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LAG Mün­chen, Ur­teil vom 02.02.2016, 6 Sa 937/15

   
Schlagworte: Urlaub, Tarifvertrag
   
Gericht: Landesarbeitsgericht München
Aktenzeichen: 6 Sa 937/15
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 02.02.2016
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Kempten, Urteil vom 24.09.2015, 5 Ca 749/15
nachgehend:
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14.02.2017, 9 AZR 207/16
   

Lan­des­ar­beits­ge­richt München

Im Na­men des Vol­kes

UR­TEIL

In dem Rechts­streit

A.

A-Straße, A-Stadt

Kläger und Be­ru­fungs­be­klag­ter

Pro­zess­be­vollmäch­tig­ter:

Rechts­an­walt Dr. B. B-Straße, B-Stadt

ge­gen

Fir­ma C.

2, A-Stadt

Be­klag­te und Be­ru­fungskläge­rin

Pro­zess­be­vollmäch­tig­te:

...

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hat die 6. Kam­mer des Lan­des­ar­beits­ge­richts München auf Grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 2. Fe­bru­ar 2016 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Lan­des­ar­beits­ge­richt Dr. Künzl und die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Schnel­ler und Geb­hardt

für Recht er­kannt:

I. Auf die Be­ru­fung der Be­klag­ten wird das En­dur­teil des Ar­beits­ge­richts Kemp­ten vom 24.09.2015 – 5 Ca 749/15 ab­geändert und die Kla­ge ab­ge­wie­sen.

II. Der Kläger trägt die Kos­ten des Rechts­streits.

III. Die Re­vi­si­on wird zu­ge­las­sen.

Tat­be­stand:

Die Par­tei­en strei­ten um die Über­tra­gung von 11 Ur­laubs­ta­gen des Klägers aus 2014 auf das Jahr 2015.

Der Kläger ist seit 3. Nov. 1975 bei der Be­klag­ten als Be­triebs­schlos­ser bei ei­nem Brut­to­mo­nats­ge­halt von zu­letzt € .... beschäftigt. Im Jahr 2014 hat­te der Kläger 19 Ur­laubs­ta­ge, bei ei­nem Ge­samt­jah­res­ur­laubs­an­spruch von 30 Ur­laubs­ta­gen bei ei­ner Ar­beits­ver­pflich­tung an 5 Ta­gen in der Wo­che, ein­ge­bracht. Ab 13. Okt. 2014 war er durch­ge­hend bis 7. Apr. 2015 ar­beits­unfähig krank.

Auf das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en fin­det kraft ar­beits­ver­trag­li­cher Ver­ein­ba­rung der Man­tel­ta­rif­ver­trag für die ge­werb­li­chen Ar­beit­neh­mer in der Pa­pier, Pap­pe und Kunst­stoff ver­ar­bei­ten­den In­dus­trie (nach­fol­gend MTV) An­wen­dung. § 15 MTV lau­tet aus­zugs­wei­se:

„§ 15 Ur­laub, Ur­laubs­geld

I. All­ge­mei­ne Ur­laubs­be­stim­mun­gen

1. Der Ar­beit­neh­mer hat in je­dem Ur­laubs­jahr An­spruch auf be­zahl­ten Er­ho­lungs­ur­laub. Das Ur­laubs­jahr ist das Ka­len­der­jahr.

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Der Ur­laub dient der Er­ho­lung und der Er­hal­tung der Ar­beits­kraft. Der Ur­laub ist da­her in der Re­gel – min­des­tens für drei Wo­chen – zu­sam­menhängend zu neh­men und zu gewähren. Während des Ur­laubs darf der Ar­beit­neh­mer kei­ne dem Ur­laubs­zweck wi­der­spre­chen­de Er­werbs­ar­beit leis­ten.

Der Ur­laubs­plan ist im Ein­ver­neh­men mit dem Be­triebs­rat und un­ter Berück­sich­ti­gung der Wünsche des Ar­beit­neh­mers und der be­trieb­li­chen Er­for­der­nis­se auf­zu­stel­len.

2. Im Ein­tritts­jahr und im Aus­tritts­jahr hat der Ar­beit­neh­mer für je­den Ka­len­der­mo­nat An­spruch auf ein Zwölf­tel des Jah­res­ur­laubs. Ein an­ge­fan­ge­ner Ka­len­der­mo­nat wird als voll ge­rech­net, wenn in ihm das Ar­beits­verhält­nis länger als zwei Wo­chen be­stan­den hat.

Ein Ur­laubs­an­spruch be­steht in je­dem Fall nur in­so­weit, als nicht be­reits von ei­nem an­de­ren Ar­beit­ge­ber Ur­laub gewährt oder ab­ge­gol­ten wor­den ist.

Ein Ur­laubs­an­spruch kann – außer im Fal­le des Aus­schei­dens – erst­mals gel­tend ge­macht wer­den, wenn das Ar­beits­verhält­nis sechs Mo­na­te be­stan­den hat. Bei Ein­tritt nach dem 30. Ju­ni kann der Ur­laubs­an­spruch ab 1. De­zem­ber gel­tend ge­macht wer­den.

3. Bei be­gründe­ter frist­lo­ser Ent­las­sung oder ver­trags­wid­ri­ger Auflösung des Ar­beits­verhält­nis­ses durch den Ar­beit­neh­mer entfällt der ta­rif­li­che Ur­laubs­an­spruch für das lau­fen­de Ur­laubs­jahr, so­weit er über den ge­setz­li­chen Min­des­t­ur­laubs­an­spruch hin­aus geht so­wie der An­spruch auf das zusätz­li­che Ur­laubs­geld.

4. Bei Krank­heit oder un­be­zahl­ter Frei­stel­lung von der Ar­beit kann, wenn die Ar­beits­un­ter­bre­chung länger als sechs zu­sam­menhängen­de Ka­len­der­mo­na­te im Ka­len­der­jahr dau­ert, der Ur­laub für je­den wei­te­ren an­ge­fan­ge­nen Mo­nat um ein Zwölf­tel gekürzt wer­den.

5. Wird der Ar­beit­neh­mer während des Ur­laubs ar­beits­unfähig krank, wer­den die Krank­heits­ta­ge auf den Ur­laub nicht an­ge­rech­net, so­fern die Krank­heit und ih­re Dau­er durch ärzt­li­ches Zeug­nis nach­ge­wie­sen wer­den. Der Ar­beit­neh­mer hat sich je­doch nach Ab­lauf des re­gelmäßigen Ur­laubs oder, falls die Krank­heit über das re­gelmäßige Ur­laubsen­de hin­aus fort­dau­ert, nach Be­en­di­gung der Krank­heit zunächst dem Be­trieb zur Verfügung zu stel­len. Die Be­triebs­lei­tung ent­schei­det im Ein­ver­neh­men mit dem Be­triebs­rat, in wel­cher Zeit die durch die Krank­heit aus­ge­fal­le­nen Ur­laubs­ta­ge nach­ge­holt wer­den können.

6. ...

7. Der Ur­laub muss im lau­fen­den Jahr gewährt und ge­nom­men wer­den. Ei­ne Über­tra­gung auf das nächs­te Ur­laubs­jahr ist nur aus-

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nahms­wei­se statt­haft. Ur­laubs­ansprüche erlöschen, wenn sie nicht bis zum 31.03. des fol­gen­den Jah­res gel­tend ge­macht sind.

...

II. Ur­laubs­dau­er

1. Der ta­rif­li­che Jah­res­ur­laub für al­le Ar­beit­neh­mer ein­sch­ließlich der Ju­gend­li­chen beträgt 30 Ur­laubs­ta­ge.

2. Für den Zu­satz­ur­laub der Schwer­be­hin­der­ten und der po­li­tisch Ver­folg­ten gel­ten die ge­setz­li­chen Be­stim­mun­gen.

3. Als Ur­laubs­ta­ge zählen fünf Ar­beits­ta­ge je Wo­che, mit Aus­nah­me der ge­setz­li­chen Fei­er­ta­ge. Bei Ar­beit­neh­mern, die an sechs Ar­beits­ta­gen in der Wo­che ar­bei­ten, wird in vol­len Ur­laubs­wo­chen je ein Ar­beits­tag nicht auf den Ur­laub an­ge­rech­net.

III. Ur­laubs­vergütung

...“

Mit sei­ner am 17. Apr. 2015 per Te­le­fax beim Ar­beits­ge­richt Kemp­ten ein­ge­gan­ge­nen und der Be­klag­ten am 22. Apr. 2015 zu­ge­stell­ten Kla­ge vom 17. Apr. 2015 be­gehrt der Kläger zu­letzt noch die Fest­stel­lung, dass ihm aus 2014 noch 10 Ta­ge Rest­ur­laub zu­ste­hen.

Er hat erst­in­stanz­lich die An­sicht ver­tre­ten, der of­fe­ne Rest­ur­laub aus 2014, der we­gen sei­ner Er­kran­kung nicht ha­be ge­nom­men wer­den können, sei auf das Jahr 2015 zu über­tra­gen. Der MTV ent­hal­te bezüglich der Ver­falls­ur­laubs­ansprüche kein Fris­ten­re­gime, das von den ge­setz­li­chen Re­ge­lun­gen ab­wei­che.

Mit Teil­ver­gleich vom 24. Sept. 2015 hat sich die Be­klag­te ver­pflich­tet, dem Kläger 1 Tag des of­fe­nen Ur­laubs von 11 Ta­gen aus 2014 ins Jahr 2015 bis längs­tens 31. März 2016 zu über­tra­gen.

Er hat zu­letzt b e a n t r a g t,

fest­zu­stel­len, dass dem Kläger aus dem Jahr 2014 noch ein Rest­ur­laubs­an­spruch von 10 Ar­beits­ta­gen zu­steht.

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Die Be­klag­te hat b e a n t r a g t,

die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Sie hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, der MTV ent­hal­te ei­ne vom Ge­setz ab­wei­chen­de Ur­laubs­re­ge­lung. Für die ta­rif­li­chen Ur­laubs­ansprüche be­ste­he ei­ne ei­genständi­ge Ver­falls­re­ge­lung. In Ge­samt­schau der Ta­rif­be­stim­mun­gen zei­ge sich ei­ne er­heb­li­che Dif­fe­ren­zie­rung von Min­dest und Mehr­ur­laub. Dar­aus wer­de er­kenn­bar, dass die Ar­beit­neh­mer das Ver­falls­ri­si­ko für den Mehr­ur­laub tra­gen soll­ten. Ins­be­son­de­re in § 15 Abs. 1 Nr. 7 MTV wei­se die Ta­rif­re­ge­lung deut­li­che An­halts­punk­te für ein ei­genständi­ges Fris­ten und Über­ta­gungs­re­gime auf. Die Norm las­se ei­ne Über­tra­gung auf das Fol­ge­jahr nur „aus­nahms­wei­se“ zu, sei so­mit en­ger bzw. an­ders aus­ge­stal­tet als das Ge­setz. Das Erlöschen des über­tra­ge­nen Ur­laubs hänge zu­dem von der Gel­tend­ma­chung ab, während das Ge­setz von der Gewährung und der tatsächli­chen Ur­laubs­nah­me spre­che. Mit­hin sei sei­tens der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en kein „Gleich­lauf“ ge­setz­li­cher und ta­rif­li­cher Ur­laubs­ansprüche, we­der bei der Be­fris­tung noch beim Ver­fall, ge­wollt ge­we­sen. Ent­spre­chend sei der ta­rif­li­che Mehr­ur­laub 2014 mit dem 31. März 2015 un­ter­ge­gan­gen.

Das Ar­beits­ge­richt Kemp­ten hat dem zu­letzt ge­stell­ten An­trag des Klägers mit En­dur­teil vom 24. Sept. 2015 (Bl. 56 ff. d. A.) statt­ge­ge­ben und der Be­klag­ten die Kos­ten des Rechts­streits auf­er­legt. We­gen des wei­te­ren (un)strei­ti­gen Sach­vor­trags so­wie der maßgeb­li­chen recht­li­chen Erwägun­gen des Ar­beits­ge­richts wird auf die­se Ent­schei­dung Be­zug ge­nom­men.

Im We­sent­li­chen führt das Ar­beits­ge­richt aus, von den dem Kläger für 2014 zu­ge­stan­de­nen 30 Ur­laubs­ta­gen sei­en 19 in­fol­ge Erfüllung er­lo­schen, 1 Tag sei auf­grund des ge­schlos­se­nen Teil­ver­glei­ches bis 31. März 2016 über­tra­gen. Der Kläger ha­be aber auch hin­sicht­lich der rest­li­chen 10 Ur­laubs­ta­ge An­spruch auf de­ren Über­tra­gung auf 2015; die­se sei­en nicht mit dem 31. März 2015 ver­fal­len. Denn § 15 Abs. 1 Nr. 7 MTV enthält kei­ne vom Ge­setz ab­wei­chen­de Ver­falls­re­ge­lung. § 7 Abs. 3 BUrlG sei uni­ons­rechts­kon­form da­hin­ge­hend aus­zu­le­gen, dass der ge­setz­li­che Ur­laub nicht vor Ab­lauf von 15 Mo­na­ten nach dem En­de des Ur­laubs­jah­res ver­fal­le, wenn die­ser we­gen ar­beits­unfähi­ger Er­kran­kung des Ar­beit­neh­mers nicht ha­be ge­nom­men wer­den können. Für den Wil­len der Ta­rif­part­ner, den ta­rif­li­chen Mehr­ur­laub ei­nem ei­ge­nen Fris­ten­re­gime zu un­ter­stel­len, bedürfe

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es deut­li­cher An­halts­punk­te. So­weit sol­che fehl­ten, sei von ei­nem „Gleich­lauf“ von ge­setz­li­chem und ta­rif­li­chem Ur­laubs aus­zu­ge­hen. So sei nicht von ei­nem „Gleich­lauf“ aus­zu­ge­hen, wenn die Ta­rif­part­ner ent­we­der zwi­schen ge­setz­li­chem Min­des­t­ur­laub und ta­rif­li­chem Mehr­ur­laub un­ter­schie­den oder sich vom ge­setz­li­chen Fris­ten­re­gime gelöst und ei­ne ei­genständi­ge und vom ge­setz­li­chen Ur­laubs­recht ab­wei­chen­de Re­ge­lung zur Be­fris­tung und Über­tra­gung bzw. zum Ver­fall des Ur­laubs­an­spru­ches ge­trof­fen ha­ben. Letz­te­res sei hier der Fall. § 15 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1 MTV sei iden­tisch mit § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG, al­ler­dings un­ter­schei­de sich § 15 Abs. 1 Nr. 7 Satz 2 MTV von § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG in­so­weit, als nicht – wie im Ge­setz – die Über­tra­gung nicht ge­nom­me­nen Ur­laubs von in der Per­son oder in be­trieb­li­chen Gründen lie­gen­den Umständen abhänge, son­dern nur „aus­nahms­wei­se“ er­fol­gen könne. Was ei­ne „aus­nahms­wei­se“ Über­tra­gung recht­fer­ti­ge, wer­de aber nir­gends de­fi­niert. Bei ge­nau­er Be­trach­tung sei aber zu se­hen, dass auch das Ge­setz nur ei­ne aus­nahms­wei­se Über­tra­gung recht­fer­ti­ge. § 15 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 MTV wei­che eben­so dem Wort­laut nach vom Ge­setz ab, ent­hal­te aber kei­nen ei­ge­nen Re­ge­lungs­in­halt. Wenn­gleich das Ge­setz kei­ne Gel­tend­ma­chung über­tra­ge­nen Ur­laubs bis 31. März des Fol­ge­jah­res vor­se­he, so ent­spre­che es doch über­wie­gen­der An­sicht, dass der Ur­laub für die Dau­er des Ur­laubs­jah­res be­fris­tet sei. Un­ter den Vor­aus­set­zun­gen des § 7 Abs. 3 BUrlG sei er zu über­tra­gen, aber bis 31. März des Fol­ge­jah­res zu neh­men, um des­sen Ver­fall vor­zu­beu­gen. Nicht an­de­res be­inhal­te § 5 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 MTV. Zu­dem ha­ben die Ta­rif­part­ner aus­drück­lich nur in § 15 Abs. 1 Nr. 3 MTV zwi­schen ge­setz­li­chem und ta­rif­li­chem Mehr­ur­laubs un­ter­schie­den; für den Ver­fall feh­le es ge­ra­de an ei­ner sol­chen Re­ge­lung. Die wei­te­ren be­klag­ten­seits vor­ge­tra­ge­nen Umstände bezüglich des Ab­wei­chens der ta­rif­li­chen von der ge­setz­li­chen Ur­laubs­re­ge­lung änder­ten dar­an nichts.

Ge­gen die­ses ihr am 14. Okt. 2015 zu­ge­stell­te Ur­teil hat die Be­klag­te mit Schrift­satz vom 15. Okt. 2015, der am 20. Okt. 2015 beim Lan­des­ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­gen war, Be­ru­fung ein­ge­legt und die­se mit Schrift­satz vom 9. Nov. 2015, der am sel­ben Tag per Te­le­fax ein­ge­gan­gen war, be­gründet.

Sie ist nach wie vor der An­sicht, es lägen deut­li­che An­halts­punk­te für ein ei­genständi­ges ta­rif­li­ches Fris­ten­re­gime vor, das der An­nah­me ei­nes Gleich­lau­fes von ge­setz­li­chen und ta­rif­li­chem Mehr­ur­laub ent­ge­gen­ste­he. Dies ha­be das Ar­beits­ge­richt un­zu­tref­fend an­ge­wandt. So sei § 15 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1 MTV für die Aus­le­gung un­be­acht­lich, da dar­in kei­ne Fris­ten oder Über­tra­gungs­re­ge­lung ent­hal­ten sei. Satz 2 die­ser Re­ge­lung wei­che aber

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vom Ge­setz ab. Der Ta­rif­ver­trag las­se „be­wusst of­fen“, was un­ter dem Wort „aus­nahms­wei­se“ zu ver­ste­hen sei. Dies gel­te vor dem Hin­ter­grund, dass die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en bei der ak­tu­el­len Neu­fas­sung des MTV die Aus­nah­me­re­ge­lung ge­ra­de nicht an die ge­setz­li­chen Über­tra­gungs­gründe an­ge­passt hätten. Dass an an­de­rer Stel­le von ge­setz­li­chem Ur­laub und ta­rif­li­chen Mehr­ur­laub die Re­de sei (§ 15 Abs. 1 Nr. 3 MTV), spre­che eben­so ge­gen den „Gleich­lauf“. Satz 3 un­ter­schei­de sich aber so­wohl vom Wort­laut als auch im In­halt deut­lich vom Ge­setz. Das Ge­setz ver­lan­ge kei­ne im Ta­rif­ver­trag vor­ge­se­he­ne „Gel­tend­ma­chung“, son­dern se­he ne­ben der Gewährung des Ur­laubs auch des­sen tatsächli­che Ein­brin­gung vor; der Ur­laub müsse nach § 7 Abs. 3 BUrlG bis 31. März des Fol­ge­jah­res ge­nom­men sein. § 15 Abs. 1 Nr. 3 MTV könne nicht ge­gen ein ei­genständi­ges Fris­ten­re­gime her­an­ge­zo­gen wer­den, da die­se Re­ge­lung nicht die Über­tra­gung und den Ur­laubs­ver­fall im Fol­ge­jahr, son­dern den Ver­fall im lau­fen­den Ur­laubs­jahr be­tref­fe. Doch selbst bei Berück­sich­ti­gung die­ser Ver­ein­ba­rung hätten die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en al­lein dar­auf hin­wei­sen wol­len, dass es im Fal­le ei­ner frist­lo­sen Ent­las­sung noch An­spruch auf den ge­setz­li­chen Ur­laub ge­be. Auch ge­he § 15 Abs. 1 Nr. 4 MTV noch über das Kürzungs­recht nach §§ 1, 13 BUrlG bei Dau­er­er­kran­kung hin­aus. Was eben­so zu berück­sich­ti­gen ge­we­sen wäre.

Sie b e a n t r a g t:

Das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Kemp­ten vom 24.09.2015, Az.: 5 Ca 749/15, wird auf­ge­ho­ben, und die Kla­ge wird voll­umfäng­lich ab­ge­wie­sen.

Der Kläger b e a n t r a g t,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Er ver­tei­digt die erst­in­stanz­li­che Ent­schei­dung. In § 15 Abs. 1 Nr. 7 Satz 2 MTV lie­ge kei­ne Un­ter­schei­dung zum Ge­setz. Der Be­griff „aus­nahms­wei­se“ sei ein un­be­stimm­ter Rechts­be­griff und sei durch die Vor­ga­ben des Bun­des­ar­beits­ge­richts zu füllen. Ge­setz­li­che und ta­rif­li­che Ur­laubs­ansprüche sei­en, wie das ar­beits­ge­richt­li­che Ur­teil her­aus­ar­bei­te, ge­ra­de nicht un­ter­schied­lich ge­re­gelt, son­dern un­ter­schie­den sich nur in ein­zel­nen Punk­ten.

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We­gen des Sach­vor­trag der Par­tei­en im Ein­zel­nen wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 17. Apr. 2015 (Bl. 4 ff. d. A.), vom 15. Ju­ni 2015 (Bl. 40 ff. d. A.) und vom 23. Nov.2015 (Bl. 110 f. d. A.), der Be­klag­ten vom 21. Mai 2015 (Bl. 22 ff. d. A.), vom 15. Okt. 2015 (Bl. 70 ff. d. A.), vom 9. Nov. 2015 (Bl. 90 ff. d. A.) und vom 19. Jan. 2016 (Bl. 114 f. d. A.) so­wie auf die Sit­zungs­pro­to­kol­le vom 28. Mai 2015 (Bl. 30 f. d. A.), vom 24. Sept. 2015 (Bl. 52 ff. d. A.) und vom 2. Feb. 2016 (Bl. 116 ff. d. A.) Be­zug ge­nom­men.

Ent­schei­dungs­gründe:

Die statt­haf­te Be­ru­fung hat in der Sa­che Er­folg.

I. Die Be­ru­fung ist zulässig.

Sie ist nach § 64 Abs. 1, 2b ArbGG statt­haft so­wie in rech­ter Form und Frist ein­ge­legt und be­gründet wor­den (§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, § 519 Abs. 2, § 520 Abs. 3 ZPO i.V.m. § 66 Abs. 1 Sätze 1, 2, 5 ArbGG, § 222 ZPO).

II. In der Sa­che hat die Be­ru­fung Er­folg.

Der Kläger kann kei­ne Über­tra­gung des ta­rif­li­chen Mehr­ur­laubs aus dem Jahr 2014, der we­gen sei­ner bis in den April 2015 an­ge­dau­er­ten Krank­heit nicht mehr hat­te ge­nom­men wer­den können, auf das Jahr 2015 ver­lan­gen. Denn der Ta­rif­ver­trag enthält hin­rei­chen­de An­halts­punk­te für ein ei­genständi­ges Fris­ten­re­gime im Be­reich des Ur­laubs, wel­ches der Be­hand­lung des ta­rif­li­chen Mehr­ur­laubs wie den ge­setz­li­chen Min­des­t­ur­laub aus­sch­ließt.

1. Der Kläger hat­te bei sei­ner Ar­beits­ver­pflich­tung an 5 Ta­gen/Wo­che zu Be­ginn des Jah­res 2014 ei­nen An­spruch auf ei­nen ge­setz­li­chen Min­des­t­ur­laub von 20 Ar­beits­ta­gen (§ 1, § 3 Abs. 1 BUrlG) er­wor­ben. Die­se 20 Ta­ge wa­ren durch Ur­laubs­nah­me erfüllt (19 Ta­ge; § 362 BGB) bzw. durch Teil­ver­gleich vom 24. März 2015 bis längs­tens 31. März 2016 über­tra­gen (1 Tag).

a. Der of­fe­ne ge­setz­li­che Min­des­t­ur­laub war bis 31. März 2016 zu über­tra­gen, wie das Ar­beits­ge­richt zu­tref­fend ausführt. Der aus dem Jahr 2014 stam­men­de ge­setz­li­che Ur­laub be­stand un­be­scha­det des Um­stands, dass der Über­tra­gungs­zeit­raum des § 7 Abs. 3 BUrlG am 31. März 2015 en­de­te, fort. Nach den Vor­ga­ben des Art. 7 RL 2003/88/EG

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des Eu­ropäischen Par­la­ments und des Ra­tes vom 4. Nov. 2003 über be­stimm­te As­pek­te der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung (Ar­beits­zeit­richt­li­nie) ist § 7 Abs. 3 BUrlG in uni­ons­rechts­kon­form Wei­se da­hin ge­hend aus­zu­le­gen, dass der ge­setz­li­che Ur­laub nicht vor Ab­lauf von 15 Mo­na­ten nach dem En­de des Ur­laubs­jah­res er­lischt, wenn der Ar­beit­neh­mer bis zum En­de des Ur­laubs­jah­res und/oder des Über­tra­gungs­zeit­raums ar­beits­unfähig er­krankt war (BAG v. 20. 1. 2015 – 9 AZR 585/13, NZARR 2015, 399, Rz. 26; BAG v. 7. 8. 2012 – 9 AZR 353/10, NZA 2012, 1216, Rz. 23 ff.).

b. Hier­bei hat­te es sich nur mehr um 1 Tag ge­han­delt. Denn der Kläger hat­te zunächst den ge­setz­li­chen Min­des­t­ur­laub ver­braucht. Zwar hat­ten die Ver­trags­par­tei­en er­sicht­lich kei­ne Til­gungs­be­stim­mung ge­trof­fen, ob zunächst der ge­setz­li­che oder der ta­rif­li­che Ur­laub hat­te ein­ge­bracht wer­den sol­len (§ 366 Abs. 1 BGB). Al­ler­dings ist un­ter den Par­tei­en nicht strei­tig, dass der ge­setz­li­che Min­des­t­ur­laub zunächst ver­braucht wor­den war, wes­we­gen hier da­von aus­zu­ge­hen ist, dass nur mehr der ta­rif­li­che Mehr­ur­laub aus dem Jahr 2014 of­fen ge­we­sen war.

2. Al­ler­dings be­steht kein An­spruch auf Über­tra­gung des ta­rif­li­chen Mehr­ur­laubs von of­fe­nen 10 Ar­beits­ta­gen auf das Jahr 2015 (bzw. bis längs­tens 31. März 2016). Denn die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en ha­ben in § 15 Abs. 1 MTV ei­ne ei­genständi­ge Ur­laubs­re­ge­lung, ins­be­son­de­re auch hin­sicht­lich der Ur­laus­be­fris­tung und des Ur­laubs­ver­falls, ge­trof­fen, die ei­nen „Gleich­lauf von ge­setz­li­chem Min­des­t­ur­laub und ta­rif­li­chem Mehr­ur­laub aus­sch­ließt.

a. Zu dem ge­setz­li­chen Min­des­t­ur­laub im Jahr 2014 (vgl. oben II 1) zu Be­ginn des Jah­res 2014 tra­ten 10 Ar­beits­ta­ge ta­rif­li­chen Mehr­ur­laubs hin­zu. Die­se wa­ren aber nach § 15 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 MTV mit Ab­lauf des 31. März 2015 ver­fal­len und können vom Kläger nicht mehr be­an­sprucht wer­den. Denn zwi­schen dem ge­setz­li­chen Ur­laubs­an­spruch und dem ta­rif­li­chen Mehr­ur­laub be­steht an­ge­sichts ei­ner ei­genständi­gen Ur­laubs­re­ge­lung im MTV kein Gleich­lauf.

aa. Der Kläger hat­te im Jahr 2014 ab Jah­res­be­ginn An­spruch auf wei­te­re 10 Ar­beits­ta­ge ta­rif­li­chen Mehr­ur­laubs. Denn die Vor­schrif­ten des MTV fan­den kraft ein­zel­ver­trag­li­cher Ver­ein­ba­rung auf das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en An­wen­dung (vgl. Ar­beits­ver­trag vom 31. Okt.1975, vor­letz­ter Ab­satz, An­la­ge K1, Bl. 7 d. A).

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bb. Der An­spruch auf ta­rif­li­chen Mehr­ur­laub war, nach­dem ihn der Kläger im Jahr 2014 in­fol­ge ar­beits­unfähi­ger Er­kran­kung nicht mehr hat­te ein­brin­gen können, mit Ab­lauf des 31. März 2015 un­ter­ge­gan­gen (§ 17 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 MTV). Zwi­schen dem An­spruch auf ge­setz­li­chen Min­des­t­ur­laub und dem An­spruch auf ta­rif­li­chen Mehr­ur­laub nach den Vor­schrif­ten des MTV be­steht kein Gleich­lauf, der zur Fol­ge hätte, dass der An­spruch auf Mehr­ur­laub der 15MonatsRechtsprechung des Se­nats (hier­zu BAG v. 7. 8. 2012, a.a.O., Rz. 23 ff.) un­ter­fie­le. Die Ver­falls­re­ge­lun­gen des § 15 Abs. 1 MTV un­ter­schei­den zwar nicht ex­pres­sis ver­bis zwi­schen ge­setz­li­chem Min­des­t­ur­laub und ta­rif­li­chem Mehr­ur­laub. Die Ta­rif­be­stim­mun­gen ent­hal­ten je­doch ins­ge­samt ab­wei­chen­de Re­ge­lun­gen zur Über­tra­gung und zum Ver­fall des Ur­laubs­an­spru­ches ge­genüber den ge­setz­li­chen Re­ge­lun­gen im Bun­des­ur­laubs­ge­setz, wie sich aus der Aus­le­gung der maßgeb­li­chen Ta­rif­be­stim­mun­gen er­gibt.

b. Vor­lie­gend ha­ben die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en kei­nen Gleich­lauf der ta­rif­li­chen und der ge­setz­li­chen Ur­laubs­re­ge­lun­gen be­ab­sich­tigt. Viel­mehr ha­ben sie, wie sich aus den ge­trof­fe­nen Ur­laubs­re­ge­lun­gen in § 15 MTV er­gibt, ei­nem ei­ge­nen Fris­ten­re­gime un­ter­stellt.

aa. Die Aus­le­gung des § 7 Abs. 3 BUrlG durch das Bun­des­ar­beits­ge­richt auf Grund der uni­ons­recht­li­chen Vor­ga­ben be­trifft al­lein den ge­setz­li­chen Min­dest­jah­res­ur­laub von vier Wo­chen. Die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en können hin­ge­gen darüber hin­aus­ge­hen­de Ur­laubs­ansprüche frei re­geln (BAG v. 7. 8. 2012, a.a.O., Rz. 29 un­ter Hin­weis auf EuGH v. 3. 5. 2012 Rs C337/10, AP Richt­li­nie 2003/88/EG Nr. 8 (Nei­del), Rz. 34 ff.). De­ren Re­ge­lungs­macht um­fasst auch die Be­fris­tung des Mehr­ur­laubs; dem steht Uni­ons­recht nicht ent­ge­gen (BAG v. 22. 5. 2012 – 9 AZR 575/10, NZARR 2013, 48, Rz. 10; BAG v. 7. 8. 2012, a.a.O.; Rz. 29).

bb. Von die­ser Re­ge­lungs­macht ha­ben die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en vor­lie­gend Ge­brauch ge­macht.

(1) Zur Fest­stel­lung des Wil­lens der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en, den Mehr­ur­laub ei­nem ei­ge­nen, von dem des Min­des­t­ur­laubs ab­wei­chen­den Fris­ten­re­gime zu un­ter­stel­len, müssen deut­li­che An­halts­punk­te vor­lie­gen. Im Fal­le de­ren Feh­lens ist von ei­nem Gleich­lauf des ge­setz­li­chen Ur­laubs­an­spruchs und des An­spruchs auf ta­rif­li­chen Mehr­ur­laub aus­zu-

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ge­hen. Ein sol­cher Gleich­lauf ist je­doch nicht ge­wollt, wenn die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en ent­we­der bei der Be­fris­tung und Über­tra­gung bzw. beim Ver­fall des Ur­laubs zwi­schen ge­setz­li­chem Min­des­t­ur­laub und ta­rif­li­chem Mehr­ur­laub un­ter­schie­den oder sich vom ge­setz­li­chen Fris­ten­re­gime gelöst und ei­genständi­ge, vom Bun­des­ur­laubs­ge­setz ab­wei­chen­de Re­ge­lun­gen zur Be­fris­tung und Über­tra­gung bzw. zum Ver­fall des Ur­laubs­an­spruchs ge­trof­fen ha­ben (BAG v. 22. 5. 2012 [Rz. 12], 7. 8. 2012 [Rz. 30], je­weils a.a.O.).

(2) Im hier zu­grun­de lie­gen­den Ta­rif­ver­trag ha­ben die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en zwar nicht (durchgängig) zwi­schen dem ge­setz­li­chen Min­des­t­ur­laub und ta­rif­li­chen Mehr­ur­laub un­ter­schie­den; auch beim Ur­laubs­ver­fall ist kei­ne aus­drück­li­che Un­ter­schei­dung ge­trof­fen. Al­lein in § 15 Abs. 1 Nr. 3 MTV, bei Aus­spruch ei­ner außer­or­dent­li­chen Kündi­gung, wei­sen sie aus­drück­lich dar­auf hin, dass dann der ta­rif­li­che Mehr­ur­laub entfällt.

(3) Al­ler­dings ist der ta­rif­li­chen Ur­laubs­re­ge­lung in ih­rer Ge­samt­heit zu ent­neh­men, dass die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en ei­ne ei­ge­ne, vom Ge­setz ab­wei­chen­de Ur­laubs­re­ge­lung hat­ten schaf­fen wol­len. Dies be­trifft nicht nur die von der Be­klag­ten erst­in­stanz­lich an­geführ­ten, vom Ge­setz ab­wei­chen­den Punk­te (Schrift­satz vom 21. Mai 2015, Sei­te 3 ff, Bl. 22 ff., 24 ff. d. A.), son­dern auch die Re­ge­lung in § 15 Abs. 1 Nr. 7 MTV im Be­son­de­ren.

Die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en se­hen in ih­rer Ur­laubs­re­ge­lung in § 15 MTV – an­ders als im Ge­setz – die zu­sam­menhängen­de Gewährung von 3 und nicht le­dig­lich 2 Wo­chen Ur­laub vor (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 MTV); im Ein und Aus­tritts­jahr re­geln sie ent­ge­gen § 5 Abs. 1 lit. c BUrlG ei­ne Zwölf­te­lung des Ur­laubs­an­spru­ches pro Ka­len­der­mo­nat (§ 15 Abs. 2 Nr. 2 MTV), wo­bei der Ta­rif­ver­trag, an­ders als nach § 5 Abs. 1 BUrlG, nicht auf ei­nen Mo­nat, son­dern auf ei­nen Ka­len­der­mo­nat ab­stellt, der zu­dem be­reits dann als voll gilt, wenn das Ar­beits­verhält­nis in ihm länger als 2 Wo­chen be­stan­den hat­te (§ 15 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 MTV) . Fer­ner­hin gewährt § 15 Abs. 1 Un­terabs. 3 MTV ei­nem ge­werb­li­chen Ar­beit­neh­mer, ab­wei­chend von § 4 BUrlG, bei Ein­tritt im 2. Ka­len­der­halb­jahr be­reits ab 1. De­zem­ber ei­nen An­spruch auf Ur­laubser­tei­lung. Im Ge­gen­satz zu § 4 BUrlG, der le­dig­lich auf den Be­stand des Ar­beits­verhält­nis­ses ab­stellt, se­hen die Ta­rif­part­ner ei­ne Kürzung des Ur­laubs­an­spru­ches auch bei ar­beits­unfähi­ger Er­kran­kung von mehr als 6 Mo­na­ten für je­den wei­te­ren Mo­nat der Ar­beit­unfähig­keit vor (§ 5 Abs. 1 Nr. 4 MTV). Ab­wei­chend von § 9 BUrlG muss im Fal­le ei­ner ar­beits­unfähi­gen Er­kran­kung während des Ur­lau­bes zunächst nach dem Ur­laubsen­de ei­ne Ar­beits­leis­tung er­bracht wer­den (§ 15 Abs. 1 Nr. 5

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MTV). § 15 Abs. 2 Nr. 1 MTV erwähnt den ta­rif­li­chen Jah­res­ur­laub von 30 Ta­gen, der in sei­nem Um­fang vom ge­setz­li­chen An­spruch nach § 3 Abs. 1 BUrlG ab­weicht. Zu­dem stellt der Ta­rif­ver­trag in § 15 Abs. 2 Nr. 3 MTV, im Ge­gen­satz zur ge­setz­li­chen 6TageWoche, auf ei­ne 5TageWoche zur Ur­laubs­be­rech­nung ab. Al­ler­dings ver­weist § 15 Abs. 2 Nr. 2 MTV hin­sicht­lich des Zu­satz­ur­lau­bes für Schwer­be­hin­der­te auf die ge­setz­li­chen Be­stim­mun­gen.

In Be­treff der Ur­laubsüber­tra­gung und des Ur­laubs­ver­falls sieht der Ta­rif­ver­trag in § 15 Abs. 1 Nr. 7 Satz 2 MTV ei­ne nur „aus­nahms­wei­se“ Über­tra­gung auf das nächs­te Ka­len­der­jahr bis 31. März vor. Nach Satz 3 die­ser Be­stim­mung muss ein über­tra­ge­ner Ur­laub bis 31. März des Fol­ge­jah­res gel­tend ge­macht sein, während das Bun­des­ar­beits­ge­richt § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG da­hin­ge­hend ver­steht, dass der Ur­laub bis 31. März des Fol­ge­jah­res vollständig ein­ge­bracht sein muss (BAG v. 21. 1. 1997 – 9 AZR 791/95, NZA 1997, 889, un­ter I 1 c der Gründe; Lei­ne­mann/Linck, BUrlG 2. Aufl., § 7 Rz. 126, 128 m.w.N.).

Mag die ta­rif­lich vor­ge­se­he­ne nur „aus­nahms­wei­se“ Über­tra­gung im We­ge der Aus­le­gung noch im Sinn der ge­setz­li­chen Über­tra­gungs­vor­aus­set­zun­gen aus be­trieb­li­chen oder persönli­chen – et­wa: krank­heits­be­ding­ten – Gründen ver­stan­den wer­den können, so gilt dies nicht mehr für Satz 3 von § 15 Abs. 1 Nr. 7 MTV. Hier ist, ent­ge­gen der An­nah­me des Erst­ge­richts, ei­ne deut­li­che Ab­wei­chung der ta­rif­li­chen Re­ge­lung von der Ge­set­zes­la­ge nach dem Verständ­nis des Bun­des­ar­beits­ge­richts ge­ge­ben. Es ist da­nach ge­ra­de nicht so, dass § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG und § 15 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 MTV den glei­chen Re­ge­lungs­ge­halt be­sit­zen.

(4) An­ge­sichts der Zahl der Ab­wei­chun­gen der ta­rif­li­chen Ur­laubs­re­ge­lung von der im Bun­des­ur­laubs­ge­setz ist von ei­nem ei­genständi­gen Fris­ten­re­gime im Ta­rif­ver­trag aus­zu­ge­hen. Dar­an ändert auch der Um­stand, dass al­lein in § 15 Abs. 1 Nr. 3 MTV ex­pres­sis ver­bis zwi­schen dem ge­setz­li­chen und dem ta­rif­li­chen Ur­laubs­an­spruch un­ter­schie­den wird, nichts. Dies war in der be­tref­fen­den Re­ge­lung zur Klar­stel­lung, dass mit dem Aus­spruch ei­ner außer­or­dent­li­chen Kündi­gung al­lein der ta­rif­li­che, nicht aber der ge­setz­li­che Ur­laubs­an­spruch er­lischt, ge­bo­ten. Die darüber hin­aus im § 15 MTV zu er­ken­nen­den Dif­fe­ren­zie­run­gen, ins­be­son­de­re die Dif­fe­ren­zie­rung in § 15 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 MTV ge­genüber § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG las­sen je­doch mit der ge­bo­te­nen Klar­heit er­ken­nen, dass die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en den (ta­rif­li­chen) Ur­laubs­an­spruch nicht den­sel­ben Re­geln, wie

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im Bun­des­ur­laubs­ge­setz vor­ge­se­hen hat­ten, un­ter­wer­fen wol­len. Dass in § 15 Abs. 1 Nr. 7 MTV die Un­ter­schei­dung von ge­setz­li­chem und ta­rif­li­chem Ur­laub nicht ex­pres­sis ver­bis er­folgt war, spielt da­bei kei­ne Rol­le.

c. Da der Kläger sei­nen (ta­rif­li­chen) Mehr­ur­laub nicht bis 31. März 2015 gel­tend ge­macht hat­te, ist die­ser mit Ab­lauf die­ses Da­tums ver­fal­len.

III. Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

IV. Die Re­vi­si­on war we­gen der grundsätz­li­chen Be­deu­tung der Rechts­sa­che zu­zu­las­sen (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG).

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