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ARBEITSRECHT AKTUELL // 12/384

Jah­res­son­der­zah­lung ge­mäß § 20 TV-L setzt kei­ne naht­lo­se Be­schäf­ti­gung vor­aus

War das Ar­beits­ver­hält­nis im Ver­lauf des Jah­res un­ter­bro­chen, zäh­len auch die Zei­ten vor der Un­ter­bre­chung bei der Be­rech­nung der Jah­res­son­der­zah­lung mit: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 12.12.2012, 10 AZR 922/11
Auktionshammer bzw. Gerichtshammer auf Geldscheinen Auch wenn et­was "klipp und klar" im Ta­rif steht, muss man manch­mal bis zum BAG ge­hen

14.12.2012. Ge­mäß § 20 Abs.1 des Ta­rif­ver­trag für den öf­fent­li­chen Dienst der Län­der (TV-L) ha­ben Ar­beit­neh­mer ei­nen An­spruch auf ei­ne jähr­li­che Son­der­zah­lung. Vor­aus­set­zung da­für ist, dass sie am 01. De­zem­ber in ei­nem Ar­beits­ver­hält­nis ste­hen.

Der An­spruch auf die Son­der­zah­lung ver­min­dert sich al­ler­dings ge­mäß § 20 Abs.4 TV-L um ein Zwölf­tel für Mo­na­te, in de­nen die Ar­beit­neh­mer "kei­nen An­spruch auf Ent­gelt oder Fort­zah­lung des Ent­gelts" ha­ben.

Bei der An­wen­dung die­ser bei­den Vor­schrif­ten, d.h. des Ab­sat­zes 1 und des Ab­sat­zes 2 von § 20 TV-L, gibt es seit Jah­ren Streit zwi­schen Ar­beit­neh­mern und ih­ren Dienst­her­ren über die Fra­ge, wel­che Fol­gen es hat, wenn das Ar­beits­ver­hält­nis ei­nes an­spruchs­be­rech­tig­ten Ar­beit­neh­mers im Ver­lauf des Jah­res ein­mal un­ter­bro­chen war:

Zäh­len dann für die Be­rech­nung der Son­der­zah­lung nur die­je­ni­gen Mo­na­te, die nach der Un­ter­bre­chung la­gen, oder zäh­len auch die Mo­na­te da­vor? Die­se Streit­fra­ge hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) vor ein paar Ta­gen zu­guns­ten der Ar­beit­neh­mer ent­schie­den: BAG, Ur­teil vom 12.12.2012, 10 AZR 922/11.

Der Streit­fall: An­ge­stell­te Leh­re­rin ist auf Ba­sis von zwei Zeit­ver­trtägen mit ei­ner kurz­fris­ti­gen Un­ter­bre­chung im Som­mer beschäftigt und erhält ei­ne Son­der­zah­lung nur für die Mo­na­te des zwei­ten Zeit­ver­trags

Ei­ne beim Land Nord­rhein-West­fa­len (NRW) an­ge­stell­te Leh­re­rin war zunächst auf der Grund­la­ge ei­nes be­fris­te­ten Ar­beits­ver­trags vom 31.10.2008 bis 16.08.2009 und so­dann auf­grund ei­nes wei­te­ren be­fris­te­ten Ver­trags vom 31.08.2009 bis 27.08.2010 beschäftigt. Im Jah­re 2009 war sie so­mit "fast durchgängig" beim Land NRW beschäftigt, nur dass ihr eben zwei Wo­chen im Au­gust fehl­ten.

Das Land NRW zahl­te der Leh­re­rin für 2009 ei­ne Son­der­zah­lung aus, die es stärker kürz­te als das aus Sicht der Leh­re­rin hätte ge­sche­hen dürfen. Das Land zahl­te nämlich nur 4/12 Jah­res­son­der­zah­lung für die Zeit des zwei­ten be­fris­te­ten Ar­beits­ver­trags, der von Sep­tem­ber bis De­zem­ber dau­er­te. Die Leh­re­rin ließ sich das nicht ge­fal­len und ver­klag­te das Land auf Zah­lung der Dif­fe­renz, d.h. sie woll­te auch für die da­vor lie­gen­den Mo­na­te Ja­nu­ar bis Au­gust ei­ne Son­der­zah­lung.

Das in der ers­ten In­stanz mit dem Fall be­fass­te Ar­beits­ge­richt hat der Kläge­rin Recht ge­ge­ben und das Land zu ei­ner wei­te­ren Zah­lung ver­ur­teilt. Da­ge­gen zog die Leh­re­rin vor dem Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Düssel­dorf den Kürze­ren (LAG Düssel­dorf, Ur­teil vom 25.10.2011, 17 Sa 1012/11). Denn das LAG mein­te in die­sem und in ei­nem Par­al­lel­fall, dass sich der "Kürzungs­tat­be­stand nur auf das ak­tu­el­le Ar­beits­verhält­nis be­zieht". Außer­dem müss­ten sich die Rech­te, die man in ei­nem frühe­ren Ar­beits­verhält­nis er­wor­ben hat, nicht au­to­ma­tisch in ei­nem späte­ren Ar­beits­verhält­nis mit dem­sel­ben Ar­beit­ge­ber aus­wir­ken (Lan­des­ar­beits­ge­richt Düssel­dorf, Ur­teil vom 25.10.2011, 17 Sa 732/11).

BAG: War das Ar­beits­verhält­nis im Ver­lauf des Jah­res un­ter­bro­chen, zählen auch die Zei­ten vor der Un­ter­bre­chung bei der Be­rech­nung der Jah­res­son­der­zah­lung mit

Das BAG hob die Ent­schei­dung des LAG Düssel­dorf auf und ent­schied den Fall zu­guns­ten der Ar­beit­neh­me­rin.

Denn es ist un­er­heb­lich, so das BAG, ob das Ar­beits­verhält­nis im Ka­len­der­jahr un­ter­bro­chen war, z.B. weil sich ei­ne wei­te­re Be­fris­tung nicht naht­los an ei­ne vor­he­ri­ge Beschäfti­gung an­sch­ließt.

Die ta­rif­li­che Re­ge­lung, d.h. § 20 Abs.1 und Abs.4 TV-L, macht nämlich die Höhe der Son­der­zah­lung da­von abhängig, in wel­chen Mo­na­ten ein Ent­gelt­an­spruch ge­gen den­sel­ben Ar­beit­ge­ber be­stand, so das BAG. Ei­ne Kürzung des An­spruchs um je­weils ein Zwölf­tel hat da­her nur für die Mo­na­te zu er­fol­gen, in de­nen gar kein Ent­gelt ge­zahlt wur­de. Die Leh­re­rin hier im Streit­fall hat­te aber in je­dem Mo­nat des Jah­res 2009 ei­nen Ge­halts­an­spruch, so­dass ei­ne Kürzung der Son­der­zah­lung nicht rech­tens war.

Fa­zit: Die Ent­schei­dung des BAG ist rich­tig, da der ziem­lich kla­re Wort­laut von § 20 Abs.4 TV-L be­reits aus­rei­chend deut­lich wer­den lässt, un­ter wel­chen Vor­aus­set­zun­gen die Son­der­zah­lung gekürzt wer­den kann.

Da­bei muss man auch berück­sich­ti­gen, dass es sich bei der Re­ge­lung zur zeit­an­tei­li­gen Kürzung der Son­der­zah­lung um ei­ne Aus­nah­me­vor­schrift von ei­ner Re­gel han­delt. Und die Re­gel, von der die zeit­an­tei­li­ge Kürzung ab­weicht, lau­tet: Ei­ne Son­der­zah­lung ist im All­ge­mei­nen im­mer dann zu leis­ten, wenn das Ar­beits­verhält­nis am 01. De­zem­ber be­steht.

Aus­nah­me­vor­schrif­ten, die be­stimm­te Son­derfälle re­geln, sind aber im All­ge­mei­nen "eng aus­zu­le­gen". Die An­sicht des LAG Düssel­dorf würde aber im Ge­gen­teil da­zu führen, dass die zu­guns­ten des Ar­beit­ge­bers be­ste­hen­de Kürzungsmöglich­keit (= Aus­nah­me) über den kla­ren Wort­laut von § 20 Abs.4 TV-L hin­aus er­heb­lich aus­ge­dehnt wer­den würde.

Be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mern ist zu ra­ten, die Leis­tung der vol­len Son­der­zah­lung schrift­lich an­zu­mah­nen, da­mit der An­spruch nicht durch Aus­schluss­fris­ten un­ter­geht. Soll­te der Ar­beit­ge­ber sich im­mer noch stur stel­len, soll­te man die Son­der­zah­lung ein­kla­gen.

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Letzte Überarbeitung: 30. März 2019

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