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BAG, Ur­teil vom 25.05.2016, 5 AZR 135/16

   
Schlagworte: Mindestlohn, Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 5 AZR 135/16
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 25.05.2016
   
Leitsätze:

1. Der Mindestlohnanspruch aus § 1 Abs. 1 MiLoG ist ein gesetzlicher Anspruch, der eigenständig neben den arbeits- oder tarifvertraglichen Entgeltanspruch tritt.

2. Erfüllt ist der Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn, wenn die für den Kalendermonat gezahlte Bruttovergütung den Betrag erreicht, der sich aus der Multiplikation der Anzahl der in diesem Monat tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden mit dem gesetzlichen Mindestlohn ergibt. Erfüllung tritt mit Zahlung des Bruttoarbeitsentgelts ein. Auch verspätete Zahlungen können Erfüllungswirkung haben.

Vorinstanzen: Arbeitsgericht Brandenburg an der Havel, Urteil vom 19.08.2015, 3 Ca 260/15
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12.01.2016, 19 Sa 1851/15
   

BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT

5 AZR 135/16
19 Sa 1851/15
Lan­des­ar­beits­ge­richt
Ber­lin-Bran­den­burg

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am 25. Mai 2016

UR­TEIL

Klei­nert, Ur­kunds­be­am­tin
der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen

Kläge­rin, Be­ru­fungskläge­rin und Re­vi­si­onskläge­rin,

pp.

Be­klag­te, Be­ru­fungs­be­klag­te und Re­vi­si­ons­be­klag­te,

hat der Fünf­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 25. Mai 2016 durch den Vi­ze­präsi­den­ten des Bun­des­ar­beits­ge­richts Dr. Müller-Glöge, den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Biebl, die Rich­te­rin am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Volk so­wie den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Dr. Dom­brow­sky und die eh­ren­amt­li­che Rich­te­rin Mattausch für Recht er­kannt:

 

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1. Die Re­vi­si­on der Kläge­rin ge­gen das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts Ber­lin-Bran­den­burg vom 12. Ja­nu­ar 2016 - 19 Sa 1851/15 - wird zurück­ge­wie­sen.

2. Die Kläge­rin hat die Kos­ten der Re­vi­si­on zu tra­gen.

Von Rechts we­gen!

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten über die Erfüllung des ge­setz­li­chen Min­dest­lohn­an­spruchs durch Son­der­zah­lun­gen und die Aus­wir­kun­gen des Min­dest­l­ohn­ge­set­zes auf ar­beits­ver­trag­lich ver­ein­bar­te Ent­gelt­be­stand­tei­le.

Die Kläge­rin ist seit 1992, zu­letzt als Mit­ar­bei­te­rin in der Ca­fe­te­ria, bei der Be­klag­ten bzw. de­ren Rechts­vorgänge­rin in Voll­zeit beschäftigt.

Der schrift­li­che Ar­beits­ver­trag re­gelt - in­halts­gleich mit wei­te­ren Ar­beits­verträgen der Ar­beit­neh­mer der Be­klag­ten - ua.:

„§ 3 Lohn; Ge­halt

a) Der Ar­beit­neh­mer ... erhält auf der Ba­sis ei­nes St­un­den­sat­zes von 13,50 DM ei­nen Mo­nats­lohn ... von 2.347,92 DM. Der Lohn ... wird je­weils am 10. des Mo­nats für den Vor­mo­nat ... ge­zahlt. ...

b) ... Die über die re­gelmäßige mo­nat­li­che be­triebs-übli­che Ar­beits­zeit hin­aus an­ge­ord­ne­te und ge­leis­te­te Ar­beit wird mit dem ver­ein­bar­ten St­un­den­satz zuzüglich des nach­ste­hen­den Zu­schla­ges be­rech­net. ...

Über­stun­den­zu­schlag: 25 %

...

c) Für die Ar­beit an Sonn- und Fei­er­ta­gen wird ein Zu­schlag in nach­ste­hen­der Höhe des ver­ein­bar­ten St­un­den­lohns ge­zahlt. ...

Sonn­tags­zu­schlag: 30 %

Fei­er­tags­zu­schlag: 100 %

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d) Für die Ar­beit in der Zeit von 20.00 Uhr bis 6.00 Uhr (Nacht­ar­beit) erhält der Ar­beit­neh­mer ... ei­nen Zu­schlag in nach­ste­hen­der Höhe des ver­ein­bar­ten St­un­den­lohns.

Nacht­zu­schlag: 10 %

...

§ 4 Ur­laubs­geld, Zu­wen­dung

Hat das Ar­beits­verhält­nis seit Be­ginn des lau­fen-den Ka­len­der­jah­res be­stan­den, erhält der Ar­beit­neh­mer ... zur Lohn­zah­lung Mai ein zusätz­li­ches Ur­laubs­geld des im Fällig­keits­mo­nat ver­ein­bar­ten Ent­gelts ent­spre­chend § 3 des Ar­beits­ver­tra­ges und mit der Ge­halts­zah­lung im Mo­nat No­vem­ber ein Weih­nachts­geld des zu die­sem Zeit­punkt ver­ein­bar­ten Lohns als Son­der­zu­wen­dung in nach­ste­hen­der Höhe.

Ur­laubs­geld: 50 %

Son­der­zu­wen­dung (Weih­nachts­geld): 50 %

Be­ginnt oder en­det das Ar­beits­verhält­nis im lau­fen­den Ka­len­der­jahr oder hat der Ar­beit­neh­mer ... nicht während des ge­sam­ten Jah­res Bezüge von der Ein­rich­tung er­hal­ten, ver­min­dert sich das zusätz­li­che Ur­laubs­geld so­wie die Son­der­zu­wen­dung um ein Zwölf­tel für je­den Ka­len­der­mo­nat, in dem kein Ar­beits­verhält­nis be­stan­den oder für den kei­ne Bezüge be­an­sprucht wur­den. Even­tu­ell zu­viel ge­zahl­tes Ur­laubs­geld und / oder Son­der­zu­wen­dung sind zurück­zu­zah­len.“

Die Be­klag­te schloss mit dem Be­triebs­rat am 8./10. De­zem­ber 2014 ei­ne „Be­triebs­ver­ein­ba­rung In­kraft­tre­ten Min­dest­l­ohn­ge­setz“ (im Fol­gen­den BV Min­dest­lohn), die ua. be­stimmt:

„Fällig­keit Son­der­zah­lun­gen Ur­laubs­geld/Weih­nachts­geld

Ar­beits­ver­trag­lich ver­ein­bar­te Jah­res­son­der­zah­lun­gen (Ur­laubs­geld, Weih­nachts­geld) sind in Höhe von 1/12 für je­den Ka­len­der­mo­nat zur be­triebsübli­chen Fällig­keit der Mo­nats­vergütung zur Zah­lung fällig.

 

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Aus­schluss be­triebs­be­ding­ter Kündi­gun­gen

Die Ar­beit­ge­be­rin ver­pflich­tet sich für den Zeit­raum vom 01.01.2015 bis zum 31.12.2017 kei­ne be­triebs­be­ding­ten Kündi­gun­gen aus­zu­spre­chen. ...“

Mit­te De­zem­ber 2014 bot die Be­klag­te al­len Ar­beit­neh­mern Ände­rungs­verträge an, die ei­ne Erhöhung des Mo­nats­ent­gelts um 2 % ab 1. Ja­nu­ar 2015 und ei­ne an­tei­li­ge Zah­lung des Ur­laubs- und Weih­nachts­gelds in je­dem Mo­nat vor­sa­hen. Die Kläge­rin lehn­te dies, an­ders als die weit über­wie­gen­de Mehr­heit der Be­leg­schaft, ab. En­de Ja­nu­ar 2015 teil­te die Be­klag­te der Kläge­rin mit, die ar­beits­ver­trag­li­che Re­ge­lung zur Rück­zah­lung zu viel ge­zahl­ten Ur­laubs- und Weih­nachts­gelds ent­fal­le er­satz­los rück­wir­kend zum Jah­res­be­ginn.

Ab Ja­nu­ar 2015 zahl­te die Be­klag­te der Kläge­rin ne­ben dem Brut­to­ge­halt iHv. 1.391,36 Eu­ro mo­nat­lich wei­te­re je­weils 57,97 Eu­ro brut­to, die sie mit „Ur­laubs­geld 1/12“ und „Son­der­zu­wen­dung 1/12“ ab­rech­net, ins­ge­samt 1.507,30 Eu­ro brut­to. Nacht-, Über­stun­den-, Sonn- und Fei­er­tags­zu­schlägen legt die Be­klag­te den ver­trag­li­chen Brut­to­stun­den­lohn iHv. 8,00 Eu­ro zu­grun­de. Im Fe­bru­ar, April und Ju­ni 2015 an­ge­fal­le­ne Über­stun­den vergüte­te die Be­klag­te eben­falls auf der Ba­sis von 8,00 Eu­ro brut­to/St­un­de.

Nach er­folg­lo­ser außer­ge­richt­li­cher Gel­tend­ma­chung hat die Kläge­rin Zah­lungs- und Fest­stel­lungs­kla­ge er­ho­ben. Sie for­dert wei­te­re Vergütung für den Zeit­raum von Ja­nu­ar bis No­vem­ber 2015.

Die Kläge­rin meint, die Be­klag­te zah­le den ge­setz­li­chen Min­dest­lohn nicht in vol­ler Höhe. Bei durch­schnitt­lich 173,33 St­un­den im Mo­nat müsse das Brut­to­mo­nats­ge­halt 1.473,33 Eu­ro be­tra­gen. Die Jah­res­son­der­zah­lun­gen sei­en nicht auf den ge­setz­li­chen Min­dest­lohn an­re­chen­bar. De­ren ar­beits­ver­trag­lich ver­ein­bar­te Fällig­keit könne nicht verändert wer­den. Die BV Min­dest­lohn sei un­wirk­sam. Al­le Ent­gelt­be­stand­tei­le sei­en auf der Grund­la­ge des Min­dest­lohns von 8,50 Eu­ro/St­un­de zu be­rech­nen, Über­stun­den mit dem ge­setz­li­chen Min­dest­lohn zu vergüten.

 

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Die Kläge­rin hat - so­weit für die Re­vi­si­on re­le­vant - sinn­gemäß be­an­tragt,

1. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, der Kläge­rin 927,21 Eu­ro brut­to zuzüglich Zin­sen in ge­staf­fel­ter Höhe zu zah­len,

2. fest­zu­stel­len, dass die Ab­rech­nung des Ar­beits­verhält­nis­ses durch die Be­klag­te von 1/12 Ur­laubs­geld iHv. 57,97 Eu­ro brut­to und 1/12 Son­der­zu­wen­dung iHv. 57,97 Eu­ro brut­to durch Ent­gel­tab­rech­nung für den je­wei­li­gen Ka­len­der­mo­nat seit Ja­nu­ar 2015 un-wirk­sam ist,

3. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, der Kläge­rin Ur­laubs­geld iHv. 736,67 Eu­ro brut­to abzüglich be­reits ge­zahl­ter 695,64 Eu­ro zuzüglich Zin­sen in ge­staf­fel­ter Höhe zu zah­len,

4. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, der Kläge­rin Weih­nachts­geld iHv. 736,67 Eu­ro brut­to abzüglich be­reits ge­zahl­ter 695,64 Eu­ro brut­to zuzüglich Zin­sen in ge­staf­fel­ter Höhe zu zah­len.

Die Be­klag­te hat Kla­ge­ab­wei­sung be­an­tragt. Der An­spruch auf den ge­setz­li­chen Min­dest­lohn sei erfüllt, die Zwölf­te­lung der Jah­res­son­der­zah­lun­gen zulässig. Zu­schläge und Son­der­zah­lun­gen würden durch die ge­setz­li­che Min­dest­lohn­re­ge­lung nicht berührt und sei­en wei­ter­hin nach dem ar­beits­ver­trag­lich Ver­ein­bar­ten ge­schul­det.

Das Ar­beits­ge­richt hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die Be­ru­fung der Kläge­rin im We­sent­li­chen zurück­ge­wie­sen und ihr (rechts­kräftig) nur Nacht­ar­beits­zu­schläge iHv. 0,80 Eu­ro brut­to zu­ge­spro­chen. Mit der vom Lan­des­ar­beits­ge­richt zu­ge­las­se­nen Re­vi­si­on ver­folgt die Kläge­rin ih­re Anträge wei­ter.

Ent­schei­dungs­gründe

Die Re­vi­si­on der Kläge­rin ist un­be­gründet. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die Be­ru­fung der Kläge­rin zu Recht zurück­ge­wie­sen. Der An­spruch der Klä-

 

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ge­rin auf den ge­setz­li­chen Min­dest­lohn ist erfüllt. Das Min­dest­l­ohn­ge­setz hat die ar­beits­ver­trag­lich ver­ein­bar­ten Ent­gelt­be­stand­tei­le - wie Son­der­zah­lun­gen und Zu­schläge für Son­der­for­men der Ar­beit oder Ar­beit zu be­son­de­ren Zei­ten - nicht erhöht. Ver­zugs­zin­sen kann die Kläge­rin nicht be­an­spru­chen.

I. Die Kla­ge ist in den Zah­lungs­anträgen zulässig. Da­ge­gen ist der Fest­stel­lungs­an­trag un­zulässig.

1. Die Zah­lungs­anträge sind zulässig, ins­be­son­de­re hin­rei­chend be­stimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Sie sind auf kon­kre­te Vergütungs­dif­fe­ren­zen über ei­ne Zeit von elf Mo­na­ten ge­rich­tet. Die Kla­ge ist für den streit­be­fan­ge­nen Zeit­raum als ab­sch­ließen­de Ge­samt­kla­ge zu ver­ste­hen (vgl. BAG 23. Sep­tem­ber 2015 - 5 AZR 626/13 - Rn. 12).

2. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat den Fest­stel­lungs­an­trag zu­tref­fend als un­zulässig ab­ge­wie­sen.

a) Die von der Kläge­rin be­gehr­te Fest­stel­lung der Un­wirk­sam­keit der Ab­rech­nung des Ur­laubs- und Weih­nachts­gelds be­trifft kein fest­stel­lungsfähi­ges Rechts­verhält­nis iSv. § 256 Abs. 1 ZPO (zu den An­for­de­run­gen vgl. BAG 24. Fe­bru­ar 2016 - 7 ABR 23/14 - Rn. 12 mwN). Zwar sind die Ge­rich­te ge­hal­ten, Anträge nach Möglich­keit so aus­zu­le­gen, dass hier­durch ei­ne er­kenn­bar er­streb­te Sach­ent­schei­dung ermöglicht wird (BAG 25. März 2015 - 5 AZR 874/12 - Rn. 12 mwN). Doch schei­tert je­de Aus­le­gung - et­wa da­hin­ge­hend, die Fällig­keit der Jah­res­son­der­zah­lun­gen sol­le geklärt wer­den - am Wort­laut des An­trags.

b) So­weit die Kläge­rin in die­sem Zu­sam­men­hang ei­ne Ver­let­zung der Hin­weis­pflicht rügt, genügt die Re­vi­si­ons­be­gründung nicht den ge­setz­li­chen An­for­de­run­gen (vgl. da­zu BAG 6. Ja­nu­ar 2004 - 9 AZR 680/02 - zu II 3 e aa der Gründe, BA­GE 109,145). Die Kläge­rin hat nicht dar­ge­legt, wel­chen an­de­ren An­trag sie auf wel­chen Hin­weis des Lan­des­ar­beits­ge­richts ge­stellt hätte, und auch in der Re­vi­si­ons­in­stanz un­verändert an dem vom Be­ru­fungs­ge­richt als un­zulässig be­an­stan­de­ten Fest­stel­lungs­an­trag fest­ge­hal­ten.

 

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II. Die Kla­ge ist un­be­gründet.

1. Sie ist be­reits un­schlüssig, weil die Kläge­rin ih­re For­de­rung nicht nach den tatsächlich ge­leis­te­ten Ar­beits­stun­den, son­dern an­hand ei­nes mo­nat­li­chen St­un­den­durch­schnitts be­gründet hat. Der An­spruch auf den ge­setz­li­chen Min­dest­lohn ent­steht mit je­der ge­leis­te­ten Ar­beits­stun­de (§ 1 Abs. 2 iVm. §§ 20, 1 Abs. 1 Mi­LoG). Dies er­for­dert die schlüssi­ge Dar­le­gung der tatsächlich ge­leis­te­ten Ar­beits­stun­den. Die Be­haup­tung ei­ner aus dem Durch­schnitt ei­nes Zeit­raums er­mit­tel­ten St­un­den­zahl er­setzt die­sen Vor­trag nicht. Ins­be­son­de­re wenn in die­ser St­un­den­zahl Zei­ten oh­ne Ar­beits­leis­tung, aber fort­be­ste­hen­dem Vergütungs­an­spruch (zB Ent­gelt­fort­zah­lung im Krank­heits­fall und an Fei­er­ta­gen oder Ur­laub) ent­hal­ten sind, für die das Min­dest­l­ohn­ge­setz man­gels tatsäch­li­cher Ar­beits­leis­tung kei­ne Ansprüche be­gründet. In­so­fern ist Sach­vor­trag nach den je­weils ein­schlägi­gen Nor­men zu leis­ten. Der Se­nat braucht aber nicht auf ei­ne ent­spre­chen­de Ergänzung des Vor­trags der Kläge­rin hin­zu­wir­ken, weil die Zah­lungs­anträge in je­dem Fall un­be­gründet sind.

2. Der An­spruch der Kläge­rin auf den ge­setz­li­chen Min­dest­lohn nach § 1 Abs. 1 Mi­LoG ist durch Erfüllung er­lo­schen.

a) Die Be­klag­te hat den Min­dest­lohn­an­spruch der Kläge­rin in der streit­ge­genständ­li­chen Zeit je­den­falls durch all­mo­nat­li­che Zah­lung des Brut­to­ge­halts und ei­nes Zwölf­tels der Jah­res­son­der­zah­lun­gen erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB).

b) Der Min­dest­lohn­an­spruch aus § 1 Abs. 1 Mi­LoG ist ein ge­setz­li­cher An­spruch, der ei­genständig ne­ben den ar­beits- oder ta­rif­ver­trag­li­chen Ent­gelt­an­spruch tritt (hM Rie­chert/Nim­mer­jahn Mi­LoG § 1 Rn. 2; Bay­reu­ther in Thüsing Mi­LoG 2. Aufl. § 1 Rn. 4; BT-Drs. 18/1558 S. 34). Das Min­dest­l­ohn­ge­setz greift in die Ent­gelt­ver­ein­ba­run­gen der Ar­beits­ver­trags­par­tei­en und an­wend­ba­rer Ent­gelt­ta­rif­verträge nur in­so­weit ein, als sie den An­spruch auf Min­dest­lohn un­ter­schrei­ten. § 3 Mi­LoG führt bei Un­ter­schrei­ten des ge­setz­li­chen Min­dest­lohns zu ei­nem Dif­fe­renz­an­spruch.

 

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aa) An­spruch auf ge­setz­li­chen Min­dest­lohn ha­ben al­le Ar­beit­neh­mer, auch wenn ih­re durch Ar­beits- oder Ta­rif­ver­trag ge­re­gel­te Vergütung über dem ge­setz­li­chen Min­dest­lohn liegt (HK-Mi­LoG/Düwell § 1 Rn. 18). Das Min­dest­l­ohn­ge­setz schafft in sei­nem Gel­tungs­be­reich ei­ne ei­genständi­ge An­spruchs­grund­la­ge für al­le Ar­beit­neh­mer (ErfK/Fran­zen 16. Aufl. § 1 Mi­LoG Rn. 2; aA Wal­ter­mann AuR 2015, 166, 170; HK-Mi­LoG/Schu­bert § 20 Rn. 10).

bb) Er­reicht die vom Ar­beit­ge­ber tatsächlich ge­zahl­te Vergütung den ge­setz­li­chen Min­dest­lohn nicht, be­gründet dies von Ge­set­zes we­gen ei­nen An­spruch auf Dif­fe­renz­vergütung, wenn der Ar­beit­neh­mer in der Ab­rech­nungs­pe­ri­ode für die ge­leis­te­ten Ar­beits­stun­den im Er­geb­nis nicht min­des­tens den in § 1 Abs. 2 Satz 1 Mi­LoG vor­ge­se­he­nen Brut­to­lohn erhält (Rie­chert/Nim­mer­jahn Mi­LoG § 1 Rn. 31; Lembke NZA 2016, 1, 4; vgl. zu ei­nem ta­rif­li­chen Min­dest­lohn BAG 8. Ok­to­ber 2008 - 5 AZR 8/08 - Rn. 28, BA­GE 128, 119).

Da­bei schei­den länge­re Be­rech­nungs­zeiträume als ein Ka­len­der­mo­nat für die Fra­ge, ob ein An­spruch auf Dif­fe­renz­vergütung ent­stan­den ist, aus (Ko­cher AuR 2015, 173, 175; Bay­reu­ther in Thüsing Mi­LoG 2. Aufl. § 1 Rn. 78; aA Wal­ter­mann AuR 2015, 166, 171: „zwei­mo­nat­lich“; wohl auch ErfK/Fran­zen 16. Aufl. § 1 Mi­LoG Rn. 8). Denn mit dem Min­dest­l­ohn­ge­setz soll den in Voll­zeit täti­gen Ar­beit­neh­mern ein Mo­nats­ein­kom­men „ober­halb der Pfändungs­frei­gren­ze“ ge­si­chert wer­den (BT-Drs. 18/1558 S. 28). Um re­gelmäßigen Zah­lungs­pflich­ten nach­kom­men zu können, re­gelt § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Mi­LoG kon­se­quen­ter­wei­se die Fällig­keit des Min­dest­lohns spätes­tens am letz­ten Bank­ar­beits­tag des Mo­nats, der auf den Mo­nat folgt, in dem die Ar­beits­leis­tung er­bracht wur­de.

cc) Der Ar­beit­ge­ber hat den An­spruch auf den ge­setz­li­chen Min­dest­lohn erfüllt, wenn die für ei­nen Ka­len­der­mo­nat ge­zahl­te Brut­to­vergütung den Be­trag er­reicht, der sich aus der Mul­ti­pli­ka­ti­on der An­zahl der in die­sem Mo­nat tatsächlich ge­leis­te­ten Ar­beits­stun­den mit 8,50 Eu­ro er­gibt. Da­bei kommt es nicht dar­auf an, dass der Ar­beit­ge­ber den Min­dest­lohn stets recht­zei­tig leis­tet, auch ver­späte­te Zah­lun­gen können Erfüllungs­wir­kung ha­ben. Dies be­legt § 21 Abs. 1 Nr. 9 Mi­LoG, wo­nach der Ar­beit­ge­ber ord­nungs­wid­rig han­delt, wenn er den

 

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Min­dest­lohn nicht oder „nicht recht­zei­tig zahlt“. Im Übri­gen wäre der An­spruch auf den Min­dest­lohn nicht klag­bar, würde man nachträgli­chen Zah­lun­gen die Erfüllungs­wir­kung ab­spre­chen. Leis­tet der Ar­beit­ge­ber den Min­dest­lohn nach Fällig­keit (§ 2 Abs. 1 Mi­LoG), kann der Ar­beit­neh­mer Ver­zugs­zin­sen so­wie den Er­satz ei­nes sons­ti­gen Ver­zugs­scha­dens ver­lan­gen, §§ 288, 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB.

dd) Erfüllung iSv. § 362 Abs. 1 BGB tritt beim An­spruch auf den ge­setz­li­chen Min­dest­lohn - wie in je­dem Schuld­verhält­nis - ein, wenn die ge­schul­de­te Leis­tung be­wirkt wird. Die­se Leis­tung liegt in der Zah­lung des Brut­to­ar­beits­ent­gelts, denn der ge­setz­li­che Min­dest­lohn ist das als Ge­gen­leis­tung für die Ar­beit (min­des­tens) zu er­brin­gen­de Ent­gelt.

(1) Der Ge­set­zes­be­griff des Min­dest­lohns be­darf der Aus­le­gung. Maßge­bend ist dafür der in der Norm zum Aus­druck ge­kom­me­ne ob­jek­ti­vier­te Wil­le des Ge­setz­ge­bers, wie er sich aus dem Wort­laut der Vor­schrift und dem Sinn­zu­sam­men­hang er­gibt, in den die Re­ge­lung hin­ein­ge­stellt ist. Der Er­fas­sung des ob­jek­ti­ven Wil­lens des Ge­setz­ge­bers die­nen die an­er­kann­ten Me­tho­den der Ge­set­zes­aus­le­gung aus dem Wort­laut der Norm, der Sys­te­ma­tik, ih­rem Sinn und Zweck so­wie aus den Ge­set­zes­ma­te­ria­li­en und der Ent­ste­hungs­ge­schich­te (st. Rspr., vgl. nur BVerfG 19. März 2013 - 2 BvR 2628/10, 2 BvR 2883/10, 2 BvR 2155/11 - Rn. 66, BVerfGE 133, 168).

Aus­ge­hend von dem in § 1 Abs. 1 Mi­LoG ver­wen­de­ten Be­griff des Min­dest­lohns und der in § 1 Abs. 2 Satz 1 Mi­LoG be­stimm­ten Höhe in Form ei­nes Brut­to­be­trags, han­delt es sich um ei­ne Brut­to­ent­gelt­schuld des Ar­beit­ge­bers. Da­bei ist es un­er­heb­lich, dass der Ge­setz­ge­ber - im Un­ter­schied zu an­de­ren ar­beits­recht­li­chen Re­ge­lun­gen - nicht den Be­griff „Ent­gelt“ (vgl. zB § 10 Abs. 1 Satz 5 AÜG „Ar­beits­ent­gelt“, § 5 Satz 1 Nr. 1 AEntG „Min­des­tent­geltsätze“), son­dern „Lohn“ ver­wen­det. Die­se nicht mehr zeit­gemäße, auf die Vergütung ge­werb­li­cher Ar­beit­neh­mer ab­stel­len­de Ter­mi­no­lo­gie erklärt sich mit dem Sprach­ge­brauch in der po­li­ti­schen Dis­kus­si­on vor Ver­ab­schie­dung des Ge­set­zes (vgl. Bay­reu­ther in Thüsing Mi­LoG 2. Aufl. § 1 Rn. 7). Ei­ne Be­schränkung des Gel­tungs­be­reichs auf Ar­bei­ter, die noch im St­un­den­lohn vergütet wer­den,

 

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war und ist nicht ge­wollt. Es soll­ten um­fas­send al­le Ar­beit­neh­mer vor den Fol-gen ei­ner un­an­ge­mes­sen nied­ri­gen Vergütung geschützt wer­den. Die­ser in den Ge­set­zes­ma­te­ria­li­en zum Aus­druck kom­men­de Zweck zielt dar­auf ab, je­dem Ar­beit­neh­mer ein exis­tenz­si­chern­des Mo­nats­ein­kom­men zu gewähr­leis­ten (BT-Drs. 18/1558 S. 28). Die­sem Ziel ent­spre­chend for­dern §§ 1 und 2 Mi­LoG mit dem Be­griff der „Zah­lung“ und der Nen­nung ei­nes Eu­ro­be­trags in „brut­to“ ei­ne Ent­gelt­leis­tung in Form von Geld (Rie­chert/Nim­mer­jahn Mi­LoG § 1 Rn. 81 ff.; Bay­reu­ther in Thüsing Mi­LoG 2. Aufl. § 1 Rn. 127; Sit­tard RdA 2015, 99, 105).

Der Min­dest­lohn beträgt nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Mi­LoG 8,50 Eu­ro brut­to „je Zeit­stun­de“. Das Ge­setz macht den An­spruch nicht von der zeit­li­chen La­ge der Ar­beit oder den mit der Ar­beits­leis­tung ver­bun­de­nen Umständen oder Er­fol-gen abhängig (vgl. Lembke NZA 2015, 70, 76). Die Nor­mie­rung ei­nes an­ge­mes­se­nen Verhält­nis­ses von Ar­beits­leis­tung und Ar­beits­ent­gelt be­zweckt die Exis­tenz­si­che­rung durch Ar­beits­ein­kom­men als Aus­druck der Men­schenwürde (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG), die letzt­lich auch die so­zia­len Si­che­rungs­sys­te­me ent­las­ten soll (BT-Drs. 18/1558 S. 28; Schaub/Vo­gel­sang ArbR-HdB 16. Aufl. § 66 Rn. 2; Sit­tard NZA 2015, 78, 79 f.; Grei­ner/Strip­pel­mann BB 2015, 949, 950; Ja­res DB 2015, 307, 309; Heu­schmid/Hla­va NJW 2015, 1719, 1722).

(2) Bei ei­ner Geld­schuld wird die ge­schul­de­te Leis­tung man­gels an­de­rer Ver­ein­ba­rung nur dann be­wirkt, wenn der Gläubi­ger den Geld­be­trag, den er be­an­spru­chen kann, endgültig zur frei­en Verfügung übe­reig­net oder über­wie­sen erhält. Darf er den Be­trag nicht be­hal­ten, tritt der Leis­tungs­er­folg nicht ein (vgl. BGH 23. Ja­nu­ar 1996 - XI ZR 75/95 - zu 1 der Gründe; Jau­er­nig/Stürner BGB 16. Aufl. § 362 Rn. 1; Stau­din­ger/Ol­zen (2016) § 362 BGB Rn. 27). Da­her erfüllt der Ar­beit­ge­ber den An­spruch auf den ge­setz­li­chen Min­dest­lohn durch die im ar­beits­ver­trag­li­chen Aus­tausch­verhält­nis er­brach­ten Ent­gelt­zah­lun­gen nur, so¬weit die­se dem Ar­beit­neh­mer endgültig ver­blei­ben.

(3) Gilt so­mit ein um­fas­sen­der Ent­gelt­be­griff, sind al­le im Sy­nal­lag­ma ste­hen­den Geld­leis­tun­gen des Ar­beit­ge­bers ge­eig­net, den Min­dest­lohn­an­spruch des Ar­beit­neh­mers zu erfüllen. Von den im ar­beits­ver­trag­li­chen Aus­tausch­ver-

 

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hält­nis er­brach­ten Ent­gelt­zah­lun­gen des Ar­beit­ge­bers (vgl. Bay­reu­ther NZA 2014, 865, 869; Lembke NZA 2015, 70, 76) fehlt folg­lich nur sol­chen Zah­lun­gen die Erfüllungs­wir­kung, die der Ar­beit­ge­ber oh­ne Rück­sicht auf ei­ne tatsächli­che Ar­beits­leis­tung des Ar­beit­neh­mers er­bringt oder die auf ei­ner be­son­de­ren ge­setz­li­chen Zweck­be­stim­mung (zB § 6 Abs. 5 Arb­ZG, der ei­nen Zu­schlag auf das dem Ar­beit­neh­mer zu­ste­hen­de Brut­to­ar­beits­ent­gelt vor­sieht, vgl. BAG 16. April 2014 - 4 AZR 802/11 - Rn. 51, BA­GE 148, 68) be­ru­hen. Letz­te­res folgt aus der Gleich­ran­gig­keit der Nor­men des Bun­des­rechts. Ist ei­ne Zu­ord­nung der Zah­lung er­for­der­lich, fin­den die Re­ge­lun­gen des § 366 BGB An­wen­dung (vgl. Thüsing/Grei­ner Mi­LoG 2. Aufl. § 3 Rn. 13; aA wohl Bay­reu­ther in Thüsing Mi­LoG 2. Aufl. § 1 Rn. 82 ff.).

c) Da­nach sind die Min­dest­lohn­ansprüche der Kläge­rin in den Ka­len­der­mo­na­ten Ja­nu­ar bis No­vem­ber 2015 erfüllt. Denn ne­ben dem mo­nat­li­chen Brut­to­ge­halt kommt auch den vor­be­halt­los und un­wi­der­ruf­lich in je­dem Ka­len­der­mo­nat zu 1/12 ge­leis­te­ten Jah­res­son­der­zah­lun­gen Erfüllungs­wir­kung zu. Sie sind ei­ne im ar­beits­ver­trag­li­chen Aus­tausch­verhält­nis ste­hen­de Ge­gen­leis­tung des Ar­beit­ge­bers für die vom Ar­beit­neh­mer er­brach­te Ar­beit. Denn nach § 4 Ar­beits­ver­trag min­dern sie sich um je­weils ein Zwölf­tel für Ka­len­der­mo­na­te oh­ne Ent­gelt­an­spruch. Ei­ner be­son­de­ren ge­setz­li­chen Zweck­be­stim­mung un­ter­lie­gen die Jah­res­son­der­zah­lun­gen nicht. Ei­ne Rück­for­de­rung ist der Be­klag­ten auf­grund ih­rer vor­pro­zes­sua­len Erklärung vom Ja­nu­ar 2015 ver­wehrt.

3. Die Kläge­rin hat kei­nen An­spruch auf erhöhte Jah­res­son­der­zah­lun­gen. Die­se sind nicht auf der Grund­la­ge des ak­tu­el­len Min­dest­lohns zu be­rech­nen. Nach § 4 Ar­beits­ver­trag be­tra­gen Ur­laubs- und Weih­nachts­geld je­weils 50 % des „ver­ein­bar­ten Ent­gelts“ bzw. des „ver­ein­bar­ten Lohns“. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt ist des­halb zu­tref­fend da­von aus­ge­gan­gen, die Be­rech­nung rich­te sich nach der in § 3 Ar­beits­ver­trag be­stimm­ten Vergütung. Der Wort­laut der Ver­ein­ba­rung lässt kei­nen an­de­ren Schluss zu. Das Min­dest­l­ohn­ge­setz hat dar­an nichts geändert. Der ge­setz­li­che Min­dest­lohn tritt ne­ben den ar­beits- bzw. ta­rif-ver­trag­li­chen Vergütungs­an­spruch, lässt aber die Vergütungs­ver­ein­ba­rung un-

 

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berührt (vgl. Rn. 22). Ei­ne be­stimm­te Höhe von Son­der­zah­lun­gen sieht das Min­dest­l­ohn­ge­setz nicht vor.

4. Die Kläge­rin kann kei­ne höhe­ren als die ar­beits­ver­trag­lich ver­ein­bar­ten Zu­schläge für Über­stun­den, Sonn- und Fei­er­tags­ar­beit ver­lan­gen. Die­se sind nicht auf der Grund­la­ge der in § 1 Abs. 2 Satz 1 Mi­LoG be­stimm­ten 8,50 Eu­ro, son­dern des ver­trag­lich ver­ein­bar­ten Brut­to­stun­den­ent­gelts zu be­rech­nen.

Die Zu­schlags­pflicht für Über­stun­den und Ar­beit an be­son­de­ren Ta­gen folgt al­lein aus § 3 Buchst. b und c Ar­beits­ver­trag und knüpft an den „ver­ein­bar-ten St­un­den­lohn“ an. Das ist der in § 3 Buchst. a Ar­beits­ver­trag fest­ge­hal­te­ne Be­trag. Der Wort­laut der Ver­ein­ba­rung lässt nur die­sen Schluss zu. Auf die Ausführun­gen in Rn. 34 wird ver­wie­sen. Dar­an hat das Min­dest­l­ohn­ge­setz nichts geändert.

5. Die Kläge­rin hat auf­grund des Min­dest­l­ohn­ge­set­zes kei­nen An­spruch auf wei­te­re Über­stun­den­vergütun­gen.

In den Mo­na­ten mit Über­stun­den­leis­tung hat die Be­klag­te den An­spruch auf den ge­setz­li­chen Min­dest­lohn durch Zah­lung des Brut­to­mo­nats­ge­halts, der in Zwölf­teln ge­leis­te­ten Jah­res­son­der­zah­lun­gen und der je­wei­li­gen Über­stun­den­vergütung iHv. 8,00 Eu­ro brut­to/St­un­de erfüllt.

Im Fe­bru­ar 2015 leis­te­te die Kläge­rin ei­ne Über­stun­de, für die die Be­klag­te ne­ben der Vergütung wei­te­re 8,00 Eu­ro brut­to, mit­hin 1.515,30 Eu­ro brut­to ge­leis­tet hat. Im April 2015 er­brach­te die Kläge­rin vier Über­stun­den, für die sie ne­ben der Vergütung wei­te­re 32,00 Eu­ro brut­to, mit­hin 1.539,30 Eu­ro brut­to er­hal­ten hat. Im Ju­ni 2015 leis­te­te die Kläge­rin 4,5 Über­stun­den, für die die Be­klag­te ne­ben der Vergütung wei­te­re 36,00 Eu­ro brut­to, mit­hin 1.543,30 Eu­ro brut­to ge­leis­tet hat. Die Kläge­rin hat in kei­nem der Fälle vor­ge­tra­gen, sie ha­be über die da­mit je­den­falls in Höhe des ge­setz­li­chen Min­dest­lohns ab­ge­gol­te­nen 178,27 bzw. 181,09 bzw. 181,56 Ar­beits­stun­den im Mo­nat wei­te­re Ar­beit er­bracht.

6. Der von der Kläge­rin gel­tend ge­mach­te An­spruch auf Ver­zugs­zin­sen we­gen ver­späte­ter Jah­res­son­der­zah­lun­gen be­steht nicht. Das Lan­des­ar­beits-

 

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ge­richt hat zu­tref­fend an­ge­nom­men, Ansprüche auf Ver­zugs­zin­sen nach § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB we­gen nicht recht­zei­ti­ger Leis­tung der Jah­res­son­der­zah­lun­gen bestünden nicht. Die Re­ge­lung der Fällig­keit der BV Min­dest­lohn mit je­weils 1/12 für je­den Ka­len­der­mo­nat ver­drängt die ar­beits-ver­trag­li­che Fällig­keits­ver­ein­ba­rung.

a) Die von der Kläge­rin er­ho­be­nen Rügen ge­gen die for­mel­le Wirk­sam­keit der BV Min­dest­lohn grei­fen nicht durch.

aa) Die Rüge, das Lan­des­ar­beits­ge­richt ha­be das Be­strei­ten ei­nes wirk­sa­men Be­triebs­rats­be­schlus­ses über­g­an­gen, ist un­zulässig. Der pau­scha­le Hin-weis auf ein Be­strei­ten genügt den An­for­de­run­gen an ei­ne Gehörsrüge nicht. Darüber hin­aus brau­chen die Ge­rich­te nicht je­des Vor­brin­gen in den Gründen der Ent­schei­dung aus­drück­lich zu be­han­deln (vgl. BVerfG 14. März 2013 - 1 BvR 1457/12 - Rn. 10). Die Kläge­rin hat kei­ne be­son­de­ren Umstände deut­lich ge­macht, wo­nach das Lan­des­ar­beits­ge­richt ihr Vor­brin­gen nicht zur Kennt­nis ge­nom­men oder nicht er­wo­gen ha­ben soll. Tatsächlich setzt sich das Lan­des­ar­beits­ge­richt mit dem strei­ti­gen The­ma aus­ein­an­der, hält das Be­strei­ten der Kläge­rin aber nicht mehr für er­heb­lich.

bb) Die Rüge, der an­ge­bo­te­ne Zeu­gen­be­weis sei nicht er­ho­ben wor­den, ist eben­falls un­zulässig, denn ih­re Be­gründung ent­spricht nicht den ge­setz­li­chen An­for­de­run­gen. Al­lein die Rüge, ein Be­weis sei nicht er­ho­ben wor­den, ist un­zu­rei­chend, wenn die Kläge­rin - wie hier - nicht vor­ge­tra­gen hat, wo und bei wel­cher Ge­le­gen­heit sie ein den An­for­de­run­gen des § 373 ZPO ent­spre­chen­des Be­weis­an­ge­bot ge­macht ha­be (vgl. BAG 18. Ok­to­ber 2000 - 2 AZR 380/99 - zu II 2 b cc (3) der Gründe, BA­GE 96, 123).

cc) Die Würdi­gung der Be­schluss­fas­sung des Be­triebs­rats durch das Lan­des­ar­beits­ge­richt ver­letzt nicht § 286 ZPO. Da­nach ha­ben die Tat­sa­chen­in­stan­zen un­ter Berück­sich­ti­gung des ge­sam­ten In­halts der Ver­hand­lung und des Er­geb­nis­ses ei­ner ggf. durch­geführ­ten Be­weis­auf­nah­me nach ih­rer frei­en Über­zeu­gung darüber zu be­fin­den, ob sie ei­ne tatsächli­che Be­haup­tung für wahr er­ach­ten oder nicht. Die Würdi­gung muss vollständig, wi­der­spruchs­frei und um-

 

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fas­send sein. Mögli­che Zwei­fel müssen über­wun­den, brau­chen aber nicht völlig aus­ge­schlos­sen zu wer­den (vgl. BAG 16. Ju­li 2015 - 2 AZR 85/15 - Rn. 35 mwN). Re­vi­si­ons­recht­lich ist die­se Würdi­gung al­lein dar­auf­hin zu über­prüfen, ob al­le Umstände vollständig berück­sich­tigt und nicht Denk- und Er­fah­rungs­grundsätze ver­letzt wur­den. Ge­mes­sen dar­an hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt § 286 ZPO nicht ver­letzt. Es hat, ba­sie­rend auf dem Be­klag­ten­vor­trag zur Be­schluss­fas­sung des Be­triebs­rats, sei­ne Über­zeu­gungs­bil­dung aus­rei­chend dar­ge­legt. Das Be­ru­fungs­ge­richt durf­te das wei­te­re, le­dig­lich pau­scha­le Be­strei­ten der Kläge­rin für un­er­heb­lich hal­ten.

dd) Sch­ließlich hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt im Ein­klang mit der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts ei­nen Ver­s­toß ge­gen § 29 Abs. 2 Satz 3 Be­trVG ver­neint. Nach die­ser Be­stim­mung hat der Vor­sit­zen­de die Mit­glie­der des Be­triebs­rats zu den Sit­zun­gen recht­zei­tig un­ter Mit­tei­lung der Ta­ges­ord­nung zu la­den. Für ein ver­hin­der­tes Be­triebs­rats­mit­glied hat er nach § 29 Abs. 2 Satz 6 Be­trVG das Er­satz­mit­glied zu la­den. Die Ein­hal­tung die­ser Vor­schrif­ten ist we­sent­lich für die Wirk­sam­keit ei­nes in der Sit­zung ge­fass­ten Be­schlus­ses. Ei­ne man­gels Über­mitt­lung der Ta­ges­ord­nung ver­fah­rens­feh­ler­haf­te La­dung zu ei­ner Be­triebs­rats­sit­zung kann al­ler­dings durch die im Übri­gen ord­nungs­gemäß ge­la­de­nen Mit­glie­der und Er­satz­mit­glie­der des Be­triebs­rats in ei­ner Be­triebs­rats­sit­zung ge­heilt wer­den, wenn die­ser be­schlussfähig iSd. § 33 Abs. 2 Be­trVG ist und die An­we­sen­den ein­stim­mig be­sch­ließen, über ei­nen Re­ge­lungs­ge­gen­stand zu be­ra­ten und ab­zu­stim­men. Nicht er­for­der­lich ist, dass an die­ser Sit­zung al­le Be­triebs­rats­mit­glie­der teil­neh­men (vgl. BAG 4. No­vem­ber 2015 - 7 ABR 61/13 - Rn. 32 mwN; 15. April 2014 - 1 ABR 2/13 (B) - Rn. 30, BA­GE 148, 26).

b) Die BV Min­dest­lohn ist auch ma­te­ri­ell wirk­sam.

aa) Die Re­ge­lungs­sper­re des § 77 Abs. 3 Satz 1 Be­trVG greift nicht, denn es han­delt sich um ei­ne An­ge­le­gen­heit, die nach § 87 Abs. 1 Be­trVG der er-zwing­ba­ren Mit­be­stim­mung des Be­triebs­rats un­ter­liegt (BAG GS 3. De­zem­ber 1991 - GS 2/90 - zu C I 4 der Gründe, BA­GE 69, 134; BAG 17. Mai 2011 - 1 AZR 473/09 - Rn. 30, BA­GE 138 ,68).

 

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Es liegt ein Fall der er­zwing­ba­ren Mit­be­stim­mung vor. Die BV Min­dest­lohn be­inhal­tet ei­ne Fällig­keits­be­stim­mung. Fällig­keit be­zeich­net bei (Ar­beits-)Vergütung den Zeit­punkt, wann die­se zu ent­rich­ten ist (vgl. § 614 BGB). Das Mit­be­stim­mungs­recht des Be­triebs­rats nach § 87 Abs. 1 Nr. 4 Be­trVG er­fasst die Re­ge­lung des Zeit­punkts, zu dem die Ar­beits­vergütung zu zah­len ist (vgl. BAG 22. Ju­li 2014 - 1 ABR 96/12 - Rn. 12, BA­GE 148, 341). Ei­ne die Be­klag­te bin­den­de ta­rif­li­che Re­ge­lung be­steht nicht.

bb) Die ar­beits­ver­trag­li­che Fällig­keits­re­ge­lung wird durch die der 49 BV Min­dest­lohn ver­drängt, denn sie ist be­triebs­ver­ein­ba­rungs­of­fen.

Nach den Fest­stel­lun­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts (§ 559 Abs. 2 ZPO) han­delt es sich bei den ar­beits­ver­trag­li­chen Re­ge­lun­gen um All­ge­mei­ne Geschäfts­be­din­gun­gen iSd. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die hier­ge­gen er­ho­be­ne Gehörsrüge der Kläge­rin genügt nicht den ge­setz­li­chen An­for­de­run­gen. Die Kläge­rin hat nicht kon­kret vor­tra­gen, wel­cher Vor­trag über­g­an­gen sein soll (vgl. BAG 6. Ja­nu­ar 2004 - 9 AZR 680/02 - Rn. 36, BA­GE 109, 145).

All­ge­mei­ne Geschäfts­be­din­gun­gen sind nach ih­rem ob­jek­ti­ven In­halt und ty­pi­schen Sinn ein­heit­lich so aus­zu­le­gen, wie sie von verständi­gen und red­li­chen Ver­trags­part­nern un­ter Abwägung der In­ter­es­sen der nor­ma­ler­wei­se be­tei­lig­ten Ver­kehrs­krei­se ver­stan­den wer­den, wo­bei die Verständ­nismöglich­kei­ten des durch­schnitt­li­chen Ver­trags­part­ners des Ver­wen­ders zu­grun­de zu le­gen sind. Da­bei un­ter­liegt die Aus­le­gung der un­ein­ge­schränk­ten Über­prüfung durch das Re­vi­si­ons­ge­richt (vgl. BAG 17. April 2013 - 10 AZR 281/12 - Rn. 12; 19. Au­gust 2015 - 5 AZR 450/14 - Rn. 14).

Die Ar­beits­ver­trags­par­tei­en können ih­re ver­trag­li­chen Ab­spra­chen da­hin­ge­hend ge­stal­ten, dass sie ei­ner Abände­rung durch be­trieb­li­che Nor­men un­ter­lie­gen. Das kann aus­drück­lich oder bei ent­spre­chen­den Be­gleit­umständen kon­klu­dent er­fol­gen und ist nicht nur bei be­trieb­li­chen Ein­heits­re­ge­lun­gen und Ge­samt­zu­sa­gen möglich, son­dern auch bei ein­zel­ver­trag­li­chen Ab­re­den (vgl. BAG 17. Fe­bru­ar 2015 - 1 AZR 599/13 - Rn. 27). Ei­ne kon­klu­den­te Ver­ein­ba­rung darf an­ge­nom­men wer­den, wenn der Ver­trags­ge­gen­stand in All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen ent­hal­ten ist und ei­nen kol­lek­ti­ven Be­zug hat. Mit der

 

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Ver­wen­dung von All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen macht der Ar­beit­ge­ber für den Ar­beit­neh­mer er­kenn­bar deut­lich, dass im Be­trieb ein­heit­li­che Ver­trags­be­din­gun­gen gel­ten sol­len. Ei­ne be­triebs­ver­ein­ba­rungs­fes­te Ge­stal­tung der Ar­beits­be­din­gun­gen stünde dem ent­ge­gen. Da All­ge­mei­ne Geschäfts­be­din­gun­gen eben­so wie Be­stim­mun­gen in ei­ner Be­triebs­ver­ein­ba­rung auf ei­ne Ver­ein­heit­li­chung der Re­ge­lungs­ge­genstände ge­rich­tet sind, kann aus Sicht ei­nes verständi­gen und red­li­chen Ar­beit­neh­mers nicht zwei­fel­haft sein, dass es sich bei den vom Ar­beit­ge­ber ge­stell­ten Ar­beits­be­din­gun­gen um sol­che han­delt, die ei­ner Ände­rung durch Be­triebs­ver­ein­ba­rung zugäng­lich sind. Et­was an­de­res gilt nur dann, wenn Ar­beit­ge­ber und Ar­beit­neh­mer aus­drück­lich Ver­trags­be­din­gun­gen ver­ein­ba­ren, die un­abhängig von ei­ner für den Be­trieb gel­ten­den nor­ma­ti­ven Re­ge­lung An­wen­dung fin­den sol­len (vgl. BAG 5. März 2013 - 1 AZR 417/12 - Rn. 60).

Da­nach ist die ar­beits­ver­trag­li­che Fällig­keits­re­ge­lung der Jah­res­son­der­zah­lun­gen be­triebs­ver­ein­ba­rungs­of­fen aus­ge­stal­tet. Es han­delt sich um von der Be­klag­ten ge­stell­te All­ge­mei­ne Geschäfts­be­din­gun­gen mit kol­lek­ti­vem Be­zug. Der Aus­zah­lungs­zeit­punkt der Jah­res­son­der­zah­lun­gen soll be­triebs­ein­heit­lich ge­re­gelt wer­den. Dass der Ver­ein­ba­rung der Fällig­keits­re­ge­lung in § 4 Ar­beits­ver­trag ei­ne be­triebs­ver­ein­ba­rungs­fes­te In­di­vi­du­al­ver­ein­ba­rung zu­grun­de liegt, ist nicht er­sicht­lich.

c) Der Be­klag­ten ist es nach Treu und Glau­ben (§ 242 BGB) nicht ver­wehrt, sich auf die Fällig­keits­re­ge­lung der BV Min­dest­lohn zu be­ru­fen. Ein wi­dersprüchli­ches Ver­hal­ten der Be­klag­ten liegt nicht vor. Ent­ge­gen der Re­vi­si­on ist § 242 BGB nicht des­halb an­zu­wen­den, weil die Be­klag­te die Wir­kung der BV Min­dest­lohn un­ter die Be­din­gung ge­stellt ha­be, dass mit sämt­li­chen Ar­beit­neh­mern Ände­rungs­verträge zu­stan­de kom­men. Die BV Min­dest­lohn selbst enthält kei­ne sol­che Be­din­gung. Ei­ne außer­halb der kol­lek­ti­ven Ver­ein­ba­rung ein­sei­tig von der Be­klag­ten for­mu­lier­te Be­din­gung hätte über­dies kei­nen recht­li­chen Ein­fluss auf den In­halt ei­ner zwi­schen den Be­triebs­part­nern ge­schlos­se­nen Be­triebs­ver­ein­ba­rung. Glei­ches gilt für die Schrei­ben der Be­klag­ten vom De­zem­ber 2014 und Ja­nu­ar 2015.

 

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III. Die Kos­ten­ent­schei­dung be­ruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Müller-Glöge

Biebl

Volk

Dom­brow­sky

Mattausch

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