- -> zur Mobil-Ansicht
- Arbeitsrecht aktuell
- Tipps und Tricks
- Handbuch Arbeitsrecht
- Gesetze zum Arbeitsrecht
- Urteile zum Arbeitsrecht
- Urteile 2023
- Urteile 2021
- Urteile 2020
- Urteile 2019
- Urteile 2018
- Urteile 2017
- Urteile 2016
- Urteile 2015
- Urteile 2014
- Urteile 2013
- Urteile 2012
- Urteile 2011
- Urteile 2010
- Urteile 2009
- Urteile 2008
- Urteile 2007
- Urteile 2006
- Urteile 2005
- Urteile 2004
- Urteile 2003
- Urteile 2002
- Urteile 2001
- Urteile 2000
- Urteile 1999
- Urteile 1998
- Urteile 1997
- Urteile 1996
- Urteile 1995
- Urteile 1994
- Urteile 1993
- Urteile 1992
- Urteile 1991
- Urteile bis 1990
- Arbeitsrecht Muster
- Videos
- Impressum-Generator
- Webinare zum Arbeitsrecht
-
Kanzlei Berlin
030 - 26 39 62 0
berlin@hensche.de
AnfahrtDetails -
Kanzlei Frankfurt
069 - 71 03 30 04
frankfurt@hensche.de
AnfahrtDetails -
Kanzlei Hamburg
040 - 69 20 68 04
hamburg@hensche.de
AnfahrtDetails -
Kanzlei Hannover
0511 - 89 97 701
hannover@hensche.de
AnfahrtDetails -
Kanzlei Köln
0221 - 70 90 718
koeln@hensche.de
AnfahrtDetails -
Kanzlei München
089 - 21 56 88 63
muenchen@hensche.de
AnfahrtDetails -
Kanzlei Nürnberg
0911 - 95 33 207
nuernberg@hensche.de
AnfahrtDetails -
Kanzlei Stuttgart
0711 - 47 09 710
stuttgart@hensche.de
AnfahrtDetails
LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12.04.2012, 5 Sa 2555/11
Schlagworte: | Betriebskrankenkasse | |
Gericht: | Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg | |
Aktenzeichen: | 5 Sa 2555/11 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 12.04.2012 | |
Leitsätze: | ||
Vorinstanzen: | Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 24.11.2011, 50 Ca 7946/11 Nachgehend: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21.11.2013, 2 AZR 474/12 |
|
Landesarbeitsgericht
Berlin-Brandenburg
Verkündet
am 12.04.2012
Geschäftszeichen (bitte immer angeben)
5 Sa 2555/11
50 Ca 7946/11
Arbeitsgericht Berlin
F.
Gerichtsbeschäftigte
als Urkundsbeamter/in
der Geschäftsstelle
Im Namen des Volkes
Urteil
In Sachen
pp
hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, 5. Kammer,
auf die mündliche Verhandlung vom 12. April 2012
durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht M. als Vorsitzende
sowie den ehrenamtlichen Richter Sch. und die ehrenamtliche Richterin S.
für Recht erkannt:
I.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 24.11.2011 – 50 Ca 7946/11 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
II.
Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d
Die Parteien streiten um die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses aufgrund gesetzlicher Anordnung bzw. Kündigung seitens der Beklagten.
Die am …..1959 geborene Klägerin war ab 14.01.1991 Mitarbeiterin des Landes Berlin, beschäftigt bei dessen Betriebskrankenkasse. Infolge eines Betriebsüberganges war sie seit dem 01.01.1999 in der Berliner Geschäftsstelle der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerinnen als Sozialversicherungsangestellte tätig. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft beiderseitiger Tarifbindung der Manteltarifvertrag für die Beschäftigten der Betriebskrankenkassen vom 01.05.2010 (künftig: MTV) Anwendung. Nach § 20 Abs. 1 MTV ist das Arbeitsverhältnis nur noch aus einem in der Person der Klägerin oder ihrem Verhalten liegenden wichtigen Grund außerordentlich kündbar.
Nach Anzeige der Überschuldung durch die Beklagte am 07.04.2011 ordnete das Bundesversicherungsamt mit Bescheid vom 04.05.2011 die Schließung der Beklagten zum 30.06.2011 an.
Mit Schreiben vom 09.05.2011 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass ihr Arbeitsverhältnis aufgrund der Schließung mit dem 30.06.2011 ende.
Mit Schreiben vom 20.04.2011 und 04.05.2011 unterrichtete die Beklagte den bei ihr gebildeten Hauptpersonalrat darüber, dass sie alle Arbeitsverhältnisse vorsorglich zum 30.06.2011 und höchstvorsorglich fristgemäß bzw. bei den tariflich ordentlich unkündbaren Arbeitnehmern außerordentlich mit sozialer Auslauffrist kündigen werde. Der Hauptpersonalrat erhob hiergegen mit Schreiben vom 17.05.2011 Einwendungen. Mit zwei Schreiben vom 18.05.2011 nahm die Beklagte hierzu Stellung und forderte den Hauptpersonalrat erfolglos auf, einen Terminvorschlag für ein Gespräch zu benennen.
Mit Schreiben vom 19.05.2011 erklärte die Beklagte die außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist bis zum 30.06.2011, vorsorglich mit sozialer Auslauffrist zum nächstmöglichen Termin, dem 31.12.2011.
Zwischenzeitlich schloss die Klägerin mit der zuvor als Körperschaft des öffentlichen Rechts geführten Beklagten als Körperschaft des öffentlichen Rechts in Abwicklung einen bis zum 30.06.2012 befristeten Arbeitsvertrag vom 23.06.2011 (Bl. 323 bis 328 d. A.), aufgrund dessen sie seit dem 01.07.2011 als Teamleiterin bei der Abwicklung eingesetzt wird. Dieser Vertrag wurde zuletzt bis zum 31.12.2012 verlängert.
Mit am 26.05.2011 beim Arbeitsgericht Berlin eingegangener Klage hat sich die Klägerin gegen die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses zum 30.06.2011 aufgrund des Schließungsbescheids und mit weiterer, am 03.06.2011 dort eingegangener Klage gegen die Kündigung gewandt. Mit Beschluss vom 29.08.2011 (Bl. 61 bis 63 d. A.) hat das Arbeitsgericht beide Verfahren unter Führung des Verfahrens 50 Ca 7946/11 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. In diesem Beschluss wurde der Beklagten ferner u. a. die Auflage erteilt, zum Inhalt und zur Zumutbarkeit eines von der Klägerin ggf. erhaltenen anderweitigen Beschäftigungsangebots vorzutragen.
Die Klägerin hat gemeint, ihr Arbeitsverhältnis sei nicht nach § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V mit dem 30.06.2011 beendet worden. Diese Vorschrift könne verfassungskonform nur so ausgelegt werden, dass die Arbeitsverhältnisse der nicht nach Absatz 3 untergebrachten Arbeitnehmer mit dem Tag der Schließung unter Einhaltung der kündigungsschutzrechtlichen und tariflichen Regelungen beendet werden könnten. Die Beklagte habe nicht zum 30.06.2011 ihre Rechtspersönlichkeit verloren, sondern setze den Betrieb – wohl beschränkt auf den Abwicklungszweck - mit denselben Betriebsmitteln und Arbeitnehmern als Körperschaft öffentlichen Rechts in Abwicklung fort. Die Kündigung sei unwirksam, da die Schließung nicht zur Stilllegung des Betriebes, sondern zu dessen Fortsetzung in Abwicklung geführt habe, weshalb betriebsbedingte Gründe fehlten und eine Sozialauswahl nicht entbehrlich sei. Auch werde die ordnungsgemäße Anhörung des Personalrats bestritten.
Die Beklagte hat gemeint, mit der Schließung habe sie grundsätzlich ihre Rechtspersönlichkeit verloren, wodurch den Arbeitnehmern ihr bisheriger Arbeitgeber abhanden gekommen sei. Das Arbeitsverhältnis habe gemäß § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V mit dem Tag der Schließung ipso iure geendet. Die Klägerin habe das durch den Landesverband der Betriebskrankenkassen unterbreitete anderweitige Beschäftigungsangebot nicht angenommen, wobei für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses kein Angebot in diesem Sinne vorausgesetzt werde, zumal sie hierfür nicht verantwortlich sei. Diese Beendigung entspreche dem Willen des Gesetzgebers, da bei hohen Schließungskosten die Gefahr bestehe, dass weitere Betriebskrankenkassen geschlossen werden müssten. Der Eingriff in Art. 12 GG sei zur Vermeidung dieses Domino-Effektes verhältnismäßig, die Verkürzung der Kündigungsfristen gegenüber tarifvertraglichen Regelungen verletze Art. 9 GG ebenso wenig, wie dies bei § 113 InsO der Fall sei. Auch werde durch die unterschiedliche Behandlung der bei einer Innungskrankenkasse und bei einer Betriebskrankenkasse Beschäftigten Art. 3 GG nicht verletzt, da diese nicht willkürlich sei. Soweit es darauf ankomme, sei die vorsorglich erklärte Kündigung wirksam. Mit dem Verlust ihrer Rechtspersönlichkeit infolge der Schließung liege eine Auflösung der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehenden Betriebs- und Produktionsgemeinschaft vor. Sie habe ihre bisherige wirtschaftliche Betätigung auf Dauer aufgegeben. Da mit der vollständigen Betriebsstilllegung sämtliche Beschäftigungsmöglichkeiten entfallen seien, entfalle eine Sozialauswahl. Die befristete Weiterbeschäftigung der Klägerin ändere daran nichts. Das Gesetz überantworte die abwicklungsbezogene Personalplanung gänzlich der geschlossenen Kasse, d.h. dem Abwicklungsvorstand, der mit einem Personalbestand „null“ beginne. Dieser habe u.a. mit der Klägerin auf Grundlage einer konkreten Prognose zum Beschäftigungsbedarf in der Abwicklung einen befristeten Arbeitsvertrag abgeschlossen.
Mit Urteil vom 24.11.2011 – 50 Ca 7946/11 -, auf dessen Tatbestand (Bl. 351 bis 355 d. A.) wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vortrags der Parteien Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht Berlin festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin nicht am 30.06.2011 beendet wurde und durch die Kündigung der C. BKK mit Schreiben vom 19.05.2011 nicht beendet wird.
Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte sei passivlegitimiert, da nach § 155 Abs. 1 Satz 2 SGB V im Falle einer Schließung die Betriebskrankenkasse als fortbestehend gelte, soweit es der Zweck der Abwicklung erfordere. Das Arbeitsverhältnis sei nicht aufgrund der Schließung der Beklagten zum 30.06.2011 beendet, die Voraussetzungen einer Beendigung nach § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V lägen nicht vor. Diese Regelung, die im Arbeitsverhältnis der Klägerin wegen ihrer Unkündbarkeit nach § 20 MTV zur Anwendung komme, sei dahingehend auszulegen, dass eine Beendigung der Vertragsverhältnisse mit der Schließung nur eintrete, wenn ein zumutbares Angebot unterbreitet, aber vom Beschäftigten nicht angenommen worden sei. Enden sollten nur die Arbeitsverhältnisse der nicht untergebrachten Beschäftigten, die Beendigungsfolge knüpfe an eine nicht erfolgte „Unterbringung“ an. Diese Regelung wäre überflüssig, wenn eine Beendigung der Arbeitsverhältnisse unabhängig davon eintrete. Die Anknüpfung der Beendigungsfolge an ein erfolgtes Angebot entspreche auch der gesetzgeberischen Intention, wie aus der Gesetzesbegründung der Vorgängerregelung in § 173 Abs. 3 bis 5 SGB V hervorgehe, und den durch Art. 12 GG vorgegebenen Wertentscheidungen. Der von der Beklagten aufgezeigte „Domino-Effekt“ rechtfertige es nicht, die Übernahmeverpflichtung sozusagen im Interesse der anderen Kassen „wegzuinterpretieren“. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin ende nicht mit der Schließung, da nicht festgestellt werden könne, dass ihr ein zumutbares Angebot unterbreitet worden sei. Die Beklagte trage nicht vor, welche Tätigkeit der Klägerin zu welchen Bedingungen angeboten worden sein soll, obwohl sie mit Beschluss vom 29.08.2011 darauf hingewiesen worden sei, dass dies vorzutragen sei, und es sich um eine Voraussetzung des Kündigungstatbestandes handle. Die von ihr geltend gemachte Tatsache, dass dieses Verfahren nicht in ihrer Hand liege, ändere hieran nichts, da ihr diesbezüglich Auskunftsansprüche gegenüber dem Landesverband zustünden. Die Kündigung vom 19.05.2011 sei unwirksam, weil ein Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses für die Klägerin zum 30.06.2011 oder zum 31.12.2011 angesichts der durchgehenden Weiterbeschäftigung der Klägerin, die auch über den 31.12.2011 hinaus erfolgen solle, nicht festgestellt werden könne. Mit der Schließung werde auch nicht sozusagen ein Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeiten fingiert. Für die Zwecke der Abwicklung gelte die Beklagte vielmehr nach § 155 Abs. 1 Satz 2 SGB V als fortbestehend. Eine neue Abwicklungsgesellschaft werde gerade nicht fingiert. Entsprechend habe es auch keinen Gründungsakt zur Konstituierung einer neuen Gesellschaft gegeben. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils (Bl. 355 bis 364 d. A.) Bezug genommen.
Gegen dieses, der Beklagten am 16.12.2011 zugestellte Urteil richtet sich ihre am 21.12.2011 beim Landesarbeitsgericht eingegangene Berufung, die sie nach Fristverlängerung bis zum 16.03.2012 mit am 22.02.2012 vorab per Fax eingegangenem Schriftsatz begründet hat.
Die Beklagte ist der Ansicht, die Interpretation der gesetzlichen Vorschriften in §§ 155, 164 SGB V durch das Arbeitsgericht gehe fehl. Sie bezieht sich für deren Auslegung nach Wortlaut, Sinn und Zweck auf ihren erstinstanzlichen Vortrag und geht im Folgenden auf zwischenzeitlich ergangene Entscheidungen anderer Arbeitsgerichte bzw. Kammern zur Auslegung von § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V ein. Grundsätzlich sollten nach dieser Vorschrift alle Beschäftigungsverhältnisse enden und nur notwendigerweise andernorts untergebrachte Beschäftigte ihren Arbeitsplatz – durch die dortige Beschäftigung – nicht verlieren. Die Gesetzesbegründung zu der Vorgängerregelung, die, weil nur auf die Innungskrankenkassen bezogen, nicht vergleichbar sei, sei einfach nur unscharf formuliert. Mit der Vorschrift solle der Gefahr eines „Domino-Effekts“, der Schließung einer Kasse nach der anderen aufgrund einer stetigen Steigerung der Verbindlichkeiten bei einer immer kleiner werdenden Haftungsgemeinschaft, begegnet werden, indem die Beendigung aller Arbeitsverhältnisse mit dem Schließungszeitpunkt angeordnet werde. Nur dieses Normverständnis werde den Vorgaben des BVerfG gerecht und begegne auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Dem Gesetzgeber sei zum Ausgleich der Interessen des Schutzes eines bezahlbaren und funktionierenden sozialen Krankenversicherungsschutzes und der Berufsfreiheit ein weiter Gestaltungsspielraum eingeräumt. Seine hier vorliegende Entscheidung für eine „tabula-rasa-Lösung“ zur Vermeidung einer Überforderung des gesetzlichen Krankenversicherungssystems sei nicht zu beanstanden. Die Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts sei schon mit dem Wortlaut der Vorschrift nur schwerlich zu vereinbaren, der hierfür nur das Fehlen einer tatsächlichen Unterbringung voraussetze. Da nach § 164 Abs. 3 Satz 3 SGB V nur unkündbare Mitarbeiter im Unterbringungsverfahren zu berücksichtigen seien, wäre § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V konsequenterweise auf ordentlich kündbare Beschäftigte überhaupt nicht anwendbar, was jedoch krass wertungswidersprüchlich sei und in eklatantem Widerspruch zum Wortlaut der Verweisungsnorm in § 155 Abs. 4 Satz 9 SGB V stehe. Welche Kriterien an die Zumutbarkeit des Unterbringungsangebots zu stellen seien, sei im Übrigen äußerst fraglich, gesetzliche Vorgaben gebe es hierzu nicht, räumliche Kriterien könnten kaum eine Rolle spielen. Die Ausführungen des BVerfG in der Warteschleifen-Entscheidung, der eine ganz andere Konstellation zugrunde gelegen habe, könnten hier nicht herangezogen werden, da die C. BKK mit der Schließung untergegangen sei und eine Rechtsnachfolge nicht stattfinde. Da eine Krankenkasse eine Körperschaft des öffentlichen Rechts sei, könne für die rechtliche Bewertung nicht einfach „blankes“ Arbeitsrecht herangezogen werden. Mit der Schließung habe sie aufgehört, rechtlich zu existieren. Das Erlöschen einer Körperschaft lediglich durch Abwicklung aller Rechtsverhältnisse sei dem öffentlichen Recht fremd. Mit der Schließung sei den Rechtsverhältnissen der C. BKK das Rechtssubjekt abhanden gekommen und liege eine Betriebsstilllegung vor, wie sie umfassender nicht sein könne, wobei die Arbeitnehmer durch die gesetzlichen Regelungen insgesamt nicht schlechter gestellt würden als Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft im Falle der Insolvenz oder Betriebsstilllegung. Abschließend bezieht sich die Beklagte auf ihren gesamten erstinstanzlichen Vortrag.
Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt:
1.
Das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 24.11.2011, Aktenzeichen 50 Ca 7946/11 wird abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.2.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Klägerin bezieht sich auf ihren erstinstanzlichen Vortrag und macht sich die Ausführungen des Arbeitsgerichts zu Eigen. Sie bezweifelt die Zulässigkeit der Berufung, da diese nicht konkret auf das angefochtene Urteil eingehe. Die Beklagte stelle das hier unterbreitete Unterbringungsangebot nicht dar, obwohl sie schon erstinstanzlich auf die ihr insoweit obliegende Darlegungs- und Beweislast hingewiesen worden sei. Auch setze sie sich mit den Ausführungen des Arbeitsgerichts unter II. der Entscheidungsgründe „nur am Rande“ überhaupt nicht auseinander. Die Bezugnahme auf ihren erstinstanzlichen Vortrag ersetze dies nicht. Das Arbeitsgericht habe zutreffend darauf hingewiesen, dass die Unterbreitung eines zumutbaren Angebots nicht festgestellt werden könne, weil die insofern darlegungsbelastete Beklagte dazu nicht vortrage. Die Auffassung der Beklagten, räumliche Kriterien könnten dabei kaum eine Rolle spielen, sei nicht zutreffend. § 164 Abs. 3 Satz 3 SGB V stelle mit der Verpflichtung des (jeweiligen) Landesverbandes ein räumlicher Bezug zum (jeweiligen) Landesverband her und beinhalte nicht nur die Fähigkeiten und Dienststellung, sondern auch die örtliche und persönliche Zumutbarkeit. Die Ansicht der Beklagten, die Zumutbarkeit eines Unterbringungsangebotes sei nicht Voraussetzung für die Beendigungsfolge nach § 164 Abs. 4 SGB V sei im Hinblick auf den eindeutigen Gesetzeswortlaut unrichtig. Soweit sie meine, § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V diene dem Schutz des Gesundheitssystems und der Versichertengemeinschaft vor anfallenden Kosten und es bestehe die Gefahr eines Domino-Effekts, seien diese Ausführungen völlig unsubstantiiert und unzutreffend und fänden in der gesetzlichen Regelung keine Grundlage. Es handle sich lediglich um unkonkrete Mutmaßungen. Es sei nicht erforderlich und damit unverhältnismäßig, bestehende tarifliche oder gesetzliche Kündigungsbeschränkungen nicht zu beachten. Der einzelne Beschäftigte habe gegenüber einer Schließungsentscheidung des Bundesversicherungsamtes keinen hinreichenden Rechtsschutz. Auch bei Beachtung des weiten Gestaltungsfreiraumes des Gesetzgebers sei es nicht gerechtfertigt, in die Tarifautonomie und die gesetzlichen Regelungen zur Beendigung von Arbeitsverhältnissen der Gestalt einzugreifen, dass den Arbeitnehmern jeglicher Besitzstand genommen werde, wobei eine Gefährdung des Gesundheitsschutzes oder eines funktionierenden Gesundheitssystems bei Einhaltung der tariflichen und gesetzlichen Regelungen zur Beendigung kaum eintreten dürfte. Die Auffassung, dass mit Schließung der Beklagten als Körperschaft des öffentlichen Rechts ohnehin alle rechtlichen Verhältnisse zu ihr enden würden, sei schon deshalb falsch, weil nach § 155 Abs. 1 Satz 2 SGB V die geschlossene Krankenkasse insoweit als fortbestehend behandelt werde, bis die Geschäfte abgewickelt seien, soweit der Zweck der Abwicklung dies erfordere. Dem entsprechend verfolge die Beklagte auch die ihrerseits gegenüber deren Schuldnern bestehenden Ansprüche weiter. Gelte sie jedoch hinsichtlich ihrer eigenen Forderungen gegenüber Dritten als fortbestehend, sei nicht einleuchtend, wieso dies nicht auch für Arbeitsverhältnisse gelten solle. Hinsichtlich der Kündigung fehle jedenfalls die erforderliche Sozialauswahl mit der Folge der Unwirksamkeit.
In der mündlichen Verhandlung am 12.04.2012 erklärte die Prozessbevollmächtigte der Beklagten auf Nachfrage des Gerichts, Ausführungen zum Angebot eines anderweitigen Arbeitsplatzes hätten nicht erfolgen können, weil der Beklagten ein solches Angebot nicht vorliege. Die Angebote seien ihr vom Landesverband nicht mitgeteilt worden. Sie wisse aber, dass sämtliche unkündbaren Arbeitnehmer Angebote erhalten hätten, weil der Landesverband der Aufsichtsbehörde dies mitgeteilt habe. Ihrer Ansicht nach müsse die Klägerin zur Unzumutbarkeit vortragen und nicht die Beklagte zur Zumutbarkeit des Angebots. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin erklärte, es sei unstreitig, dass es ein Angebot gegeben habe. Es sei aber nicht Aufgabe der Klägerin, zu dessen Zumutbarkeit vorzutragen. Ihrer Ansicht nach sei das Angebot nicht zumutbar gewesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf die Schriftsätze der Beklagten und Berufungsklägerin vom 20.02.2012 (Bl. 377 bis 441 d. A.) und vom 10.04.2012 (Bl. 460 bis 462 d. A.), den Schriftsatz der Klägerin und Berufungsbeklagten vom 21.03.2012 (Bl. 450 bis 454 d. A.) und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 12.04.2012 (Bl. 458/ 459 d. A.) Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Die gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 2 c) ArbGG statthafte sowie gemäß §§ 66 Abs. 1 Satz 1, 2 und 5, 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegte, mit den Ausführungen zur von der arbeitsgerichtlichen Entscheidung abweichenden Auslegung der gesetzlichen Vorschriften zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses infolge der Schließung der Kasse und mit dem Hinweis auf das nach Ansicht der Beklagten dadurch gegebene Vorliegen einer Betriebsstilllegung sowie die Bezugnahme auf ihren erstinstanzlichen Vortrag auch hinsichtlich der Kündigung noch hinreichend begründete, und somit zulässige Berufung der Beklagten blieb in der Sache erfolglos.
Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht in vollem Umfang stattgegeben. Der Vortrag der Beklagten in der Berufungsinstanz führte nicht zu einem anderen Ergebnis.
I.
Die zulässige Klage ist insgesamt begründet.
1.
Das Arbeitsverhältnis der Klägerin endete nicht zum 30.06.2011. Das Arbeitsgericht hat mit zutreffender Begründung ausgeführt, dass die Voraussetzungen des für den Fall der Schließung einer Betriebskrankenkasse gesetzlich über die Verweisung in § 155 Abs. 4 Satz 9 SGB V geregelten Beendigungstatbestandes nach § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V nicht festgestellt werden konnten. Der Vortrag der Beklagten in der Berufungsinstanz vermochte daran nichts zu ändern.
1.1
Die Beklagte ist passivlegitimiert. Nach § 155 Abs. 1 Satz 2 SGB V gilt die Betriebskrankenkasse bis zur Abwicklung der Geschäfte als fortbestehend, soweit es der Zweck der Abwicklung erfordert. Dieser Zweck erfordert auch die Auseinandersetzung mit der Beendigung der Arbeitsverhältnisse infolge ihrer Schließung, wie bereits vom Arbeitsgericht zutreffend festgestellt.
1.2
In § 155 Abs. 4 Satz 9 SGB V ist bestimmt, dass die in § 164 Abs. 2 bis 4 SGB V für den Fall der Auflösung oder Schließung einer Innungskrankenkasse geregelten gesetzlichen Vorschriften für Betriebskrankenkassen entsprechend gelten mit der Maßgabe, dass § 164 Abs. 3 Satz 3 SGB V nur für Beschäftigte gilt, deren Arbeitsverhältnis nicht durch ordentliche Kündigung beendet werden kann. In entsprechender Anwendung dieser Vorschrift auf die Schließung einer Betriebskrankenkasse ist allen Beschäftigten, die nicht Dienstordnungsangestellte sind und deren Arbeitsverhältnis nicht durch ordentliche Kündigung beendet werden kann, bei dem Landesverband der Betriebskrankenkassen oder einer anderen Betriebskrankenkasse eine Stellung anzubieten, die ihnen unter Berücksichtigung ihrer Fähigkeiten und bisherigen Dienststellung zuzumuten ist. Des Weiteren ist bei entsprechender Anwendung von § 164 Abs. 3 Satz 4 SGB V jede Betriebskrankenkasse verpflichtet, Anstellungen nach Satz 3 anzubieten und die Angebote den Beschäftigten in geeigneter Form zugänglich zu machen. Wenn es sodann in § 164 Abs. 4 Satz 1 heißt, dass die Vertragsverhältnisse der Beschäftigten, die nicht nach Abs. 3 untergebracht werden, mit dem Tag der Auflösung oder Schließung enden, setzt dies nicht nur voraus, dass eine anderweitige Unterbringung nicht vorliegt, sondern auch, dass zuvor das gesetzlich vorgeschriebene Unterbringungsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt wurde, im Ergebnis aber nicht zur anderweitigen Weiterbeschäftigung den unkündbaren Beschäftigten der geschlossenen Betriebskrankenkasse geführt hat. Dies ergibt eine Auslegung der gesetzlichen Vorschriften.
1.3
Der einfach-gesetzlichen Auslegung von Gesetzen ist der Wortlaut der Vorschrift, der systematische Gesamtzusammenhang, die Entstehungsgeschichte und der Zweck, soweit er im Gesetz erkennbar Ausdruck gefunden hat, zugrunde zu legen (vgl. Urteile des BAG vom 15.11.2011 – 9 AZR 348/10 -, NZA 212, S. 323 ff. und vom 20.05.2008 – 9 AZR 219/07 -, NZA 2008, S. 1237 ff.).
Schon der Wortlaut von § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V, wonach es für die Beendigung der Arbeitsverhältnisse mit dem Tag der Schließung auf eine ausgebliebene Unterbringung der Beschäftigten nach Abs. 3 der Vorschrift ankommt, macht deutlich, dass nicht allein die Tatsache einer unterbliebenen Unterbringung der Beschäftigten, sondern auch die in Abs. 3 hierfür geregelten Maßgaben eingehalten sein müssen, damit es zur Beendigung der Vertragsverhältnisse im Zeitpunkt der Schließung kommt. Die Bezugnahme auf Absatz 3 zeigt, dass beide Absätze miteinander in einem systematischen Zusammenhang stehen. Wenn es in den für die Beschäftigten, die nicht Dienstordnungsangestellte sind, allein heranzuziehenden Sätzen 3 und 4 des Absatzes 3 sodann in entsprechender Anwendung auf die Betriebskrankenkassen heißt, dass diesen bei dem Landesverband der Betriebskrankenkassen oder einer anderen Betriebskrankenkasse eine Stellung anzubieten ist, die ihnen unter Berücksichtigung ihrer Fähigkeiten und bisherigen Dienststellung zuzumuten ist, und dass die Betriebskrankenkassen verpflichtet sind, entsprechende Anstellungen anzubieten, lässt dies darauf schließen, dass regelmäßig derartige zumutbare Angebote vorangegangen sein müssen, um die in § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V bezeichnete Rechtsfolge der Beendigung der Arbeitsverhältnisse mit der Schließung auszulösen.
Die Entstehungsgeschichte der Vorschrift bestätigt diese Auslegung. In der Gesetzesbegründung des GKV-OrgVVG (BT-Drucks. 16/9559, S. 19), mit dem die Verweisungsnorm in § 155 Abs. 4 Satz 9 SGB V eingeführt wurde, heißt es dazu:
„Durch die entsprechende Anwendung des § 164 Abs. 2 bis 4 werden auch im Bereich der Betriebskrankenkassen die Beschäftigungsansprüche der Dienstordnungsangestellten (DO-Angestellten) und der übrigen Beschäftigten in unkündbaren Arbeitsverhältnissen insoweit gesichert, als ihnen bei den anderen Betriebskrankenkassen eine ihrer bisherigen Stelle entsprechende Stelle anzubieten ist. Die Rechtsposition wird hierdurch entsprechend den vorhandenen Regelungen für Orts- und Innungskrankenkassen gesichert, wie es als Folge von kassenübergreifenden Fusionen bereits in § 171 a SGB V geregelt ist.“
Die Gesetzesbegründung der gleich lautenden und deshalb auch vergleichbaren Vorgängerbestimmungen von § 164 Abs. 3 für die Innungskrankenkassen in § 173 Abs. 3 bis 5 SGB V a.F. (BT-Drucksache 11/2237, S. 212) lautet:
„Im Interesse des von der Auflösung oder Schließung einer Innungskrankenkasse betroffenen Personals wird vorgesehen, dass grundsätzlich sowohl den dienstordnungsmäßigen Angestellten als auch den übrigen Bediensteten der Krankenkasse die Weiterbeschäftigung entweder beim zuständigen Landesverband der Innungskrankenkassen oder bei einer anderen Innungskrankenkasse anzubieten ist. Die Übernahme der Beschäftigten soll zu denselben oder zumindest gleichwertigen Bedingungen erfolgen. Nur in den Fällen, in denen eine Weiterbeschäftigung nicht möglich ist, sollen die Vertragsverhältnisse enden.“
Die Gesetzesbegründung der gleich lautenden Vorgängerbestimmungen ist insoweit keineswegs unscharf formuliert, wie die Beklagte gemeint hat, sondern besagt klar und eindeutig, dass der Beendigung der Vertragsverhältnisse im Zeitpunkt der Schließung grundsätzlich ein zumutbares Weiterbeschäftigungsangebot beim Landesverband oder einer anderen Kasse vorangegangen sein muss, ohne dass es jedoch im Ergebnis zu einer anderweitigen Unterbringung gekommen ist. Wenn nach dieser Gesetzesbegründung nur im Falle der Unmöglichkeit einer Weiterbeschäftigung die Vertragsverhältnisse enden sollen, lässt dies allerdings offen, aus welchen Gründen eine Weiterbeschäftigung nicht möglich war und es deshalb letztlich nicht zu einer Unterbringung gekommen ist. Da grundsätzlich sämtlichen Beschäftigten, die nicht Dienstordnungsangestellte sind, zumutbare Angebote zu unterbreiten sind, wird das Ausbleiben einer Unterbringung in diesen Fällen regelmäßig daran liegen, dass diese von den jeweiligen Beschäftigten nicht angenommen wurden, wie das Arbeitsgericht daraus geschlossen hat. Sind die betroffenen Arbeitnehmer mit einem zumutbaren Angebot nicht einverstanden, ist eine diesem entsprechende Weiterbeschäftigung unmöglich. Denkbar ist nach der Gesetzesbegründung jedoch auch, dass im ausnahmsweisen Einzelfall die anderweitige Unterbringung daran scheitert, dass im Rahmen des zwingend durchzuführenden Unterbringungsverfahrens weder beim Landesverband noch bei einer anderen Kasse zumutbare Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten gefunden wurden, die den jeweiligen Beschäftigten angeboten werden konnten. Auch in einem solchen Fall wäre eine anderweitige Weiterbeschäftigung im Sinne der Gesetzesbegründung „nicht möglich“.
Aus dieser Entstehungsgeschichte ist zudem der Zweck der Regelungen in § 164 Abs. 3 und 4 SGB V erkennbar, den von der Schließung betroffenen unkündbaren Angestellten im Regelfall zur Sicherung ihrer Beschäftigungsansprüche eine Weiterbeschäftigung zu gleichen oder zumindest gleichwertigen Arbeitsbedingungen zu ermöglichen, um die Folge der Beendigung ihrer Arbeitsverhältnisse im Zeitpunkt der Schließung möglichst zu vermeiden. Dieser Gesetzeszweck, der in den gesetzlichen Regelungen mit dem Erfordernis entsprechender Angebote und der Verpflichtung des Landesverbandes bzw. der anderen Betriebskrankenkassen zu deren Unterbreitung entsprechenden Ausdruck gefunden hat, ist auch bei der Auslegung der Beendigungsnorm des § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V zu beachten, da diese Vorschrift nur auf die Vertragsverhältnisse derjenigen Beschäftigten zur Anwendung kommen soll, die nicht nach Abs. 3 untergebracht werden.
Dies steht der Rechtsauffassung der Beklagten entgegen, dass § 164 Abs. 4 Satz 1 SBG V allein dem Schutz des Gesundheitssystems und der Versichertengemeinschaft diene und dass mit der Vorschrift allein der Gefahr eines „Domino-Effekts“, der Schließung einer Kasse nach der anderen aufgrund einer stetigen Steigerung der Verbindlichkeiten bei einer immer kleiner werdenden Haftungsgemeinschaft, begegnet werden solle, indem die Beendigung aller Arbeitsverhältnisse mit dem Schließungszeitpunkt angeordnet werde. Wenn § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V die Maßgaben von § 164 Abs. 3 SGB V ausdrücklich in Bezug nimmt, dient die Vorschrift jedenfalls auch dem Interesse des von Auflösung oder Schließung betroffenen Personals an einer zumutbaren anderweitigen Weiterbeschäftigung und der Sicherung der Weiterbeschäftigungsansprüche der von der Schließung der Kasse betroffenen unkündbaren Arbeitnehmer. Nur wenn von den Betroffenen zumutbare anderweitige Beschäftigungsangebote nicht angenommen wurden oder wenn im Ausnahmefall das Unterbringungsverfahren trotz ausreichender Bemühungen wegen fehlender zumutbarer Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten beim Landesverband oder einer anderen Betriebskrankenkasse ohne Ergebnis blieb, soll es vielmehr zur Beendigung der Vertragsverhältnisse der unkündbaren Beschäftigten kommen und rückt dann der mit der Vorschrift ebenfalls bezweckte Schutz des Gesundheitssystems und der Versichertengemeinschaft vor finanzieller Überforderung durch Verpflichtungen aus infolge des Fehlens von Beschäftigungsmöglichkeiten ggf. sinnlos gewordenen Arbeitsverhältnissen der unkündbaren Arbeitnehmer in den Vordergrund.
Führt somit bereits die einfach-gesetzliche Auslegung zu dem Ergebnis, dass eine Beendigung der Arbeitsverhältnisse der unkündbaren Arbeitnehmer eine letztlich erfolglose ordnungsgemäße Durchführung des Unterbringungsverfahrens nach § 164 Abs. 3 Satz 3 SGB V voraussetzt, so entspricht dieses Ergebnis auch der verfassungsrechtlich gebotenen Verhältnismäßigkeit des schwerwiegenden gesetzlichen Eingriffs in das Grundrecht der Berufsfreiheit der von der Schließung der Kasse betroffenen unkündbaren Arbeitnehmer aus Art 12 Abs. 1 GG zur Abwehr von Gefahren für das wichtige Gemeinschaftsgut eines bezahlbaren und funktionierenden sozialen Krankenversicherungssystems (zum Erfordernis der Verhältnismäßigkeit vgl. Urteil des BVerfG vom 24.04.1991 – 1 BvR 1341/90 -, EzA Art. 13 Einigungsvertrag Nr. 1). Indem mit dem zwingend angeordneten Unterbringungsverfahren den betroffenen Arbeitnehmern grundsätzlich die Möglichkeit der Weiterbeschäftigung beim Landesverband oder einer anderen Betriebskrankenkasse zu gleichen oder zumindest gleichwertigen Arbeitsbedingungen eröffnet wird, erfolgt jedenfalls dann, wenn sie dieses Angebot annehmen, ein angemessener Ausgleich dieses Eingriffes durch die Sicherung ihres Lebensunterhalts mit dieser anderweitigen zumutbaren Weiterbeschäftigung. Hingegen wäre der Eingriff in die Berufsfreiheit ohne jegliche gesetzlich vorgesehene Kompensation im Sinne der von der Beklagten vertretenen „tabula-rasa-Lösung“ trotz des weiten Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers zwar ebenfalls zur Gefahrenabwehr für das System des gesetzlichen Krankenversicherungsschutzes geeignet, jedoch im Hinblick auf zumutbare Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten im Verbund der Betriebskrankenkassen bereits nicht erforderlich. Es war nicht erkennbar, weshalb gerade durch das gesetzlich angeordnete Unterbringungsverfahren der von der Beklagten befürchtete „Domino-Effekt“ eintreten könnte, zumal die Kassen, die von der Schließung betroffene Arbeitnehmer weiterbeschäftigen, für deren Bezahlung im Gegenzug die von diesen zu erbringenden Arbeitsleistungen erhalten. Jedenfalls aber wäre eine solche Lösung nicht angemessen, da in diesem Fall im Gesetz selbst weder eine ansatzweise Sicherung der Beschäftigungsansprüche der betroffenen Arbeitnehmer noch eine anderweitige Kompensation für den schwerwiegenden Eingriff in ihre Berufsfreiheit enthalten wäre.
Soweit die Beklagte gemeint hat, in der Konsequenz der Ansicht des Arbeitsgerichts wäre § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V auf ordentlich kündbare Beschäftigte nicht anwendbar, was krass wertungswidersprüchlich sei und in eklatantem Widerspruch zum Wortlaut der Verweisungsnorm in § 155 Abs. 4 Satz 9 SGB V stehe, war diese Argumentation nicht überzeugend. Auch wenn man ihrer Prämisse folgte, dass in der Konsequenz dieser, nunmehr auch vom Landesarbeitsgericht vertretenen Rechtsauffassung, § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V auf ordentlich kündbare Beschäftigte überhaupt nicht anwendbar wäre, führte ein darin möglicherweise vorliegender Wertungswiderspruch, nämlich die Benachteiligung der unkündbaren Arbeitnehmer nur dazu, dass auch deren Arbeitsverhältnisse nicht kraft Gesetzes beendet würden, was indes im vorliegenden Fall im Ergebnis ohnehin nicht entscheidungserheblich wäre. Der Widerspruch zum Wortlaut der Verweisungsnorm des § 155 Abs. 4 Satz 9 SGB V wäre schon deshalb nicht erheblich, weil bereits eine einfach-gesetzliche Auslegung dieser Vorschrift ergeben könnte, dass sie für ordentlich kündbare Arbeitnehmer nicht zur Anwendung kommt (vgl. Urteil des ArbG Düsseldorf vom 12.01.2012 – 4 Ca 5507/11 –, zitiert nach juris-Datenbank). Auf die Wortlautgrenze einer verfassungskonformen Auslegung (vgl. Beschluss des BVerfG vom 15.09.2011 - BvR 2232/10 -, zitiert nach juris-Datenbank) käme es insoweit nicht mehr an.
1.4
Darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass die Voraussetzungen von § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V vorliegen, ist nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen der Arbeitgeber, wenn er sich auf das Eingreifen dieser Rechtsvorschrift zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses beruft. Er muss deshalb grundsätzlich auch darlegen und im Bestreitensfalle beweisen, dass und welches anderweitige Beschäftigungsangebot dem von der Schließung der Kasse betroffenen Arbeitnehmer bei dem Landesverband bzw. einer anderen Betriebskrankenkasse unterbreitet wurde, das dieser ausgeschlagen hat, bzw. dass im Ausnahmefall ein solches Angebot nicht unterbreitet werden konnte, weil weder beim Landesverband noch bei anderen Betriebskrankenkassen zumutbare Beschäftigungsmöglichkeiten existierten. Der Arbeitnehmer muss sodann erst im Rahmen der ihm obliegenden sekundären Darlegungslast vortragen, aufgrund welcher Tatsachen ein ihm ggf. unterbreitetes Angebot nicht zumutbar war bzw. entgegen der ggf. vorgetragenen Behauptungen des Arbeitgebers anderweitige Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten beim Landesverband oder anderen Betriebskrankenkassen existierten. Derartige Darlegungen sind dem Arbeitnehmer auch hinsichtlich evtl. bestehender anderweitiger Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten möglich, weil ihm nach § 164 Abs. 3 Satz 4 2. Halbsatz SGB V die Angebote des Landesverbandes bzw. der anderen Kassen in geeigneter Form zugänglich zu machen sind.
Im vorliegenden Fall war unstreitig, dass die ordentlich unkündbare Klägerin ein ihr unterbreitetes anderweitiges Beschäftigungsangebot ausgeschlagen hat. Die Klägerin hat zuletzt auch vorgetragen, dass sie dieses Angebot für unzumutbar hielt. Zu weitergehenden Darlegungen war die Klägerin nicht verpflichtet, da die Beklagte entgegen der ihr obliegenden Darlegungslast, auf die sie mit der Auflage des Arbeitsgerichts im Beschluss vom 29.08.2011 und nochmals in dem angefochtenen Urteil ausdrücklich hingewiesen wurde, auch in der Berufungsinstanz nicht vorgetragen hat, welches Angebot zur Weiterbeschäftigung der Klägerin von dem Landesverband der Betriebskrankenkassen bzw. einer anderen Betriebskrankenkasse zuvor unterbreitet wurde.
Derartige Darlegungen waren der Beklagten im vorliegenden Fall auch möglich, weil die Satzung des BKK-Landesverbandes Baden-Württemberg, in § 2 Abs. 2 Nr. 1 vorsieht, dass der Landesverband die Mitgliedskassen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben unterstützt, insbesondere durch Beratung und Unterrichtung unterstützt und die Mitgliedskassen nach § 3 Abs. 1 dieser Satzung Anspruch auf Beratung und Unterstützung haben. Der Landesverband musste der Beklagten daher in Erfüllung seiner satzungsgemäßen Aufgaben auf Anfrage die entsprechenden Auskünfte erteilen. Die Beklagte hat indes nicht einmal vorgetragen, dass sie sich beim Landesverband um entsprechende Auskünfte bemüht hätte, sondern lediglich darauf hingewiesen, dass nicht sie selbst, sondern der Landesverband die entsprechenden Angebote unterbreitet habe.
Allein ihr pauschaler Vortrag, es habe sich um ein zumutbares Angebot gehandelt, reichte als bloße Rechtsbehauptung für die Erfüllung ihrer Primärdarlegungspflicht nicht aus und durfte von der Klägerin damit bestritten werden, dass sie ebenso pauschal angab, das Angebot sei ihrer Ansicht nach unzumutbar gewesen. Erst wenn die Beklagte den Inhalt des der Klägerin unterbreiteten Weiterbeschäftigungsangebots im Einzelnen dargelegt hätte, wäre die Klägerin im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast verpflichtet gewesen, ihrerseits im Detail Tatsachen vorzutragen, aus denen ggf. eine Unzumutbarkeit des ihr unterbreiteten Angebotes hergeleitet werden konnte. Die Beklagte hat auch nicht vorgetragen, dass es weder bei dem Landesverband noch bei einer anderen Betriebskrankenkasse zumutbare Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten gegeben hätte. Es war deshalb nicht feststellbar, dass die in § 164 Abs. 4 Satz 1 i. V. m. § 164 Abs. 3 Satz 3 SGB V bestimmte Voraussetzung eines zuvor erfolgten ordnungsgemäßen Unterbringungsverfahrens für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Tag der Schließung der Kasse vorlag.
Welche Kriterien für die Zumutbarkeit eines Beschäftigungsangebots heranzuziehen wären, war deshalb nicht mehr zu prüfen. Insoweit wird lediglich darauf hingewiesen, dass die Ansicht der Beklagten, die Kriterien der Zumutbarkeit eines Unterbringungsangebots seien äußerst fraglich, weil es gesetzliche Vorgaben hierzu nicht gebe, indes ohnehin bereits unzutreffend ist, da in § 164 Abs. 3 Satz 3 SGB V ausdrücklich bestimmt ist, dass den Beschäftigten eine Stellung anzubieten ist, die ihnen unter Berücksichtigung ihrer Fähigkeiten und bisherigen Dienststellung zuzumuten ist. Zudem ist der Gesetzesbegründung der Vorgängerbestimmung in § 173 Abs. 3 bis 5 SGB V a.F. zu entnehmen, dass die Übernahme der Beschäftigten zu denselben oder zumindest gleichwertigen Bedingungen erfolgen soll. Ob darüber hinaus weitere Kriterien, etwa räumliche oder andere persönliche Kriterien zu berücksichtigen wären, bedurfte jedenfalls im vorliegenden Fall keiner Entscheidung mehr.
1.5
Das Arbeitsverhältnis der Klägerin endete schließlich auch nicht deshalb am 30.06.2011, weil die Existenz der C. BKK als Körperschaft des öffentlichen Rechts mit ihrer Schließung endete und der Klägerin deshalb ihr Arbeitgeber zu diesem Zeitpunkt schlicht abhanden gekommen wäre, wie die Beklagte gemeint hat. Vielmehr gilt die Beklagte nach § 155 Abs. 1 Satz 2 SGB V bis die Geschäfte abgewickelt sind als fortbestehend, soweit es der Zweck der Abwicklung erfordert. Für die zu diesem Zweck erforderlichen Arbeiten wurde seit dem 01.07.2011 u. a. auch die Klägerin als Teamleiterin eingesetzt, die diese Arbeiten nunmehr sogar bis zum 31.12.2012 fortsetzen soll.
2.
Auch die außerordentliche Kündigung vom 19.5.2011 mit sozialer Auslauffrist zum 30.06.2011, vorsorglich zum 31.12.2011, die die Klägerin fristwahrend mit ihrer am 03.06.2011 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage angegriffen hat, hat das Arbeitsverhältnis nicht beendet.
Es konnte dahinstehen, ob die auch insoweit nach § 155 Abs. 1 Satz 2 SGB V passivlegitimierte Beklagte im Hinblick auf die vorliegende Unkündbarkeit der Klägerin nach § 20 Abs. 1 MTV überhaupt zu einer ausnahmsweisen außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung mit sozialer Auslauffrist berechtigt gewesen wäre.
Die Wirksamkeit einer solchen Kündigung scheiterte jedenfalls bereits am Fehlen dringender betrieblicher Erfordernisse. Soweit die Beklagte sich hierzu zweitinstanzlich allein auf die Schließung zum 30.06.2011 berufen und gemeint hat, darin liege eine Betriebsstilllegung, wie sie umfassender nicht sein könne, wurde sie bereits vom Arbeitsgericht darauf hingewiesen, dass die zum 30.06.2011 geschlossene Kasse nach § 155 Abs. 1 Satz 2 SGB V als fortbestehend gilt, soweit es der Zweck der Abwicklung erfordert. Dass der Arbeitsplatz der Klägerin durch die Schließung nicht weggefallen ist, zeigt sich bereits an ihrer seit dem 01.07.2011 erfolgten Weiterbeschäftigung mit Arbeiten zur Abwicklung der geschlossenen BKK. Da diese schon laut Arbeitsvertrag vom 23.06.2011 über den 31.12.2012 hinaus bis zum 30.06.2012 fortgesetzt werden sollten, war das Beschäftigungsbedürfnis für die Klägerin somit weder zum 30.06.2011 noch zum 31.12.2011 entfallen. Auf die unterbliebene Sozialauswahl und die ordnungsgemäße Beteiligung des Personalrats kam es deshalb nicht mehr an.
3.
Aus diesen Gründen war die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
III.
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der hier vorgenommenen Auslegung der gesetzlichen Vorschriften für eine Vielzahl weiterer Streitfälle zuzulassen.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil kann von der Beklagten bei dem
Bundesarbeitsgericht,
Hugo-Preuß-Platz 1, 99084 Erfurt
(Postadresse: 99113 Erfurt),
Revision eingelegt werden.
Die Revision muss innerhalb
einer Notfrist von einem Monat
schriftlich beim Bundesarbeitsgericht eingelegt werden.
Sie ist gleichzeitig oder innerhalb
einer Frist von zwei Monaten
schriftlich zu begründen.
Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgesetzten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
Die Revisionsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Revision gerichtet wird und die Erklärung enthalten, dass gegen dieses Urteil Revision eingelegt werde.
Die Revisionsschrift und die Revisionsbegründung müssen von einem Prozessbevollmächtigten unterzeichnet sein. Als solche sind außer Rechtsanwälten nur folgende Stellen zugelassen, die zudem durch Personen mit Befähigung zum Richteramt handeln müssen:
• Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
• juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der vorgenannten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Für die Klägerin ist kein Rechtsmittel gegeben.
Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde gem. § 72 a ArbGG wird hingewiesen.
Der Schriftform wird auch durch Einreichung eines elektronischen Dokuments i. S. d. § 46 c ArbGG genügt. Nähere Informationen dazu finden sich auf der Internetseite des Bundesarbeitsgerichts unter www.bundesarbeitsgericht.de.
Hinweis der Geschäftsstelle
Das Bundesarbeitsgericht bittet, sämtliche Schriftsätze in siebenfacher Ausfertigung einzureichen.
M.
Sch.
S.
Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:
Dr. Martin Hensche Rechtsanwalt Fachanwalt für Arbeitsrecht Kontakt: 030 / 26 39 620 hensche@hensche.de | |
Christoph Hildebrandt Rechtsanwalt Fachanwalt für Arbeitsrecht Kontakt: 030 / 26 39 620 hildebrandt@hensche.de | |
Nina Wesemann Rechtsanwältin Fachanwältin für Arbeitsrecht Kontakt: 040 / 69 20 68 04 wesemann@hensche.de |