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Tarifstufen im öffentlichen Dienst und Ausländerdiskriminierung

27.02.2017. In den Tarifverträgen für den öffentlichen Dienst gibt es seit jeher Regelungen, denen zufolge man sich beim Gehalt besser steht, wenn man früher schon einmal im öffentlichen Dienst gearbeitet hat.
So werden z.B. einschlägige Berufserfahrungen von mindestens einem Jahr gemäß § 16 Abs.2 Satz 2 Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) nur dann in vollem Umfang gehaltssteigernd anerkannt, wenn sie beim selben Arbeitgeber gemacht wurden.
Am Donnerstag letzter Woche hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden, dass diese Vorschrift des TV-L nicht gegen das Europarecht verstößt, wenn sie allein zu einer unterschiedlichen Behandlung inländischer Arbeitnehmer führt: BAG, Urteil vom 23.02.2017, 6 AZR 843/15 (Pressemeldung des BAG).
- Ist § 16 Abs.2 TV-L mit dem Europarecht vereinbar?
- Der Berliner Streitfall: Erzieherin mit langjähriger Berufserfahrung außerhalb des öffentlichen Dienstes klagt auf Anerkennung einer höheren tariflichen Stufe
- BAG: Bei rein innerdeutschen Fällen verstößt die Privilegierung von Vordienstzeiten, die beim selben Arbeitgeber zurückgelegt worden, nicht gegen das EU-Recht
Ist § 16 Abs.2 TV-L mit dem Europarecht vereinbar? 
Arbeitnehmer, die in derselben Entgeltgruppe des TV-L eingruppiert sind, z.B. als Erzieher bzw. Erzieherin mit abgeschlossenem Berufsabschluss, verdienen je nach ihrer Beschäftigungsdauer unterschiedlich viel. Denn der TV-L sieht vor, dass man innerhalb seiner Entgeltgruppe im Laufe seiner Berufsjahre in immer höhere Stufen vorrückt.
Wer sich daher nach zehn oder 20 Berufsjahren auf eine Stelle im öffentlichen Dienst der Länder bewirbt, sollte sich danach erkundigen, ob seine Berufsjahre bei der Stufenzuordnung berücksichtigt werden können oder nicht. Dazu schreibt § 16 Abs.2 Satz 2 TV-L vor, dass eine volle Berücksichtigung von Vordienstzeiten nur möglich ist, wenn sie beim selben Arbeitgeber wie z.B. dem Land Berlin zurückgelegt wurden.
Arbeitnehmer, die ihre einschlägigen Berufserfahrungen bei anderen Arbeitgebern, also z.B. einem anderen Bundesland oder in der Privatwirtschaft, gesammelt haben, werden zwar nicht wie ein Berufsanfänger eingestuft (Stufe 1), bekommen aber höchstens die Stufe 2 oder 3 (§ 16 Abs.2 Satz 3 TV-L).
Möglicherweise liegt in dieser Besserstellung „betriebstreuer“ Arbeitnehmer eine mittelbare Diskriminierung von Arbeitnehmern aus dem europäischen Ausland. Denn EU-Ausländer, die zum Arbeiten nach Deutschland kommen, können meist keine oder nur kurze Vordienstzeiten bei deutschen öffentlichen Arbeitgebern vorweisen, während dies bei ihren deutschen Kollegen typischerweise anders ist.
Eine solche mittelbare Schlechterstellung von sog. Wanderarbeitnehmern würde aber gegen das EU-Recht verstoßen. Denn Art.45 Abs.1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) gewährt Arbeitnehmern Freizügigkeit innerhalb der EU, wozu gemäß Art.45 Abs.2 AEUV die
„Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen“
gehört. Darüber hinaus schreibt die Verordnung (EU) 492/2011 vom 05.04.2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union in ihrem Art.7 folgendes vor:
„Alle Bestimmungen in Tarif- oder Einzelarbeitsverträgen oder sonstigen Kollektivvereinbarungen betreffend Zugang zur Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeits- und Kündigungsbedingungen sind von Rechts wegen nichtig, soweit sie für Arbeitnehmer, die Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten sind, diskriminierende Bedingungen vorsehen oder zulassen.“
Möglicherweise verstößt die bessere Bezahlung von Arbeitnehmern mit Vordienstzeiten beim selben (deutschen) Arbeitgeber gemäß § 16 Abs.2 Satz 2 TV-L gegen das Europarecht bzw. gegen Art.45 AEUV und gegen Art.7 der Verordnung (EU) 492/2011.
Der Berliner Streitfall: Erzieherin mit langjähriger Berufserfahrung außerhalb des öffentlichen Dienstes klagt auf Anerkennung einer höheren tariflichen Stufe 
Geklagt hatte eine Erzieherin, die seit 1997 bei verschiedenen Arbeitgebern im deutschen Inland ihren Beruf ausgeübt hatte und dann erstmals im Januar 2014 beim Land Berlin anfing. Bei ihrer Einstellung wurde sie die Entgeltgruppe 8 eingruppiert und dort der Stufe 2 zugeordnet.
Nach Ablauf der Probezeit verlangte sie unter Verweis auf Ihre langjährigen Berufserfahrungen eine Bezahlung gemäß Entgeltgruppe 8, Stufe 5, denn diese Stufe würde er zustehen, wenn sie ihre Berufserfahrungen nicht bei anderen Arbeitgebern, sondern beim Land Berlin zurückgelegt hätte.
Dabei berief sie sich auf die o.g. Vorschriften des Europarechts sowie auf eine Entscheidung des europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom Dezember 2013 (EuGH, Urteil vom 05.12.2013, C-514/12 - Salzburger Landeskliniken). Die finanzielle Besserstellung von Arbeitnehmern mit Berufserfahrung beim Land Berlin sei Europa rechtswidrig und könne daher nicht zu ihren Lasten angewandt werden.
Das Arbeitsgericht Berlin gab der Klage statt (Urteil vom 01.04.2015, 21 Ca 14506/14), wohingegen das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg dem Arbeitgeber recht gab (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 06.10.2015, 7 Sa 773/15).
Begründung des LAG: Die EU-Vorschriften über die Arbeitnehmerfreizügigkeit sind nur auf Sachverhalte anwendbar, die einen Auslandsbezug aufweisen. Der streitige Fall spielt dagegen allein in Deutschland. Wer niemals sein Recht auf Freizügigkeit innerhalb der EU ausgeübt hat, kann sich im Hinblick auf einen nur in einem EU-Land spielenden Sachverhalt nicht auf die EU-Regelungen zur Arbeitnehmerfreizügigkeit berufen, so das LAG.
BAG: Bei rein innerdeutschen Fällen verstößt die Privilegierung von Vordienstzeiten, die beim selben Arbeitgeber zurückgelegt worden, nicht gegen das EU-Recht 
Auch in Erfurt hatte die Erzieherin kein Glück. Das BAG wies ihre Revision zurück. Soweit dies der derzeit allein vorliegenden BAG-Pressemeldung zu entnehmen ist, stützt sich das BAG auf dieselbe Begründung wie schon das LAG:
§ 16 Abs.2 TV-L weist keinen hinreichenden Auslandsbezug auf, so die Erfurter Richter, wenn Arbeitnehmer nur in der Bundesrepublik Deutschland beschäftigt waren und keine Qualifikationen in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union erworben haben. Daher sind die EU-Freizügigkeitsvorschriften auf solche Fälle nicht anwendbar. Das ist nach Ansicht des BAG durch die Rechtsprechung des EuGH geklärt, so dass das BAG den Fall nicht dem EuGH vorlegen musste.
Ergänzend stellt das BAG klar, dass auch das deutsche Arbeitsrecht die rechtliche und finanzielle Privilegierung von Berufserfahrungen, die beim selben Arbeitgeber erworben wurde, nicht verbietet. Demzufolge konnte sich die Klägerin hier im Streitfall auch nicht auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz berufen.
Fazit: Mit seinem Urteil hat das BAG die in den letzten beiden Jahren heftig umstrittene Frage nicht wirklich geklärt, ob die privilegierende Anerkennung von Vordienstzeiten beim selben Arbeitgeber gegen das EU-Recht verstößt oder nicht. Denn das (zutreffende) Argument, dass Art.45 AEUV und Art.7 der Verordnung (EU) 492/2011 nicht auf rein innerdeutsche Arbeitsrechtsfälle anwendbar sind, hilft nicht weiter, wenn ein EU-Ausländer bei der Anrechnung seiner im Ausland erworbenen Berufserfahrungen durch § 16 Abs.2 Satz 2 TV-L benachteiligt wird. Spätestens dann müssten die mit einem solchen Fall befassten deutschen Arbeitsgerichte dem EuGH den Fall vorlegen.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23.02.2017, 6 AZR 843/15 (Pressemeldung des BAG)
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23.02.2017, 6 AZR 843/15
- Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 06.10.2015, 7 Sa 773/15
- Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 05.12.2013, C-514/12 - Salzburger Landeskliniken
- Handbuch Arbeitsrecht: Gleichbehandlungsgrundsatz
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Hinweis: In der Zwischenzeit, d.h. nach Erstellung dieses Artikels, hat das BAG seine Entscheidungsgründe veröffentlicht. Das vollständig begründete Urteil des BAG finden Sie hier:
Letzte Überarbeitung: 30. März 2019
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