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BAG, Be­schluss vom 14.12.2010, 1 ABR 19/10

   
Schlagworte: Tarifvertrag
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 1 ABR 19/10
Typ: Beschluss
Entscheidungsdatum: 14.12.2010
   
Leitsätze: Die Tariffähigkeit einer von Gewerkschaften gebildeten Spitzenorganisation iSd. § 2 Abs. 3 TVG setzt voraus, dass deren Organisationsbereich mit dem ihrer Mitgliedsgewerkschaften übereinstimmt.
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Berlin, Beschluss vom 1.04.2009, 35 BV 17008/08
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 7.12.2009, 23 TaBV 1016/09
   

BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT

1 ABR 19/10

23 TaBV 1016/09 Lan­des­ar­beits­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am

14. De­zem­ber 2010

BESCHLUSS

Klapp, Ur­kunds­be­am­ter der Geschäfts­stel­le

In dem Be­schluss­ver­fah­ren mit den Be­tei­lig­ten

1.

An­trag­stel­le­rin und Be­schwer­deführe­rin,

2.

an­trag­stel­len­des Land,

3.

Be­schwer­deführe­rin und Rechts­be­schwer­deführe­rin,


- 2 -

4.

Be­schwer­deführer,


5.

6.

7.

8.

9. ...

10.

11.

12.


Be­schwer­deführer und Rechts­be­schwer­deführer,


- 3 -

13.

Be­schwer­deführer und Rechts­be­schwer­deführer,

hat der Ers­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der Anhörung vom

14. De­zem­ber 2010 durch die Präsi­den­tin des Bun­des­ar­beits­ge­richts Schmidt, die Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Linck und Prof. Dr. Koch so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Dr. Hann und Kunz für Recht er­kannt:

Die Rechts­be­schwer­den der Ta­rif­ge­mein­schaft Christ­li­cher Ge­werk­schaf­ten für Zeit­ar­beit und Per­so­nal­ser­vice-agen­tu­ren, des Ar­beit­ge­ber­ver­bands Mit­telständi­scher Per­so­nal­dienst­leis­ter e. V. so­wie der Bun­des­ver­ei­ni­gung Deut­scher Dienst­leis­tungs­un­ter­neh­men e. V. ge­gen den Be­schluss des Lan­des­ar­beits­ge­richts Ber­lin-Bran­den­burg vom 7. De­zem­ber 2009 - 23 TaBV 1016/09 - wer­den zurück­ge­wie­sen.

Von Rechts we­gen!

Gründe

A. Die Be­tei­lig­ten strei­ten über die Ta­riffähig­keit der Ta­rif­ge­mein­schaft

Christ­li­cher Ge­werk­schaf­ten für Zeit­ar­beit und Per­so­nal­ser­vice­agen­tu­ren (CG­ZP).

An­trag­stel­ler sind die zu 1. be­tei­lig­te Ver­ein­te Dienst­leis­tungs­ge­werk-

schaft (ver.di) und das zu 2. be­tei­lig­te Land Ber­lin.

Der Or­ga­ni­sa­ti­ons­be­reich von ver.di um­fasst nach § 4 Nr. 1 ver.di-

Sat­zung idF vom 12./14. März 2008 ua. Un­ter­neh­men, Be­trie­be, Ein­rich­tun­gen


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und Ver­wal­tun­gen der im An­hang 1 zur Sat­zung ab­sch­ließend auf­geführ­ten Be­rei­che. Da­nach ist ver.di ua. zuständig für Dru­cke­rei­en, Zei­tungs- und Zeit­schrif­ten­ver­la­ge, Zeit­schrif­ten­be­trie­be so­wie Ne­ben­be­trie­be die­ser Be­rei­che ein­sch­ließlich Kan­ti­nen, Ka­si­nos, Aus­lie­fe­rungs-, Zu­stell- und an­de­rer Ser­vice­be­trie­be (Nr. 1.3 An­hang 1 ver.di-Sat­zung). Zu den er­fass­ten Or­ga­ni­sa­ti­ons­ein­hei­ten im Be­reich Öffent­li­che Diens­te, Trans­port und Ver­kehr zählen ua. Ver­wal­tun­gen, Be­trie­be und Ein­rich­tun­gen des öffent­li­chen und pri­va­ten Ge­sund­heits­we­sens so­wie des öffent­li­chen und pri­va­ten Nah- und Fern­ver­kehrs ein­sch­ließlich der Flughäfen (Nr. 1.4 An­hang 1 ver.di-Sat­zung). Nr. 1.2.4 An­hang 1 ver.di-Sat­zung lau­tet:

„1.2.4 Sons­ti­ger pri­va­ter Dienst­leis­tungs­be­reich

Sons­ti­ge Un­ter­neh­men und Or­ga­ni­sa­tio­nen des Dienst­leis­tungs­be­reichs ein­sch­ließlich recht­lich aus­ge­glie­der­ter bzw. selbständi­ger, je­doch wirt­schaft­lich-or­ga­ni­sa­to­risch zu­ge­ord­ne­ter Dienst­leis­tungs­be­trie­be, z.B. Da­ten­ver­ar­bei­tung, Or­ga­ni­sa­ti­on, Ver­wal­tung und Bil­dungs­ein­rich­tun­gen so­wie ih­re Verbände.

...

1.2.4.3 Ver­leih­we­sen

Lea­sing­un­ter­neh­men, Au­to­ver­lei­her und sons­ti­ge Ver­leih-un­ter­neh­men“

Der Ge­werk­schafts­rat von ver.di be­fass­te sich auf sei­ner Sit­zung vom

15. - 17. Ju­ni 2009 mit ei­ner Ände­rung des in An­hang 1 ent­hal­te­nen Or­ga­ni­sa­ti­ons­ka­ta­logs. Nach ei­ner vom Bun­des­vor­stand ein­ge­brach­ten Vor­la­ge soll­ten dem Satz 1 von Nr. 1.2.4 An­hang 1 ver.di-Sat­zung fol­gen­de Sätze 2 und 3 an­gefügt wer­den:

„Dies um­fasst auch Un­ter­neh­men der ge­werb­li­chen Ar­beit­neh­merüber­las­sung. Die Zuständig­keit er­streckt sich außer­dem auf Ar­beit­neh­mer/in­nen, die von ei­nem Ver­leih-be­trieb an die vom Or­ga­ni­sa­ti­ons­be­reich der ver.di er­fass­ten Be­trie­be (Ent­leih­be­trieb) zur Ar­beits­leis­tung über­las­sen sind.“

Die zu 3. be­tei­lig­te CG­ZP ist am 11. De­zem­ber 2002 von Mit­glie­dern

des zu 5. be­tei­lig­ten Christ­li­chen Ge­werk­schafts­bun­des Deutsch­lands (CGB)

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ge­gründet wor­den. Die ers­te Sat­zung der CG­ZP ist auf ih­rer Mit­glie­der­ver­samm­lung vom 15. Ja­nu­ar 2003 an­ge­nom­men wor­den. § 1 und § 3 Abs. 1 ih­rer am 5. De­zem­ber 2005 geänder­ten Sat­zung lau­te­ten:

„§ 1 Na­me und Zweck

Die Ta­rif­ge­mein­schaft ver­tritt die ta­rif­li­chen In­ter­es­sen ih­rer Mit­glieds­ge­werk­schaf­ten als Spit­zen­or­ga­ni­sa­ti­on nach § 2 Abs. 3 TVG und schließt für de­ren Mit­glie­der Ta­rif­verträge mit Ar­beit­ge­bern oder Ar­beit­ge­ber­verbänden ab, die als Ver­lei­her Drit­ten (Ent­lei­hern) Ar­beit­neh­mer (Leih­ar­beit­neh­mer) ge­werbsmäßig zur Ar­beit­neh­merüber­las­sung über­las­sen wol­len.

...

§ 3 Mit­glied­schaft

(1) Mit­glie­der können die Ge­werk­schaf­ten im Christ­li­chen Ge­werk­schafts­bund Deutsch­lands (CGB) wer­den, die ih­ren Bei­tritt zur Ta­rif­ge­mein­schaft erklären.“

Nach ei­ner Sat­zungsände­rung vom 8. Ok­to­ber 2009 heißt es in dem

an­gefügten § 1 Abs. 2 so­wie in § 7 Abs. 1 CG­ZP-Sat­zung 2009: „§ 1 Na­me und Zweck

...

(2) Die Wahr­neh­mung der In­ter­es­sen der Mit­glie­der der Mit­glieds­ge­werk­schaf­ten, die bei Ar­beit­ge­bern beschäftigt sind, die als Ver­lei­her Drit­ten Ar­beit­neh­mer zur Ar­beits­leis­tung über­las­sen, er­folgt über haupt-und eh­ren­amt­li­che Funk­ti­ons­träger der Mit­glieds­ge­werk­schaf­ten. Da­zu gehören ins­be­son­de­re: die ge­werk­schaft­li­che Be­treu­ung und die recht­li­che Ver­tre­tung der Mit­glie­der in den Mit­glieds­ge­werk­schaf­ten, so­wie das Vor­be­rei­ten und Führen von Ta­rif­ver­hand­lun­gen so­wie von Maßnah­men zur Durch­set­zung und Ein­hal­tung von ta­rif­li­chen Lohn-und Ar­beits­be­din­gun­gen.

...

§ 7 Ab­schluss von Ta­rif­verträgen

(1) Ta­rif­ver­trags­sch­ließen­de Par­tei in der Zeit­ar­beit ist

die Ta­rif­ge­mein­schaft Christ­li­cher Ge­werk­schaf­ten für Zeit­ar­beit und Per­so­nal­ser­vice­agen­tu­ren (CG­ZP). Durch ih­ren Bei­tritt zur CG­ZP er­ken­nen die Mit-


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glieds­ge­werk­schaf­ten die Sat­zung der CG­ZP an.

Das Recht der Mit­glieds­ge­werk­schaf­ten, im Rah­men ih­rer Zuständig­keit selbst Ta­rif­verträge mit Un­ter­neh­men oder Verbänden zu schließen, die Ar­beit­neh­mer an Drit­te zur Dienst­leis­tung über­las­sen, bleibt un­berührt. Be­vor ei­ne Mit­glieds­ge­werk­schaft ei­nen Ta­rif­ver­trag für Ar­beit­neh­mer ab­sch­ließt, die an Drit­te zur Ar­beits­leis­tung über­las­sen wer­den, ist sie zur Ver­mei­dung von Ta­rif­kol­li­sio­nen ver­pflich­tet, die Zu­stim­mung der CG­ZP ein­zu­ho­len.“

Die CG­ZP hat nach den beim Ta­rif­re­gis­ter des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums für

Ar­beit und So­zia­les (BMAS) ein­ge­reich­ten Ver­ein­ba­run­gen seit dem 12. De­zem­ber 2002, dem Tag nach ih­rer Gründung, ei­ne Viel­zahl von Fir­men- und Ver­bands­ta­rif­verträgen ab­ge­schlos­sen.

Zum Zeit­punkt der Sat­zungsände­rung am 8. Ok­to­ber 2009 wa­ren die

zu 8. be­tei­lig­te Christ­li­che Ge­werk­schaft Me­tall (CGM), die zu 10. be­tei­lig­te DHV - Die Be­rufs­ge­werk­schaft e.V. (DHV) so­wie die zu 11. be­tei­lig­te Ge­werk­schaft Öffent­li­cher Dienst und Dienst­leis­tun­gen (GÖD) Mit­glie­der der CG­ZP. Die von den Vor­in­stan­zen zu 9. be­tei­lig­te Christ­li­che Ge­werk­schaft Post­ser­vice und Te­le­kom­mu­ni­ka­ti­on (CGPT) hat mit Wir­kung zum 30. Ju­ni 2009 ih­ren Aus­tritt aus der CG­ZP erklärt.

§ 1 Abs. 3 und § 3 Abs. 1 der am 21. Ok­to­ber 2007 in Kraft ge­tre­te­nen

Sat­zung der CGM lau­ten:

§ 1

Na­me, Sitz und Or­ga­ni­sa­ti­ons­be­reich

...

3. Die Christ­li­che Ge­werk­schaft Me­tall ist ei­ne un-

abhängi­ge Ge­werk­schaft ge­genüber po­li­ti­schen Par­tei­en, Kir­chen, Re­gie­run­gen und Un­ter­neh­men. Der Or­ga­ni­sa­ti­ons­be­reich er­streckt sich auf das Ge­biet der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land und um­fasst die Be­rei­che der me­tall­er­zeu­gen­den und -ver­ar­bei­ten­den In­dus­trie, des Me­tall­hand­werks, der Elek­tro­in­dus­trie und der sons­ti­gen Me­tall­be­trie­be.

...


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§ 3

Bei­tritts­vor­aus­set­zun­gen

1. Mit­glied bei der Christ­li­chen Ge­werk­schaft Me­tall

kann je­der in der me­tall­er­zeu­gen­den und -ver­ar­bei­ten­den In­dus­trie, in dem Me­tall­hand­werk, in der Elek­tro­in­dus­trie und in den sons­ti­gen Me­tall­be­trie­ben Beschäftig­te oh­ne Rück­sicht auf Al­ter, Ge­schlecht, Her­kunft, Na­tio­na­lität, po­li­ti­sche und kon­fes­sio­nel­le Bin­dung wer­den.“

In der seit dem 12. Ju­ni 2009 gel­ten­den Sat­zung der DHV ist be­stimmt:

§ 2 Auf­ga­ben und Zie­le

1. Die DHV ist ei­ne Ge­werk­schaft der Ar­beit­neh­mer ins­be­son­de­re in kaufmänni­schen und ver­wal­ten­den Be­ru­fen. Sie ist da­mit zuständig zum Ab­schluss von Ta­rif­verträgen für die­se Ar­beit­neh­mer­grup­pen.

An­de­re Ar­beit­neh­mer­grup­pen können in Ta­rif­verträge ein­be­zo­gen wer­den, wenn sie in ei­ner Bran­che oder in Un­ter­neh­men beschäftigt sind, die durch kaufmänni­sche und ver­wal­ten­de Tätig­kei­ten ge­prägt sind. Hier­zu gehören der Groß-, Außen- und Ein­zel­han­del und die Wa­ren­lo­gis­tik, die Fi­nanz- und Ver­si­che­rungs­wirt­schaft, die ge­setz­li­che So­zi­al­ver­si­che­rung so­wie die­sen Bran­chen zu­zu­ord­nen­de Dienst­leis­tungs­be­trie­be.

In Ta­rif­verträge können auch an­de­re Ar­beit­neh­mer­grup­pen ein­be­zo­gen wer­den, so­weit sie in Un­ter­neh­men oder Bran­chen beschäftigt wer­den, in de­nen die DHV Ta­rif­part­ner ist oder in de­nen die DHV über ei­ne hin­rei­chen­de Re­präsen­ta­ti­vität verfügt. Die­se sind im An­hang zur Sat­zung ab­sch­ließend auf­geführt. Der An­hang ist Be­stand­teil der Sat­zung.

Die Ta­rif­zuständig­keit er­streckt sich auch auf Ar­beit­neh­mer, die in ei­ner in Ziff. 1. Abs. 2 oder im An­hang auf­geführ­ten Bran­chen bzw. Un­ter­neh­men im Sin­ne des Ar­beit­neh­merüber­las­sungs­ge­set­zes über­las­sen wer­den.“

Im An­hang zu § 2 DHV-Sat­zung sind im Ein­zel­nen be­zeich­ne­te Bran-

chen und Un­ter­neh­men auf­geführt.


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§ 2 und § 5 der Sat­zung der GÖD idF vom 20./21. April 2005 lau­te­ten:

„§ 2 Or­ga­ni­sa­ti­ons­be­reich

Der räum­li­che Or­ga­ni­sa­ti­ons­be­reich er­streckt sich auf das Ge­biet der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land.

...

§ 5 Mit­glied­schaft

Mit­glie­der der GÖD können wer­den:

1) Ar­beit­neh­mer/in­nen, An­ge­stell­te und Beam-te/Be­am­tin­nen, die im Dienst des Bun­des, der Länder, der kom­mu­na­len Ver­wal­tun­gen und Be­trie­be oder sons­ti­gen Körper­schaf­ten, An­stal­ten und Stif­tun­gen des öffent­li­chen Rechts ste­hen, so­wie Rich­ter/Rich­te­rin­nen, Sol­da­ten/Sol­da­tin­nen der Bun­des­wehr, Zi­vil­be­diens­te­te der Sta­tio­nie­rungs­streit­kräfte, Ver­sor­gungs­empfänger, Rent­ner/in­nen und Aus­zu­bil­den­de, so­wie Ar­beit­neh­mer/in­nen von pri­vat­recht­lich or­ga­ni­sier­ten Dienst­leis­tungs­be­trie­ben und Or­ga­ni­sa­tio­nen, die auch die Grundsätze und die Sat­zung der GÖD an­er­ken­nen und be­reit sind, ih­re Zie­le zu fördern und kei­ner kon­kur­rie­ren­den Ge­werk­schaft an­gehören.

2) Die GÖD kann sich durch Be­schluss des Bun­des­vor­stan­des für an­de­re Ta­rif­be­rei­che zuständig erklären.“

Nach ei­ner am 1. Ok­to­ber 2009 be­schlos­se­nen Sat­zungsände­rung

heißt es in § 2, § 5 und § 21 Abs. 1 der GÖD-Sat­zung:

„§ 2 Or­ga­ni­sa­ti­ons­be­reich/Zuständig­keits­be­reich

1) Der räum­li­che Or­ga­ni­sa­ti­ons­be­reich er­streckt sich auf das Ge­biet der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land. Der sach­li­che Zuständig­keits­be­reich er­streckt sich auf den Be­reich des öffent­li­chen Diens­tes, ins­be­son­de­re ... Er er­streckt sich auch auf den ge­sam­ten pri­vat­wirt­schaft­li­chen Dienst­leis­tungs­be­reich.

Um den Be­stimmt­heits­grundsätzen zu genügen, kann die­ser Sat­zung ei­ne An­la­ge bei­gefügt wer­den, die ein­zel­ne Bran­chen aufführt.

2) Die GÖD kann sich durch Be­schluss des Bun­des­vor­stan­des für an­de­re Ta­rif­be­rei­che zuständig erklären.


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§ 5 Mit­glied­schaft

Mit­glie­der der GÖD können wer­den:

Ar­beit­neh­mer und Be­am­te, die im Dienst des Bun­des, der Länder, der kom­mu­na­len Ver­wal­tun­gen und Be­trie­be oder sons­ti­gen Körper­schaf­ten, An­stal­ten und Stif­tun­gen des öffent­li­chen Rechts ste­hen, so­wie Rich­ter, Sol­da­ten der Bun­des­wehr, Zi­vil­be­diens­te­te der Sta­tio­nie­rungs­streit­kräfte, Ver­sor­gungs­empfänger, Rent­ner und Aus­zu­bil­den­de und Ar­beit­neh­mer von pri­vat­recht­lich or­ga­ni­sier­ten Dienst­leis­tungs­be­trie­ben und Or­ga­ni­sa­tio­nen. ...

§ 21 Ko­ope­ra­tio­nen/Fu­sio­nen

1) Der Bun­des­vor­stand kann durch Be­schluss mit ein­fa­cher Mehr­heit an­de­re, nicht kon­kur­rie­ren­de Ge­werk­schaf­ten, Be­rufs­verbände oder Ar­beit­neh­mer­ver­ei­ni­gun­gen in die GÖD auf­neh­men oder an­de­re For­men der Ko­ope­ra­ti­on mit die­sen ein­ge­hen.“

Die in § 2 Abs. 1 GÖD-Sat­zung in Aus­sicht ge­stell­te An­la­ge ist der Sat-

zung der GÖD bis­her nicht bei­gefügt wor­den.

In der Anhörung vor dem Ar­beits­ge­richt ha­ben sich die CGM, die DHV

und die GÖD zu ih­ren Mit­glie­der­zah­len am Jah­res­en­de 2008 erklärt. Da­nach soll die CGM 90.000 Mit­glie­der, die DHV 78.000 Mit­glie­der und die GÖD 57.000 Mit­glie­der ha­ben. Nach An­ga­ben der CG­ZP in der Be­schwer­de­be­gründung wa­ren am 31. De­zem­ber 2008 in ih­ren Mit­glieds­ge­werk­schaf­ten 1.383 Leih­ar­beit­neh­mer or­ga­ni­siert (CGM: 900 Mit­glie­der; DHV: 312 Mit­glie­der; GÖD: 171 Mit­glie­der). Im Jahr 2008 wur­den nach An­ga­ben der Bun­des­agen­tur für Ar­beit durch­schnitt­lich 760.604 Leih­ar­beit­neh­mer beschäftigt.

Die Vor­in­stan­zen ha­ben auf­grund der An­ga­ben in der An­trags­schrift

den Deut­schen Ge­werk­schafts­bund (DGB) als Be­tei­lig­ten zu 4., die Bun­des­ver­ei­ni­gung der Deut­schen Ar­beit­ge­ber­verbände (BDA) als Be­tei­lig­te zu 6. so­wie das BMAS als Be­tei­lig­ten zu 7. an­gehört. Da­ne­ben sind auf An­re­gung der CG­ZP der zu 12. be­tei­lig­te Ar­beit­ge­ber­ver­band Mit­telständi­scher Per­so­nal-dienst­leis­ter e. V. (AMP) so­wie die zu 13. be­tei­lig­te Bun­des­ver­ei­ni­gung Deut-


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scher Dienst­leis­tungs­un­ter­neh­men e. V. (BVD) in das Ver­fah­ren ein­be­zo­gen wor­den.

Bei Ein­gang der An­trags­schrift im vor­lie­gen­den Ver­fah­ren war be­reits

seit dem 15. April 2008 ein später an das Ar­beits­ge­richt Ber­lin ver­wie­se­nes Be­schluss­ver­fah­ren zur Fest­stel­lung der Ta­riffähig­keit der CG­ZP anhängig (- 63 BV 9415/08 -). Die­ses Ver­fah­ren wur­de auf­grund ei­nes Aus­set­zungs­be­schlus­ses des Ar­beits­ge­richts Bam­berg vom 16. April 2008 in dem Ver­fah­ren - 2 Ca 249/08 -, der in der Fol­ge­zeit durch die Be­schlüsse vom 21. No­vem­ber 2008 und vom 6. Fe­bru­ar 2009 ergänzt wur­de, ein­ge­lei­tet. Streit­ge­gen­stand je­nes Ver­fah­rens sind Vergütungs­ansprüche aus ei­nem Leih­ar­beits­verhält­nis für die Zeit vom 17. Ok­to­ber 2006 bis zum 31. Ja­nu­ar 2008. Für die­se ist nach Auf­fas­sung des Ar­beits­ge­richts Bam­berg die Ta­riffähig­keit der CG­ZP bei Ab­schluss des „Ent­gelt­ta­rif­ver­trags West“ am 22. Ju­li 2003 vor­greif­lich. Nach der Aus­set­zung des Ver­fah­rens - 2 Ca 249/08 - lei­te­te der dor­ti­ge Kläger das Ver­fah­ren - 63 BV 9415/08 - ein. Sein an­gekündig­ter An­trag rich­te­te sich auf die Fest­stel­lung, dass die CG­ZP nicht ta­riffähig ist.

Die An­trag­stel­ler ha­ben die Ta­riffähig­keit der CG­ZP so­wohl nach § 2

Abs. 1 TVG als auch als Spit­zen­or­ga­ni­sa­ti­on nach § 2 Abs. 3 TVG in Ab­re­de ge­stellt. Der CG­ZP feh­le die für ei­ne Ge­werk­schaft er­for­der­li­che so­zia­le Mäch­tig­keit. Die von ihr bis­her ab­ge­schlos­se­nen Ta­rif­verträge in­di­zier­ten die­se nicht, da es sich um Gefällig­keits­ta­rif­verträge han­de­le, mit de­nen von der Öff­nungs­klau­sel in § 9 Nr. 2 AÜG Ge­brauch ge­macht wer­de. Mit die­sen Ver­ein­ba­run­gen wer­de im In­ter­es­se der Ar­beit­ge­ber der ge­setz­li­che Min­dest­schutz der Leih­ar­beit­neh­mer ein­sei­tig zu de­ren Las­ten ver­schlech­tert. Der CG­ZP feh­le die Ta­riffähig­keit auch dann, wenn es sich bei ihr um ei­ne Spit­zen­or­ga­ni­sa­ti­on nach § 2 Abs. 3 TVG han­de­le, für de­ren Ta­riffähig­keit die ih­rer Mit­glie­der aus­rei­che. Die­se be­ste­he nur im Be­reich der sat­zungsmäßigen Zuständig­keit, für die Ar­beit­neh­merüber­las­sung sei aber kei­nes der Mit­glie­der der CG­ZP zuständig.

Ver.di, das Land Ber­lin so­wie in den Vor­in­stan­zen der DGB ha­ben be-

an­tragt

fest­zu­stel­len, dass die Ta­rif­ge­mein­schaft Christ­li­cher Ge-

werk­schaf­ten für Zeit­ar­beit und Per­so­nal­ser­vice­agen­tu­ren


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nicht ta­riffähig ist.

Die CG­ZP, der CGB, die CGM, die DHV, die GÖD, der AMP so­wie die

BVD ha­ben be­an­tragt, die Anträge zurück­zu­wei­sen.

Die BDA und das BMAS ha­ben von ei­ner An­trag­stel­lung ab­ge­se­hen

Die CG­ZP, der AMP und die BVD ha­ben die Anträge für un­zulässig ge-

hal­ten. Es lie­ge ei­ne dop­pel­te Rechtshängig­keit vor, die zur Un­zulässig­keit ei­ner Sach­ent­schei­dung führe. Den An­trag­stel­lern feh­le die An­trags­be­fug­nis. Ver.di sei für den Be­reich der Ar­beit­neh­merüber­las­sung nicht zuständig. Die­se wer­de von den im An­hang 1 ver.di-Sat­zung be­zeich­ne­ten Be­rei­chen nicht er­fasst. Die von ver.di be­haup­te­te Sat­zungsände­rung durch den Ge­werk­schafts­rat im Jahr 2009 sei nicht wirk­sam er­folgt. Das Land Ber­lin sei nicht an­trags­be­fugt, da sich die Tätig­keit der CG­ZP auf das ge­sam­te Bun­des­ge­biet er­stre­cke und ei­ne un­mit­tel­ba­re Be­trof­fen­heit des Lan­des in ei­ner geschütz­ten Rechts­stel­lung nicht er­sicht­lich sei. Das Ver­fah­ren wer­de von den An­trag­stel­lern rechts­miss­bräuch­lich be­trie­ben. Ver.di ge­he es um die Aus­schal­tung ei­nes miss­lie­bi­gen Kon­kur­ren­ten, während das Land Ber­lin das Ver­fah­ren aus par­tei­po­li­ti­schen Gründen be­trei­be. Der An­trag sei auch un­be­gründet. Bei der CG­ZP han­de­le es sich um ei­ne nach § 2 Abs. 3 TVG ta­riffähi­ge Spit­zen­or­ga­ni­sa­ti­on, zu de­ren sat­zungs­gemäßen Auf­ga­ben der Ab­schluss von Ta­rif­verträgen gehöre. Für ih­re Ta­riffähig­keit genüge es, dass zwei ih­rer Mit­glie­der ta­riffähig sind. Die Ta­riffähig­keit des CGM und der DHV sei ge­richt­lich fest­ge­stellt wor­den. Un­abhängig da­von erfülle die CG­ZP selbst die Vor­aus­set­zun­gen für die Ta­riffähig­keit. Sie sei ta­rif­wil­lig, verfüge mit dem Zu­griff auf die haupt­amt­li­chen Mit­glie­der der Mit­glieds­ge­werk­schaf­ten über ei­ne leis­tungsfähi­ge Or­ga­ni­sa­ti­on und be­sit­ze die er­for­der­li­che Durch­set­zungs­kraft, durch die sie vom so­zia­len Ge­gen­spie­ler wahr­ge­nom­men wer­de. Dies wer­de durch die Viel­zahl der von ihr ab­ge­schlos­se­nen Ta­rif­verträge be­legt. Auf die Ta­rif­zuständig­keit ih­rer Mit­glieds­ge­werk­schaf­ten für die Ar­beit­neh­merüber­las­sung kom­me es nicht an. Selbst wenn die­sen die Ta­rif­zuständig­keit im Be­reich der Ar­beit­neh­merüber­las­sung feh­le, hätte dies nicht die Ta­rif­unfähig­keit ih­rer Spit­zen­or­ga­ni­sa­ti­on zur Fol­ge.


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Das Ar­beits­ge­richt hat die Anträge des DGB und von ver.di zurück-

ge­wie­sen und dem An­trag des Lan­des Ber­lin ent­spro­chen. Ge­gen die­sen Be­schluss ha­ben ver.di, die CG­ZP, der DGB, der AMP so­wie die BVD Be­schwer­de ein­ge­legt. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat der Be­schwer­de von ver.di statt­ge­ge­ben und die Be­schwer­den der CG­ZP, des DGB, des AMP so­wie der BVD zurück­ge­wie­sen. Hier­ge­gen rich­ten sich die Rechts­be­schwer­den der CG­ZP, des AMP so­wie der BVD, mit de­nen die­se wei­ter­hin ih­ren Ab­wei­sungs-an­trag ver­fol­gen. Das Land Ber­lin hat in der Anhörung vor dem Se­nat sei­nen An­trag um ei­nen im Schrift­satz vom 9. No­vem­ber 2010 an­gekündig­ten Hilfs­an­trag ergänzt, wo­nach die Ta­rif­unfähig­keit der CG­ZP in zeit­li­cher Abhängig­keit von der Sat­zungsände­rung am 8. Ok­to­ber 2009 fest­ge­stellt wer­den soll. Die CG­ZP, der AMP so­wie die BVD ha­ben be­an­tragt, auch die­sen An­trag ab­zu­wei­sen.

Die nach dem Geschäfts­ver­tei­lungs­plan ursprüng­lich für die Anhörung

vor dem Se­nat her­an­ge­zo­ge­ne eh­ren­amt­li­che Rich­te­rin S hat fernmünd­lich am 30. No­vem­ber 2010 ih­re Ver­hin­de­rung an­ge­zeigt und die dafür maßgeb­li­chen Gründe in ei­ner E-Mail vom 1. De­zem­ber 2010 näher aus­geführt. Zu Be­ginn der Anhörung hat der AMP erklärt, nach sei­ner Auf­fas­sung sei der Se­nat nicht ord­nungs­gemäß be­setzt, da bei Frau S ein Ver­hin­de­rungs­grund nicht vor­ge­le­gen ha­be.

B. Die Rechts­be­schwer­den der CG­ZP, des AMP und der BVD sind un-

be­gründet. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat den Anträgen von ver.di und dem Haupt­an­trag des Lan­des Ber­lin im Er­geb­nis zu Recht ent­spro­chen. Sein Hilfs­an­trag fällt dem Se­nat nicht zur Ent­schei­dung an.

I. Der Se­nat war ent­ge­gen der vom AMP er­ho­be­nen Rüge ord­nungs-

gemäß be­setzt. Die Her­an­zie­hung des eh­ren­amt­li­chen Rich­ters K zum Sit­zungs­ter­min am 14. De­zem­ber 2010 ent­sprach dem in der Verfügung der Se­nats­vor­sit­zen­den vom 9. De­zem­ber 2009 und dem in C. 4 des Geschäfts­ver-tei­lungs­plans des Bun­des­ar­beits­ge­richts für das Geschäfts­jahr 2010 vor­ge­se­he­nen Ver­fah­ren. Die zunächst her­an­ge­zo­ge­ne eh­ren­amt­li­che Rich­te­rin S


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war an der Wahr­neh­mung ih­res Rich­ter­amts ge­hin­dert. An ih­re Stel­le ist der eh­ren­amt­li­che Rich­ter K ge­tre­ten.

1. Nach § 43 Abs. 3 ArbGG iVm. § 31 Abs. 1 ArbGG sol­len die eh­ren­amt-
li­chen Rich­ter zu den Sit­zun­gen nach der Rei­hen­fol­ge ei­ner Lis­te her­an­ge­zo­gen wer­den, die der Se­nats­vor­sit­zen­de nach nähe­rer Maßga­be des § 31 Abs. 1 ArbGG auf­stellt. Für die Her­an­zie­hung von Ver­tre­tern bei un­vor­her­ge­se­he­ner Ver­hin­de­rung kann ei­ne Hilfs­lis­te von eh­ren­amt­li­chen Rich­tern auf­ge­stellt wer­den, die am Ge­richts­sitz oder in der Nähe woh­nen oder ih­ren Dienst­sitz ha­ben (§ 31 Abs. 2 ArbGG).

2. Erklärt sich ein zu ei­nem Ter­m­ins­tag her­an­ge­zo­ge­ner eh­ren­amt­li­cher
Rich­ter un­ter An­ga­be ei­nes Grun­des für ver­hin­dert, so muss das Ge­richt das Vor­lie­gen des an­geführ­ten Hin­de­rungs­grun­des nicht näher nach­prüfen. Viel­mehr darf es bei den auf ge­wis­sen­haf­te Amtsführung ver­ei­dig­ten eh­ren­amt­li­chen Rich­tern (§ 45 DRiG) grundsätz­lich da­von aus­ge­hen und sich oh­ne wei­te­re Er­mitt­lun­gen dar­auf ver­las­sen, dass sie sich ih­rer rich­ter­li­chen Pflicht nicht oh­ne trif­ti­gen Grund ent­zie­hen, son­dern nach pflicht­gemäßer Abwägung zu dem Er­geb­nis ge­langt sind, ver­hin­dert zu sein (BFH 22. De­zem­ber 2004 - II B 166/03 - zu II 1 b aa der Gründe, BFH/NV 2005, 705; BVerwG 28. Fe­bru­ar 1984 - 9 C 136/82 - Buch­holz 310 § 30 Vw­GO Nr. 18). Nur wenn An­halts­punk­te für ei­ne pflicht­wid­ri­ge Ent­schei­dung des eh­ren­amt­li­chen Rich­ters vor­lie­gen, kann Ver­an­las­sung be­ste­hen, den an­ge­ge­be­nen Hin­de­rungs­grund nach­zu­prüfen und ggf. auf ei­ner Teil­nah­me des eh­ren­amt­li­chen Rich­ters an der Sit­zung zu be­ste­hen (BVerwG 30. Au­gust 1983 - 9 C 281/82 - Buch­holz 310 § 30 Vw­GO Nr. 17).

3. Sol­che An­halts­punk­te sind im vor­lie­gen­den Fall we­der vom AM
vor­ge­tra­gen noch sonst er­sicht­lich. Die von der eh­ren­amt­li­chen Rich­te­rin S zunächst fernmünd­lich und an­sch­ließend in ih­rer an das Bun­des­ar­beits­ge­richt ge­rich­te­ten E-Mail vom 1. De­zem­ber 2010 an­geführ­te Tätig­keit als Auf­sichts­rats­mit­glied ei­ner Ak­ti­en­ge­sell­schaft stellt ei­nen Grund für ei­ne un­vor­her­ge­se­he­ne Ver­hin­de­rung iSd. § 31 Abs. 2 ArbGG dar. Die Teil­nah­me an ei­ner Auf­sichts­rats­rats­sit­zung und die Er­le­di­gung der hierfür er­for­der­li­chen Vor-

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be­rei­tungstätig­kei­ten ha­ben zu ei­ner Pflich­ten­kol­li­si­on mit der Ausübung des Rich­ter­amts geführt, über de­ren Auflösung die eh­ren­amt­li­che Rich­te­rin nach pflicht­gemäßer Abwägung selbst zu be­fin­den hat­te. Für den Se­nat hat kein An­lass be­stan­den, den von ihr an­geführ­ten Hin­de­rungs­grund nach­zu­prüfen oder auf ih­rer Teil­nah­me an der Sit­zung vom 14. De­zem­ber 2010 zu be­ste­hen. Da sich die auf der Lis­te des er­ken­nen­den Se­nats an nächst­be­rei­ter Stel­le be­find­li­chen eh­ren­amt­li­chen Rich­ter B und H nach ei­nem bei der Ak­te be­find­li­chen Ver­merk für ver­hin­dert erklärt ha­ben, ist zunächst der eh­ren­amt­li­che Rich­ter Dr. K her­an­ge­zo­gen wor­den. Nach­dem die­ser auf­grund sei­ner vom Se­nat durch Be­schluss vom 14. De­zem­ber 2010 als be­gründet er­ach­te­ten Selbstab­leh­nung aus dem Ver­fah­ren aus­ge­schie­den war, ist der ihm auf der Lis­te nach­fol­gen­de eh­ren­amt­li­che Rich­ter K für die­ses Ver­fah­ren her­an­ge­zo­gen wor­den.

II. Die Rechts­be­schwer­den der CG­ZP, des AMP und der BVD sind zu
lässig. Die Rechts­be­schwer­deführer sind durch die Ent­schei­dung des Lan­des­ar­beits­ge­richts be­schwert. Dies gilt nicht nur für die CG­ZP, son­dern auch für die bei­den an­de­ren Be­tei­lig­ten, de­ren Be­schwer­den vom Lan­des­ar­beits­ge­richt zurück­ge­wie­sen wor­den sind.

III. Der von ver.di als al­lei­ni­ger und vom Land Ber­lin im Rechts-
be­schwer­de­ver­fah­ren als Haupt­an­trag ge­stell­te Fest­stel­lungs­an­trag ist zulässig.

1. Die An­trag­stel­ler ver­fol­gen ihr Be­geh­ren im We­ge sub­jek­ti­ver An­trags-
häufung. Dies un­ter­liegt kei­nen Be­den­ken. Zwar sind die §§ 59 ff. ZPO in § 80 Abs. 2 ArbGG nicht in Be­zug ge­nom­men. Gleich­wohl ist ei­ne not­wen­di­ge Streit­ge­nos­sen­schaft auch im Be­schluss­ver­fah­ren zulässig, wenn - wie vor­lie­gend - über ei­nen iden­ti­schen An­trag nur ei­ne ein­heit­li­che Sach­ent­schei­dung er­ge­hen kann (BAG 13. März 2007 - 1 ABR 24/06 - Rn. 19 mwN, BA­GE 121, 362). Die ein­zel­nen Pro­zess­vor­aus­set­zun­gen sind je­doch für sämt­li­che An­trag­stel­ler ge­trennt zu prüfen.

2. Der An­trag von ver.di und der Haupt­an­trag des Lan­des Ber­lin sind auf
die Ge­gen­wart ge­rich­tet und nicht ver­gan­gen­heits­be­zo­gen. Bei­den An­trag-


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stel­lern geht es er­sicht­lich um die ge­genwärti­ge Fest­stel­lung, dass die CG­ZP nicht ta­riffähig ist. Dies folgt aus der aus­drück­lich auf die Ge­gen­wart be­zo­ge­nen An­trags­for­mu­lie­rung („ta­rif­unfähig ist“) und der da­zu ge­ge­be­nen Be­gründung. Der Wort­laut ih­rer Fest­stel­lungs­anträge ist in den Vor­in­stan­zen un­verändert ge­blie­ben, während die An­trag­stel­ler ih­ren Vor­trag im Ver­fah­rens­ver­lauf an der je­weils gel­ten­den Sat­zung der CG­ZP aus­ge­rich­tet ha­ben. Dies war zunächst die Sat­zung vom 5. De­zem­ber 2005 und nach de­ren Ände­rung ih­re seit dem 8. Ok­to­ber 2009 gel­ten­de Fas­sung. Auch das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die Anträge als auf ei­ne ge­genwärti­ge Fest­stel­lung ge­rich­tet ver­stan­den.

3. Den ge­gen­warts­be­zo­ge­nen Anträgen steht das Ver­fah­rens­hin­der­nis der

an­der­wei­ti­gen Rechtshängig­keit (§ 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO) nicht ent­ge­gen.

a) Nach dem auch im Be­schluss­ver­fah­ren an­wend­ba­ren § 261 Abs. 3
Nr. 1 ZPO be­wirkt die Rechtshängig­keit ei­ner Streit­sa­che, dass sie von kei­nem Be­tei­lig­ten an­der­wei­tig anhängig ge­macht wer­den kann. Die dop­pel­te Rechts-hängig­keit be­gründet ein Ver­fah­rens­hin­der­nis, das in je­der La­ge des Ver­fah­rens, auch noch in der Rechts­be­schwer­de­instanz, von Amts we­gen zu be­ach­ten ist und zur Un­zulässig­keit des An­trags führt. Sie liegt vor, wenn die Be­tei­lig­ten und die Streit­ge­genstände bei­der Ver­fah­ren iden­tisch sind.

b) Die frühe­re Rechtshängig­keit des vor dem Ar­beits­ge­richt Ber­lin ge­-
führ­ten Be­schluss­ver­fah­rens - 63 BV 9415/08 - führt nicht zur Un­zulässig­keit der ge­gen­warts­be­zo­ge­nen Fest­stel­lungs­anträge. Die Streit­ge­genstände des vor­lie­gen­den und des Ver­fah­rens - 63 BV 9415/08 - sind trotz der übe­rein­stim­men­den An­trags­for­mu­lie­rung nicht iden­tisch. Es kann da­her of­fen­blei­ben, ob we­gen der über die Ver­fah­rens­be­tei­lig­ten hin­aus­ge­hen­den Rechts­kraft-wir­kung ei­ner Ent­schei­dung im Ver­fah­ren nach § 97 Abs. 1 ArbGG das Ver­fah­rens­hin­der­nis nach § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO auch bei feh­len­der Iden­tität der Be­tei­lig­ten be­stan­den hätte.

aa) Der Streit­ge­gen­stand rich­tet sich nicht nur nach dem zur Ent­schei­dung

ge­stell­ten An­trag (Kla­ge­ziel), son­dern auch nach dem zu­gehöri­gen Le­bens­sach­ver­halt (Kla­ge­grund), aus dem die be­gehr­te Rechts­fol­ge her­ge­lei­tet wird.


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Nach der pro­zess­recht­li­chen Auf­fas­sung vom zwei­glied­ri­gen Streit­ge­gen­stand, der nach der Se­nats­recht­spre­chung auch für das Be­schluss­ver­fah­ren zu fol­gen ist (19. Ja­nu­ar 2010 - 1 ABR 55/08 - Rn. 15, EzA Be­trVG 2001 § 23 Nr. 4), wird der Streit­ge­gen­stand nicht al­lein durch das An­trags­ziel be­stimmt. Die Ein­heit­lich­keit des Kla­ge­ziels genügt des­halb nicht, um ei­nen ein­heit­li­chen Streit­ge­gen­stand an­zu­neh­men. Viel­mehr muss auch der Kla­ge­grund iden­tisch sein. Hier­an fehlt es vor­lie­gend.

bb) Streit­ge­gen­stand des Ver­fah­rens - 63 BV 9415/08 - ist die Ta­riffähig­keit

der CG­ZP bei Ab­schluss des „Ent­gelt­ta­rif­ver­trags West“ mit der Ta­rif­ge­mein­schaft für Zeit­ar­beits­un­ter­neh­men in der BVD am 22. Ju­li 2003. Dies folgt aus dem vom dor­ti­gen An­trag­stel­ler zur Be­gründung sei­nes An­trags an­geführ­ten Le­bens­sach­ver­halt. Die­ser be­gehrt die Fest­stel­lung der feh­len­den Ta­riffähig­keit der CG­ZP nur so­weit dies zur Durch­set­zung sei­nes vor dem Ar­beits­ge­richt Bam­berg im Ver­fah­ren - 2 Ca 249/08 - er­ho­be­nen pro­zes­sua­len An­spruchs er­for­der­lich ist. Der An­trag­stel­ler hat zunächst im Ur­teils­ver­fah­ren auf den Equal-Pay-Grund­satz gestütz­te Vergütungs­ansprüche für die Zeit sei­nes Leih­ar­beits­verhält­nis­ses gel­tend ge­macht. Das Ar­beits­ge­richt Bam­berg hat sich an ei­ner Sach­ent­schei­dung ge­hin­dert ge­se­hen, da nach sei­ner Auf­fas­sung der zur Ent­schei­dung ge­stell­te An­spruch von der Ta­riffähig­keit der CG­ZP am 22. Ju­li 2003 abhängt. Aus die­sem Grund hat es je­nes Ver­fah­ren aus­ge­setzt und dem dor­ti­gen Kläger die Möglich­keit eröff­net, als An­trag­stel­ler nach § 97 Abs. 5 Satz 2 ArbGG ein Be­schluss­ver­fah­ren über die Ta­riffähig­keit der CG­ZP ein­zu­lei­ten. Der Aus­set­zungs­be­schluss vom 16. April 2008 lässt al­ler­dings den Zeit­raum, für den das Ar­beits­ge­richt die Ta­riffähig­keit der CG­ZP als ent­schei­dungs­er­heb­lich an­sieht, nicht ein­deu­tig er­ken­nen. Aus der vom Ar­beits­ge­richt ergänz­ten Be­gründung sei­nes Aus­set­zungs­be­schlus­ses, die bei der Aus­le­gung der Be­schluss­for­mel zu berück­sich­ti­gen ist (BAG 29. Ju­ni 2004 - 1 ABR 14/03 - zu B I 2 a der Gründe, BA­GE 111, 164), wird je­doch deut­lich, dass die­ses die Ta­riffähig­keit der CG­ZP für das Ver­fah­ren - 2 Ca 249/08 - nur bis zur Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses des dor­ti­gen Klägers als ent­schei­dungs­er­heb­lich an­sieht. Der Streit­ge­gen­stand des Ver­fah­rens - 63 BV 9415/08 - ist da­her auf ei­ne ver­gan­gen­heits­be­zo­ge­ne Fest­stel­lung über die


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Ta­riffähig­keit der CG­ZP be­schränkt. Ein darüber hin­aus­ge­hen­des Be­geh­ren wäre zu­dem von der dem Kläger des Aus­gangs­ver­fah­rens durch den Aus­set­zungs­be­schluss eröff­ne­ten An­trags­be­fug­nis nicht er­fasst. Die­se be­schränkt sich auf die Vor­fra­ge, we­gen de­rer das Ge­richt sein Ver­fah­ren aus­ge­setzt hat (BAG 29. Ju­ni 2004 - 1 ABR 14/03 - aaO).

4. Ver.di und das Land Ber­lin sind nach § 97 Abs. 1 ArbGG an­trags-

be­rech­tigt.

a) An­trags­be­rech­tigt in ei­nem Ver­fah­ren über die Ta­riffähig­keit ei­ner Ar-
beit­neh­mer­ko­ali­ti­on sind nach § 97 Abs. 1 ArbGG ne­ben an­de­ren ei­ne räum­lich und sach­lich zuständi­ge Ver­ei­ni­gung von Ar­beit­neh­mern und die obers­te Ar­beits­behörde ei­nes Lan­des, auf des­sen Ge­biet sich die Tätig­keit der Ver­ei­ni­gung er­streckt.

b) Ver.di verfügt über die not­wen­di­ge An­trags­be­fug­nis.

aa) Die An­trags­be­fug­nis ei­ner kon­kur­rie­ren­den Ar­beit­neh­mer­ver­ei­ni­gung in

ei­nem Ver­fah­ren nach § 97 Abs. 1 ArbGG setzt kein wei­ter­ge­hen­des ei­ge­nes Recht der Ge­werk­schaft vor­aus. Aus § 97 Abs. 1 ArbGG folgt die pro­zes­sua­le Be­fug­nis ei­ner räum­lich und sach­lich zuständi­gen Ver­ei­ni­gung von Ar­beit­neh­mern, die Ta­riffähig­keit ei­ner an­de­ren, ganz oder teil­wei­se den­sel­ben Zuständig­keits­be­reich be­an­spru­chen­den Ar­beit­neh­mer­ver­ei­ni­gung ge­richt­lich klären zu las­sen (BAG 28. März 2006 - 1 ABR 58/04 - Rn. 27, BA­GE 117, 308). Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der CG­ZP ist es aus­rei­chend, wenn sich der räum­li­che und sach­li­che Zuständig­keits­be­reich der an­trag­stel­len­den Ge­werk­schaft zu­min­dest teil­wei­se mit den Zuständig­keits­be­rei­chen der Ver­ei­ni­gung deckt, de­ren Ta­riffähig­keit be­strit­ten wird (BAG 6. Ju­ni 2000 - 1 ABR 10/99 - zu B I 2 der Gründe, BA­GE 95, 36). So­weit ei­ne an­trag­stel­len­de Ko­ali­ti­on die Ta­riffähig­keit ei­ner an­de­ren Ver­ei­ni­gung be­strei­tet, muss sie selbst ta­riffähig sein (BAG 28. März 2006 - 1 ABR 58/04 - Rn. 28 mwN, aaO). Die Ta­riffähig­keit von ver.di wird von kei­nem der Be­tei­lig­ten in Ab­re­de ge­stellt.


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bb) Die er­for­der­li­che Kon­kur­renz ge­genüber der von der CG­ZP be-

an­spruch­ten Ta­rif­zuständig­keit für den Be­reich der Ar­beit­neh­merüber­las­sung (§ 1 Abs. 1 CG­ZP-Sat­zung 2009) liegt vor. Ver.di ist nach ih­rem glei­cher­maßen ar­beit­ge­ber- und be­triebs­be­zo­gen ge­fass­ten Or­ga­ni­sa­ti­ons­be­reich (§ 4 Nr. 1 ver.di-Sat­zung) auch für Ar­beit­ge­ber ta­rif­zuständig, die ge­werbsmäßig Ar­beit­neh­mer als Leih­ar­beit­neh­mer ein­set­zen.

Der in Nr. 1.3 An­hang 1 ver.di-Sat­zung an­geführ­te Be­griff der Ser­vice

be­trie­be von Zei­tungs­ver­la­gen er­fasst Ar­beit­ge­ber, die der glei­chen Un­ter­neh­mens­grup­pe wie der Zei­tungs­ver­lag an­gehören und an die­sen auf­grund ei­ner ge­werbsmäßigen Ar­beit­neh­merüber­las­sungs­er­laub­nis Leih­ar­beit­neh­mer ver­lei­hen, da­mit die­se im Be­trieb des Zei­tungs­ver­lags tätig wer­den. Nach Nr. 1.4 An­hang 1 ver.di-Sat­zung or­ga­ni­siert ver.di Beschäftig­te, die in ei­nem öffent­lich-recht­lich ver­fass­ten Kran­ken­haus als Leih­ar­beit­neh­mer ein­ge­setzt wer­den, wenn die­se von ei­nem pri­vat­recht­lich ver­fass­ten Un­ter­neh­men, des­sen Ge­sell­schafts­an­tei­le un­mit­tel­bar oder mit­tel­bar von der öffent­li­chen Hand ge­hal­ten wer­den, ein­ge­stellt wer­den. Sol­che Sach­ver­hal­te wa­ren auch be­reits Ge­gen­stand von Ent­schei­dun­gen des Bun­des­ar­beits­ge­richts (zu Zei­tungs­ver­la­gen: 21. Ju­li 2009 - 1 ABR 35/08 - Rn. 2, AP AÜG § 3 Nr. 4 = EzA Be­trVG 2001 § 99 Ein­stel­lung Nr. 12; zum Ge­sund­heits­we­sen: 16. Ju­li 2008 - 7 ABR 13/07 - Rn. 4 bis 6, BA­GE 127, 126; 21. Mai 2008 - 8 AZR 481/07 - Rn. 2 bis 9, AP BGB § 613a Nr. 354 = EzA BGB 2002 § 613a BGB Nr. 96). Eben­so ist ver.di nach Nr. 1.4 An­hang 1 ver.di-Sat­zung ta­rif­zuständig für Leih­ar­beit­neh­mer aus ei­nem kon­zern­an­gehöri­gen Un­ter­neh­men ei­nes Flug­ha­fen­be­trei­bers, die die­ser im Flug­ha­fen­be­trieb ein­setzt (zur Aus­le­gung ei­nes von ver.di für Leih­ar­beit­neh­mer des Fra­port-Kon­zerns ab­ge­schlos­se­nen Ta­rif­ver­trags: 17. Ok­to-ber 2007 - 4 AZR 812/06 - Rn. 4 f., AP BAT § 53 Nr. 9).

cc) Auf die noch in der Rechts­be­schwer­de­instanz zwi­schen den Be­tei­lig­ten

um­strit­te­ne Fra­ge, ob ver.di nach Nr. 1.2.4.3 An­hang 1 ver.di-Sat­zung oder je­den­falls auf­grund der Anfügung der Sätze 2 und 3 an Nr. 1.2.4 An­hang 1 ver.di-Sat­zung um­fas­send für den Be­reich der ge­werb­li­chen Ar­beit­neh­merüber­las­sung ta­rif­zuständig ist, kommt es da­nach nicht an.


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c) Auch das Land Ber­lin ist an­trags­be­fugt.

aa) § 97 Abs. 1 ArbGG dient der Si­che­rung der durch Art. 9 Abs. 3 GG

gewähr­leis­te­ten Ta­rif­au­to­no­mie (BAG 28. Ja­nu­ar 2008 - 3 AZB 30/07 - Rn. 18, AP ArbGG 1979 § 97 Nr. 17 = EzA ArbGG 1979 § 97 Nr. 9). Da der Ge­setz­ge­ber bis­her weit­ge­hend von der Nor­mie­rung der Vor­aus­set­zun­gen für die Ta­riffähig­keit ab­ge­se­hen hat, kann je­de Ar­beit­neh­mer­ver­ei­ni­gung oh­ne vor­he­ri­ge Zu­las­sung am Ta­rif­ge­sche­hen teil­neh­men und für ih­re Mit­glie­der Ver­ein­ba­run­gen ab­sch­ließen, die für sich die Gel­tung als Ta­rif­ver­trag be­an­spru­chen. Das ob­jek­ti­vier­te Ver­fah­ren nach § 97 Abs. 1 ArbGG stellt das im In­ter­es­se ei­ner funk­tio­nie­ren­den Ta­rif­au­to­no­mie da­zu not­wen­di­ge Kor­rek­tiv dar. Die ge­richt­li­che Ent­schei­dung soll klären, ob die Ver­ei­ni­gung die recht­li­chen Vor­aus­set­zun­gen für den Ab­schluss von Ta­rif­verträgen erfüllt.

bb) Die An­trags­be­fug­nis zur Ein­lei­tung ei­nes sol­chen Ver­fah­rens hat der

Ge­setz­ge­ber vor­ran­gig den in § 97 Abs. 1 ArbGG ge­nann­ten Ver­ei­ni­gun­gen und Stel­len über­tra­gen, so­fern de­ren In­ter­es­sen von der Tätig­keit der Ver­ei­ni­gung berührt wer­den. Hier­von geht das Ge­setz bei der obers­ten Ar­beits­behörde des Bun­des stets und bei den obers­ten Ar­beits­behörden der Länder dann aus, wenn die Tätig­keit der Ko­ali­ti­on, de­ren Ta­riffähig­keit oder Ta­rif­zuständig­keit um­strit­ten ist, sich auf das räum­li­che Ge­biet des je­wei­li­gen Bun­des­lan­des er­streckt. Ei­ne darüber hin­aus­ge­hen­de Be­trof­fen­heit muss nicht vor­lie­gen. Es steht mit dem Norm­zweck der § 2a Abs. 1 Nr. 4, § 97 Abs. 1 ArbGG in Ein­klang, wenn ne­ben der obers­ten Ar­beits­behörde des Bun­des auch die nach Lan­des­recht zuständi­gen obers­ten Ar­beits­behörden zu­guns­ten der auf ih­rem Lan­des­ge­biet täti­gen Ar­beit­neh­mer und Ar­beit­ge­ber ei­ne ge­richt­li­che Ent­schei­dung über die Ta­riffähig­keit und Ta­rif­zuständig­keit ei­ner Ver­ei­ni­gung her­beiführen können, die für ih­re Mit­glie­der die nor­ma­ti­ve Re­ge­lung von Ar­beits­be­din­gun­gen be­an­sprucht.

cc) Die An­trags­be­fug­nis der obers­ten Ar­beits­behörde ei­nes Lan­des steht

nicht un­ter dem Vor­be­halt, dass sich die Tätig­keit der Ver­ei­ni­gung auf das Ge­biet der an­trag­stel­len­den Ar­beits­behörde ei­nes Bun­des­lan­des be­schränkt (BAG 15. März 1977 - 1 ABR 16/75 - zu II 1 der Gründe, BA­GE 29, 72; eben­so GK-


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ArbGG/Dörner Stand No­vem­ber 2010 § 97 Rn. 33; GMP Mat­thes/Schlewing ArbGG 7. Aufl. § 97 Rn. 18; Schwab/Weth/Wal­ker ArbGG 3. Aufl. § 97 Rn. 12; of­fen­ge­las­sen HWK/Be­p­ler 4. Aufl. § 97 ArbGG Rn. 7). Ei­ne aus­sch­ließli­che, die Zuständig­keit der obers­ten Ar­beits­behörden der Länder ver­drängen­de An­trags­be­fug­nis sieht § 97 Abs. 1 ArbGG - an­ders als die Zuständig­keits­ver­tei­lung im Be­reich der Heim­ar­beit (§ 3 HAG) - ge­ra­de nicht vor. Ne­ben dem Wort­laut spricht auch der Zweck ei­nes Ver­fah­rens zur Fest­stel­lung der Ta­riffähig­keit ei­ner Ver­ei­ni­gung für ei­ne vor­be­halt­lo­se An­trags­be­fug­nis der obers­ten Ar­beits­behörde ei­nes Bun­des­lan­des. Ein sol­ches Ver­fah­ren ist dar­auf ge­rich­tet, mit all­ge­mei­ner Wir­kung von Amts we­gen zu er­mit­teln, ob ei­ne Ver­ei­ni­gung in der La­ge ist, mit den Mit­teln des staat­li­chen Ta­rif­rechts die Ar­beits­be­din­gun­gen ih­rer Mit­glie­der zu re­geln. An­ge­sichts der ord­nungs­po­li­ti­schen Funk­ti­on die­ses Ver­fah­rens, das der Stärkung der Ta­rif­au­to­no­mie dient, ist kein Grund dafür er­sicht­lich, die An­trags­be­fug­nis bei ei­ner länderüberg­rei­fen­den Tätig­keit der Ver­ei­ni­gung aus­sch­ließlich dem Bund zu­zu­wei­sen und den glei­cher­maßen be­trof­fe­nen Ländern vor­zu­ent­hal­ten. Hin­zu kommt, dass auch in die­sem Fall für die obers­ten Ar­beits­behörden der je­weils be­trof­fe­nen Bun­desländer kei­ne recht­lich ab­ge­si­cher­te Möglich­keit be­steht, das BMAS zur Ein­lei­tung ei­nes Ver­fah­rens nach § 97 Abs. 1 ArbGG an­zu­hal­ten und auf des­sen Ver­fah­rensführung ein­zu­wir­ken.

dd) Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der CG­ZP ist § 97 Abs. 1 ArbGG in Be­zug

auf die An­trags­be­fug­nis der obers­ten Ar­beits­behörden der Länder auch nicht we­gen der Frei­heits­rech­te der be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer­ko­ali­ti­on te­leo­lo­gisch zu re­du­zie­ren. Die Vor­schrift schafft we­der ein ge­richt­li­ches Kon­zes­sio­nie-rungs­ver­fah­ren für Ta­rif­ver­trags­par­tei­en noch wird die Frei­heit der Ko­ali­ti­ons­bil­dung nach Art. 9 Abs. 3 GG berührt. Die Ta­riffähig­keit ei­ner Ver­ei­ni­gung wird im Ver­fah­ren nach § 97 Abs. 1 ArbGG nicht be­gründet, son­dern nur fest­ge­stellt.

ee) Für die der obers­ten Ar­beits­behörde ei­nes Lan­des durch § 97 Abs. 1

ArbGG aus­drück­lich ver­lie­he­ne An­trags­be­fug­nis be­darf es kei­ner wei­te­ren Vor­aus­set­zun­gen.

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5. Ver.di und das Land Ber­lin ha­ben an der be­gehr­ten ge­gen­warts-

be­zo­ge­nen Fest­stel­lung das nach § 256 Abs. 1 ZPO er­for­der­li­che recht­li­che In­ter­es­se.

a) Das Ge­setz räumt den nach § 97 Abs. 1 ArbGG An­trags­be­rech­tig­ten
die Möglich­keit ein, ein Ver­fah­ren nach § 2a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG zur Ent­schei­dung über die Ta­riffähig­keit ei­ner Ver­ei­ni­gung ein­zu­lei­ten. Für ei­nen sol­chen An­trag be­steht ein Fest­stel­lungs­in­ter­es­se, wenn die­se Ei­gen­schaft von dem An­trag­stel­ler oder sonst im Ar­beits­le­ben in Zwei­fel ge­zo­gen wird. Ei­ne Ver­ei­ni­gung von Ar­beit­neh­mern oder Ar­beit­ge­bern hat da­her stets zu gewärti­gen, dass ih­re Ta­riffähig­keit Ge­gen­stand ei­nes Ver­fah­rens nach § 97 Abs. 1 ArbGG sein kann, wenn sie für sich in An­spruch nimmt, durch den Ab­schluss von Ta­rif­verträgen zur Ord­nung des Ar­beits­le­bens bei­zu­tra­gen. An­de­rer­seits eröff­net das Ver­fah­ren nach § 2a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG ei­ner Ver­ei­ni­gung, de­ren Ta­riffähig­keit oder Ta­rif­zuständig­keit um­strit­ten ist, selbst die Möglich­keit, ei­ne der Rechts­kraft zugäng­li­che Klärung her­bei­zuführen. In ei­nem sol­chen Ver­fah­ren kann auch die (po­si­ti­ve) Fest­stel­lung be­an­tragt wer­den, dass ei­ne be­stimm­te Ver­ei­ni­gung ta­riffähig oder ta­rif­zuständig ist. Die­se Grundsätze gel­ten nicht nur für Ver­ei­ni­gun­gen von Ar­beit­ge­bern und Ar­beit­neh­mern, son­dern glei­cher­maßen für ei­nen Zu­sam­men­schluss von Ge­werk­schaf­ten.

b) Die Kon­kur­renz­si­tua­ti­on zwi­schen der CG­ZP so­wie ih­ren Mit­glie­dern
und ver.di führt da­nach nicht da­zu, dass de­ren An­trag als rechts­miss­bräuch­lich an­zu­se­hen ist. Der­art wi­der­strei­ten­de In­ter­es­sen sind al­len Ver­fah­ren nach § 97 Abs. 1 ArbGG im­ma­nent, in de­nen über die Ta­riffähig­keit ei­ner Ver­ei­ni­gung auf Ar­beit­neh­mer­sei­te ge­strit­ten wird (BAG 5. Ok­to­ber 2010 - 1 ABR 88/09 - Rn. 25; 28. März 2006 - 1 ABR 58/04 - Rn. 32, BA­GE 117, 308). Eben­so un­ter­liegt es in Be­zug auf das nach § 256 Abs. 1 ZPO er­for­der­li­che In­ter­es­se kei­nen recht­li­chen Be­den­ken, wenn sich das Land Ber­lin zur Fest­stel­lung der Ta­riffähig­keit der CG­ZP des hierfür vom Ge­setz­ge­ber vor­ge­se­he­nen Ver­fah­rens nach § 97 Abs. 1 ArbGG be­dient. An­halts­punk­te dafür, dass es den An­trag­stel­lern nicht um ei­ne Fest­stel­lung zur Ta­riffähig­keit geht, son­dern dar­um, die CG­ZP oder ih­re Mit­glie­der in ei­ner mit Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG nicht zu ver­ein-


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ba­ren­den Wei­se in ih­rer ko­ali­ti­onsmäßigen Betäti­gungs­frei­heit zu be­hin­dern, sind we­der vor­ge­tra­gen noch sonst er­sicht­lich. Die in der An­trags­schrift ver­wand­te Dik­ti­on („Schmutz­kon­kur­renz“) lässt nicht er­ken­nen, dass die An­trag­stel­ler mit die­sem Ver­fah­ren nicht nur ei­ne Fest­stel­lung über die Ta­riffähig­keit der CG­ZP an­stre­ben, son­dern de­ren Betäti­gungs­frei­heit oder die ih­rer Mit­glie­der be­schränken wol­len.

6. Über die von den Vor­in­stan­zen an­gehörten Be­tei­lig­ten hin­aus sind am

Ver­fah­ren kei­ne wei­te­ren Per­so­nen, Ver­ei­ni­gun­gen oder Stel­len be­tei­ligt.

a) Die Be­tei­li­gung an ei­nem Ver­fah­ren zur Ent­schei­dung über die Ta­rif-
fähig­keit ei­ner Ver­ei­ni­gung von Ar­beit­neh­mern ist - wie auch sonst in Be­schluss­ver­fah­ren - noch im Rechts­be­schwer­de­ver­fah­ren von Amts we­gen zu prüfen. Per­so­nen und Stel­len, die bis da­hin zu Un­recht nicht gehört wur­den, sind auch oh­ne Rüge zum Ver­fah­ren hin­zu­zu­zie­hen. Da­ge­gen ist im Rechts-be­schwer­de­ver­fah­ren grundsätz­lich nicht von Amts we­gen zu prüfen, ob sämt­li­che in den Vor­in­stan­zen be­tei­lig­ten Per­so­nen, Ver­ei­ni­gun­gen und Stel­len zu Recht an­gehört wur­den (BAG 14. De­zem­ber 2004 - 1 ABR 51/03 - zu B I 1 der Gründe, BA­GE 113, 82).

b) In dem Ver­fah­ren um die Ta­riffähig­keit ei­ner Ver­ei­ni­gung ist der An­trag-
stel­ler not­wen­di­ger Be­tei­lig­ter. Dies ist nicht nur die Ver­ei­ni­gung oder Stel­le, die den ver­fah­rens­ein­lei­ten­den An­trag ge­stellt hat, son­dern auch die an­trags­be­fug­te Ver­ei­ni­gung oder obers­te Ar­beits­behörde, so­fern sie im Ver­fah­ren ei­nen ei­ge­nen Sach­an­trag ge­stellt hat. Die­ser kann ne­ben den des ursprüng­li­chen An­trag­stel­lers oder den der Ar­beit­neh­mer­ver­ei­ni­gung tre­ten, de­ren Ta­riffähig­keit vom An­trag­stel­ler oder ei­ner Mehr­heit von An­trag­stel­lern be­strit­ten wird (BAG 25. No­vem­ber 1986 - 1 ABR 22/85 - zu B I 4 der Gründe, BA­GE 53, 347). Da­her kann auch der An­trag, der auf die Ab­wei­sung ei­nes oder meh­re­rer Anträge ge­rich­tet ist, die Be­tei­lig­ten­stel­lung ei­ner der in § 97 Abs. 1 ArbGG ge­nann­ten Ver­ei­ni­gun­gen und obers­ten Ar­beits­behörden be­gründen.

c) Die wei­te­ren Be­tei­lig­ten er­ge­ben sich aus § 83 Abs. 3 ArbGG, der
gemäß § 97 Abs. 2 ArbGG aber nur ent­spre­chen­de An­wen­dung fin­det. Maß-


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geb­lich ist die un­mit­tel­ba­re Be­trof­fen­heit in der Rechts­stel­lung als Ar­beit­neh­mer- oder Ar­beit­ge­ber­ver­ei­ni­gung. Da­her ist stets die Ver­ei­ni­gung be­tei­ligt, über de­ren Ta­riffähig­keit ge­strit­ten wird, selbst wenn die­se kei­nen ei­ge­nen An­trag ge­stellt hat. Be­tei­ligt sind fer­ner die Ar­beit­neh­mer- und Ar­beit­ge­ber­sei­te, so­weit die Ent­schei­dung sie berühren kann. Da­bei ist grundsätz­lich die Be­tei­li­gung der je­wei­li­gen Spit­zen­verbände aus­rei­chend (BAG 28. März 2006 - 1 ABR 58/04 - Rn. 19, BA­GE 117, 308).

d) Hin­ge­gen sind ein­zel­ne Ar­beit­ge­ber, die Ver­ein­ba­run­gen mit ei­ner

Ar­beit­neh­mer­ver­ei­ni­gung ab­ge­schlos­sen ha­ben, de­ren Ta­riffähig­keit um­strit­ten ist, nicht im Ver­fah­ren nach § 97 Abs. 1 ArbGG an­zuhören. Des­sen Zweck bringt es mit sich, dass die In­ter­es­sen die­ser Ar­beit­ge­ber durch die Be­tei­li­gung der Spit­zen­verbände auf Ar­beit­ge­ber­sei­te als aus­rei­chend ge­wahrt gel­ten, selbst wenn die Ar­beit­ge­ber kei­nem Ar­beit­ge­ber­ver­band an­gehören und es in­so­weit an ei­ner mit­glied­schaft­li­chen Le­gi­ti­ma­ti­on des Spit­zen­ver­bands fehlt. Dies ist auch un­ter ver­fas­sungs­recht­li­chen Ge­sichts­punk­ten schon des­halb un­be­denk­lich, weil sie dort, wo sie in ih­rer Rechts­stel­lung als Ta­rif­ver­trags­par­tei be­trof­fen sind, die Rechts­wirk­sam­keit der von ih­nen ab­ge­schlos­se­nen Ver­ein­ba­rung als Ta­rif­ver­trag iSd. § 1 Abs. 1 TVG im Rah­men ei­ner Ver­bands­kla­ge (§ 9 TVG) fest­stel­len las­sen können. Im Rah­men ei­nes sol­chen Rechts­streits muss das Ar­beits­ge­richt das Ver­fah­ren nach § 97 Abs. 5 ArbGG aus­set­zen, wenn ent­we­der die Ta­riffähig­keit der ab­sch­ließen­den Ar­beit­neh­mer­ver­ei­ni­gung strei­tig ist oder wenn ge­gen die­se Be­den­ken be­ste­hen, wo­bei im Ar­beits­le­ben geäußer­te Vor­be­hal­te zu berück­sich­ti­gen und vom Ar­beits­ge­richt auf­zu­grei­fen sind (BAG 28. Ja­nu­ar 2008 - 3 AZB 30/07 - Rn. 17, AP ArbGG 1979 § 97 Nr. 17 = EzA ArbGG 1979 § 97 Nr. 9). Un­ter die­sen Vor­aus­set­zun­gen hat das Ar­beits­ge­richt auch ein Ver­fah­ren nach § 9 TVG aus­zu­set­zen, um des­sen Par­tei­en die Ein­lei­tung ei­nes Be­schluss­ver­fah­rens nach § 97 Abs. 1 ArbGG über die Ta­riffähig­keit der Ar­beit­neh­mer­ver­ei­ni­gung oder des Spit­zen­ver­bands zu ermögli­chen. In die­ses Be­schluss­ver­fah­ren sind die Ar­beit­ge­ber, die mit der in ih­rer Ta­riffähig­keit um­strit­te­nen Ver­ei­ni­gung ei­nen „Fir­men­ta­rif­ver­trag“ ab­ge­schlos­sen ha­ben, ent­we­der als An­trag­stel­ler oder als Be­tei­lig­te ein­be­zo­gen (§ 97 Abs. 5 Satz 2 ArbGG). Mit der In­ter­es­sen­wahr­neh­mung durch den auf


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Ar­beit­ge­ber­sei­te am Ver­fah­ren nach § 97 Abs. 1 ArbGG stets be­tei­lig­ten Spit­zen­ver­band so­wie die auf­ge­zeig­te Rechts­schutzmöglich­keit über das Ver­bands­kla­ge­ver­fah­ren er­hal­ten auch die be­trof­fe­nen Ar­beit­ge­ber ei­ne Rechts­schutzmöglich­keit, die den sich aus dem Rechts­staats­prin­zip (Art. 20 Abs. 3 GG) er­ge­ben­den An­for­de­run­gen an die Gewährung ei­nes ef­fek­ti­ven Rechts­schut­zes genügt.

Die Be­schränkung der nach § 97 Abs. 2 ArbGG iVm. § 83 Abs. 3

ArbGG an­zuhören­den Stel­len ist auch aus Gründen der Ver­fah­rensöko­no­mie ge­bo­ten. Ein Ver­fah­ren über die Ta­riffähig­keit ei­ner Ver­ei­ni­gung von Ar­beit­neh­mern kann sein Ziel nur er­rei­chen, wenn sei­ne Durchführung nicht durch ei­ne Viel­zahl von an­zuhören­den Per­so­nen oder Stel­len gefähr­det wird. Dies wäre aber der Fall, wenn auch ein­zel­ne Ar­beit­ge­ber in ein sol­ches Ver­fah­ren ein­zu­be­zie­hen wären. Der Ab­schluss und die Be­en­di­gung von Fir­men­ta­rif­verträgen würden zu ei­nem unüber­schau­ba­ren und ständi­gen Wech­sel der an­zuhören­den Per­so­nen und Stel­len führen, was ei­nem zügi­gen und rechts­staat­li­chen Grundsätzen genügen­den Ver­fah­rens­ab­schluss ent­ge­genstünde.

e) Hier­nach ist nicht er­sicht­lich, dass im vor­lie­gen­den Ver­fah­ren die 61
Anhörung ei­ner Ver­ei­ni­gung oder Stel­le un­ter­blie­ben wäre, die durch die zu tref­fen­de Ent­schei­dung in ih­rer Rechts­stel­lung als Ar­beit­neh­mer- oder Ar­beit­ge­ber­ver­ei­ni­gung un­mit­tel­bar be­trof­fen ist. Ne­ben den An­trag­stel­lern so­wie den Spit­zen­or­ga­ni­sa­tio­nen der Ar­beit­neh­mer- und Ar­beit­ge­ber­sei­te ha­ben die Vor­in­stan­zen die CG­ZP und die nach § 97 Abs. 1 ArbGG an­trags­be­fug­ten Ar­beit­ge­ber­verbände an­gehört, die ei­nen ei­ge­nen Sach­an­trag ge­stellt ha­ben.

f) Die Ver­fah­rensrüge des AMP, mit der die­ser die un­ter­blie­be­ne An-
hörung ein­zel­ner Ar­beit­ge­ber be­an­stan­det, ist je­den­falls un­be­gründet. Die Ar­beit­ge­ber, mit de­nen die CG­ZP Fir­men­ta­rif­verträge ab­ge­schlos­sen hat, sind nicht nach § 97 Abs. 2 ArbGG am Ver­fah­ren be­tei­ligt. Es ist auch we­der er­sicht­lich noch von den Be­tei­lig­ten gel­tend ge­macht, dass die Anhörung ei­ner Per­son oder Stel­le un­ter­blie­ben ist, die in Be­zug auf die ge­gen­warts­be­zo­ge­nen Anträge nach § 97 Abs. 5 Satz 2 ArbGG am Ver­fah­ren be­tei­ligt ist. Da­hin­ste­hen kann,

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ob auch die Mit­glie­der der CG­ZP im Ver­fah­ren an­zuhören wa­ren. In­so­weit hat kei­ner der Be­tei­lig­ten ei­ne Ver­fah­rensrüge er­ho­ben.

IV. Die ge­gen­warts­be­zo­ge­nen Fest­stel­lungs­anträge sind be­gründet. Die

CG­ZP ist we­der nach § 2 Abs. 1 TVG als Ge­werk­schaft noch nach § 2 Abs. 3 TVG als Spit­zen­or­ga­ni­sa­ti­on ta­riffähig.

1. Der Be­griff der Ta­riffähig­keit ist ge­setz­lich nicht de­fi­niert. § 2 Abs. 1 bis
3 TVG be­stimmt zwar, wer Par­tei ei­nes Ta­rif­ver­trags sein kann, enthält aber selbst kei­ne nähe­re De­fi­ni­ti­on der Ta­riffähig­keit. Dies be­ruht auf ei­ner be­wuss­ten Ent­schei­dung des Ge­setz­ge­bers, der hier­von zur bes­se­ren Les­bar­keit des Ge­set­zes­tex­tes und größeren Verständ­lich­keit für den Lai­en ab­ge­se­hen hat (Her­schel ZfA 1973, 183, 189). Die Ta­riffähig­keit wird in § 2a Abs. 1 Nr. 4, § 97 Abs. 1, Abs. 5 Satz 1 ArbGG des­halb als Ei­gen­schaft vor­aus­ge­setzt. Es han­delt sich um die recht­li­che Fähig­keit, durch Ver­ein­ba­rung mit dem so­zia­len Ge­gen­spie­ler Ar­beits­be­din­gun­gen ta­rif­ver­trag­lich mit der Wir­kung zu re­geln, dass sie für die ta­rif­ge­bun­de­nen Per­so­nen un­mit­tel­bar und un­ab­ding­bar wie Rechts­nor­men gel­ten (BVerfG 19. Ok­to­ber 1966 - 1 BvL 24/65 - zu C I 1 der Gründe, BVerfGE 20, 312; BAG 28. März 2006 - 1 ABR 58/04 - Rn. 35, BA­GE 117, 308). Die Ta­riffähig­keit ist Vor­aus­set­zung für den Ab­schluss von Ta­rif­verträgen iSd. § 1 Abs. 1 TVG. Die in § 2 TVG ent­hal­te­ne Aufzählung der mögli­chen Ta­rif­ver­trags­par­tei­en ist ab­sch­ließend. Auf Ar­beit­neh­mer­sei­te kann Par­tei ei­nes Ta­rif­ver­trags nur ei­ne Ge­werk­schaft (§ 2 Abs. 1 TVG) oder ein Zu­sam­men­schluss von Ge­werk­schaf­ten (§ 2 Abs. 2 und 3 TVG) sein.

2. Nach der Recht­spre­chung des Se­nats muss ei­ne Ar­beit­neh­mer­ver-
ei­ni­gung be­stimm­te Min­dest­vor­aus­set­zun­gen erfüllen, um als Ge­werk­schaft nach § 2 Abs. 1 TVG ta­riffähig zu sein.

a) Die an die Ta­riffähig­keit ei­ner Ar­beit­neh­mer­ver­ei­ni­gung zu stel­len­den

An­for­de­run­gen sind ge­setz­lich nicht be­stimmt. Die Re­ge­lung in A III 2 des Staats­ver­trags über die Schaf­fung ei­ner Währungs-, Wirt­schafts- und So­zi­al­uni­on zwi­schen der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land und der Deut­schen De­mo­kra­ti­schen Re­pu­blik vom 18. Mai 1990 und dem Ge­mein­sa­men Pro­to­koll über


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Leitsätze, die na­he­zu wort­gleich den von der Recht­spre­chung ent­wi­ckel­ten An­for­de­run­gen ent­spricht, stellt eben­falls kei­ne ge­setz­li­che Nor­mie­rung der an die Ta­riffähig­keit ei­ner Ar­beit­neh­mer­ver­ei­ni­gung zu stel­len­den Vor­aus­set­zun­gen dar. Sie hat zwar durch das Zu­stim­mungs­ge­setz des Deut­schen Bun­des­tags vom 25. Ju­ni 1990 (BGBl. II S. 518) Auf­nah­me in den Wil­len des Ge­setz­ge­bers ge­fun­den. Ma­te­ri­el­les Ge­setz ist sie da­durch aber nicht ge­wor­den (BAG 6. Ju­ni 2000 - 1 ABR 21/99 - zu B II 4 c der Gründe, BA­GE 95, 47). Es ist da­her Auf­ga­be der Ge­rich­te für Ar­beits­sa­chen, im Rah­men der an sie her­an­ge­tra­ge­nen Strei­tig­keit den un­be­stimm­ten Rechts­be­griff durch Aus­le­gung im Lich­te des Art. 9 Abs. 3 GG aus­zufüllen (vgl. BVerfG 20. Ok­to­ber 1981 - 1 BvR 404/78 - zu B I 2 der Gründe, BVerfGE 58, 233) und da­bei die im Zu­stim­mungs­ge­setz vom 25. Ju­ni 1990 zum Aus­druck ge­nom­me­ne Wil­lens­be­kun­dung der Ge­setz­ge­bungs­or­ga­ne der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land zu be­ach­ten (BAG 28. März 2006 - 1 ABR 58/04 - Rn. 36, BA­GE 117, 308).

b) Ei­ne Ar­beit­neh­mer­ver­ei­ni­gung ist nach der Se­nats­recht­spre­chung

ta­riffähig, wenn sie sich als sat­zungs­gemäße Auf­ga­be die Wahr­neh­mung der In­ter­es­sen ih­rer Mit­glie­der in de­ren Ei­gen­schaft als Ar­beit­neh­mer ge­setzt hat und wil­lens ist, Ta­rif­verträge ab­zu­sch­ließen. Sie muss frei ge­bil­det, geg­ner­frei, un­abhängig und auf über­be­trieb­li­cher Grund­la­ge or­ga­ni­siert sein und das gel­ten­de Ta­rif­recht als ver­bind­lich an­er­ken­nen. Wei­ter­hin ist Vor­aus­set­zung, dass die Ar­beit­neh­mer­ver­ei­ni­gung ih­re Auf­ga­be als Ta­rif­part­ne­rin sinn­voll erfüllen kann. Da­zu gehören die durch ih­re Mit­glie­der ver­mit­tel­te Durch­set­zungs­kraft ge­genüber dem so­zia­len Ge­gen­spie­ler und ei­ne leis­tungsfähi­ge Or­ga­ni­sa­ti­on (BAG 5. Ok­to­ber 2010 - 1 ABR 88/09 - Rn. 30; 28. März 2006 - 1 ABR 58/04 - Rn. 34, BA­GE 117, 308). Ei­ne Ge­werk­schaft iSd. § 2 Abs. 1 TVG liegt schon dann nicht vor, wenn die Sat­zung der Ver­ei­ni­gung die Mit­glied­schaft von Ar­beit­neh­mern nicht vor­sieht.

3. Auch der Be­griff der Spit­zen­or­ga­ni­sa­ti­on iSd. § 2 Abs. 2 und 3 TVG ist

ge­setz­lich nicht näher ge­re­gelt. Die an ei­ne Spit­zen­or­ga­ni­sa­ti­on zu stel­len­den An­for­de­run­gen er­sch­ließen sich je­doch durch Aus­le­gung die­ser Be­stim­mung.


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a) Zu­sam­men­schlüsse von Ge­werk­schaf­ten und von Ver­ei­ni­gun­gen von
Ar­beit­ge­bern können nach § 2 Abs. 2 TVG Par­tei­en ei­nes Ta­rif­ver­trags sein, wenn sie im Na­men der ih­nen an­ge­schlos­se­nen Verbände Ta­rif­verträge ab­sch­ließen und ei­ne ent­spre­chen­de Voll­macht ha­ben. Sol­che Ver­bin­dun­gen von Ge­werk­schaf­ten wer­den vom Ge­setz nach dem in § 2 Abs. 2 TVG ent­hal­te­nen Klam­mer­zu­satz als Spit­zen­or­ga­ni­sa­tio­nen be­zeich­net. Wird ei­ne Spit­zen­or­ga­ni­sa­ti­on nach § 2 Abs. 2 TVG be­vollmäch­tigt, han­delt sie als Stell­ver­tre­ter für den von ihr ver­tre­te­nen Ver­band oder für die von ihr ver­tre­te­ne Mehr­heit von Verbänden. Nicht die Spit­zen­or­ga­ni­sa­ti­on, son­dern die von ihr ver­tre­te­ne Ta­rif­ver­trags­par­tei iSd. § 2 Abs. 1 TVG wird Par­tei des von der Spit­zen­or­ga­ni­sa­ti­on ab­ge­schlos­se­nen Ta­rif­ver­trags.

b) Ei­ne Spit­zen­or­ga­ni­sa­ti­on kann auch selbst Par­tei ei­nes Ta­rif­ver­trags
sein, wenn der Ab­schluss von Ta­rif­verträgen zu ih­ren sat­zungs­gemäßen Auf­ga­ben gehört (§ 2 Abs. 3 TVG). Die Ab­schluss­be­fug­nis muss nicht aus­drück­lich in der Sat­zung der Spit­zen­or­ga­ni­sa­ti­on auf­geführt wer­den; es genügt, wenn sich die­se Auf­ga­be durch Aus­le­gung der Sat­zung er­mit­teln lässt (vgl. BAG 22. März 2000 - 4 ABR 79/98 - zu II 1 b aa der Gründe, BA­GE 94, 126). Die ein­zel­nen Ar­beit­neh­mer und Ar­beit­ge­ber als Mit­glie­der der in der Spit­zen­or­ga­ni­sa­ti­on zu­sam­men­ge­fass­ten Verbände sind dann an die von ihr im ei­ge­nen Na­men ab­ge­schlos­se­nen Ta­rif­verträge ge­bun­den (BAG 6. Mai 2003 - 1 AZR 241/02 - zu B I 1 der Gründe, BA­GE 106, 124).

c) Ei­ne Spit­zen­or­ga­ni­sa­ti­on verfügt we­der nach § 2 Abs. 2 TVG noch nach
§ 2 Abs. 3 TVG über ei­ne ori­ginäre Ta­riffähig­keit (aA wohl Ri­cken Au­to­no­mie und ta­rif­li­che Recht­set­zung S. 305). Die­se Vor­schrif­ten be­stim­men le­dig­lich, un­ter wel­chen zusätz­li­chen zu den in § 2 Abs. 1 TVG ge­nann­ten Vor­aus­set­zun­gen ein sol­cher Ver­band Par­tei ei­nes Ta­rif­ver­trags sein kann. Ih­re Ta­riffähig­keit lei­tet ei­ne Spit­zen­or­ga­ni­sa­ti­on aus­sch­ließlich von ih­ren Mit­glie­dern ab. Dies folgt für die in Voll­macht han­deln­de Spit­zen­or­ga­ni­sa­ti­on aus § 2 Abs. 2 TVG. Nichts an­de­res gilt bei ei­nem Zu­sam­men­schluss von Ge­werk­schaf­ten und Ver­ei­ni­gun­gen von Ar­beit­ge­bern nach § 2 Abs. 3 TVG. Die Spit­zen­or­ga­ni­sa­ti­on kann zwar selbst Par­tei ei­nes Ta­rif­ver­trags sein, sie wird da­bei aber aus­sch­ließ-


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lich für ih­re Mit­glieds­verbände tätig. Die­se können der Spit­zen­or­ga­ni­sa­ti­on de­ren Ta­riffähig­keit da­her nur im Rah­men ih­rer ei­ge­nen Ta­riffähig­keit ver­mit­teln (Wie­de­mann/Oet­ker TVG 7. Aufl. § 2 Rn. 437; Fran­zen BB 2009, 1472, 1474; Ja­cobs ZfA 2010, 27, 41).

d) Die sich zu ei­ner Spit­zen­or­ga­ni­sa­ti­on nach § 2 Abs. 2 und 3 TVG

zu­sam­men­sch­ließen­den Ar­beit­neh­mer­ko­ali­tio­nen müssen selbst ta­riffähig sein. Dies setzt die Ta­riffähig­keit von sämt­li­chen das Ta­rif­ge­sche­hen der Spit­zen­or­ga­ni­sa­ti­on be­stim­men­den Ge­werk­schaf­ten vor­aus.

aa) Dies folgt zunächst aus dem Wort­laut des § 2 TVG und der Ge­set­zes-

sys­te­ma­tik. Nach § 2 Abs. 2 TVG ist ei­ne Spit­zen­or­ga­ni­sa­ti­on ua. der Zu­sam­men­schluss von Ge­werk­schaf­ten. Da­bei folgt das TVG ei­nem ein­heit­li­chen Ge­werk­schafts­be­griff. Nach § 2 Abs. 1 TVG sind auf Ar­beit­neh­mer­sei­te nur Ge­werk­schaf­ten zum Ab­schluss von Ta­rif­verträgen be­rech­tigt. Dies setzt ih­re Ta­riffähig­keit vor­aus. Die­ses Verständ­nis liegt er­sicht­lich auch § 2 Abs. 2 TVG zu­grun­de, denn nur ei­ne ta­riffähi­ge Ar­beit­neh­mer­ko­ali­ti­on kann die Spit­zen­or­ga­ni­sa­ti­on zum Ab­schluss ei­nes Ta­rif­ver­trags be­vollmäch­ti­gen. Für Zu­sam­men­schlüsse von Ge­werk­schaf­ten nach § 2 Abs. 3 TVG gilt nichts an­de­res.

bb) Hierfür spricht auch der Norm­zweck. Die §§ 2 bis 4 TVG sol­len ei­nen

recht­li­chen Rah­men schaf­fen, auf des­sen Grund­la­ge sich die Norm­set­zung der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en voll­zieht. Da­zu de­fi­niert das Ge­setz in § 2 TVG zunächst die Par­tei­en, die ei­nen Ta­rif­ver­trag nach § 1 Abs. 1 TVG schließen können. Durch § 3 TVG wird der persönli­che und zeit­li­che Gel­tungs­be­reich fest­ge­legt, für den die von den Ta­rif­ver­trags­par­tei­en ge­schlos­se­nen Rechts­nor­men ih­re Wir­kung ent­fal­ten. An­sch­ließend ge­stal­tet § 4 TVG den Um­fang der Nor­men-wir­kung für die er­fass­ten Ar­beits­verhält­nis­se der ta­rif­ge­bun­de­nen Ar­beit­neh­mer und Ar­beit­ge­ber aus. Da ei­ne Spit­zen­or­ga­ni­sa­ti­on über kei­ne ori­ginäre Ta­riffähig­keit verfügt, son­dern die­se nur von ih­ren Mit­glie­dern ab­lei­tet, kann sie nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG gel­ten­de Ta­rif­nor­men auch nur für die­se oder für die Mit­glie­der der ihr an­ge­schlos­se­nen Ver­ei­ni­gun­gen schaf­fen (Fran­zen BB 2009, 1472, 1475). Dies setzt aber de­ren Ta­riffähig­keit vor­aus (zu ei­ner von Ar­beit­ge­bern ge­bil­de­ten Spit­zen­or­ga­ni­sa­ti­on: BAG 2. No­vem­ber 1960 - 1 ABR 18/59 -


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AP ArbGG 1953 § 97 Nr. 1). An­sons­ten könn­te auch ei­ne nach § 2 Abs. 1 TVG nicht ta­riffähi­ge Ar­beit­neh­mer­ko­ali­ti­on ent­ge­gen der Kon­zep­ti­on des TVG durch ei­nen Bei­tritt zu ei­ner Spit­zen­or­ga­ni­sa­ti­on die Gel­tung von Ta­rif­nor­men für ih­re Mit­glie­der her­beiführen.

cc) Das Er­for­der­nis, dass ei­ne Spit­zen­or­ga­ni­sa­ti­on von Ar­beit­neh­mer­ver-

ei­ni­gun­gen nur aus ta­riffähi­gen Mit­glie­dern ge­bil­det wer­den kann, schließt nicht aus, dass ihr ver­eins- oder ver­bands­recht­lich an­de­re Ver­ei­ni­gun­gen an­gehören können, oh­ne dass hier­durch die Ei­gen­schaft als Spit­zen­or­ga­ni­sa­ti­on iSd. § 2 Abs. 2 und 3 TVG stets in Fra­ge ge­stellt wäre (Löwisch/Rieb­le TVG 2. Aufl. § 2 Rn. 112; Fran­zen BB 2009, 1472, 1474; Wie­de­mann/Thüsing RdA 1995, 280, 282; da­zu ten­die­rend auch Wie­de­mann/Oet­ker § 2 Rn. 426). Ei­ne sol­che Be­fug­nis wird ihr durch die Ver­bands­au­to­no­mie eröff­net. Es be­geg­net kei­nen durch­grei­fen­den recht­li­chen Be­den­ken, wenn ei­ne von Ge­werk­schaf­ten iSd. § 2 Abs. 1 TVG ge­bil­de­te Spit­zen­or­ga­ni­sa­ti­on in ih­rer Sat­zung vor­sieht, dass ihr auch an­de­re, nicht ta­riffähi­ge Ar­beit­neh­mer­ko­ali­tio­nen an­gehören können, so­weit die­se die ta­rif­po­li­ti­schen Ent­schei­dun­gen der Spit­zen­or­ga­ni­sa­ti­on nicht be­ein­flus­sen können und ei­ne sol­che Ein­wir­kungsmöglich­keit auch sat­zungs­recht­lich wirk­sam aus­ge­schlos­sen ist (für ei­ne Ver­ei­ni­gung von Ar­beit­ge­bern: BAG 22. April 2009 - 4 AZR 111/08 - Rn. 29, BA­GE 130, 264; bestätigt durch BVerfG 1. De­zem­ber 2010 - 1 BvR 2593/09 -). Da­nach könn­te die Sat­zung ei­ner sol­chen Spit­zen­or­ga­ni­sa­ti­on zwar ei­ne Form der Mit­glied­schaft vor­se­hen, die nicht zu ei­ner Ta­rif­bin­dung führt. Es ist ihr aber ver­wehrt, die Gel­tung der nach § 2 Abs. 2 und 3 TVG ab­ge­schlos­se­nen Ta­rif­verträge auf die Mit­glie­der der nicht ta­riffähi­gen Ar­beit­neh­mer­ko­ali­ti­on zu er­stre­cken.

e) Die zu ei­ner Spit­zen­or­ga­ni­sa­ti­on iSd. § 2 Abs. 2 und 3 TVG zu-

sam­men­ge­schlos­se­nen Ge­werk­schaf­ten müssen die­ser ih­re Ta­riffähig­keit vollständig ver­mit­teln. Dies setzt vor­aus, dass sich die ei­ner Spit­zen­or­ga­ni­sa­ti­on an­ge­schlos­se­nen Ge­werk­schaf­ten in ih­rem Or­ga­ni­sa­ti­ons­be­reich nicht nur teil­wei­se, son­dern vollständig mit­ein­an­der ver­bin­den. Dies folgt aus dem Wort­laut, der Ent­ste­hungs­ge­schich­te und ei­nem am Norm­zweck ori­en­tier­ten Verständ­nis.


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aa) Der Ge­set­zes­wort­laut er­for­dert kei­ne recht­li­che Ver­bin­dung, bei der die

vor dem Zu­sam­men­ge­hen selbständi­gen Ver­ei­ni­gun­gen ih­re Ei­genständig­keit auf­ge­ben. § 2 Abs. 2 TVG geht von dem Fort­be­stand der zu­sam­men­ge­schlos­se­nen Verbände aus, für die von der Spit­zen­or­ga­ni­sa­ti­on Ta­rif­verträge ab­ge­schlos­sen wer­den. Al­ler­dings ver­langt die Vor­schrift ei­nen „Zu­sam­men­schluss“ und da­mit ei­ne vollständi­ge Ver­bin­dung der Ge­werk­schaf­ten zu ei­ner Spit­zen­or­ga­ni­sa­ti­on. Hier­an fehlt es, wenn die sich mit­ein­an­der ver­bin­den­den Verbände sich nur in Tei­len ih­rer Or­ga­ni­sa­ti­ons­be­rei­che zu­sam­men­sch­ließen.

bb) Dies folgt auch aus der Ent­ste­hungs­ge­schich­te.

Nach dem Ta­rif­ver­trags­recht der Wei­ma­rer Re­pu­blik konn­ten Par­tei­en

ei­nes Ta­rif­ver­trags grundsätz­lich nur Ver­ei­ni­gun­gen von Ar­beit­neh­mern, ein­zel­ne Ar­beit­ge­ber so­wie Ver­ei­ni­gun­gen von Ar­beit­ge­bern sein (§ 1 Abs. 1 Satz 1 der Ta­rif­ver­trags­ord­nung vom 23. De­zem­ber 1918, RGBl. 1456). Spit­zen­or­ga­ni­sa­tio­nen konn­ten kei­ne Ta­rif­verträge ab­sch­ließen, da ih­nen kei­ne Ar­beit­ge­ber oder Ar­beit­neh­mer un­mit­tel­bar als Mit­glie­der an­gehört ha­ben. Nach § 1 Abs. 2 des vom Zen­tral­amt für Ar­beit in der bri­ti­schen Be­sat­zungs­zo­ne vor­ge­leg­ten Re­fe­ren­ten­ent­wurfs (sog. Lem­go­er Ent­wurf) soll­ten Spit­zen­or­ga­ni­sa­tio­nen nur ta­riffähig sein, wenn der Ab­schluss von Ta­rif­verträgen zu ih­ren sat­zungs­gemäßen Auf­ga­ben gehört. Mit die­ser Re­ge­lung soll­te den Bun­des­in­nungs­verbänden der Ab­schluss von Ta­rif­verträgen für die ört­li­chen Or­ga­ni­sa­tio­nen des Hand­werks ermöglicht wer­den. Der Ge­setz­ge­ber hat je­doch von ei­ner Son­der­re­ge­lung für den Be­reich des Hand­werks ab­ge­se­hen und die nun­mehr in § 2 Abs. 2 bis 4 TVG ent­hal­te­ne dif­fe­ren­zie­ren­de Re­ge­lung ge­schaf­fen. Hier­durch soll­te ein aus­ge­wo­ge­nes Verhält­nis zwi­schen dem Bedürf­nis nach zen­tra­len Re­ge­lun­gen und dem Au­to­no­mie­be­wusst­sein der Ge­werk­schaf­ten und Ar­beit­ge­ber­verbände her­ge­stellt wer­den (Her­schel ZfA 1973, 183, 189 f.). Da­bei ging auch der Ge­setz­ge­ber des TVG of­fen­sicht­lich da­von aus, dass der Zu­sam­men­schluss der Ver­ei­ni­gun­gen zu ei­nem Spit­zen­ver­band - wie im Be­reich des Hand­werks - ins­ge­samt und nicht nur in Tei­len ih­res Or­ga­ni­sa­ti­ons­be­reichs er­folgt.


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cc) Die­ses Verständ­nis gibt auch der das Ta­rif­recht be­herr­schen­de Grund-

satz der Un­teil­bar­keit der Ta­riffähig­keit vor.

(1) Nach der Se­nats­recht­spre­chung ist die Ta­riffähig­keit ei­ner Ar­beit-
neh­mer­ver­ei­ni­gung iSd. § 2 Abs. 1 TVG für den von ihr be­an­spruch­ten Zuständig­keits­be­reich ein­heit­lich und un­teil­bar. Für die Ta­riffähig­keit ei­ner Ar­beit­neh­mer­ver­ei­ni­gung genügt es, dass die­se über Durch­set­zungs­kraft und or­ga­ni­sa­to­ri­sche Leis­tungsfähig­keit in ei­nem zu­min­dest nicht un­er­heb­li­chen Teil des be­an­spruch­ten Zuständig­keits­be­reichs verfügt. Ei­ne par­ti­el­le, auf be­stimm­te Re­gio­nen, Be­rufs­krei­se oder Bran­chen be­schränk­te Ta­riffähig­keit gibt es nicht (5. Ok­to­ber 2010 - 1 ABR 88/09 - Rn. 24; 28. März 2006 - 1 ABR 58/04 - Rn. 56, BA­GE 117, 308). Der Se­nat hat es al­ler­dings für die Ta­riffähig­keit ei­ner Ar­beit­neh­mer­ver­ei­ni­gung aus­rei­chen las­sen, wenn die­se in ei­nem zu­min­dest nicht un­be­deu­ten­den Teil des von ihr be­an­spruch­ten Zuständig­keits­be­reichs über ei­ne aus­rei­chen­de Mäch­tig­keit verfügt. Dies lässt re­gelmäßig er­war­ten, dass sich die Ar­beit­neh­mer­ko­ali­ti­on auch in den Be­rei­chen, in de­nen es ihr an Durch­set­zungs­kraft fehlt, beim Ab­schluss von Ta­rif­verträgen nicht den For­de­run­gen der Ar­beit­ge­ber­sei­te un­ter­wirft. Da­nach kann ei­ner Ar­beit­neh­mer­ver­ei­ni­gung ei­ner­seits die Ta­riffähig­keit ins­ge­samt nicht ver­sagt wer­den, wenn die Durch­set­zungs­kraft oder die or­ga­ni­sa­to­ri­sche Leis­tungsfähig­keit in ir­gend­ei­nem Teil­be­reich fehlt, während sie an­de­rer­seits nicht fest­ge­stellt wer­den kann, wenn sie nur in ir­gend­ei­nem Teil­be­reich ih­rer Ta­rif­zuständig­keit über ei­ne Durch­set­zungs­kraft verfügt (28. März 2006 - 1 ABR 58/04 - Rn. 59 f., aaO).

(2) Die Ver­mitt­lung ei­nes Teils der Ta­riffähig­keit der ei­ner Spit­zen-
or­ga­ni­sa­ti­on an­ge­schlos­se­nen Mit­glieds­ge­werk­schaf­ten ist nicht aus­rei­chend.

Durch den Grund­satz der Un­teil­bar­keit der Ta­riffähig­keit erfährt ei­ne

Ar­beit­neh­mer­ko­ali­ti­on zwar in­so­weit ei­ne Begüns­ti­gung, als ihr die Ta­riffähig­keit auch für die Tei­le des von ihr be­an­spruch­ten Zuständig­keits­be­reichs zu­ge­stan­den wird, in de­nen es ihr an der er­for­der­li­chen Durch­set­zungs­kraft fehlt. An­der­seits führt die­ses Verständ­nis von der Ta­riffähig­keit zu­gleich zu ei­ner Be­schränkung ih­rer Möglich­keit, sich mit an­de­ren Ge­werk­schaf­ten zu ei­ner Spit­zen­or­ga­ni­sa­ti­on zu­sam­men­zu­sch­ließen. Denn sie kann nicht un­ein­ge-


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schränkt über ih­re Ta­riffähig­keit verfügen, son­dern muss die­se der Spit­zen­or­ga­ni­sa­ti­on ins­ge­samt ver­mit­teln. Fehlt es hier­an, kann die Spit­zen­or­ga­ni­sa­ti­on ih­re Ta­riffähig­keit nicht auf die der ihr an­ge­schlos­se­nen Ge­werk­schaf­ten stützen. Die vollständi­ge Ver­mitt­lung der Ta­riffähig­keit der Mit­glieds­ge­werk­schaf­ten er­for­dert auch die Rechts­si­cher­heit und die dar­auf be­ru­hen­de Funk­ti­onsfähig­keit der Ta­rif­au­to­no­mie. Sch­ließen sich ta­riffähi­ge Ge­werk­schaf­ten nicht in ih­rem ge­sam­ten Or­ga­ni­sa­ti­ons­be­reich zu ei­ner Spit­zen­or­ga­ni­sa­ti­on zu­sam­men, könn­te zwei­fel­haft wer­den, ob die­se in den ihr über­tra­ge­nen Or­ga­ni­sa­ti­ons­be­rei­chen die not­wen­di­ge Durch­set­zungsfähig­keit be­sitzt. Es bestünde die Ge­fahr, dass die ei­ner Spit­zen­or­ga­ni­sa­ti­on an­ge­schlos­se­nen Ge­werk­schaf­ten die­ser nur die Be­rei­che über­tra­gen, in de­nen sie selbst nur über ei­ne un­zu­rei­chen­de Durch­set­zungs­kraft verfügen, was zu­gleich de­ren Fähig­keit in Fra­ge stellt, durch Ta­rif­verträge ei­ne an­ge­mes­se­ne Re­ge­lung der Ar­beits­be­din­gun­gen für die Mit­glie­der der Ein­zel­ge­werk­schaf­ten her­bei­zuführen.

f) Eben­so sind die ta­rif­recht­li­chen An­for­de­run­gen an ei­ne Spit­zen-

or­ga­ni­sa­ti­on iSd. § 2 Abs. 3 TVG nicht erfüllt, wenn de­ren sat­zungsmäßige Zuständig­keit für den Ab­schluss von Ta­rif­verträgen über die Or­ga­ni­sa­ti­ons­be­rei­che der ihr an­ge­schlos­se­nen Mit­glieds­ge­werk­schaf­ten hin­aus­geht.

aa) Über­steigt der Or­ga­ni­sa­ti­ons­be­reich des Spit­zen­ver­bands die Zu

ständig­kei­ten der ihm an­ge­schlos­se­nen ta­riffähi­gen Ar­beit­neh­mer­ver­ei­ni­gun­gen, han­delt es sich schon be­griff­lich nicht mehr nur um ei­nen Zu­sam­men­schluss von Ge­werk­schaf­ten. Ei­ne sol­che Ver­bin­dung kann ih­re Ta­riffähig­keit nicht mehr von den ihr an­ge­schlos­se­nen Ge­werk­schaf­ten ab­lei­ten. Der Ab­schluss von Ta­rif­verträgen für Ar­beits­verhält­nis­se außer­halb des von ih­nen selbst gewähl­ten Or­ga­ni­sa­ti­ons­be­reichs be­ruht dann nicht mehr auf der ein­ge­gan­ge­nen Ver­bin­dung, son­dern er­folgt da­von los­gelöst.

bb) Für ei­ne Übe­rein­stim­mung der Zuständig­keit der Spit­zen­or­ga­ni­sa­ti­on

mit den Or­ga­ni­sa­ti­ons­be­rei­chen der Mit­glieds­ge­werk­schaf­ten spricht auch der Norm­zweck. Die Rechts­set­zung durch Ta­rif­nor­men ist nach § 3 Abs. 1 TVG be­schränkt auf die Mit­glie­der der ta­rif­sch­ließen­den Par­tei­en und den Ar­beit-


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ge­ber, der selbst Par­tei ei­nes Ta­rif­ver­trags ist. Le­dig­lich Rechts­nor­men über be­trieb­li­che und be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­che Fra­gen gel­ten für al­le Be­trie­be, de­ren Ar­beit­ge­ber ta­rif­ge­bun­den ist (§ 3 Abs. 2 TVG). Der Ab­schluss von Ta­rif­verträgen durch ei­ne Spit­zen­or­ga­ni­sa­ti­on iSd. § 2 Abs. 3 TVG führt da­her zur Ta­rif­bin­dung der Mit­glie­der der ihr an­ge­schlos­se­nen Mit­glieds­ge­werk­schaf­ten, so­fern die­se vom ta­rif­li­chen Gel­tungs­be­reich er­fasst wer­den. Ein Ta­rif­ver­trags­schluss in ei­nem Be­reich, der außer­halb der Or­ga­ni­sa­ti­ons­be­rei­che der Mit­glieds­ge­werk­schaf­ten liegt, kann auf Ar­beit­neh­mer­sei­te kei­ne Ta­rif­bin­dung er­zeu­gen und geht ins Lee­re.

4. Die­se An­for­de­run­gen an die Ta­riffähig­keit ei­ner Spit­zen­or­ga­ni­sa­ti­on

si­chern die Funk­ti­onsfähig­keit der Ta­rif­au­to­no­mie und sind ge­mes­sen an die­sem Re­ge­lungs­ziel ver­fas­sungs­recht­lich nicht zu be­an­stan­den.

a) Nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts ist es
ver­fas­sungs­recht­lich un­be­denk­lich, wenn die Ta­riffähig­keit ei­ner Ar­beit­neh­mer­ver­ei­ni­gung von ge­wis­sen Min­dest­vor­aus­set­zun­gen abhängig ge­macht wird. Al­ler­dings dürf­ten kei­ne An­for­de­run­gen an die Ta­riffähig­keit ge­stellt wer­den, die die Bil­dung und Betäti­gung ei­ner Ko­ali­ti­on un­verhält­nismäßig ein­schränken und so zur Aushöhlung der durch Art. 9 Abs. 3 GG ge­si­cher­ten frei­en Ko­ali­ti­ons­bil­dung und -betäti­gung führen (20. Ok­to­ber 1981 - 1 BvR 404/78 - zu B I 2 der Gründe, BVerfGE 58, 233; zu­letzt 31. Ju­li 2007 - 2 BvR 1831/06 ua. - AP LPVG NW § 22 Nr. 2 = EzA GG Art. 9 Nr. 93). An­for­de­run­gen, die nicht zur Si­che­rung der Funk­ti­onsfähig­keit der Ta­rif­au­to­no­mie ge­eig­net, er­for­der­lich und an­ge­mes­sen sind, über­schrei­ten die Gren­ze der Aus­ge­stal­tung. Die da­mit ver­bun­de­ne Be­ein­träch­ti­gung der Ko­ali­ti­ons­frei­heit wäre ver­fas­sungs­recht­lich nicht zu recht­fer­ti­gen (BAG 5. Ok­to­ber 2010 - 1 ABR 88/09 - Rn. 35).

b) Das Er­for­der­nis, dass die in ei­ner Spit­zen­or­ga­ni­sa­ti­on iSd. § 2 Abs. 3
TVG zu­sam­men­ge­schlos­se­nen Ge­werk­schaf­ten die­ser ih­re ge­sam­te Ta­riffähig­keit ver­mit­teln müssen, schränkt we­der die Bil­dung noch die Betäti­gung der zu ei­ner Spit­zen­or­ga­ni­sa­ti­on zu­sam­men­ge­schlos­se­nen Ar­beit­neh­mer­ver­ei­ni­gun­gen un­verhält­nismäßig ein.


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aa) Die kol­lek­ti­ve Ko­ali­ti­ons­frei­heit gewähr­leis­tet die Au­to­no­mie bei der

Fest­le­gung von ver­bands­in­ter­nen Or­ga­ni­sa­ti­ons­struk­tu­ren (ErfK/Die­te­rich 11. Aufl. Art. 9 GG Rn. 40). Die Ent­schei­dung ei­ner Ge­werk­schaft, auf wel­cher Glie­de­rungs­ebe­ne sie die Vor­aus­set­zun­gen für die Ta­riffähig­keit erfüllen will, fällt da­her in den durch Art. 9 Abs. 3 GG geschütz­ten Be­reich. Dies be­trifft zwar vor­nehm­lich ih­re Ent­schei­dung darüber, ob und ggf. in wel­chem Um­fang ih­re ei­ge­nen Un­ter­glie­de­run­gen (Be­zirks-, Lan­des- oder Bun­des­ebe­ne) Par­tei ei­nes Ta­rif­ver­trags sein sol­len. Der Grund­rechts­schutz be­trifft aber glei­cher­maßen ih­ren Ent­schluss, mit an­de­ren Ge­werk­schaf­ten ei­ne Spit­zen­or­ga­ni­sa­ti­on zu bil­den, die für ih­re Mit­glie­der ent­we­der als Be­vollmäch­tig­te (§ 2 Abs. 2 TVG) oder kraft ei­ge­nen Sat­zungs­rechts (§ 2 Abs. 3 TVG) Ta­rif­verträge ab­sch­ließt.

bb) Es ist nicht un­verhält­nismäßig, die Ta­riffähig­keit ei­ner Spit­zen-

or­ga­ni­sa­ti­on an die vollständi­ge Über­tra­gung der Or­ga­ni­sa­ti­ons­be­rei­che ih­rer Mit­glieds­ge­werk­schaf­ten zu bin­den. Die da­mit ver­bun­de­ne Ver­mitt­lung ih­rer Ta­riffähig­keit ist zur Wah­rung der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschütz­ten Ta­rif­au­to­no­mie ge­eig­net und er­for­der­lich und führt auch nicht zu ei­ner un­an­ge­mes­se­nen Be­schränkung der Ko­ali­ti­ons­frei­heit der Mit­glieds­ge­werk­schaf­ten. Die zur Rechts­si­cher­heit ge­bo­te­ne um­fas­sen­de Über­tra­gung des Or­ga­ni­sa­ti­ons­be­reichs auf die Spit­zen­or­ga­ni­sa­ti­on schränkt die Hand­lungsmöglich­kei­ten der ihr an­ge­schlos­se­nen Mit­glieds­ge­werk­schaf­ten nicht nen­nens­wert ein. Ih­re Fähig­keit, selbst Ta­rif­verträge für die von ih­nen re­präsen­tier­ten Ar­beit­neh­mer ab­zu­sch­ließen, wird durch den Zu­sam­men­schluss nicht berührt, weil die Ta­riffähig­keit ei­ner Spit­zen­or­ga­ni­sa­ti­on ne­ben die ih­rer Mit­glie­der tritt. Darüber hin­aus können Ge­werk­schaf­ten mit un­ter­schied­li­chen Or­ga­ni­sa­ti­ons­be­rei­chen oh­ne die Bil­dung ei­ner Spit­zen­or­ga­ni­sa­ti­on je­weils im Rah­men ih­rer Ta­rif­zuständig­keit ei­nen ein­heit­li­chen Ta­rif­ver­trag mit ei­nem Ar­beit­ge­ber oder ei­nem Ar­beit­ge­ber­ver­band im We­ge ei­ner Ta­rif­ge­mein­schaft ab­sch­ließen, bei der sie ent­we­der ge­mein­sam oder ein­zeln Ver­trags­par­tei wer­den (BAG 8. No­vem­ber 2006 - 4 AZR 590/05 - Rn. 22, BA­GE 120, 84; 29. Ju­ni 2004 - 1 AZR 143/03 - zu III 4 a der Gründe mwN, AP TVG § 1 Nr. 36 = EzA TVG § 1 Nr. 46).


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cc) Eben­so ist es ver­fas­sungs­recht­lich nicht zu be­an­stan­den, das Vor­lie­gen

ei­ner Spit­zen­or­ga­ni­sa­ti­on iSd. § 2 Abs. 3 TVG von der Be­gren­zung ih­rer Zuständig­keit auf die Or­ga­ni­sa­ti­ons­be­rei­che ih­rer Mit­glieds­ge­werk­schaf­ten abhängig zu ma­chen. Es ist schon frag­lich, ob in­so­weit über­haupt die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschütz­te Betäti­gungs­frei­heit der Mit­glieds­ge­werk­schaf­ten berührt wird, weil sich die­se auf den von ih­nen selbst gewähl­ten Or­ga­ni­sa­ti­ons­be­reich be­schränkt. Je­den­falls ist es nicht un­verhält­nismäßig, ei­nem Ver­band von Ge­werk­schaf­ten die Ta­riffähig­keit nach § 2 Abs. 3 TVG zu ver­sa­gen, wenn die­ser auch außer­halb des Zuständig­keits­be­reichs sei­ner Mit­glie­der Ta­rif­verträge ab­sch­ließen soll. Die Ta­riffähig­keit ei­ner von Ge­werk­schaf­ten ge­bil­de­ten Spit­zen­or­ga­ni­sa­ti­on be­ruht auf der so­zia­len Mäch­tig­keit der von ih­ren Mit­glie­dern re­präsen­tier­ten Ar­beit­neh­mer. Dass es bei ei­nem Ta­rif­ver­trags­ab­schluss außer­halb der Or­ga­ni­sa­ti­ons­be­rei­che der Mit­glieds­ge­werk­schaf­ten an ei­ner sol­chen Durch­set­zungs­kraft fehlt, ist of­fen­sicht­lich. Sol­che Ta­rif­ab­schlüsse können für sich nicht in An­spruch neh­men, ei­ne durch Druck und Ge­gen­druck be­wirk­te an­ge­mes­se­ne Re­ge­lung von Ar­beits­be­din­gun­gen zu schaf­fen. Das wi­der­spricht der Funk­ti­on der Ta­rif­au­to­no­mie, den von staat­li­cher Rechts­set­zung frei­ge­las­se­nen Raum des Ar­beits­le­bens durch Ta­rif­verträge sinn­voll zu ord­nen (BVerfG 6. Mai 1964 - 1 BvR 79/62 - zu B II 1 der Gründe, BVerfGE 18, 18). Die da­mit ver­bun­de­ne Gefähr­dung der Ta­rif­au­to­no­mie ist auch nicht des­we­gen hin­zu­neh­men, weil be­stimm­te Ver­trags­for­men des Ar­beits­le­bens - wie et­wa die ge­werb­li­che Ar­beit­neh­merüber­las­sung - nicht rechts­si­cher und zwin­gend vom bis­he­ri­gen Or­ga­ni­sa­ti­ons­be­reich der Ar­beit­neh­mer­ver­ei­ni­gun­gen er­fasst wer­den. Um auch sol­che Ar­beit­neh­mer zu or­ga­ni­sie­ren, bleibt ei­ner Mit­glieds­ge­werk­schaft die Möglich­keit der sat­zungs­recht­li­chen Er­wei­te­rung des ei­ge­nen Or­ga­ni­sa­ti­ons­be­reichs.

5. Die CG­ZP ist kei­ne ta­riffähi­ge Ar­beit­neh­mer­ver­ei­ni­gung iSd. § 2 Abs. 1

TVG, da sie nach ih­rer Sat­zung kei­ne Ar­beit­neh­mer or­ga­ni­siert. Nach § 3 Abs. 1 CG­ZP-Sat­zung 2009 können nur die im CGB zu­sam­men­ge­schlos­se­nen Ar­beit­neh­mer­ko­ali­tio­nen ih­ren Bei­tritt zur CG­ZP erklären.


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6. Die CG­ZP ist auch kei­ne ta­riffähi­ge Spit­zen­or­ga­ni­sa­ti­on. Die ta­rif­recht-

li­chen Vor­aus­set­zun­gen des § 2 Abs. 3 TVG lie­gen nicht vor. Die Mit­glie­der der CG­ZP ha­ben ih­re Ta­riffähig­keit der CG­ZP nicht vollständig ver­mit­telt. Zu­dem geht der Or­ga­ni­sa­ti­ons­be­reich der CG­ZP über den ih­rer Mit­glie­der hin­aus. Da­her kann da­hin­ste­hen, ob die CG­ZP über­haupt von ta­riffähi­gen Ar­beit­neh­mer­ver­ei­ni­gun­gen iSd. § 2 Abs. 1 TVG ge­bil­det wird. Eben­so we­nig kommt es dar­auf an, ob die Viel­zahl der von ihr mit Ar­beit­ge­bern ab­ge­schlos­se­nen Ver­ein­ba­run­gen im Be­reich der ge­werb­li­chen Ar­beit­neh­merüber­las­sung ei­ne so­zia­le Mäch­tig­keit der CG­ZP be­legt.

a) Die CGM, die DHV und die GÖD ha­ben ih­re Ta­riffähig­keit der CG­ZP
nicht vollständig ver­mit­telt. Die CG­ZP ist nicht in dem ge­sam­ten durch die Sat­zun­gen ih­rer Mit­glie­der be­stimm­ten Or­ga­ni­sa­ti­ons­be­reich zum Ab­schluss von Ta­rif­verträgen be­rech­tigt. Ih­re Ta­rif­zuständig­keit ist nach § 1 Abs. 1 CG­ZP-Sat­zung 2009 auf Ta­rif­verträge mit Ar­beit­ge­bern oder Ar­beit­ge­ber­verbänden be­schränkt, die oder de­ren Mit­glie­der als Ver­lei­her Drit­ten (Ent­lei­hern) Ar­beit­neh­mer (Leih­ar­beit­neh­mer) zur Ar­beits­leis­tung über­las­sen wol­len. Dass der Or­ga­ni­sa­ti­ons­be­reich der CG­ZP auf den Be­reich der Ar­beit­neh­merüber­las­sung be­schränkt ist, wird von der CG­ZP selbst und ih­ren Mit­glie­dern nicht in Fra­ge ge­stellt.

b) Die Zuständig­keit der CG­ZP geht zu­dem über die ih­rer Mit­glie­der
hin­aus. Dies hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt im Er­geb­nis zu­tref­fend er­kannt. Der Or­ga­ni­sa­ti­ons­be­reich der CGM, der DHV und der GÖD er­fasst we­der für sich al­lein noch bei ei­ner Ge­samt­schau sämt­li­che Ar­beits­verhält­nis­se im Be­reich der Ar­beit­neh­merüber­las­sung iSd. § 1 Abs. 1 CG­ZP-Sat­zung 2009.

aa) Die feh­len­de Zuständig­keit der Mit­glie­der der CG­ZP für den ge­sam­ten

Be­reich der Ar­beit­neh­merüber­las­sung ist im vor­lie­gen­den Ver­fah­ren zwi­schen den Be­tei­lig­ten un­strei­tig ge­blie­ben. We­der die CG­ZP noch ih­re am Ver­fah­ren be­tei­lig­ten Mit­glie­der ha­ben in den Vor­in­stan­zen gel­tend ge­macht, dass de­ren Or­ga­ni­sa­ti­ons­be­reich ent­we­der ein­zeln oder in der Sum­me die ge­sam­te ge­werb­li­che Ar­beit­neh­merüber­las­sung um­fasst. Et­was an­de­res er­gibt sich auch nicht aus der Aus­le­gung der Sat­zun­gen der CGM, der DHV und der GÖD.


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bb) Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die Sat­zung der CGM da­hin­ge­hend

aus­ge­legt, dass die­se für Leih­ar­beit­neh­mer zuständig ist, die in den in § 1 Abs. 3, § 3 Abs. 1 CGM-Sat­zung an­geführ­ten Un­ter­neh­men oder Be­trie­ben als Leih­ar­beit­neh­mer beschäftigt wer­den, wenn die­se von ei­nem dort ge­nann­ten Me­tall­ar­beit­ge­ber über­las­sen wor­den sind. Es kann da­hin­ste­hen, ob die CGM nach ih­rer Sat­zung tatsächlich nur für Leih­ar­beit­neh­mer zuständig ist, wenn die Ar­beit­neh­merüber­las­sung zwi­schen Me­tall­ar­beit­ge­bern er­folgt. Hierfür könn­te al­ler­dings spre­chen, dass die CGM ei­nem sol­chen Sat­zungs­verständ­nis in der Rechts­be­schwer­de­instanz nicht ent­ge­gen­ge­tre­ten ist und auch nach ih­rem Vor­trag ei­ne darüber hin­aus­ge­hen­de Zuständig­keit bis­her nicht be­an­sprucht hat. Je­den­falls ist der Or­ga­ni­sa­ti­ons­be­reich der CGM auf Ar­beit­neh­mer be­schränkt, die mit ei­nem in § 1 Abs. 3, § 3 Abs. 1 CGM-Sat­zung an­geführ­ten Un­ter­neh­men oder Be­trieb ein Leih­ar­beits­verhält­nis be­gründet ha­ben.

cc) Die DHV war nach § 2 Abs. 1 ih­rer Sat­zung vom 12. März 2007 für

Ar­beit­neh­mer „ins­be­son­de­re in kaufmänni­schen und ver­wal­ten­den Be­ru­fen“ zuständig. Die­se Be­stim­mung hat der Se­nat in sei­ner Ent­schei­dung vom 10. Fe­bru­ar 2009 da­hin­ge­hend aus­ge­legt, dass die DHV für Ar­beit­neh­mer in an­de­ren als kaufmänni­schen und ver­wal­ten­den Be­ru­fen nicht ta­rif­zuständig ist (- 1 ABR 36/08 - Rn. 25, BA­GE 129, 322). Da­nach war der Or­ga­ni­sa­ti­ons­be­reich der DHV im Be­reich der ge­werb­li­chen Ar­beit­neh­merüber­las­sung bis zu ih­rer Sat­zungsände­rung im Jahr 2009 je­den­falls auf Leih­ar­beit­neh­mer be­schränkt, mit de­nen zu­gleich die Tätig­keit in kaufmänni­schen und ver­wal­ten­den Be­ru­fen ver­ein­bart wor­den ist. Nach § 2 Abs. 1 Un­terabs. 2 und 4 der am 12. Ju­ni 2009 in das Ver­eins­re­gis­ter ein­ge­tra­ge­nen Sat­zung ist die DHV nun­mehr auch für Ar­beit­neh­mer zuständig, die in ei­ne Bran­che oder in Un­ter­neh­men über­las­sen wer­den, die in § 2 Abs. 1 Un­terabs. 2 DHV-Sat­zung 2009 oder im An­hang zur Sat­zung auf­geführt sind. Selbst nach die­ser Sat­zungsände­rung er­streckt sich der Or­ga­ni­sa­ti­ons­be­reich der DHV aber al­len­falls auf Leih­ar­beit­neh­mer für die Dau­er ih­res Ein­sat­zes in Be­trie­ben des Groß-, Außen-und Ein­zel­han­dels, der Wa­ren­lo­gis­tik, der Fi­nanz- und Ver­si­che­rungs­wirt­schaft, der ge­setz­li­chen So­zi­al­ver­si­che­rung so­wie in Dienst­leis­tungs­be­trie­ben, die


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die­sen Bran­chen zu­ge­ord­net sind, so­wie in den im An­hang 1 ge­nann­ten Bran­chen und Un­ter­neh­men.

dd) Die GÖD ist nur für Leih­ar­beits­verhält­nis­se zuständig, die mit öffent­li-

chen Ar­beit­ge­bern be­gründet wer­den.

(1) Die GÖD or­ga­ni­sier­te nach § 2, § 5 Abs. 1 ih­rer Sat­zung vom
20./21. April 2005 bun­des­weit ne­ben den ak­ti­ven und den aus­ge­schie­de­nen An­gehöri­gen des öffent­li­chen Diens­tes „Ar­beit­neh­mer/in­nen von pri­vat­recht­lich or­ga­ni­sier­ten Dienst­leis­tungs­be­trie­ben und Or­ga­ni­sa­tio­nen, die auch die Grundsätze und die Sat­zung der GÖD an­er­ken­nen und be­reit sind, ih­re Zie­le zu fördern und kei­ner kon­kur­rie­ren­den Ge­werk­schaft an­gehören“.

(2) Die GÖD hat ih­ren Or­ga­ni­sa­ti­ons­be­reich bis­her nicht auf den ge­sam­ten
Be­reich der ge­werb­li­chen Ar­beit­neh­merüber­las­sung er­wei­tert. Zwar ist die zu­vor in § 5 Abs. 1 GÖD-Sat­zung 2005 ent­hal­te­ne per­so­nen­be­zo­ge­ne Ein­schränkung in der ak­tu­el­len Sat­zung der GÖD aus dem Jahr 2009 nicht mehr ent­hal­ten. Da­ne­ben spricht auch der Wort­laut von § 2 Abs. 1, § 5 GÖD-Sat­zung 2009 für ei­ne um­fas­sen­de Zuständig­keit der GÖD für den ge­sam­ten pri­vat­wirt­schaft­li­chen Dienst­leis­tungs­be­reich, zu dem auch die Ar­beit­neh­merüber­las­sung zählt. Ei­ne ent­spre­chen­de Aus­deh­nung ih­res Or­ga­ni­sa­ti­ons­be­reichs setzt aber vor­aus, dass die Ar­beit­neh­merüber­las­sung in ei­ner An­la­ge zur Sat­zung der GÖD ge­son­dert auf­geführt wird. Dies folgt aus dem Re­ge­lungs­zu­sam­men­hang der GÖD-Sat­zung 2009 und dem Grund­satz der ge­set­zes­kon­for­men Aus­le­gung.

(a) Die GÖD hat ih­re Zuständig­keit für den pri­vat­wirt­schaft­li­chen Dienst-

leis­tungs­be­reich bis­her noch nicht ab­sch­ließend fest­ge­legt. Während ihr Or­ga­ni­sa­ti­ons­be­reich für den Be­reich des öffent­li­chen Diens­tes nach Beschäftig­ten­grup­pen, Ar­beit­ge­bern und Ein­rich­tun­gen un­verändert in § 2 Abs. 1 GÖD-Sat­zung de­tail­liert be­schrie­ben wird, fehlt es für den pri­vat­wirt­schaft­li­chen Dienst­leis­tungs­be­reich noch an ei­ner ent­spre­chen­den Aus­ge­stal­tung, die aus Sicht der GÖD den Be­stimmt­heits­er­for­der­nis­sen genügt. Ei­ne sol­che Kon­kre­ti­sie­rung soll nach ih­rer Sat­zung durch die in § 2 Abs. 1 Un­terabs. 2 GÖD-


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Sat­zung 2009 in Aus­sicht ge­stell­te Beifügung ei­ner An­la­ge er­fol­gen, in der ein­zel­ne Bran­chen auf­geführt wer­den, für die von der GÖD ei­ne Ta­rif­zuständig­keit be­an­sprucht wird. Bis zur Auf­nah­me der ge­werb­li­chen Ar­beit­neh­merüber­las­sung in ei­ne sol­che An­la­ge hat die GÖD ih­ren Or­ga­ni­sa­ti­ons­be­reich im pri­vat­wirt­schaft­li­chen Dienst­leis­tungs­be­reich ge­genüber der Sat­zung aus dem Jahr 2005 nicht er­wei­tert.

(b) Ei­ne Zuständig­keit der GÖD für den ge­sam­ten Be­reich der Ar­beit-
neh­merüber­las­sung würde zu­dem die Mit­glied­schaft der GÖD in der CG­ZP in Fra­ge stel­len. Nach § 21 Abs. 1 ih­rer Sat­zung aus dem Jahr 2009 kann die GÖD ei­ne Zu­sam­men­ar­beit nur mit nicht kon­kur­rie­ren­den Ge­werk­schaf­ten, Be­rufs­verbänden oder Ar­beit­neh­mer­ver­ei­ni­gun­gen ein­ge­hen. Ein sol­ches, nach dem Wil­len der Sat­zungs­ge­ber der GÖD of­fen­sicht­lich un­erwünsch­tes Kon­kur­renz­verhält­nis zu an­de­ren im CGB or­ga­ni­sier­ten Ge­werk­schaf­ten würde aber ent­ste­hen, wenn die GÖD ua. für den Be­reich der Ar­beit­neh­merüber­las­sung um­fas­send zuständig wäre.

(c) Ei­ner Aus­le­gung der GÖD-Sat­zung 2009, wo­nach die GÖD oh­ne
Be­schränkung auf ein­zel­ne Bran­chen für den pri­vat­wirt­schaft­li­chen Dienst­leis­tungs­be­reich zuständig wäre, stünde über­dies das Ver­bot der exis­tenz­gefähr­den­den Aus­le­gung ent­ge­gen.

(aa) Nach der Se­nats­recht­spre­chung ist bei der Aus­le­gung ei­ner Sat­zung

ei­ner Ar­beit­neh­mer­ko­ali­ti­on zu berück­sich­ti­gen, dass ein zur mögli­chen Be­stands­gefähr­dung der Ver­ei­ni­gung führen­des Sat­zungs­verständ­nis dem Sinn und Zweck der Be­stim­mun­gen und dem dar­in ob­jek­ti­vier­ten Wil­len des Sat­zungs­ge­bers wi­der­spricht. Bei der Aus­le­gung von Sat­zungs­be­stim­mun­gen zum Um­fang der Ta­rif­zuständig­keit ei­ner Ar­beit­neh­mer­ko­ali­ti­on hat da­her ei­ne Sicht­wei­se zu un­ter­blei­ben, wel­che zum Weg­fall der Ta­riffähig­keit führen würde, so­lan­ge ei­ne an­de­re Aus­le­gung nach an­er­kann­ten Aus­le­gungs­grundsätzen möglich ist (10. Fe­bru­ar 2009 - 1 ABR 36/08 - Rn. 44, BA­GE 129, 322).

(bb) Ei­ne um­fas­sen­de Ta­rif­zuständig­keit der GÖD für den pri­vat­wirt­schaft-

li­chen Dienst­leis­tungs­be­reich hätte mit ho­her Wahr­schein­lich­keit de­ren Ta­rif-


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unfähig­keit zur Fol­ge, weil sie für die­sen er­wei­ter­ten Or­ga­ni­sa­ti­ons­be­reich an­ge­sichts der von ihr be­haup­te­ten Mit­glie­der­zahl von nur 57.000 Mit­glie­dern nicht mehr über die nach § 2 Abs. 1 TVG er­for­der­li­che so­zia­le Mäch­tig­keit verfügen würde. In der öffent­li­chen Ver­wal­tung wa­ren bun­des­weit im Jah­res­durch­schnitt 2009 2,823 Mio. Er­werbstäti­ge und im übri­gen Dienst­leis­tungs­be­reich 14,374 Mio. Er­werbstäti­ge beschäftigt (Quel­le: Mi­kro­zen­sus des Sta­tis­ti­schen Bun­des­amts für das Jahr 2009 S. 30). Bei ei­ner Zuständig­keit der GÖD für die pri­vat­wirt­schaft­li­chen Dienst­leis­tungs­be­trie­be wäre ihr Or­ga­ni­sa­ti­ons­be­reich um mehr als das Fünf­fa­che er­wei­tert, was mit ei­nem Ab­sin­ken des Or­ga­ni­sa­ti­ons­grads der dort beschäftig­ten Er­werbstäti­gen in der GÖD auf ca. 0,3 % ver­bun­den wäre. Ei­ne Aus­wei­tung der Zuständig­keit der GÖD auf den pri­va­ten Dienst­leis­tungs­be­reich würde ih­re Durch­set­zungs­kraft als so­zia­ler Ge­gen­spie­ler der Ar­beit­ge­ber­sei­te nicht nur in ei­nem klei­nen Teil­be­reich, son­dern um­fas­send in Fra­ge stel­len. Dass die GÖD im pri­va­ten Dienst­leis­tungs­be­reich über­haupt über ei­ne nen­nens­wer­te Mit­glie­der­zahl verfügt oder auf ei­ne hin­rei­chend leis­tungsfähi­ge Or­ga­ni­sa­ti­on zurück­grei­fen kann, ist an­ge­sichts ih­rer his­to­ri­schen Aus­rich­tung auf den öffent­li­chen Dienst kaum an­zu­neh­men.

(3) Der Or­ga­ni­sa­ti­ons­be­reich der GÖD ist da­nach ge­genwärtig auf Leih-

ar­beits­verhält­nis­se be­schränkt, die von ei­nem Ar­beit­ge­ber des öffent­li­chen Diens­tes be­gründet wer­den.

ee) Ei­ner Aus­le­gung der Sat­zung der CG­ZP, wo­nach sich de­ren Or­ga­ni­sa-

ti­ons­be­reich nicht auf den ih­rer Mit­glie­der be­schränkt, steht auch das Ver­bot der exis­tenz­gefähr­den­den Sat­zungs­aus­le­gung nicht ent­ge­gen. Die CG­ZP-Sat­zung 2009 lässt die vom AMP un­ter Hin­weis auf § 1 Abs. 1, § 7 Abs. 1 Un­terabs. 2 CG­ZP-Sat­zung 2009 ge­for­der­te ein­schränken­de Aus­le­gung nicht zu.

Der Wort­laut von § 1 Abs. 1 CG­ZP-Sat­zung 2009 ent­spricht § 1 CG­ZP-

Sat­zung 2005 und ist ein­deu­tig. Der fach­li­che Or­ga­ni­sa­ti­ons­be­reich er­streckt sich da­nach auf den ge­sam­ten Be­reich der ge­werb­li­chen Ar­beit­neh­merüber­las­sung. Er wird le­dig­lich per­so­nen­be­zo­gen für die Mit­glie­der der ihr an-


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ge­schlos­se­nen Ar­beit­neh­mer­ver­ei­ni­gun­gen ein­ge­schränkt. Dies ent­spricht den ge­setz­li­chen Be­stim­mun­gen über die Ta­rif­bin­dung (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG). Die in § 7 Abs. 1 Un­terabs. 2 CG­ZP-Sat­zung 2009 ent­hal­te­ne Re­ge­lung ist für das sys­te­ma­ti­sche Verständ­nis un­er­gie­big. Sie re­gelt nur das Ver­fah­ren für ei­nen Ta­rif­ver­trags­ab­schluss von Mit­glie­dern der CG­ZP, den die­se im Rah­men ih­rer ei­ge­nen Zuständig­keit vor­neh­men. Da­ne­ben be­ruht die jet­zi­ge Fas­sung von § 7 Abs. 1 Un­terabs. 2 CG­ZP-Sat­zung 2009 auf den Ausführun­gen des Ar­beits­ge­richts Ber­lin über die „Ab­tre­tung der Ta­rif­ho­heit“ der Mit­glie­der der CG­ZP. Ei­ne auf den fach­li­chen Or­ga­ni­sa­ti­ons­be­reich ih­rer Mit­glie­der be­schränk­te Zuständig­keit hat die CG­ZP im vor­lie­gen­den Ver­fah­ren selbst nicht gel­tend ge­macht. Da­ge­gen spräche auch ih­re Ta­rif­pra­xis. Die CG­ZP hat bis zur Ent­schei­dung des Lan­des­ar­beits­ge­richts Ber­lin-Bran­den­burg Fir­men- und Ver­bands­ta­rif­verträge außer­halb des Or­ga­ni­sa­ti­ons­be­reichs ih­rer Mit­glie­der ab­ge­schlos­sen und schließt die­se nach wie vor ab.

c) Nach­dem den Anträgen be­reits aus an­de­ren Gründen ent­spro­chen
wird, kann da­hin­ste­hen, ob die CG­ZP über­haupt von ta­riffähi­gen Ar­beit­neh­mer­ko­ali­tio­nen iSd. § 2 Abs. 1 TVG ge­bil­det wird.

d) Da es schon an den ta­rif­recht­li­chen Vor­aus­set­zun­gen ei­ner Spit­zen-
or­ga­ni­sa­ti­on fehlt und ei­ne Spit­zen­or­ga­ni­sa­ti­on iSd. § 2 Abs. 3 TVG Ta­riffähig­keit nur durch ih­re Mit­glie­der er­lan­gen kann, kommt es nicht dar­auf an, ob die CG­ZP ih­re so­zia­le Mäch­tig­keit durch die An­zahl der von ihr mit Ar­beit­ge­bern und Ar­beit­ge­ber­verbänden ab­ge­schlos­se­nen Ver­ein­ba­run­gen im Be­reich der ge­werb­li­chen Ar­beit­neh­merüber­las­sung un­ter Be­weis stel­len konn­te. Es war des­halb auch nicht zu klären, ob Ta­rif­verträge, de­ren Ge­gen­stand al­lein dar­auf ge­rich­tet ist, un­ter Nut­zung der Ta­riföff­nungs­klau­sel in § 9 Nr. 2 AÜG von dem ge­setz­li­chen Gleich­stel­lungs­ge­bot (§ 3 Abs. 1 Nr. 3, § 10 Abs. 4 AÜG) ab­zu­wei­chen, die so­zia­le Mäch­tig­keit ei­ner neu ge­gründe­ten Ar­beit­neh­mer­ver­ei­ni­gung be­le­gen können.


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V. Der vom Land Ber­lin im Schrift­satz vom 9. No­vem­ber 2010 an-

gekündig­te An­trag ist dem Se­nat nicht zur Ent­schei­dung an­ge­fal­len. Er ist nach sei­nem Wort­laut nur für den Fall des Un­ter­lie­gens mit dem Haupt­an­trag ge­stellt wor­den. Die­se in­ter­pro­zes­sua­le Be­din­gung ist nicht ein­ge­tre­ten. Es kann da­her da­hin­ste­hen, ob das Land Ber­lin ge­hal­ten war, die im Hilfs­an­trag lie­gen­de An­trags­er­wei­te­rung durch ei­ne An­schluss­rechts­be­schwer­de in das Ver­fah­ren ein­zuführen.

Schmidt Linck Koch

Olaf Kunz Hann

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