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 1 und Abs. 3 WRV). Da­mit er­kennt der Staat die Kir­chen als In­sti­tu­tio­nen mit dem Recht der Selbst­be­stim­mung an, die ih­rem We­sen nach un­abhängig vom Staat sind und ih­re Ge­walt nicht von ihm her­lei­ten. Die Fol­ge ist, dass der Staat in ih­re in­ne­ren Verhält­nis­se nicht ein­grei­fen darf (BVerfGE 18, 385 <386>).

Die Ver­fas­sungs­ga­ran­tie des kirch­li­chen Selbst­be­stim­mungs­rechts be­deu­tet kei­ne Aus­klam­me­rung aus der staat­li­chen Rechts­ord­nung im Sin­ne rechts­frei­er Räume, son­dern sie be­gründet im Ge­gen­teil ei­ne die ge­mein­schaft­li­che Frei­heits­ausübung re­spek­tie­ren­de Son­der­stel­lung in­ner­halb der staat­li­chen Rechts­ord­nung (vgl. Grzes­zick, Staat­li­cher Rechts­schutz und kirch­li­ches Selbst­be­stim­mungs­recht, AöR 2004, S. 168 <203>). Dies ist nicht nur dem Grund­recht aus Art. 4 GG im Sin­ne ge­mein­schaft­li­cher Glau­bens- und Re­li­gi­ons­frei­heit ge­schul­det, es han­delt sich viel­mehr auch um ei­ne in­sti­tu­tio­nel­le Si­che­rung der ge­for­der­ten Staats­frei­heit der Kir­chen im Sin­ne des Art. 137 Abs. 3 WRV.

a) Die Ei­genständig­keit der Kir­chen wird auch nicht durch ih­ren Cha­rak­ter als Körper­schaf­ten des öffent­li­chen Rechts (Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 5 WRV) in Fra­ge ge­stellt. An­ge­sichts der re­li­giösen und kon­fes­sio­nel­len Neu­tra­lität des Staa­tes nach dem Grund­ge­setz be­deu­tet die­se zu­sam­men­fas­sen­de Kenn­zeich-

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nung der Rechts­stel­lung der Kir­chen kei­ne Gleich­stel­lung mit an­de­ren öffent­lich-recht­li­chen Körper­schaf­ten, die in den Staat ein­ge­glie­der­te Verbände sind, son­dern nur die Zu­er­ken­nung ei­nes öffent­li­chen Sta­tus, der sie zwar über die Re­li­gi­ons­ge­sell­schaf­ten des Pri­vat­rechts er­hebt, aber kei­ner be­son­de­ren Kir­chen­ho­heit des Staa­tes oder ei­ner ge­stei­ger­ten Staats­auf­sicht un­ter­wirft. In­fol­ge die­ser öffent­li­chen Rechts­stel­lung und öffent­li­chen Wirk­sam­keit der Kir­chen, die sie aus ih­rem be­son­de­ren Auf­trag her­lei­ten und durch die sie sich von an­de­ren ge­sell­schaft­li­chen Ge­bil­den grundsätz­lich un­ter­schei­den, ist die kirch­li­che Ge­walt kei­ne staat­li­che Ge­walt. Nur so­weit sie die vom Staat ver­lie­he­nen Be­fug­nis­se ausüben oder so­weit ih­re Maßnah­men den kirch­li­chen Be­reich über­schrei­ten oder in den staat­li­chen Be­reich hin­ein­rei­chen, betäti­gen die Kir­chen mit­tel­bar auch staat­li­che Ge­walt mit der Fol­ge, dass ih­re Selbst­be­stim­mung ei­ne in der Sa­che be­gründe­te Ein­schränkung erfährt (BVerfGE 18, 385 <387>).


Wenn staat­li­che Ge­rich­te in der Sa­che über kirch­li­che An­ge­le­gen­hei­ten zu ent­schei­den ha­ben, be­stim­men sie in die­sen An­ge­le­gen­hei­ten mit, und zwar selbst dann, wenn sie sich bemühen, der kirch­li­chen Ei­genständig­keit bei der ma­te­ri­el­len Ent­schei­dung ge­recht zu wer­den. Die kon­kre­te Be­trach­tung der kon­fli­gie­ren­den In­ter­es­sen und Rech­te im Ein­zel­fall kann er­fah­rungs­gemäß zu ei­ner allmähli­chen Stei­ge­rung der rich­ter­li­chen Kon­troll­dich­te führen und birgt so die Ge­fahr, dass die re­li­giöse Le­gi­ti­ma­ti­on kir­chen­recht­li­cher Nor­men ver­kannt und da­mit ge­gen den Grund­satz der Neu­tra­lität des Staa­tes in re­li­giösen Din­gen ver­s­toßen wird. Das aber ist ge­ra­de in dem sen­si­blen Be­reich der durch Art. 137 Abs. 3 Satz 2 WRV aus­drück­lich gewähr­leis­te­ten kirch­li­chen Ämter­ho­heit pro­ble­ma­tisch (vgl. Rüfner, in: Hand­buch des Staats­kir­chen­rechts II, 2. Aufl., 1995, § 73, S. 1081 <1082>; Schmidt/Aßmann, in: Maunz/Dürig/Her­zog, GG, 48. Erg.-Lief. No­vem­ber 2006, Art. 19 Abs. 4 GG, Rn. 115; Grzes­zick, Staat­li­cher Rechts­schutz und kirch­li­ches Selbst­be­stim­mungs­recht, AöR 2004, S. 168 <183 f., 204 f.>; Ka­ze­le, Aus­gewähl­te Fra­gen des Staats­kir­chen­rechts, Ver­wArch 2005, S. 557 <564 ff.>).


b) Die an­ge­foch­te­nen Be­schlüsse der Ver­wal­tungs­kam­mer der Evan­ge­li­schen Kir­che im Rhein­land be­tref­fen kei­nen Be­reich, in dem der Staat der Kir­che ho­heit­li­che Ge­walt ver­lie­hen hat. Viel­mehr ent­schei­den sie le­dig­lich ei­nen Streit im Be-

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reich der in­ne­ren kirch­li­chen An­ge­le­gen­hei­ten. Die Ver­set­zung ei­nes Pfar­rers in den Ru­he­stand wie auch die Fest­set­zung ei­nes Ru­he­ge­halts be­tref­fen Fra­gen der Ver­fas­sung und Or­ga­ni­sa­ti­on der Evan­ge­li­schen Kir­che im Rhein­land. Die Aus­ge­stal­tung des Dienst- und Amts­rechts un­ter­liegt aber - wie der über die Ver­wei­sung des Art. 140 GG wei­ter­gel­ten­de Art. 137 Abs. 3 Satz 2 WRV be­son­ders be­tont - dem Selbst­be­stim­mungs­recht der Kir­che und ist - so­fern die­se es nicht selbst dem staat­li­chen Recht un­ter­stellt - der staat­li­chen Ge­richts­bar­keit ent­zo­gen. Ist die Kir­che nur im Be­reich ih­rer in­ner­kirch­li­chen An­ge­le­gen­hei­ten tätig ge­wor­den, so liegt kein Akt der öffent­li­chen Ge­walt vor, ge­gen den der Rechts­be­helf der Ver­fas­sungs­be­schwer­de ge­ge­ben sein könn­te. Die von der Ver­fas­sung an­er­kann­te Ei­genständig­keit und Un­abhängig­keit der kirch­li­chen Ge­walt würde ge­schmälert wer­den, wenn der Staat sei­nen Ge­rich­ten - auch dem Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt - das Recht einräum­en würde, in­ner­kirch­li­che Maßnah­men, die im staat­li­chen Zuständig­keits­be­reich kei­ne un­mit­tel­ba­ren Rechts­wir­kun­gen ent­fal­ten, auf ih­re Ver­ein­bar­keit mit dem Grund­ge­setz zu prüfen (BVerfGE 18, 385 <387 f.>).

II.

Un­ge­ach­tet der man­geln­den Zulässig­keit wäre die Ver­fas­sungs­be­schwer­de aber auch in der Sa­che un­be­gründet. Mit sei­ner Ver­fas­sungs­be­schwer­de rügt der Be­schwer­deführer al­lein, dass das von den kirch­li­chen Behörden und Ge­rich­ten an­ge­wand­te Kir­chen­recht - Rechts­an­wen­dungs­feh­ler die­ser Stel­len macht er nicht gel­tend - ge­gen Ver­fas­sungs­recht verstößt. Die­se Rügen grei­fen in­des­sen nicht durch.

1. Ein Ver­s­toß der Vor­schrif­ten über die Ver­set­zung in den War­te- und Ru­he-stand (§ 53 Abs. 3 PfDG 1991, § 91 PfDG 1996) und der da­mit ver­bun­de­nen fi­nan­zi­el­len Fol­gen (§ 6, § 7 des Kir­chen­ge­set­zes über die Ver­sor­gung der Pfar­rer, Pfar­re­rin­nen, Kir­chen­be­am­ten und Kir­chen­be­am­tin­nen in der Evan­ge­li­schen Uni­on - Ver­sor­gungs­ge­setz - vom 16. Ju­ni 1996) ge­gen Art. 33 Abs. 5 GG liegt nicht vor.
 


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a) Art. 33 Abs. 5 GG kommt nach der ständi­gen Recht­spre­chung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts (Vor­prüfungs­aus­schuss, Be­schluss vom 29. No­vem­ber 1978 - 2 BvR 316/78 -, NJW 1980, S. 1041; Vor­prüfungs­aus­schuss, Be­schluss vom 5. Ju­li 1983 - 2 BvR 514/83 -, NJW 1983, S. 2569 <2570>) auf die öffent­lich-recht­li­chen Dienst­verhält­nis­se der Kir­chen we­der un­mit­tel­bar noch ent­spre­chend zur An­wen­dung. Art. 33 Abs. 5 GG enthält in­halt­li­che Vor­ga­ben le­dig­lich für die Re­ge­lung des öffent­li­chen Diens­tes als Be­stand­teil der Staats­ver­wal­tung (vgl. Ma­sing, in: Drei­er, GG, 2. Aufl., 2006, Art. 33 Rn. 43; Ja­rass/Pie­roth, GG, 9. Aufl., 2007, Art. 33 Rn. 46; BVerw­GE 28, 345 <351>; 30, 326 <332>; 66, 241 <250>; BVerwG, Ur­teil vom 25. No­vem­ber 1982 - 2 C 38.81 -, NJW 1983, S. 2582 <2583>).

Die Fra­ge, ob der mit Be­sol­dungskürzun­gen ein­her­ge­hen­de War­te- oder der Ru­he­stand als ein her­ge­brach­tes be­am­ten­recht­li­ches In­sti­tut an­ge­se­hen wer­den kann, des­sen Vor­aus­set­zun­gen nicht vom Ver­schul­den des Be­am­ten abhängen (vgl. da­zu OVG Müns­ter, Ur­teil vom 23. Sep­tem­ber 1997 - 5 A 3031/95 -, DÖV 1998, S. 393 <394> m. w. N.), kann da­her da­hin­ge­stellt blei­ben. Selbst wenn dem staat­li­chen öffent­li­chen Dienst­recht ein sol­cher Ty­pen­zwang in­ne­woh­nen soll­te (vgl. von Cam­pen­hau­sen, Staats­kir­chen­recht, 4. Aufl., 2006, S. 293 FN 30; von Ti­ling, Die Ver­set­zung von Pfar­rern, ins­be­son­de­re „man­gels ge­deih­li­chen Wir­kens“, Zev­KR 43 <1998>, S. 55 <68 f.>; H. We­ber, Aus­le­gung und Rechtsgültig­keit der Ver­set­zungs­be­fug­nis nach § 71 I c Pfar­rer­ge­setz der VELKD, Zev­KR 15 <1970>, S. 20 <43>), fehlt es je­den­falls schon an ei­ner Grund­la­ge, ei­nen sol­chen ent­spre­chend für das kirch­li­che Dienst­recht zu pos­tu­lie­ren. Die ge­gen­tei­li­ge Rechts­an­sicht des Be­schwer­deführers lie­fe dar­auf hin­aus, die Re­li­gi­ons­ge­sell­schaf­ten auf die Grund­mus­ter staat­lich ge­re­gel­ter Beschäfti­gungs­verhält­nis­se fest­zu­le­gen. Dies aber steht mit der durch Art. 140 GG in Ver­bin­dung mit Art. 137 Abs. 3 Satz 2 WRV gewähr­leis­te­ten kirch­li­chen Ämter­au­to­no­mie nicht in Ein­klang (vgl. OVG Müns­ter, Be­schluss vom 8. No­vem­ber 2002 - 5 A 751/01 -, NVwZ 2003, S. 1002 <1003>).

b) Auch aus den ein­fach­ge­setz­li­chen staat­li­chen Vor­schrif­ten und Grundsätzen des Be­am­ten­rechts kann nichts in Be­zug auf die Fra­ge der Wirk­sam­keit der kir­chen­recht­li­chen Re­ge­lun­gen her­ge­lei­tet wer­den, weil sie we­der höher­ran­gig

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sind noch zu den für al­le gel­ten­den Ge­set­zen im Sin­ne des Art. 140 GG in Ver­bin­dung mit Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV gehören (BVerw­GE 28, 345 <349>; OVG Müns­ter, Ur­teil vom 23. Sep­tem­ber 1997 - 5 A 3031/95 -, DÖV 1998, S. 393 <394>). An­de­re staat­li­che Rechtssätze, die als für al­le gel­ten­de Ge­set­ze an­ge­se­hen wer­den und des­halb auf kirch­li­che Dienst­verhält­nis­se ein­wir­ken könn­ten, sind vom Be­schwer­deführer we­der auf­ge­zeigt wor­den noch sonst er­sicht­lich.

2. Auch ei­ne Ver­let­zung des Willkürver­bots (Art. 3 Abs. 1 GG) ist nicht ge­ge­ben.

Die Vor­schrif­ten des Kir­chen­rechts über die Ver­set­zung in den War­te- und Ru­he­stand fin­den eben­so wie die kirch­li­chen Re­ge­lun­gen über die Gewährung ei­nes War­te­gel­des und ei­nes Ru­he­ge­hal­tes ih­re Grund­la­ge in dem durch Art. 140 GG in Ver­bin­dung mit Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV gewähr­leis­te­ten Recht der Re­li­gi­ons­ge­sell­schaf­ten zur selbstständi­gen Ord­nung und Ver­wal­tung ih­rer An­ge­le­gen­hei­ten in­ner­halb des für al­le gel­ten­den Ge­set­zes. Die­ses Selbst­be­stim­mungs­recht wie auch die in Art. 137 Abs. 3 Satz 2 WRV aus­drück­lich her­vor­ge­ho­be­ne Gewähr­leis­tung der Ämter­au­to­no­mie be­inhal­tet das Recht fest­zu­le­gen, wel­che Kir­chenämter ein­zu­rich­ten, wie die­se zu be­set­zen und wel­che An­for­de­run­gen an die Amts­in­ha­ber zu stel­len sind (vgl. BVerw­GE 66, 241 <243>).

a) Die Ab­be­ru­fung ei­nes Pfar­rers bei Vor­lie­gen ei­nes Tat­be­stan­des, der die­sem die ge­deih­li­che Führung sei­nes Pfarr­am­tes unmöglich macht, ist Aus­druck der kirch­li­chen Ämter­ho­heit. Mit der Re­ge­lung ei­nes sol­chen Ab­be­ru­fungs­grun­des, der sich von Ver­schul­dens­merk­ma­len löst, erhält die Kir­chen­lei­tung ein Steue­rungs­in­stru­ment, mit dem auf ei­ne in ei­ner Kir­chen­ge­mein­de ob­jek­tiv ein­ge­tre­te­ne Si­tua­ti­on in ef­fek­ti­ver und ra­scher Wei­se re­agiert wer­den kann. Berück­sich­tigt man, dass die ein­zel­nen Kir­chen­ge­mein­den der zen­tra­le Ort des kirch­li­chen Wir­kens sind, so be­steht an der Be­sei­ti­gung unüber­brück­ba­rer Zerwürf­nis­se in­ner­halb der Ge­mein­de für die Kir­che ein exis­ten­zi­el­les In­ter­es­se. In­so­weit ist die­ser Ab­be­ru­fungs­tat­be­stand von sach­ge­rech­ten Gründen ge­tra­gen (vgl. auch von Ti­ling, Die Ver­set­zung von Pfar­rern, ins­be­son­de­re „man­gels ge­deih­li­chen Wir­ken“, Zev­KR 43 <1998>, S. 55 <69>; En­nu­schat, ZeV­KR 53 <2008>, S. 113 <136 ff.>). Sie stellt

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auch nach ih­rem Er­schei­nungs­bild ei­ne we­ni­ger ein­schnei­den­de Maßnah­me als die dis­zi­pli­na­ri­sche Amts­ent­he­bung oder der Ver­lust der in der Or­di­na­ti­on be­gründe­ten Rech­te in ei­nem Lehr­be­an­stan­dungs­ver­fah­ren dar (St­ein, Neue As­pek­te im Pfar­rer­dienst­recht - Soll der Pfar­rer künd­bar wer­den?, Kir­che und Recht 310, S. 1 <2>).

b) Wen­det man sich vor die­sem Hin­ter­grund dem im An­schluss an die Ab­be­ru­fung ein­grei­fen­den In­sti­tut des War­te­stan­des zu, so kann gleich­falls nicht von ei­ner willkürli­chen Re­ge­lung des Kir­chen­rechts ge­spro­chen wer­den. Nach § 53 Abs. 3 Satz 1 PfDG 1991 ist der Pfar­rer in den War­te­stand zu ver­set­zen, wenn er nicht in­ner­halb ei­nes Jah­res nach dem Zeit­punkt der Ab­be­ru­fung in ei­ne neue Pfarr­stel­le be­ru­fen wird. Satz 2 die­ser Vor­schrift be­sagt fer­ner, dass ei­ne Ver­set­zung in den War­te­stand erst er­fol­gen kann, wenn seit dem Ein­tritt der Un­an­fecht­bar­keit der Ent­schei­dung über die Ab­be­ru­fung min­des­tens sechs Mo­na­te ver­gan­gen sind. Die Ver­set­zung in den War­te­stand ist da­her kein Au­to­ma­tis­mus, son­dern ei­ne Re­ak­ti­on dar­auf, dass der von ei­ner Pfarr­stel­le ab­be­ru­fe­ne Pfar­rer in­ner­halb ei­nes Zeit­rau­mes von min­des­tens ei­nem Jahr - er kann sich bei ei­ner länge­ren Dau­er des in­ner­kirch­li­chen Rechts­zu­ges theo­re­tisch verlängern - kei­ne Wie­der­ver­wen­dung ge­fun­den hat. Hier­in ist ei­ne sach­ge­rech­te Re­ge­lung zu er­bli­cken. Der be­trof­fe­ne Pfar­rer erhält trotz sei­ner Nicht­bewährung in ei­ner Pfarr­stel­le zunächst die Möglich­keit, ei­ne Wie­der­ver­wen­dung zu er­rei­chen. Nur wenn dies schei­tert, kommt die Ver­set­zung in den War­te­stand, die ei­ne ge­bun­de­ne Ent­schei­dung dar­stellt, zum Tra­gen. Sie ist ge­genüber der Be­en­di­gung des Dienst­verhält­nis­ses oder der so­for­ti­gen Ver­set­zung in den Ru­he­stand ei­ne mil­de­re Maßnah­me. Die mit dem Be­zug des War­te­gel­des, das 75% der ru­he­ge­haltsfähi­gen Dienst­bezüge (§ 7 Ver­sor­gungs­ge­setz) beträgt, ver­bun­de­ne Ein­kom­mens­ein­buße ist gleich­falls sach­ge­recht, da er le­dig­lich in ge­wis­sem Um­fang (vgl. § 57 Abs. 2 und 3 PfDG 1991) sei­ne Ar­beits­kraft ein­zu­set­zen ver­pflich­tet ist.


Die Ver­set­zung in den Ru­he­stand nach ei­nem dreijähri­gen War­te­stand, während­des­sen der Pfar­rer eben­falls kei­ne neue Pfarr­stel­le ge­fun­den hat (§ 91 Abs. 1 PfDG 1996), wäre eben­falls nicht zu be­an­stan­den. Das Er­for­der­nis ei­nes dreijähri­gen War­te­stan­des gibt dem Pfar­rer aus­rei­chend Ge­le­gen­heit, ei­ne Wie­der­ver-

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wen­dung zu er­rei­chen. Der Ge­sichts­punkt, dass dies we­gen der Ab­be­ru­fung mit Schwie­rig­kei­ten ver­bun­den ist, mag in Zei­ten, in de­nen nur we­ni­ge Pfarr­stel­len va­kant sind und sich dem­ent­spre­chend vie­le Be­wer­ber mel­den, zu­tref­fend sein. Gleich­wohl kann nicht da­von aus­ge­gan­gen wer­den, dass die Ver­set­zung in den Ru­he­stand die au­to­ma­ti­sche Fol­ge ist, zu­mal ge­ra­de der Zeit­ab­lauf seit der Ab­be­ru­fung auch ei­ne selbst­kri­ti­sche Hal­tung zu be­gründen ver­mag und der Be­trof­fe­ne die­se auch im Rah­men ei­nes Be­wer­bungs­ver­fah­rens dar­stel­len kann. Im Übri­gen be­ste­hen auch Funk­ti­ons­pfarr­stel­len, die nicht un­mit­tel­bar mit ei­nem Wir­ken in ei­ner Kir­chen­ge­mein­de ver­bun­den sind. Fest­zu­hal­ten ist vor die­sem Hin­ter­grund je­den­falls, dass dem im War­te­stand be­find­li­chen Pfar­rer ei­ne Chan­ce zu Wie­der­ver­wen­dung eröff­net wird. Nur wenn sich die­se nicht rea­li­siert, er­folgt die - dann al­ler­dings zwin­gen­de - Ver­set­zung in den Ru­he­stand, die bezüglich der fi­nan­zi­el­len Fol­gen in sach­ge­rech­ter Wei­se mit der Gleich­stel­lung mit an­de­ren Ru­heständ­lern ein­her­geht.

c) Vor die­sem Hin­ter­grund ist das kir­chen­ge­setz­li­che Stu­fen­mo­dell mit der Ab­be­ru­fung so­wie der Ver­set­zung in den War­te- und Ru­he­stand von sach­ge­rech­ten Erwägun­gen ge­tra­gen. Es ist ein In­stru­ment, das sich ge­genüber an­de­ren Möglich­kei­ten, wie et­wa der so­for­ti­gen Be­en­di­gung des Dienst­verhält­nis­ses, als mil­de­res Mit­tel er­wei­tert. Es eröff­net ei­nem Pfar­rer, der es nicht ver­mocht hat, tief grei­fen­de Spal­tun­gen in ei­ner Kir­chen­ge­mein­de zu ver­hin­dern oder zu über­brücken, sich mit­hin in sei­ner Pfarr­stel­le nicht bewährt hat, die Möglich­keit der Wie­der­ver­wen­dung über ei­nen Zeit­raum von vier Jah­ren hin­weg. Blei­ben die Ver­su­che über ei­nen sol­chen Zeit­raum oh­ne Er­folg, so be­gründet dies die Ver­mu­tung, dass der Pfar­rer auch in Zu­kunft kei­ne neue Pfarr­stel­le fin­den wird. Die Ver­set­zung in den Ru­he­stand ist dann ei­ne frei von sach­frem­den Erwägun­gen ein­tre­ten­de Fol­ge. Auch die mit Be­ginn des War­te- und Ru­he­stan­des ein­tre­ten­den Ein­kom­mens­ein­bußen sind von sach­ge­rech­ten Erwägun­gen ge­tra­gen, da der Pfar­rer sei­nen bei der Über­tra­gung ei­ner Pfarr­stel­le be­ste­hen­den dienst­li­chen Ver­pflich­tun­gen nicht nach­zu­ge­hen braucht und er kei­ne Gleich­stel­lung mit Pfar­rern ver­lan­gen kann, die ei­ne Pfarr­stel­le in­ne­ha­ben und dem­zu­fol­ge in vol­lem Um­fang ih­re Ar­beits­kraft ein­zu­set­zen ha­ben.

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III.

Von ei­ner wei­te­ren Be­gründung der Nicht­an­nah­me­ent­schei­dung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG ab­ge­se­hen.

Die­se Ent­schei­dung ist un­an­fecht­bar.

Broß 

Di Fa­bio 

Land­au

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