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Aufgezwungener Verzicht auf eine Erstattung von Reisekosten?
16.10.2012. Klassenfahrten gehören zur Bildungs- und Erziehungsarbeit der Schulen. Wer daher als Lehrer an einer Schulwanderung oder einer Schulfahrt teilnimmt, erfüllt damit seine dienstlichen Pflichten.
Andererseits kosten solche Veranstaltungen Geld, und diese bleiben zum Teil beim Schulträger hängen. Bei allgemeinbildenden öffentlichen Schulen wird damit das Budget der Bundesländer belastet.
Vor diesem Hintergrund verlangen einige Bundesländer ihren angestellten und beamteten Lehrern Verzichtserklärungen ab. Mit diesen Erklärungen verzichten die an der Fahrt teilnehmenden Lehrer auf die Erstattung von Reisekosten.
Auf solche Verzichtserklärungen kann sich der Schulträger aber nicht berufen, da diese Praxis treuwidrig ist, so das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einer Entscheidung vom heutigen Tage: BAG, Urteil vom 16.10.2012, 9 AZR 183/11.
- Können angestellte Lehrer vorab auf die Erstattung ihrer Reisekosten wegen einer Klassenfahrt verzichten?
- Klassenfahrten in Zeiten klammer Kassen: Eine Genehmigung wird nur erteilt, wenn der Klassenlehrer vorab auf Erstattung seiner Reisekosten verzichtet
- BAG: Kein Vorab-Verzicht auf Erstattung von Reisekosten wegen einer Klassenfahrt bei Dienstpflicht zur Durchführung von Klassenfahrten
Können angestellte Lehrer vorab auf die Erstattung ihrer Reisekosten wegen einer Klassenfahrt verzichten?
Im Allgemeinen können Arbeitnehmer auf arbeitsvertragliche Ansprüche verzichten. Denn ein solcher Verzicht ist nur im Ausnahmefall gesetzlich ausgeschlossen, so z.B. für den Anspruch auf Fortzahlung des Lohns bzw. Gehalts während des Urlaubs (§ 13 Abs.1 Bundesurlaubsgesetz - BUrlG) oder im Krankheitsfall (§ 12 Entgeltfortzahlungsgesetz - EFZG).
Aus diesen gesetzlichen Sonderregelungen folgt im Umkehrschluss, dass ein Verzicht des Arbeitnehmers auf arbeitsvertragliche Ansprüche im Prinzip möglich bzw. wirksam ist.
Daher können angestellte Lehrer an öffentlichen Schulen im Prinzip auch auf ihre Ansprüche auf Erstattung von Reisekosten verzichten. Ein solcher Anspruch folgt meist aus tarifvertraglichen Regelungen in Verbindung mit Reisekostenrichtlinien oder gesetzlichen Regelungen zum Reisekostenrecht für Beamte.
So ist es auch im Land Nordrhein-Westfalen (NRW). Dort haben angestellte Lehrer an öffentlichen Schulen einen tariflichen Anspruch auf Erstattung von Reisekosten gemäß § 23 Abs. 4 des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L), denn diese Vorschrift verweist auf das Reisekostenrecht für Beamte.
Dieses wiederum ist in NRW in einem eigenen Landesgesetz enthalten, nämlich im nordrhein-westfälischen Landesreisekostengesetz (LRKG), und das LRKG erlaubt in seinem § 3 Abs.8 Satz 3 ausdrücklich einen Verzicht des Beamten auf Erstattung seiner Reisekosten bzw. auf einen entsprechenden Antrag. Diese Vorschrift lautet:
"Dienstreisende können vor Antritt einer Dienstreise oder eines Dienstganges schriftlich erklären, dass sie keinen Antrag nach Satz 1 stellen; die Erklärung ist unwiderruflich."
Vor diesem rechtlichen Hintergrund gilt in NRW eine allgemeine Dienstanweisung, der zufolge Klassenfahrten nur dann genehmigt werden können, wenn die teilnehmenden Lehrer vorab eine solche Verzichtserklärung abgeben. Eine solche Genehmigungspraxis ist allerdings rechtlich fragwürdig.
Klassenfahrten in Zeiten klammer Kassen: Eine Genehmigung wird nur erteilt, wenn der Klassenlehrer vorab auf Erstattung seiner Reisekosten verzichtet
Im Streitfall ging es um eine bei Land NRW angestellte Lehrerin, die Erstattung von Reisekosten wegen einer Klassenfahrt verlangte, die sie zusammen mit ihrer Klasse im September 2008 durchgeführt hatte. Konkret ging es dabei um 206,05 EUR, die ihr aufgrund von § 23 Abs. 4 TV-L in Verbindung mit den Regelungen des LRKG und ergänzenden Regelungen zugestanden hätten.
Hätten - wenn die Lehrerin nicht vor Durchführung der Klassenfahrt auf einem entsprechenden Antragsformular auf diese Kostenerstattung verzichtet hätte. In diesem von der Lehrerin unterschriebenen Formular hieß es:
"3. Die gem. Nr.9.1 WRL zu zahlende(n) Reisekostenvergütung(en) ist/sind durch die für unsere Schule vorgesehenen Haushaltsmittel nicht mehr gedeckt; da die Veranstaltung trotzdem durchgeführt werden soll, verzichte(n) ich/wir gem. Nr. 8.6 WRL auf die Zahlung der Reisekostenvergütung."
Ohne diese vorab erklärte Verzichtserklärung hätte der Schulleiter die Klassenfahrt nicht genehmigt, und er hätte seine Genehmigung aufgrund einer entsprechenden generellen Richtlinie auch gar nicht erteilen dürfen.
Die Lehrerin führte die Klassenfahrt durch und verlangte später die ihr an sich zustehende Kostenerstattung von 206,05 EUR. Da das Land nicht zahlte, zog sie vor das Arbeitsgericht Münster, das ihre Klage abwies (Urteil vom 09.09.2010, 1 Ca 334/10). Immerhin ließ es die Berufung zu.
Und mit ihrer Berufung zum Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm hatte die Lehrerin Erfolg. Denn das LAG meinte, das Land verhalte sich als Arbeitgeber treuwidrig, wenn es sich auf die schriftliche Verzichtserklärung beziehe (LAG Hamm, Urteil vom 03.02.2011, 11 Sa 1852/10). Denn die Verzichtserklärung verstößt "gegen Treu und Glauben und kann von dem beklagten Land der Erstattungsforderung nicht entgegengehalten werden", so das LAG.
Die Klassenfahrt entsprach nämlich den pädagogischen Vorgaben, so das LAG, und die Klägerin war als Klassenlehrerin sogar dazu verpflichtet, daran teilzunehmen. Entsprechende Erwartungen bestanden daher auch auf seiten der Schüler und Eltern.
Unter solchen Umständen konnte sich die Lehrerin nur zwischen zwei Übeln entscheiden, nämlich entweder dafür, auf den ihr an sich zustehenden Erstattungsanspruch zu verzichten, oder aber dafür, ihre Schüler und deren Eltern zu enttäuschen und allgemeine pädagogische Ziele nicht zu verfolgen.
BAG: Kein Vorab-Verzicht auf Erstattung von Reisekosten wegen einer Klassenfahrt bei Dienstpflicht zur Durchführung von Klassenfahrten
Auch das BAG gab der Lehrerin recht. Soweit aus der derzeit allein vorliegenden Pressemitteilung des BAG hervorgeht, hat es sich auch der Begründung des LAG angeschlossen.
Dass ein Verzicht auf Reisekosten rechtlich grundsätzlich möglich ist, ließ das BAG hier nicht gelten. Denn die Praxis, Schulfahrten grundsätzlich nur zu genehmigen, wenn die teilnehmenden Lehrkräfte auf die Erstattung ihrer Reisekosten verzichten, stellt einen groben Verstoß gegen die Fürsorgepflicht dar.
Ebenso wie für das LAG war auch für das BAG der vom Land NRW heraufbeschworene Konflikt entscheidend: Wenn Schulfahrten generell nur genehmigt werden, wenn die teilnehmenden Lehrer auf die Erstattung von Reisekosten verzichten, stellt das beklagte Land als Arbeitgeber seine angestellten Lehrkräfte unzulässig vor die Wahl, "ihr Interesse an einer Reisekostenerstattung zurückzustellen oder dafür verantwortlich zu sein, dass Schulfahrten, die Bestandteil der Bildungs- und Erziehungsarbeit sind, nicht stattfinden".
Fazit: Dem Urteil des BAG ist zuzustimmen. Dass das Land NRW wie viele Bundesländer, Gemeinden und der Bund ernsthafte finanzielle Probleme hat, darf nicht auf dem Rücken der Angestellten ausgetragen werden, wenn es um die Verwirklichung offizieller staatlicher Ziele geht. Wenn das Land keine ausreichenden Mittel (mehr) zur Verfügung hat, Klassenfahrten durchzuführen, muss es eben darauf verzichten, d.h. solche Fahrten dürfen dann nicht mehr genehmigt werden.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16.10.2012, 9 AZR 183/11 (Pressemitteilung Nr. 71/12 des BAG vom 16.10.2012)
- Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 03.02.2011, 11 Sa 1852/10
- Handbuch Arbeitsrecht: Arbeitsvertrag
- Handbuch Arbeitsrecht: Lohn und Gehalt
Hinweis: In der Zwischenzeit, d.h. nach Erstellung dieses Artikels, hat das BAG seine Entscheidungsgründe veröffentlicht. Das vollständig begründete Urteil des BAG finden Sie hier:
Letzte Überarbeitung: 14. Juni 2015
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