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BAG, Ur­teil vom 22.04.2010, 6 AZR 962/08

   
Schlagworte: Strukturausgleich, TVÜ-B, TVöD: Überleitung, Bewährungsaufstieg
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 6 AZR 962/08
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 22.04.2010
   
Leitsätze: Führen bei der Auslegung einer tarifvertraglichen Regelung alle nach den anerkannten Auslegungsregeln heranzuziehenden Gesichtspunkte zu keinem eindeutigen Ergebnis, ist letztlich der Auslegung der Vorzug zu geben, die bei einem unbefangenen Durchlesen der Regelung als näherliegend erscheint und folglich von den Normadressaten typischerweise als maßgeblich empfunden wird.
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Karlsruhe, Urteil vom 10.04.2008, 8 Ca 13/08
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 22.10.2008, 13 Sa 77/08
Nachgehend Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 15.12.2010, 13 Sa 73/10
   


BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT


6 AZR 962/08
13 Sa 77/08
Lan­des­ar­beits­ge­richt

Ba­den-Würt­tem­berg

 

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am

22. April 2010

UR­TEIL

Gaßmann, Ur­kunds­be­am­tin

der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen

Kläge­rin, Be­ru­fungskläge­rin und Re­vi­si­onskläge­rin,

pp.

Be­klag­te, Be­ru­fungs­be­klag­te und Re­vi­si­ons­be­klag­te,

hat der Sechs­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der Be­ra­tung vom 22. April 2010 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt
 


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Dr. Fi­scher­mei­er, den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Brühler, die Rich­te-rin am Bun­des­ar­beits­ge­richt Spel­ge so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Knauß und Ma­ti­as­ke für Recht er­kannt:


1. Auf die Re­vi­si­on der Kläge­rin wird das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts Ba­den-Würt­tem­berg - Kam­mern Mann­heim - vom 22. Ok­to­ber 2008 - 13 Sa 77/08 - auf­ge­ho­ben.


2. Die Sa­che wird zur neu­en Ver­hand­lung und Ent-schei­dung, auch über die Kos­ten der Re­vi­si­on, an das Be­ru­fungs­ge­richt zurück­ver­wie­sen.

Von Rechts we­gen!

Tat­be­stand

Die Kläge­rin ver­langt von der Be­klag­ten Struk­tur­aus­gleich nach § 12 Abs. 1 des Ta­rif­ver­trags zur Über­lei­tung der Beschäftig­ten des Bun­des in den Ta­rif­ver­trag für den öffent­li­chen Dienst (TVöD) und zur Re­ge­lung des Über-gangs­rechts (TVÜ-Bund) vom 13. Sep­tem­ber 2005.

Die 1966 ge­bo­re­ne Kläge­rin ist seit dem 15. März 1989 in ei­ner For­schungs­an­stalt der Be­klag­ten als Che­mie­la­bo­ran­tin in der Funk­ti­on ei­ner Che­misch-Tech­ni­schen As­sis­ten­tin beschäftigt. Auf das Ar­beits­verhält­nis fand der Bun­des-An­ge­stell­ten­ta­rif­ver­trag (BAT) An­wen­dung. Seit dem 1. Ok­to­ber 2005 rich­tet sich das Ar­beits­verhält­nis auf­grund bei­der­sei­ti­ger Ta­rif­bin­dung nach dem TVöD und dem TVÜ-Bund. Die Kläge­rin war zunächst in der Vergütungs­grup­pe VI b, Fall­grup­pe 1, Teil II, Ab­schn. L, Un­ter­ab­schn. II der An¬la­ge 1a zum BAT ein­grup­piert. Im We­ge ei­nes Zeit­auf­stiegs wur­de sie zum 1. Ja­nu­ar 1997 in die Vergütungs­grup­pe V c, Fall­grup­pe 2, Teil II, Ab­schn. L, Un­ter­ab­schn. II der An­la­ge 1a zum BAT höher­grup­piert. Sie er­hielt vor der Über­lei­tung des Ar­beits­verhält­nis­ses in den TVöD zu­letzt Grund­ge­halt die­ser Vergütungs­grup­pe nach Le­bens­al­ters­stu­fe 39. Im Rah­men der Über­lei­tung des Ar­beits­verhält­nis­ses in den TVöD wur­de die Kläge­rin der Ent­gelt­grup­pe E 8
 


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TVöD und ei­ner ih­rem Ver­gleichs­ent­gelt ent­spre­chen­den in­di­vi­du­el­len End­stu­fe zu­ge­ord­net, weil das Ver­gleichs­ent­gelt über der höchs­ten Stu­fe 6 der Ent­gelt-grup­pe E 8 TVöD lag.


In ei­nem Schrei­ben vom 10. Ok­to­ber 2005 un­ter­rich­te­te die Bun­des­for­schungs­an­stalt für Ernährung und Le­bens­mit­tel die Kläge­rin über die Über-lei­tung ih­res Ar­beits­verhält­nis­ses in den TVöD und teil­te ua. mit, dass sie ei­nen Struk­tur­aus­gleich in Höhe von 40,00 Eu­ro (auf Ba­sis ei­ner Voll­zeit­beschäfti­gung) erhält, die­ser Aus­gleichs­be­trag ab dem 1. Ok­to­ber 2007 dau­er­haft ge­zahlt, je­doch nicht dy­na­mi­siert wird und da­her an künf­ti­gen Ta­rif­erhöhun­gen nicht teil­nimmt. Das Schrei­ben enthält den Hin­weis, dass es der In­for­ma­ti­on dient und kei­nen Rechts­an­spruch be­gründet.


Die mit der Hälf­te der ta­rif­li­chen Wo­chen­ar­beits­zeit beschäftig­te Kläge­rin hat oh­ne Er­folg von der Be­klag­ten ab Ok­to­ber 2007 Struk­tur­aus­gleich gemäß § 12 TVÜ-Bund iVm. An­la­ge 3 TVÜ-Bund (Struk­tur­aus­gleich­s­ta­bel­le) in Höhe von mo­nat­lich 20,00 Eu­ro ver­langt. In die­ser Ta­rif­vor­schrift und der Struk­tur­aus­gleich­s­ta­bel­le heißt es:


„§ 12 Struk­tur­aus­gleich

(1) 1Aus dem Gel­tungs­be­reich des BAT/BAT-O über-ge­lei­te­te Beschäftig­te er­hal­ten aus­sch­ließlich in den in An­la­ge 3 TVÜ-Bund auf­geführ­ten Fällen zusätz­lich zu ih­rem mo­nat­li­chen Ent­gelt ei­nen nicht dy­na­mi­schen Struk­tur­aus­gleich. 2Maßgeb­li­cher Stich­tag für die an­spruchs­be­gründen­den Vor­aus­set­zun­gen (Vergütungs-grup­pe, Le­bens­al­ter­stu­fe, Orts­zu­schlag, Auf­stiegs­zei­ten) ist der 1. Ok­to­ber 2005, so­fern in An­la­ge 3 TVÜ-Bund nicht aus­drück­lich et­was an­de­res ge­re­gelt ist.

(2) Die Zah­lung des Struk­tur­aus­gleichs be­ginnt im Ok­to­ber 2007, so­fern in An­la­ge 3 TVÜ-Bund nicht et­was an­de­res be­stimmt ist.

(3) ...

(4) Bei Teil­zeit­beschäfti­gung steht der Struk­tur­aus­gleich an­tei­lig zu (§ 24 Abs. 2 TVöD).

...

Pro­to­kollerklärung zu Ab­satz 4:


Bei späte­ren Verände­run­gen der in­di­vi­du­el­len re­gelmäßigen wöchent­li­chen Ar­beits­zeit der/des Beschäftig­ten
 


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ändert sich der Struk­tur­aus­gleich ent­spre­chend.
...

An­la­ge 3 TVÜ-Bund
Struk­tur­aus­glei­che für An­ge­stell­te (Bund)


...

Ent­gelt-

grup­pe

Vergütungs-

grup­pe bei

In-Kraft-

Tre­ten TVÜ 

Auf­stieg 

Ort-

Zu­schlag

Stu­fe 1,2

bei In-Kraft-

Tre­ten TVÜ 

Le­bens-

al­ters­stu­fe

bei In-Kraft-

Tre­ten TVÜ

Höhe 

Aus­gleichs-

be­trag 

Dau­er 
2 X

IX b nach

2 Jah­ren

OZ 2 23 40 Eu­ro

für

4 Jah­re

... ... ... ... ... ... ...
8 V c oh­ne OZ 2 39 40 Eu­ro dau­er­haft
... ... ... ... ... ... ..."

 

Die Nie­der­schrifts­erklärun­gen zu § 12 TVÜ-Bund lau­ten:

„1. 1Die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en sind sich an­ge­sichts der Fülle der denk­ba­ren Fall­ge­stal­tun­gen be­wusst, dass die Fest­le­gung der Struk­tur­aus­glei­che je nach in­di­vi­du­el­ler Fall­ge­stal­tung in Ein­z­elfällen so­wohl zu über­pro­por­tio­nal po­si­ti­ven Fol­gen als auch zu Härten führen kann. 2Sie neh­men die­se Ver­wer­fun­gen im In­ter­es­se ei­ner für ei­ne Viel­zahl von Fall­ge­stal­tun­gen an­ge­streb­ten Ab­mil­de­rung von Ex­spek­t­anz­ver­lus­ten hin.

2. 1Die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en er­ken­nen un­be­scha­det der Nie­der­schrifts­erklärung Nr. 1 an, dass die Struk­tur-aus­glei­che in ei­nem Zu­sam­men­hang mit der zukünf­ti­gen Ent­gel­t­ord­nung ste­hen. 2Die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en wer­den nach ei­ner Ver­ein­ba­rung der Ent­gel­t­ord­nung zum TVöD, recht­zei­tig vor Ab­lauf des 30. Sep­tem­ber 2007 prüfen, ob und in wel­chem Um­fang sie ne­ben den be­reits ver­bind­lich ver­ein­bar­ten Fällen, in de­nen Struk­tur­aus­gleichs­beträge fest­ge­legt sind, für ei­nen Zeit­raum bis längs­tens En­de 2014 in wei­te­ren Fällen Re­ge­lun­gen, die auch in der Be­gren­zung der Zuwächse aus Struk­tur­aus-

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glei­chen be­ste­hen können, vor­neh­men müssen. 3Sollten zusätz­li­che Struk­tur­aus­glei­che ver­ein­bart wer­den, sind die sich dar­aus er­ge­ben­den Kos­ten­wir­kun­gen in der Ent­gelt­run­de 2008 zu berück-sich­ti­gen.“

Die Kläge­rin hat ge­meint, sie ha­be nach § 12 TVÜ-Bund iVm. der Struk­tur­aus­gleich­s­ta­bel­le An­spruch auf an­tei­li­gen Struk­tur­aus­gleich in Höhe von mo­nat­lich 20,00 Eu­ro. Sie sei bei In­kraft­tre­ten des TVÜ-Bund in der Vergütungs­grup­pe V c der An­la­ge 1a zum BAT ein­grup­piert ge­we­sen und ha­be al­le an­de­ren für die­se Vergütungs­grup­pe in der Struk­tur­aus­gleich­s­ta­bel­le ge­nann­ten An­spruchs­vor­aus­set­zun­gen erfüllt. Oh­ne Be­deu­tung sei, dass sie aus der Vergütungs­grup­pe VI b in die Vergütungs­grup­pe V c der An­la­ge 1a zum BAT auf­ge­stie­gen sei. Die ta­rif­li­che Re­ge­lung stel­le für den An­spruch auf den Struk­tur­aus­gleich nicht auf die „ori­ginäre“ Vergütungs­grup­pe oder die „Aus­gangs­vergütungs­grup­pe“ ab. Maßgeb­lich sei die Ein­grup­pie­rung am Stich­tag. Für die Mo­na­te Ok­to­ber und No­vem­ber 2007 stünde ihr auf­grund ih­rer Teil­zeit­beschäfti­gung Struk­tur­aus­gleich in Höhe von je­weils 20,00 Eu­ro brut­to zu.

Die Kläge­rin hat be­an­tragt:


1. Die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, an die Kläge­rin 40,00 Eu­ro brut­to nebst Zin­sen in Höhe von fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 1. De­zem­ber 2007 zu zah­len.


2. Es wird fest­ge­stellt, dass die Be­klag­te ver­pflich­tet ist, für die Dau­er des Beschäfti­gungs­verhält­nis­ses der Kläge­rin ei­nen mo­nat­li­chen Struk­tur­aus­gleich gemäß § 12 TVÜ-Bund zu be­zah­len.


Die Be­klag­te hat zu ih­rem Kla­ge­ab­wei­sungs­an­trag die An­sicht ver­tre­ten, für den An­spruch auf Struk­tur­aus­gleich nach § 12 TVÜ-Bund iVm. der Struk­tur­aus­gleich­s­ta­bel­le sei nicht auf die am Stich­tag tatsächlich er­reich­te, son­dern die ori­ginäre Vergütungs­grup­pe ab­zu­stel­len. Die Spal­ten 2 und 3 der Ta­bel­le sei­en nur verständ­lich, wenn sie als Ein­heit ver­stan­den würden. Die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en hätten die Auf­stiegsmöglich­kei­ten der Beschäftig­ten in der Struk­tur­aus­gleich­s­ta­bel­le nach­ge­zeich­net. So sei in Spal­te 3 stets ei­ne höhe­re Vergütungs­grup­pe als in Spal­te 2 der Ta­bel­le aus­ge­wie­sen. An­ders als in der
 


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An­la­ge 2 TVÜ-Bund hätten die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en in der Struk­tur­aus­gleich­s­ta­bel­le nicht zwi­schen vor­han­de­nem, voll­zo­ge­nem und noch aus­ste­hen­dem Auf­stieg dif­fe­ren­ziert. Die Fall­va­ri­an­te „nach Auf­stieg“ ent­hal­te die­se Ta­bel­le nicht. Dies zei­ge, dass es für den An­spruch auf den Struk­tur­aus­gleich auf die ori­ginäre Vergütungs­grup­pe an­kom­me. Die Fall­grup­pe der ori­ginären Vergütungs­grup­pe oh­ne wei­te­re Auf­stiegsmöglich­keit könne nicht mit der nach er­folg­tem Auf­stieg er­reich­ten Vergütungs­grup­pe gleich­ge­stellt wer­den. Für die­ses Aus­le­gungs­er­geb­nis spre­che auch, dass die nach dem Über­lei­tungs­stich­tag voll­zo­ge­nen Auf­stie­ge gemäß § 8 Abs. 2 Satz 3 TVÜ-Bund zum Weg-fall des Struk­tur­aus­gleichs führ­ten.


Die Vor­in­stan­zen ha­ben die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Mit der vom Lan­des­ar­beits­ge­richt zu­ge­las­se­nen Re­vi­si­on ver­folgt die Kläge­rin ih­ren An­spruch auf an­tei­li­gen Struk­tur­aus­gleich wei­ter. Die Be­klag­te be­an­tragt, die Re­vi­si­on der Kläge­rin zurück­zu­wei­sen.

Ent­schei­dungs­gründe

Die Re­vi­si­on der Kläge­rin ist be­gründet. Sie führt zur Auf­he­bung des an­ge­foch­te­nen Ur­teils und zur Zurück­ver­wei­sung der Sa­che an das Be­ru­fungs­ge­richt. Mit der vom Lan­des­ar­beits­ge­richt ge­ge­be­nen Be­gründung darf die Kla­ge nicht ab­ge­wie­sen wer­den. In der Sa­che kann der Se­nat nicht selbst ent­schei­den. Es be­darf der Aufklärung durch das Lan­des­ar­beits­ge­richt, ob sich die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en - wie die Be­klag­te be­haup­tet - in den Ta­rif­ver­trags­ver­hand­lun­gen ei­nig ge­we­sen sind, dass das Merk­mal „Auf­stieg - oh­ne“ in der Struk­tur­aus­gleich­s­ta­bel­le nur dann erfüllt ist, wenn die für die Über­lei­tung maßgeb­li­che Vergütungs­grup­pe nicht im We­ge ei­nes Auf­stiegs er­reicht wor­den ist.

I. Die Kla­ge ist zulässig. 


1. Der auf die Ver­pflich­tung der Be­klag­ten zur Zah­lung von Struk­tur­aus­gleich ge­rich­te­te Fest­stel­lungs­an­trag hat ei­ne Leis­tungs­ver­pflich­tung aus dem
 


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Ar­beits­verhält­nis zum Ge­gen­stand (vgl. BAG 29. Sep­tem­ber 2004 - 5 AZR 528/03 - BA­GE 112, 112, 115). Für die­sen An­trag liegt das nach § 256 Abs. 1 ZPO er­for­der­li­che Fest­stel­lungs­in­ter­es­se vor. Das an­ge­streb­te Fest­stel­lungs-ur­teil ist ge­eig­net, den Kon­flikt der Par­tei­en endgültig bei­zu­le­gen und wei­te­re Pro­zes­se zwi­schen ih­nen zu ver­mei­den. Es kann er­war­tet wer­den, dass die Be­klag­te ei­nem ge­gen sie er­gan­ge­nen Fest­stel­lungs­ur­teil nach­kom­men und die sich dar­aus er­ge­ben­den Leis­tungs­ansprüche erfüllen wird. Die Kläge­rin muss­te den be­an­spruch­ten Aus­gleichs­be­trag auch nicht be­zif­fern, nach­dem die­ser Be­trag bei Teil­zeit­beschäfti­gung an­tei­lig zu zah­len ist (§ 12 Abs. 4 Satz 1 TVÜ-Bund) und die Höhe des Struk­tur­aus­gleichs da­mit vom je­wei­li­gen zeit­li­chen Um­fang der Beschäfti­gung der Kläge­rin abhängt.

2. Al­ler­dings be­darf der Fest­stel­lungs­an­trag bezüglich des Be­ginns des streit­be­fan­ge­nen Zeit­raums der Aus­le­gung, nach­dem die Kläge­rin in­so­weit von ei­ner Da­tums­an­ga­be ab­ge­se­hen hat. Die Kläge­rin be­an­sprucht für die Mo­na­te Ok­to­ber und No­vem­ber 2007 Struk­tur­aus­gleich im We­ge der Zah­lungs­kla­ge. Ihr Fest­stel­lungs­be­geh­ren ist da­her so aus­zu­le­gen, dass die Ver­pflich­tung der Be­klag­ten fest­ge­stellt wer­den soll, ihr ab De­zem­ber 2007 Struk­tur­aus­gleich zu zah­len.


II. Das Ar­beits­verhält­nis rich­tet sich auf­grund bei­der­sei­ti­ger Ta­rif­bin­dung ua. nach den Be­stim­mun­gen des TVÜ-Bund. Der mit der Hälf­te der ta­rif­li­chen Wo­chen­ar­beits­zeit beschäftig­ten Kläge­rin könn­te des­halb nach § 12 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 TVÜ-Bund iVm. der Struk­tur­aus­gleich­s­ta­bel­le ab dem 1. Ok­to­ber 2007 an­tei­li­ger Struk­tur­aus­gleich (§ 12 Abs. 4 Satz 1 TVÜ-Bund) in Höhe von mo­nat­lich 20,00 Eu­ro brut­to zu­ste­hen. Für die Mo­na­te Ok­to­ber und No­vem­ber 2007 schul­de­te ihr die Be­klag­te in die­sem Fall Struk­tur­aus­gleich in Höhe des im We­ge der Zah­lungs­kla­ge gel­tend ge­mach­ten Be­trags von 40,00 Eu­ro brut­to.

1. Die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en ha­ben in der Struk­tur­aus­gleich­s­ta­bel­le den An­spruch auf den Aus­gleichs­be­trag an fünf Vor­aus­set­zun­gen ge­knüpft. Sie ha­ben zu je­der „Vergütungs­grup­pe bei In-Kraft-Tre­ten TVÜ“ für be­stimm­te Le­bens­al­ters­stu­fen und Stu­fen des Orts­zu­schlags je­weils die Höhe des Aus-
 


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gleichs­be­trags und die Dau­er der Zah­lung des Struk­tur­aus­gleichs fest­ge­legt. Die Kläge­rin hat am 1. Ok­to­ber 2005 und da­mit am gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 TVÜ-Bund maßgeb­li­chen Stich­tag die an­spruchs­be­gründen­den Vor­aus­set­zun­gen für ei­nen dau­er­haft zu zah­len­den Struk­tur­aus­gleich in Höhe von mo­nat­lich 40,00 Eu­ro bei Voll­zeit­beschäfti­gung nur dann erfüllt, wenn es für das Merk­mal „Auf­stieg - oh­ne“ aus­reicht, dass am Stich­tag 1. Ok­to­ber 2005 kein (wei­te­rer) Auf­stieg mehr möglich war. Sie wur­de im Rah­men der Über­lei­tung in den TVöD der Ent­gelt­grup­pe E 8 zu­ge­ord­net. Seit dem 1. Ja­nu­ar 1997 und da­mit bei In­kraft­tre­ten des TVÜ-Bund am 1. Ok­to­ber 2005 war sie in der Vergütungs­grup­pe V c, Fall­grup­pe 2, Teil II, Ab­schn. L, Un­ter­ab­schn. II der An­la­ge 1a zum BAT ein­grup­piert. Darüber, dass der Kläge­rin bei In­kraft­tre­ten des TVÜ-Bund Orts­zu­schlag der Stu­fe 2 zu­stand, sie zu die­sem Zeit­punkt die Le­bens­al­ters­stu­fe 39 er­reicht hat­te und im We­ge ei­nes Bewährungs-, Fall­grup­pen- oder Tätig­keits­auf­stiegs nicht mehr höher­grup­piert wer­den konn­te, be­steht kein Streit.

2. Strit­tig ist, ob es sich bei der in der Spal­te 2 der Struk­tur­aus­gleich­s­ta­bel­le ge­nann­ten Vergütungs­grup­pe ent­spre­chend der An­nah­me des Lan­des­ar­beits­ge­richts und der Rechts­auf­fas­sung der Be­klag­ten um die „ori­ginäre“ Vergütungs­grup­pe han­delt und späte­re Höher­grup­pie­run­gen durch Bewährungs- oder Zeit­auf­stie­ge nicht zu berück­sich­ti­gen sind (so auch Kutz­ki RiA 2009, 256; Görgens ZTR 2009, 562; Ku­ner Der neue TVöD Rn. 114a; Brei-er/Das­sau/Kie­fer/Lang/Lan­gen­brinck TVöD Stand Ju­ni 2009 TVÜ-Bund § 12 Rn. 18, 19; Hin­wei­se zur An­wen­dung der Re­ge­lun­gen über Struk­tur­aus­glei­che gemäß § 12 TVÜ-Bund des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums des In­nern [Hin­wei­se des BMI] vom 10. Au­gust 2007 - D II 2-220 210 1/12 - Nr. 3.4.1 und 3.4.2), oder ob es ent­spre­chend der An­sicht der Kläge­rin auf die am Stich­tag tatsächlich er­reich­te Vergütungs­grup­pe an­kommt (so Ha­nau ZTR 2009, 403; Dan­nen­berg PersR 2009, 193; Schmidt-Rud­loff in Be­p­ler/Böhle/Meer­kamp/Stöhr Beck’scher On­line-Kom­men­tar Stand 1. März 2010 TVÜ-Bund § 12 Rn. 2 und 4).

3. Nach ständi­ger Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts (vgl. 19. Sep­tem­ber 2007 - 4 AZR 670/06 - Rn. 30, BA­GE 124, 110; 7. Ju­li 2004
 


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- 4 AZR 433/03 - BA­GE 111, 204, 209; 8. Sep­tem­ber 1999 - 4 AZR 661/98 - BA­GE 92, 259, 263) folgt die Aus­le­gung des nor­ma­ti­ven Teils ei­nes Ta­rif­ver­trags den für die Aus­le­gung von Ge­set­zen gel­ten­den Re­geln. Da­nach ist zu-nächst vom Ta­rif­wort­laut aus­zu­ge­hen, wo­bei der maßgeb­li­che Sinn der Erklärung zu er­for­schen ist, oh­ne am Buch­sta­ben zu haf­ten. Bei nicht ein­deu­ti­gem Ta­rif­wort­laut ist der wirk­li­che Wil­le der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en mit zu berück­sich­ti­gen, so­weit er in den ta­rif­li­chen Nor­men sei­nen Nie­der­schlag ge­fun­den hat. Ab­zu­stel­len ist stets auf den ta­rif­li­chen Ge­samt­zu­sam­men­hang, weil die­ser An­halts­punk­te für den wirk­li­chen Wil­len der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en lie­fert und nur so Sinn und Zweck der Ta­rif­norm zu­tref­fend er­mit­telt wer­den können. Lässt dies zwei­fels­freie Aus­le­gungs­er­geb­nis­se nicht zu, dann können die Ge­rich­te für Ar­beits­sa­chen oh­ne Bin­dung an ei­ne Rei­hen­fol­ge wei­te­re Kri­te­ri­en wie die Ent­ste­hungs­ge­schich­te des Ta­rif­ver­trags, ggf. auch die prak­ti­sche Ta­rifübung ergänzend hin­zu­zie­hen. Auch die Prak­ti­ka­bi­lität denk­ba­rer Aus­le­gungs­er­geb­nis­se ist zu berück­sich­ti­gen. Im Zwei­fel gebührt der­je­ni­gen Ta­rif­aus­le­gung der Vor­zug, die zu ei­ner vernünf­ti­gen, sach­ge­rech­ten, zweck­ori­en­tier­ten und prak­tisch brauch­ba­ren Re­ge­lung führt.


4. Der Wort­laut der ta­rif­li­chen Re­ge­lung ist nicht ein­deu­tig. § 12 Abs. 1 Satz 2 TVÜ-Bund be­stimmt, dass maßgeb­li­cher Stich­tag für die an­spruchs­be­gründen­den Vor­aus­set­zun­gen (Vergütungs­grup­pe, Le­bens­al­ters­stu­fe, Orts­zu­schlag, Auf­stiegs­zei­ten) der 1. Ok­to­ber 2005 ist, so­fern in An­la­ge 3 TVÜ-Bund nicht aus­drück­lich et­was an­de­res be­stimmt ist. Da­mit ver­weist der Wort-laut der Ta­rif­be­stim­mung zwar nicht auf ei­ne „ori­ginäre“ Vergütungs­grup­pe, ei­ne „Aus­gangs­vergütungs­grup­pe“ oder die „Vergütungs­grup­pe bei erst­ma­li­ger Über­tra­gung der Tätig­keit“. Die in Spal­te 3 der Struk­tur­aus­gleich­s­ta­bel­le un­ter der Über­schrift „Auf­stieg“ ent­hal­te­ne An­ga­be „oh­ne“ kann vom Wort­sinn her aber auch so ver­stan­den wer­den, dass die in der Spal­te 2 der Struk­tur­aus­gleich­s­ta­bel­le an­ge­ge­be­ne Vergütungs­grup­pe oh­ne vor­he­ri­gen Auf­stieg er­reicht sein muss und kei­nen künf­ti­gen Auf­stieg vor­se­hen darf. Der Wort­laut des § 12 Abs. 1 Satz 2 TVÜ-Bund hin­dert nicht ein Verständ­nis des Merk­mals „Auf­stieg - oh­ne“, dass am Stich­tag 1. Ok­to­ber 2005 die für die Über­lei­tung in den

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TVöD maßgeb­li­che Vergütungs­grup­pe nicht mit ei­nem frühe­ren oder zukünf­ti­gen Auf­stieg ver­bun­den sein darf.

5. Auch die Ta­rif­sys­te­ma­tik führt zu kei­nem ein­deu­ti­gen Aus­le­gungs­er­geb­nis.


a) Der Um­stand, dass die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en in der An­la­ge 2 TVÜ- Bund, die die Zu­ord­nung der Vergütungs- und Lohn­grup­pen zu den Ent­gelt-grup­pen re­gelt, in der Spal­te 2 zwi­schen Vergütungs­grup­pen „oh­ne Auf­stieg“, „nach Auf­stieg“ und „mit aus­ste­hen­dem Auf­stieg“ un­ter­schie­den und in der Spal­te 3 der Struk­tur­aus­gleich­s­ta­bel­le mit dem Wort „oh­ne“ von die­ser Dif­fe­ren­zie­rung ab­ge­se­hen ha­ben, spricht noch nicht ent­schei­dend dafür, dass das Merk­mal „Auf­stieg - oh­ne“ aus­sch­ließlich das Feh­len künf­ti­ger Auf­stiegsmöglich­kei­ten er­fasst und Vergütungs­grup­pen nach er­folg­tem Auf­stieg nicht vom Struk­tur­aus­gleich aus­ge­nom­men sind. Die Struk­tur­aus­gleich­s­ta­bel­le und die An­la­ge 2 TVÜ-Bund ver­fol­gen nicht nur un­ter­schied­li­che Re­ge­lungs­zwe­cke. Sie un­ter­schei­den sich auch in der Re­ge­lungs­tech­nik, in­dem in der Struk­tur­aus­gleich­s­ta­bel­le an­ders als in der An­la­ge 2 TVÜ-Bund der Auf­stieg un­ter der ent­spre­chen­den Über­schrift in ei­ner ge­son­der­ten Spal­te be­han­delt wird. Dies könn­te ge­gen ei­ne An­knüpfung an die in An­la­ge 2 TVÜ-Bund ge­trof­fe­nen Dif­fe­ren­zie­run­gen und für ei­ne ei­genständi­ge Aus­le­gung spre­chen, zu­mal in der Struk­tur­aus­gleich­s­ta­bel­le an­ders als in An­la­ge 2 Spal­te 2 TVÜ-Bund nach dem Wort „oh­ne“ die für ei­nen Auf­stieg in Be­tracht kom­men­de höhe­re Vergütungs­grup­pe nicht ge­nannt wird. Würde das Merk­mal „Auf­stieg - oh­ne“ in ei­nem wei­te­ren Sin­ne als die Wor­te „oh­ne Auf­stieg“ in der An­la­ge 2 TVÜ-Bund ver­stan­den, dürf­te die für die Über­lei­tung maßgeb­li­che Vergütungs­grup­pe nicht im We­ge ei­nes Auf­stiegs er­reicht wor­den sein.


b) Wenn die Struk­tur­aus­gleich­s­ta­bel­le bei den ge­nann­ten Vergütungs­grup­pen mit Auf­stieg nur Vergütungs­grup­pen mit ei­nem am Stich­tag noch nicht er­folg­ten, al­so ei­nem zukünf­ti­gen Auf­stieg be­zeich­net, liegt die An­nah­me na­he, auch das Wort „oh­ne“ er­fas­se nur ei­nen zukünf­ti­gen Auf­stieg. Al­ler­dings lässt sich die­ser Aus­le­gung ent­ge­gen­hal­ten, dass in den Fällen mit Auf­stieg die
 


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höhe­re Vergütungs­grup­pe ge­nannt ist, in den Fällen oh­ne Auf­stieg da­ge­gen nicht.

c) Aus dem Wort „aus­sch­ließlich“ in § 12 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-Bund kann zwar ab­ge­lei­tet wer­den, dass die Zah­lung von Struk­tur­aus­gleich Aus­nah­me­cha­rak­ter hat. Dies lässt je­doch nicht den Schluss zu, dass das Merk­mal „Auf­stieg - oh­ne“ auch sol­che Vergütungs­grup­pen vom Struk­tur­aus­gleich aus­sch­ließen soll, die von den Beschäftig­ten im We­ge des Auf­stiegs er­reicht wur­den. Ob es nach dem Wil­len der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en mehr oder we­ni­ger Aus­nah­mefälle ge­ben soll, in de­nen Struk­tur­aus­gleich zu zah­len ist, er­sch­ließt sich aus § 12 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-Bund nicht.


d) Das Ar­gu­ment, dass in den Fällen ei­nes nach § 8 Abs. 2 TVÜ-Bund nach­ge­hol­ten Bewährungs- oder Fall­grup­pen­auf­stiegs ab dem in­di­vi­du­el­len Auf­stiegs­zeit­punkt ein et­wai­ger Struk­tur­aus­gleich entfällt und dass ein Wer­tungs­wi­der­spruch entstünde, wenn man die nach dem Stich­tag er­folg­te Gleich­stel­lung mit den früher Auf­ge­stie­ge­nen mit dem Weg­fall des Struk­tur­aus­gleichs be­stra­fe, die frühe­ren Höher­grup­pie­run­gen hin­ge­gen noch durch Zah­lun­gen ei­nes Struk­tur­aus­gleichs be­loh­ne, trägt nicht (aA Görgens ZTR 2009, 562, 563). Es berück­sich­tigt nicht die un­ter­schied­li­chen Fol­gen der Über­lei­tung nach ei­nem Auf­stieg aus ei­ner höhe­ren Vergütungs­grup­pe und der Über­lei­tung vor ei­nem nach dem al­ten Ta­rif­recht mögli­chen Auf­stieg aus der nied­ri­ge­ren Vergütungs­grup­pe. Die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en wa­ren auf­grund des Stich­tags­prin­zips nicht ge­hin­dert, nur da­nach zu dif­fe­ren­zie­ren, ob am 1. Ok­to­ber 2005 ein (wei­te­rer) Auf­stieg noch möglich war.


6. Auch Sinn und Zweck des Struk­tur­aus­gleichs ge­ben kein ein­deu­ti­ges Aus­le­gungs­er­geb­nis vor.

a) Mit dem Struk­tur­aus­gleich woll­ten die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en Er­war­tun­gen auf zukünf­ti­ge Ent­gelt­stei­ge­run­gen nach dem bis­he­ri­gen Ta­rif­sys­tem Rech­nung tra­gen. Bei der Er­mitt­lung der begüns­tig­ten Per­so­nen­grup­pen war ent­schei­dend, wel­che Ein­kom­mens­ent­wick­lung bei der bis­her er­reich­ten Vergütungs­grup­pe und Le­bens­al­ters­stu­fe so­wie dem je­wei­li­gen Fa­mi­li­en­stand
 


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(Orts­zu­schlag Stu­fe 1 oder Stu­fe 2) noch möglich ge­we­sen wäre. Dies erklärt, war­um die Struk­tur­aus­gleichs­beträge in­ner­halb ei­ner Vergütungs­grup­pe bei ver­schie­de­nen Le­bens­al­ters­stu­fen nicht stets gleich hoch sind (Cle­mens/Scheu­ring/St­ein­gen/Wie­se TVöD Stand De­zem­ber 2009 Teil IV/3 TVÜ-Bund/TVÜ-VKA Rn. 150). Im In­ter­es­se ei­ner für ei­ne Viel­zahl von Fall­ge­stal­tun­gen an­ge­streb­ten Ab­mil­de­rung von Ex­spek­t­anz­ver­lus­ten ha­ben die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en Ver­wer­fun­gen in Ein­z­elfällen aus­drück­lich hin­ge­nom­men (Nr. 1 Satz 2 der Nie­der­schrifts­erklärun­gen zu § 12 TVÜ-Bund). Mit den Spal­ten 2 und 3 der Struk­tur­aus­gleich­s­ta­bel­le ha­ben sie zwar auch mögli­che Kar­rie­re­ent­wick­lun­gen der An­ge­stell­ten nach dem BAT/BAT-O ab­ge­bil­det, so­weit sie den An­spruch auf Struk­tur­aus­gleich in der Spal­te 3 an den Auf­stieg in ei­ne höhe­re Vergütungs­grup­pe ge­knüpft ha­ben. Al­ler­dings ha­ben die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en mit dem Struk­tur­aus­gleich nicht aus­sch­ließlich nach dem bis­he­ri­gen Ta­rif­sys­tem be­ste­hen­den Ex­spek­t­an­zen im Hin­blick auf ei­ne Höher­grup­pie­rung Rech­nung ge­tra­gen. Sie ha­ben viel­mehr auch Ex­spek­t­anz­ver­lus­te auf­grund der Be­sei­ti­gung des Auf­stiegs nach dem Le­bens­al­ter ab­mil­dern wol­len. In Spal­te 5 der Struk­tur­aus­gleich­s­ta­bel­le ha­ben sie des­halb auf die Le­bens­al­ters­stu­fe des An­ge­stell­ten bei In­kraft­tre­ten des TVÜ-Bund ab­ge­stellt (vgl. Ha­nau ZTR 2009, 403, 408).


b) Die­ses Ab­mil­de­rungs­ziel spricht zwar für das Verständ­nis, dass das Merk­mal „Auf­stieg - oh­ne“ be­reits erfüllt ist, wenn am Stich­tag 1. Ok­to­ber 2005 kein (wei­te­rer) Auf­stieg mehr möglich war. Ent­gelt­stei­ge­run­gen auf­grund des Er­rei­chens ei­ner höhe­ren Le­bens­al­ters­stu­fe wären nach bis­he­ri­gem Ta­rif­recht un­abhängig da­von ein­ge­tre­ten, ob die ak­tu­el­le Ein­grup­pie­rung noch ei­nen Bewährungs- oder Tätig­keits­auf­stieg zu­ge­las­sen hätte oder ein sol­cher Auf­stieg be­reits vor dem In­kraft­tre­ten des TVÜ-Bund er­folgt war. Der Ver­lust der Al­ter­s­ex­spek­tanz trifft al­le Beschäftig­te ei­ner Vergütungs­grup­pe gleich, un­abhängig da­von, ob sie in die­se ori­ginär ein­grup­piert wa­ren oder durch Auf­stieg ge­langt sind (Ha­nau ZTR 2009, 403, 407). Ei­ne Bin­dung des An­spruchs auf Struk­tur­aus­gleich an ei­ne ori­ginäre Vergütungs­grup­pe könn­te des­halb dem Wil­len der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en, auch mit der Ab­schaf­fung der Le­bens­al­ters­stu­fen ver-
 


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bun­de­ne Ex­spek­t­anz­ver­lus­te aus­zu­glei­chen (vgl. Dan­nen­berg PersR 2009, 193, 195), wi­der­spre­chen.

c) Zwin­gend ist dies je­doch nicht. Auch ei­ne Re­ge­lung, wo­nach das Merk­mal „Auf­stieg - oh­ne“ nur dann erfüllt ist, wenn die für die Über­lei­tung maßgeb­li­che Vergütungs­grup­pe nicht im We­ge ei­nes Auf­stiegs er­reicht wor­den ist, würde die Gren­zen der au­to­no­men Re­ge­lungs­macht der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en des TVÜ-Bund nicht über­schrei­ten, son­dern wäre von der Ta­rif­au­to­no­mie ge­deckt.


7. Das von der Kläge­rin befürwor­te­te Aus­le­gungs­er­geb­nis ist auch nicht nen­nens­wert prak­ti­ka­bler als das Ab­stel­len auf ori­ginäre Vergütungs­grup­pen. Die Prüfung, ob im Über­lei­tungs­zeit­punkt ei­ne be­stimm­te Auf­stiegsmöglich­keit bzw. kei­ne Auf­stiegsmöglich­keit be­stand, er­for­dert oh­ne­hin den Rück­griff auf die bei der Über­lei­tung ein­schlägi­ge Fall­grup­pe der Vergütungs­grup­pe des BAT, so dass oh­ne Wei­te­res fest­ge­stellt wer­den kann, ob der An­ge­stell­te in die Vergütungs­grup­pe mit der ent­spre­chen­den Fall­grup­pe erst durch ei­nen vor­he­ri­gen Auf­stieg ge­langt ist. Auf­grund die­ses not­wen­di­gen Rück­griffs auf die ein­schlägi­ge Fall­grup­pe kann aus der Struk­tur­aus­gleich­s­ta­bel­le auch dann nicht „pro­blem­los“ ab­ge­le­sen wer­den, wer ab wann für wie lan­ge wel­chen Be­trag erhält, wenn oh­ne Wei­te­res auf die Vergütungs­grup­pe ab­ge­stellt wird, in der der An­ge­stell­te bei In­kraft­tre­ten des TVÜ-Bund ein­grup­piert war (aA Schmidt-Rud­loff in Be­p­ler/Böhle/Meer­kamp/Stöhr Beck’scher On­line-Kom­men­tar Stand 1. März 2010 TVÜ-Bund § 12).

8. Ob es nach § 12 des Ta­rif­ver­trags zur Über­lei­tung der Beschäftig­ten der Länder in den TV-L und zur Re­ge­lung des Über­g­angs­rechts (TVÜ-Länder) vom 12. Ok­to­ber 2006 für den An­spruch auf Struk­tur­aus­gleich dar­auf an­kommt, dass die für die Über­lei­tung maßgeb­li­che Vergütungs­grup­pe oh­ne Auf­stieg er­reicht wor­den ist, ist für die Aus­le­gung des Merk­mals „Auf­stieg - oh­ne“ in der An­la­ge 3 TVÜ-Bund nicht ent­schei­dend. Selbst wenn die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en des TVÜ-Länder auf die ori­ginäre Vergütungs­grup­pe ab­ge­stellt ha­ben soll­ten, könn­te dar­aus kein ent­spre­chen­der Re­ge­lungs­wil­le der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en
 


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des TVÜ-Bund ab­ge­lei­tet wer­den, die die­sen Ta­rif­ver­trag be­reits am 13. Sep­tem­ber 2005 ver­ein­bart hat­ten.

9. Eben­so we­nig Rück­schlüsse auf den Re­ge­lungs­wil­len der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en des TVÜ-Bund lässt der zeit­gleich ver­ein­bar­te Ta­rif­ver­trag zur Über­lei­tung der Beschäftig­ten der kom­mu­na­len Ar­beit­ge­ber in den TVöD und zur Re­ge­lung des Über­g­angs­rechts (TVÜ-VKA) mit sei­ner in An­la­ge 2 ge­re­gel­ten Struk­tur­aus­gleich­s­ta­bel­le zu. Die­se ist an­ders struk­tu­riert als die Ta­bel­le für die Beschäftig­ten des Bun­des und nicht mit ver­gleich­ba­ren Aus­le­gungs­pro­ble­men ver­bun­den. So­weit dort auch für ei­ni­ge Fälle ein Struk­tur­aus­gleich vor­ge­se­hen ist, in de­nen der An­ge­stell­te im We­ge des Auf­stiegs in ei­ne höhe­re Vergütungs­grup­pe ge­langt war, un­ter­schei­det er sich nach Be­trag, Be­ginn und Dau­er von den Fällen, in de­nen die Über­lei­tung des An­ge­stell­ten aus der ori­ginären Vergütungs­grup­pe er­folg­te.


10. Be­zo­gen auf den Re­ge­lungs­wil­len der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en des TVÜ- Bund hat das Bun­des­mi­nis­te­ri­um des In­nern mit Schrei­ben vom 5. Fe­bru­ar 2008 an das Ei­sen­bahn-Bun­des­amt be­haup­tet, die Ge­werk­schaf­ten hätten in den Ta­rif­ver­trags­ver­hand­lun­gen um­fang­rei­che Ver­gleichs­be­rech­nun­gen vor­ge­legt, die auf den „ori­ginären“ Vergütungs­grup­pen ba­sier­ten und zur ta­rif­li­chen Re­ge­lung des Struk­tur­aus­gleichs geführt hätten. Die Be­klag­te hat die­ses Schrei­ben in den vor­lie­gen­den Rechts­streit ein­geführt, sich dar­auf be­zo­gen und sich da­mit die Be­haup­tung des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums des In­nern zu Ei­gen ge­macht. Soll­te die­se Be­haup­tung zu­tref­fen und wären die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en sich in den Ta­rif­ver­hand­lun­gen ei­nig ge­we­sen, dass der An­spruch auf Struk­tur­aus­gleich vor­aus­setzt, dass die für die Über­lei­tung maßgeb­li­che Vergütungs­grup­pe nicht im We­ge ei­nes Auf­stiegs er­reicht wor­den ist, würde dies die Aus­le­gung des Lan­des­ar­beits­ge­richts und der Be­klag­ten recht­fer­ti­gen (zu den Vor­aus­set­zun­gen ei­nes Rück­griffs auf die Ent­ste­hungs­ge­schich­te der ta­rif­li­chen Re­ge­lung als für die Aus­le­gung ent­schei­den­den An­halts­punkt vgl. auch BAG 24. Fe­bru­ar 2010 - 10 AZR 1035/08 -).

Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat auf­grund sei­ner An­nah­me, be­reits die Sys­te­ma­tik der ta­rif­li­chen Re­ge­lung spre­che ent­schei­dend dafür, dass es zur
 


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Erfüllung des Merk­mals „Auf­stieg - oh­ne“ auf die ori­ginäre Vergütungs­grup­pe an­kom­me, nicht ge­prüft, ob die Be­haup­tung der Be­klag­ten zu­trifft, dass die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en des TVÜ-Bund in den Ta­rif­ver­hand­lun­gen die Struk­tur­aus­gleichs­beträge auf der Ba­sis der ori­ginären Vergütungs­grup­pen mit und oh­ne Auf­stiegsmöglich­keit fest­ge­legt ha­ben und sich ei­nig ge­we­sen sind, dass das Merk­mal „Auf­stieg - oh­ne“ nur dann erfüllt ist, wenn die für die Über­lei­tung maßgeb­li­che Vergütungs­grup­pe nicht im We­ge ei­nes Auf­stiegs er­reicht wor­den ist. Die­se Prüfung hat es nach­zu­ho­len. Da­zu hat es bei­den Par­tei­en zunächst Ge­le­gen­heit zu ge­ben, ih­ren je­wei­li­gen Sach­vor­trag zur Ent­ste­hungs­ge­schich­te der Re­ge­lung des Struk­tur­aus­gleichs zu ergänzen und wei­ter zu sub­stan­ti­ie­ren. So­dann wird das Lan­des­ar­beits­ge­richt fest­zu­stel­len ha­ben, ob die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en sich ei­nig ge­we­sen sind, dass die ori­ginäre Vergütungs­grup­pe maßgeb­lich ist. Da Wort­laut, sys­te­ma­ti­scher Zu­sam­men­hang und sons­ti­ge Aus­le­gungs­ge­sichts­punk­te nicht zu ei­ner zwei­fels­frei­en Aus­le­gung führen, kann auch Ver­an­las­sung zur Ein­ho­lung ei­ner Ta­rif­aus­kunft be­ste­hen (vgl. BAG 17. Mai 1994 - 1 ABR 57/93 -). Gemäß § 293 ZPO können so Mit­tel der Rechts­an­wen­dung und die da­zu er­for­der­li­chen Er­kennt­nis­quel­len ge­won­nen wer­den, in­dem zB Auskünf­te der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en darüber ein­ge­holt wer­den, ob es zu der Re­ge­lung des Struk­tur­aus­gleichs Pro­to­koll­no­ti­zen oder ver­gleich­ba­re Un­ter­la­gen gibt, aus de­nen ein übe­rein­stim­men­der Re­ge­lungs­wil­le der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en er­sicht­lich ist (vgl. BAG 16. Ok­to­ber 1985 - 4 AZR 149/84 - BA­GE 50, 9, 21).

11. Kann ei­ne sol­che Ei­nig­keit der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en nicht fest­ge­stellt wer­den, wäre das Merk­mal „Auf­stieg - oh­ne“ so aus­zu­le­gen, dass es aus­reicht, dass am Stich­tag 1. Ok­to­ber 2005 kein (wei­te­rer) Auf­stieg mehr möglich war. Für die­se Aus­le­gung strei­tet dann ent­schei­dend der Ge­sichts­punkt der Nor­men­klar­heit. Wenn die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en in den ers­ten fünf Spal­ten der Struk­tur­aus­gleich­s­ta­bel­le sämt­li­che An­spruchs­vor­aus­set­zun­gen für den Struk­tur­aus­gleich und in den Spal­ten 6 und 7 der Ta­bel­le die Höhe des je­wei­li­gen Aus­gleichs­be­trags bzw. die Be­zugs­dau­er auf­ge­lis­tet ha­ben, spricht dies dafür, dass sie den Struk­tur­aus­gleich möglichst trans­pa­rent re­geln woll­ten. Müss­te
 


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erst er­mit­telt wer­den, ob der Beschäftig­te in die in der Spal­te 2 der Ta­bel­le be­zeich­ne­te Vergütungs­grup­pe im We­ge des Auf­stiegs ge­langt ist oder nicht, wäre die Re­ge­lung we­ni­ger durch­schau­bar. Für Nor­madres­sa­ten, die sich al­lein an­hand des Wort­lauts von § 12 TVÜ-Bund und der Struk­tur­aus­gleich­s­ta­bel­le Ge­wiss­heit über Ansprüche auf Struk­tur­aus­gleich ver­schaf­fen wol­len, ist dies ent­schei­dend. Auch die Bun­des­for­schungs­an­stalt für Ernährung und Le­bens­mit­tel hat die ta­rif­li­che Re­ge­lung zunächst so ver­stan­den, dass es für den An­spruch auf Struk­tur­aus­gleich auf die „ge­genwärti­ge Ein­grup­pie­rung bei In­kraft­tre­ten des TVÜ-Bund“ an­kommt. Sie hat der Kläge­rin des­halb in ei­nem Schrei­ben vom 10. Ok­to­ber 2005 mit­ge­teilt, dass die­se Struk­tur­aus­gleich erhält, und die­se Mit­tei­lung erst nach Kennt­nis der Hin­wei­se des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums des In­nern zur An­wen­dung der Re­ge­lun­gen über Struk­tur­aus­glei­che gemäß § 12 TVÜ-Bund kor­ri­giert. Bei ei­nem un­be­fan­ge­nen Durch­le­sen der ta­rif­ver­trag­li­chen An­spruchs­vor­aus­set­zun­gen liegt die In­ter­pre­ta­ti­on, ent­schei­dend sei die bei der Über­lei­tung maßgeb­li­che Vergütungs­grup­pe des BAT oh­ne Rück­sicht auf ei­nen vor­an­ge­gan­ge­nen Auf­stieg, deut­lich näher als die von der Be­klag­ten befürwor­te­te Aus­le­gung. Wenn al­le an­de­ren Aus­le­gungs­ge­sichts­punk­te zu kei­nem ein­deu­ti­gen Er­geb­nis führen, muss dies den Aus­schlag ge­ben, weil von den Nor­madres­sa­ten ty­pi­scher­wei­se nicht zu er­war­ten ist, dass sie sich zur Klärung der An­spruchs­vor­aus­set­zun­gen sämt­li­cher Aus­le­gungs­me­tho­den be­die­nen und al­le in Be­tracht kom­men­den Aus­le­gungs­ge­sichts­punk­te her­an­zie­hen.

 


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