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BAG, Ur­teil vom 24.01.2013, 8 AZR 429/11

   
Schlagworte: Diskriminierung: Alter, Diskriminierung: Bewerbung
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 8 AZR 429/11
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 24.01.2013
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 20.5.2010 - 59 Ca 19262/09
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14.1.2011 - 9 Sa 1771/10
   


BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT


8 AZR 429/11
9 Sa 1771/10
Lan­des­ar­beits­ge­richt

Ber­lin-Bran­den­burg

 

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am

24. Ja­nu­ar 2013

UR­TEIL

Schie­ge, Ur­kunds­be­am­ter

der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen

KIäger, Be­ru­fungskläger und Re­vi­si­onskläger,

pp.

Be­klag­te, Be­ru­fungs­be­klag­te und Re­vi­si­ons­be­klag­te,

hat der Ach­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 24. Ja­nu­ar 2013 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Hauck, die Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Böck und Brein­lin­ger so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Dr. Bloe­sin­ger und Soost für Recht er­kannt:
 


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1. Die Re­vi­si­on des Klägers wird als un­zulässig ver­wor­fen, so­weit sie sich ge­gen die Zurück­wei­sung der Be­ru­fung hin­sicht­lich des Un­ter­las­sungs­an­trags wen­det.


2. Im Übri­gen wir die Sa­che auf die Re­vi­si­on des Klägers zur neu­en Ver­hand­lung und Ent­schei­dung - auch über die Kos­ten des Re­vi­si­ons­ver­fah­rens - an das Lan­des­ar­beits­ge­richt zurück­ver­wie­sen.


Von Rechts we­gen!

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten über ei­ne Entschädi­gung we­gen ei­ner un­zulässi­gen Dis­kri­mi­nie­rung und ei­nen An­spruch auf Un­ter­las­sung von Be­nach­tei­li­gun­gen.


Die Be­klag­te be­treibt als Körper­schaft des öffent­li­chen Rechts ei­ne Kli­nik.
 

Vom 7. April bis 29. April 2009 ließ die Be­klag­te in Zei­tun­gen Stel­len­an­zei­gen veröffent­li­chen, in de­nen es ua. heißt:

„Die C hat in den kom­men­den Jah­ren ei­nen re­le­van­ten Be­darf an Nach­wuchsführungs­kräften. Um die­sen zu de­cken, gibt es ein spe­zi­el­les Pro­gramm für Hoch­schul­ab-sol­ven­ten/Young Pro­fes­sio­nells:

Trainee-Pro­gramm an der C (‚Ctrain’)

Kon­zept:

- Ein Trainee­pro­gramm ist ein Pro­gramm für Hoch­schul­ab­sol­ven­ten. ...
- Da­bei sol­len jähr­lich zunächst zwei Hoch­schul­ab­sol­ven­ten re­kru­tiert und dem Pro­gramm ‚Ctrain’ zu­geführt wer­den. Da es sich per de­fi­ni­tio­nem um Be­rufs­anfänger han­delt, ste­hen ne­ben den er­wor­be­nen Fähig­kei­ten vor al­lem die persönli­chen Ei­gen­schaf­ten im Mit­tel­punkt. Er­fah­rungs­wis­sen wird nicht ge­for­dert.
...
 


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Ihr Pro­fil:


- ab­ge­schlos­se­nes Hoch­schul­stu­di­um vor­zugs­wei­se der Me­di­zin, Wirt­schafts­wis­sen­schaf­ten, Ju­ra oder Na­tur­wis­sen­schaf­ten

...

Die C trifft ih­re Per­so­nal­ent­schei­dung nach Eig­nung, Befähi­gung und fach­li­cher Leis­tung. Bei glei­cher Eig­nung be­vor­zu­gen wir schwer be­hin­der­te Men­schen. Außer­dem stre­ben wir ei­ne Erhöhung des An­teils von Frau­en an und for­dern Frau­en nach­drück­lich auf, sich zu be­wer­ben. Bei gleich­wer­ti­ger Qua­li­fi­ka­ti­on wer­den Frau­en im Rah­men der recht­li­chen Möglich­kei­ten vor­ran­gig berück­sich­tigt.“

Der da­mals 36 Jah­re al­te Kläger, ein Voll­ju­rist mit ei­nem be­frie­di­gen­den ers­ten und ei­nem aus­rei­chen­den zwei­ten Staats­ex­amen und Be­rufs­er­fah­rung bei ei­ner Rechts­schutz­ver­si­che­rung als Lei­ter ei­ner fünfköpfi­gen Ju­ris­ten­grup­pe war zur Zeit der Stel­len­aus­schrei­bung als Rechts­an­walt tätig. Er be­warb sich mit Schrei­ben vom 11. April 2009 auf die aus­ge­schrie­be­nen Stel­len. Es be­war­ben sich ins­ge­samt 310 Per­so­nen, dar­un­ter 207 Be­wer­be­rin­nen und 103 Be­wer­ber. Männ­li­che und weib­li­che Be­wer­ber wur­den bei der Be­klag­ten in ge­trenn­ten Lis­ten geführt. 29 Be­wer­ber, dar­un­ter 18 Frau­en, wur­den zu ei­nem As­sess­ment-Cen­ter ein­ge­la­den. Am En­de ent­schied sich die Be­klag­te für ei­ne Be­wer­be­rin und ei­nen Be­wer­ber.


Mit Schrei­ben vom 4. Ju­ni 2009 er­hielt der Kläger ei­ne Ab­sa­ge. Dar­auf­hin mach­te er am 2. Au­gust 2009 schrift­lich ei­nen Un­ter­las­sungs- und Entschädi­gungs­an­spruch er­folg­los gel­tend. Mit sei­ner beim Ar­beits­ge­richt am 28. Ok­to­ber 2009 ein­ge­gan­ge­nen Kla­ge ver­folgt er sei­ne Ansprüche wei­ter.


Der Kläger ver­tritt die Auf­fas­sung, er sei we­gen sei­nes Ge­schlechts und sei­nes Al­ters dis­kri­mi­niert wor­den. Ei­ne Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Ge­schlechts sei we­gen der nicht ge­schlechts­neu­tra­len Stel­len­aus­schrei­bung zu ver­mu­ten, da der Wort­laut in der Aus­schrei­bung über das Ber­li­ner Lan­des­gleich­stel­lungs­ge­setz (LGG Ber­lin) hin­aus­ge­he. Der Um­stand, dass die Be­klag­te ei­ne nach Ge­schlech­tern ge­trenn­te Be­wer­ber­lis­te geführt ha­be, spre­che dafür, dass es bei ih­rer Aus­wah­l­ent­schei­dung auf das Ge­schlecht an­ge­kom­men sei.
 


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Der Kläger meint wei­ter, dass er we­gen sei­nes Al­ters dis­kri­mi­niert wor­den sei. Die Be­klag­te ha­be ge­zielt nach Hoch­schul­ab­sol­ven­ten und „Young Pro­fes­sio­nells“ ge­sucht. Dies im­pli­zie­re ei­ne un­mit­tel­ba­re und nicht bloß mit­tel­ba­re Be­nach­tei­li­gung we­gen des Al­ters.


Ihm ste­he da­her ein Entschädi­gungs­an­spruch zu, wo­bei er von ei­ner geschätz­ten vor­aus­sicht­li­chen Vergütung von 3.500,00 Eu­ro aus­ge­he. Er meint, für die Stel­le von al­len Be­wer­bern am bes­ten qua­li­fi­ziert ge­we­sen zu sein. Er könne da­her als un­te­re Gren­ze drei Brut­to­mo­nats­gehälter an Entschädi­gung ver­lan­gen. Sch­ließlich meint er, dass der gel­tend ge­mach­te Un­ter­las­sungs­an­spruch aus uni­ons­recht­li­chen Gründen zulässig sei.

Der Kläger hat be­an­tragt, 

1. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, es bei Mei­dung ei­nes für je­den Fall der Zu­wi­der­hand­lung fälli­gen Ord­nungs­gel­des bis zu 250.000,00 Eu­ro, er­satz­wei­se Ord­nungs­haft von bis zu sechs Mo­na­ten, zu un­ter­las­sen, Stel­len­be­wer­ber im Aus­wahl­ver­fah­ren für ei­ne Stel­le we­gen des Al­ters und des Ge­schlechts zu be­nach­tei­li­gen


2. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an ihn ei­ne an­ge­mes­se­ne Entschädi­gung zu zah­len, de­ren Höhe in das Er­mes­sen des Ge­richts ge­stellt wird, die je­doch den Be­trag von 10.500,00 Eu­ro nicht un­ter­schrei­ten soll­te, nebst Zin­sen in Höhe von fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 18. Au­gust 2009.


Die Be­klag­te hat Kla­ge­ab­wei­sung be­an­tragt. 


Sie trägt vor, der Kläger sei we­der we­gen sei­nes Ge­schlechts noch sei­nes Al­ters be­nach­tei­ligt wor­den. Grund­la­ge für die Ent­schei­dung, wen sie aus dem Kreis der Be­wer­ber zu dem As­sess­ment-Cen­ter ein­ge­la­den ha­be, sei­en No­ten, dar­ge­leg­te Mo­ti­va­ti­on, außer­cur­ri­cu­la­res En­ga­ge­ment so­wie die äußere Form der Be­wer­bung ge­we­sen. Der Kläger sei nicht ein­ge­la­den wor­den, da des­sen No­ten deut­lich hin­ter de­nen an­de­rer Be­wer­ber zurück­ge­blie­ben sei­en. Sie ha­be nur die­je­ni­gen Be­wer­ber in Be­tracht ge­zo­gen, die gu­te oder sehr gu­te Ex­amens­no­ten auf­ge­wie­sen hätten. Die ei­gent­li­che Aus­wahl sei schließlich auf­grund der er­reich­ten Punk­te im As­sess­ment-Cen­ter, der münd­li­chen Präsen-
 


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ta­ti­on und des so­zia­len Ver­hal­tens der Be­wer­ber er­folgt. Sie ha­be sich bei dem Text der Aus­schrei­bung an die Vor­ga­ben des § 8 LGG Ber­lin ge­hal­ten. Sie hand­ha­be es na­he­zu im­mer so, Be­wer­ber nach Männern und Frau­en ge­trennt in Lis­ten zu er­fas­sen. Dies hin­de­re sie nicht, letzt­lich auf an­de­re Kri­te­ri­en, wie zB räum­li­cher Ein­zugs­be­reich, Be­rufs­er­fah­rung etc. ab­zu­stel­len.


Auch sei der Kläger nicht we­gen sei­nes Al­ters in un­zulässi­ger Wei­se be­nach­tei­ligt wor­den. Al­len­falls lie­ge ei­ne mit­tel­ba­re Be­nach­tei­li­gung vor, da sich das Trainee­pro­gramm an Hoch­schul­ab­sol­ven­ten rich­te und es sich bei die­sen ty­pi­scher­wei­se um jünge­re Men­schen han­de­le. Sie ver­fol­ge aber le­gi­ti­me und verhält­nismäßige Zwe­cke. Im Trainee­pro­gramm soll­ten ers­te Er­fah­run­gen in der Pra­xis, hier in der Führungs­ebe­ne ei­nes Kran­ken­hau­ses, ge­sam­melt wer­den. Dies sei bei ei­nem Be­wer­ber mit mehrjähri­ger Be­rufs­er­fah­rung na­tur­gemäß nicht mehr der Fall. Sie wol­le sich Be­wer­ber in ih­rem Sin­ne erst „for­men“. Zu­dem könn­ten die Hoch­schul­ab­sol­ven­ten schnel­ler und ge­ziel­ter auf be­triebs­spe­zi­fi­sche Er­for­der­nis­se vor­be­rei­tet wer­den. Das Trainee­pro­gramm die­ne auch dem Be­rufs­ein­stieg jun­ger Hoch­schul­ab­sol­ven­ten, da an­dern­orts oft­mals Be­rufs­er­fah­rung als Ein­stel­lungs­kri­te­ri­um ver­langt wer­de. Sie meint, sich auf § 10 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 AGG als Recht­fer­ti­gungs­grund für ei­ne un­ter­schied­li­che Be­hand­lung stützen zu können.


Sch­ließlich be­zwei­felt die Be­klag­te, dass es sich um ei­ne ernst ge­mein­te Be­wer­bung des Klägers ge­han­delt ha­be. Die­ser sei auf­grund sei­ner Vor­er­fah­run­gen als Rechts­an­walt für die Stel­le über­qua­li­fi­ziert.


Das Ar­beits­ge­richt hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die Be­ru­fung des Klägers zurück­ge­wie­sen. Mit der vom Lan­des­ar­beits­ge­richt zu­ge­las­se­nen Re­vi­si­on ver­folgt der Kläger sei­nen Kla­ge­an­trag wei­ter, während die Be­klag­te die Zurück­wei­sung der Re­vi­si­on be­an­tragt.
 


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Ent­schei­dungs­gründe


Die Re­vi­si­on des Klägers ist zum Teil un­zulässig. So­weit sie zulässig ist, ist sie be­gründet.

A. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat sei­ne kla­ge­ab­wei­sen­de Ent­schei­dung im We­sent­li­chen wie folgt be­gründet: Die kläge­ri­sche Be­ru­fung sei un­zulässig, so­weit sich der Kläger ge­gen die Ab­wei­sung sei­nes Un­ter­las­sungs­an­trags wen­de. Er ha­be sich nicht hin­rei­chend mit der Ar­gu­men­ta­ti­on des Ar­beits­ge­richts, das in dem Un­ter­las­sungs­be­geh­ren ei­nen un­be­gründe­ten Glo­balan­trag ge­se­hen ha­be, aus­ein­an­der­ge­setzt. Der Kläger sei nicht we­gen sei­nes Ge­schlechts be­nach­tei­ligt wor­den. Es scha­de nicht, dass sich die Be­klag­te nicht ge­nau an den Wort­laut des § 8 LGG Ber­lin ge­hal­ten ha­be. Ei­ne durch die Aus­schrei­bung mögli­cher­wei­se be­ste­hen­de un­ter­schied­li­che Be­hand­lung von Männern und Frau­en sei je­den­falls durch § 5 AGG ge­deckt, da bei der Be­klag­ten auf der Ebe­ne von Führungs­po­si­tio­nen Frau­en un­ter­re­präsen­tiert sei­en. Des Wei­te­ren sei nicht er­sicht­lich, wes­halb aus dem Führen von nach Frau­en und Männern ge­trenn­ten Be­wer­ber­lis­ten ein In­diz für ei­ne ge­schlechts­spe­zi­fi­sche Be­nach­tei­li­gung her­ge­lei­tet wer­den könne. Der Kläger sei auch nicht we­gen sei­nes Al­ters be­nach­tei­ligt wor­den. Da­bei könne da­hin­ste­hen, ob aus der Stel­len­aus­schrei­bung, die sich an „Hoch­schul­ab­sol­ven­ten/Young Pro­fes­sio­nells“ rich­te, ei­ne mit­tel­ba­re oder ei­ne un­mit­tel­ba­re Be­nach­tei­li­gung we­gen des Al­ters her­zu­lei­ten sei. Ei­ne mögli­cher­wei­se be­ste­hen­de mit­tel­ba­re Be­nach­tei­li­gung sei durch sach­li­che Gründe ge­recht­fer­tigt. Der Schwer­punkt des Trainee­pro­gramms lie­ge auf der Aus­bil­dung. Die­ses glei­che mehr ei­nem Be­rufs­prak­ti­kum als ei­ner Be­rufstätig­keit. Ein sol­ches Pro­gramm rich­te sich auch übli­cher­wei­se an Hoch­schul­ab­sol­ven­ten und stel­le bei Ban­ken und Ver­si­che­run­gen so­gar den Re­gel­fall dar. Es wei­se auch ei­nen so­zia­len Be­zug auf, weil es den Ein­stieg von Be­rufs­anfängern in das Be­rufs­le­ben er­leich­tern hel­fe. Wenn man da­von aus­ge­he, dass ei­ne un­mit­tel­ba­re Be­nach­tei­li­gung we­gen des Al­ters vor­ge­le­gen ha­be, sei die­se nach § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG ge­recht­fer­tigt. Auch in­so­weit sei der Ar­beit­ge­ber be­rech­tigt, be­triebs- und un­ter­neh­mens-
 


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be­zo­ge­ne In­ter­es­sen, die nicht ge­setz­lich an­er­kannt sein müss­ten, in den Vor­der­grund zu stel­len. Das Pro­gramm die­ne da­zu, die Teil­neh­mer möglichst lang­fris­tig an das Un­ter­neh­men zu bin­den. Da auch ei­ne ab­so­lu­te Al­ters­gren­ze nicht be­ste­he, sei es an­ge­mes­sen, die Teil­nah­me des Pro­gramms auf Per­so­nen zu be­schränken, die am An­fang ih­res Be­rufs­le­bens stünden.


B. Die Ent­schei­dung des Lan­des­ar­beits­ge­richts hält ei­ner re­vi­si­ons­recht­li­chen Über­prüfung nur teil­wei­se stand.

I. Die Re­vi­si­on des Klägers ist un­zulässig, so­weit sie sich ge­gen die Zurück­wei­sung der Be­ru­fung hin­sicht­lich des Un­ter­las­sungs­an­trags wen­det. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat an­ge­nom­men, dass die Be­ru­fung des Klägers in­so­weit un­zulässig war, da sie sich mit der Be­gründung des Ar­beits­ge­richts nicht aus­rei­chend iSd. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO aus­ein­an­der­ge­setzt hat. Zwar hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt die Be­ru­fung nicht nach § 66 Abs. 2 Satz 2 ArbGG iVm. § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO als teil­wei­se un­zulässig ver­wor­fen, je­doch er­gibt sich aus den Ent­schei­dungs­gründen ein­deu­tig, dass es die Be­ru­fung in­so­weit als un­zulässig iSd. § 522 Abs. 1 ZPO be­trach­tet hat.

1. So­weit sich die Re­vi­si­on ge­gen die­sen Teil der Ent­schei­dung des Lan­des­ar­beits­ge­richts rich­tet, genügt sie nicht den ge­setz­li­chen Be­gründungs­an­for­de­run­gen. Nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO gehört zum not­wen­di­gen In­halt der Re­vi­si­ons­be­gründung die An­ga­be der Re­vi­si­ons­gründe. Bei ei­ner Sachrüge muss die Re­vi­si­ons­be­gründung gemäß § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a ZPO den Rechts­feh­ler des Lan­des­ar­beits­ge­richts so auf­zei­gen, dass Ge­gen­stand und Rich­tung des Re­vi­si­ons­an­griffs er­kenn­bar sind. Da­her muss die Re­vi­si­ons­be­gründung ei­ne Aus­ein­an­der­set­zung mit den Ur­teils­gründen des an­ge­foch­te­nen Ur­teils ent­hal­ten (st. Rspr., BAG 22. Ok­to­ber 2009 - 8 AZR 520/08 - Rn. 19, AP ZPO § 551 Nr. 67). Dies er­for­dert ei­ne kon­kre­te Dar­le­gung der Gründe, aus de­nen das an­ge­foch­te­ne Ur­teil nach Mei­nung des Re­vi­si­onsklägers feh­ler­haft ist. Da­durch soll si­cher­ge­stellt wer­den, dass der Pro­zess­be­vollmäch­tig­te des Re­vi­si­onsklägers das an­ge­foch­te­ne Ur­teil im Hin­blick auf das Rechts­mit­tel über­prüft und mit Blick­rich­tung auf die Rechts­la­ge ge­nau durch­denkt. Außer­dem soll die Re­vi­si­ons­be-



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gründung durch ih­re Kri­tik des an­ge­foch­te­nen Ur­teils zur rich­ti­gen Rechts­fin­dung durch das Re­vi­si­ons­ge­richt bei­tra­gen (BAG 22. Ok­to­ber 2009 - 8 AZR 520/08 - aaO). Die bloße Dar­stel­lung an­de­rer Rechts­an­sich­ten oh­ne je­de Aus­ein­an­der­set­zung mit den Gründen des Be­ru­fungs­ur­teils genügt nicht (BAG 28. Ja­nu­ar 2009 - 4 AZR 912/07 - Rn. 11, AP ZPO § 551 Nr. 66 = EzA ZPO 2002 § 551 Nr. 10). Hat das Be­ru­fungs­ge­richt über meh­re­re Streit­ge­genstände ent­schie­den, muss die Re­vi­si­on grundsätz­lich für je­den Teil des Kla­ge­be­geh­rens be­gründet wer­den (BAG 15. De­zem­ber 2011 - 8 AZR 197/11 - Rn. 25, AP BGB § 613a Nr. 423 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 130).


2. Die­sen An­for­de­run­gen wird die Re­vi­si­ons­be­gründung des Klägers nicht ge­recht. So­weit er rügt, das Ar­beits­ge­richt ha­be ver­kannt, dass das Uni­ons­recht ei­nen An­trag in der gel­tend ge­mach­ten Form er­for­de­re, liegt dar­in ei­ne Sachrüge. Der Kläger wie­der­holt sei­nen Stand­punkt, dass sein Un­ter­las­sungs­an­trag in der ge­stell­ten Form zulässig sei, weil nur dies ei­ne wirk­sa­me Um­set­zung des Uni­ons­rechts sei.
 

Da­mit ver­tei­digt er sei­nen An­trag aus ma­te­ri­ell-recht­li­chen Gründen. Der Kläger hätte sich aber im Ein­zel­nen da­mit aus­ein­an­der­set­zen müssen, wes­halb das Lan­des­ar­beits­ge­richt nach sei­ner An­sicht die Be­ru­fung bzgl. des Un­ter­las­sungs­an­trags nicht als un­zulässig hätte be­trach­ten dürfen. Er hätte al­so dar­le­gen müssen, wes­halb er ent­ge­gen der Mei­nung des Lan­des­ar­beits­ge­richts dem ge­setz­li­chen Be­gründungs­er­for­der­nis des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO genügt ha­be. Er hat sich mit die­sen ge­setz­li­chen Vor­ga­ben, we­gen de­ren Feh­lens das Lan­des­ar­beits­ge­richt die Be­ru­fung als un­zulässig be­trach­tet hat, nicht im Ein­zel­nen aus­ein­an­der­ge­setzt, son­dern im Kern sei­ne Rechts­auf­fas­sung aus den Vor­in­stan­zen zum Be­ste­hen ei­nes Un­ter­las­sungs­an­spruchs wie­der­holt und im Übri­gen das Be­ru­fungs­ur­teil le­dig­lich als „rechts­feh­ler­haft“ und die Ausführun­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts als „in­so­weit un­schlüssig“ be­zeich­net. Es reicht für ei­ne ord­nungs­gemäße Re­vi­si­ons­be­gründung aber nicht aus, die tatsächli­chen und/oder recht­li­chen Würdi­gun­gen des Be­ru­fungs­ge­richts mit for­mel­haf­ten Wen­dun­gen zu rügen oder das Vor­brin­gen aus den Vor­in­stan­zen zu wie­der­ho­len (vgl. zu den An­for­de­run­gen an ei­ne Be­ru­fungs­be-
 


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gründung: BAG 18. Mai 2011 - 4 AZR 552/09 - Rn. 14, AP ArbGG 1979 § 64 Nr. 45).

II. Im Übri­gen ist die Re­vi­si­on des Klägers be­gründet. Die Be­gründung, mit der das Lan­des­ar­beits­ge­richt den gel­tend ge­mach­ten Entschädi­gungs­an­spruch ab­ge­wie­sen hat, hält ei­ner re­vi­si­ons­recht­li­chen Über­prüfung nicht stand.

1. Der auf Zah­lung ei­ner Entschädi­gung ge­rich­te­te Kla­ge­an­trag ist zulässig, ins­be­son­de­re ist er hin­rei­chend be­stimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Der Kläger durf­te die Höhe der von ihm be­gehr­ten Entschädi­gung in das Er­mes­sen des Ge­richts stel­len. § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG räumt dem Ge­richt bei der Höhe der Entschädi­gung ei­nen Be­ur­tei­lungs­spiel­raum ein, wes­halb ei­ne Be­zif­fe­rung des Zah­lungs­an­trags nicht not­wen­dig ist. Er­for­der­lich ist al­lein, dass der Kläger Tat­sa­chen, die das Ge­richt bei der Be­stim­mung des Be­trags her­an­zie­hen soll, be­nennt und die Größen­ord­nung der gel­tend ge­mach­ten For­de­rung an­gibt (vgl. BAG 13. Ok­to­ber 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 16, EzA AGG § 15 Nr. 16). Die­se Vor­aus­set­zun­gen sind erfüllt. Der Kläger hat ei­nen Sach­ver­halt dar­ge­legt, der dem Ge­richt die Be­stim­mung ei­ner Entschädi­gung ermöglicht, und den Min­dest­be­trag der an­ge­mes­se­nen Entschädi­gung mit 10.500,00 Eu­ro be­zif­fert.


2. Ob die Kla­ge be­gründet ist und dem Kläger ein An­spruch auf ei­ne an­ge­mes­se­ne Entschädi­gung gemäß § 15 Abs. 2 AGG zu­steht, kann der Se­nat auf­grund der vom Lan­des­ar­beits­ge­richt ge­trof­fe­nen Fest­stel­lun­gen nicht ent­schei­den.


a) Der Kläger ist als Be­wer­ber „Beschäftig­ter“ nach § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG und fällt in den persönli­chen An­wen­dungs­be­reich des AGG. Da­bei spielt es kei­ne Rol­le, ob er für die aus­ge­schrie­be­ne Tätig­keit ob­jek­tiv ge­eig­net ist (BAG 13. Ok­to­ber 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 18, EzA AGG § 15 Nr. 16). Auch auf die sub­jek­ti­ve Ernst­haf­tig­keit der Be­wer­bung kommt es nicht an. Das Feh­len ei­ner sol­chen würde al­len­falls zum Ein­wand treu­wid­ri­gen Ver­hal­tens des Be­wer­bers führen (BAG 16. Fe­bru­ar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 24, EzA AGG § 15 Nr. 17).
 


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b) Die Be­klag­te ist als „Ar­beit­ge­be­rin“ pas­siv le­gi­ti­miert. Nach § 6 Abs. 2 Satz 1 AGG ist Ar­beit­ge­ber im Sin­ne des Ge­set­zes, wer „Per­so­nen nach Ab­satz 1“ des § 6 AGG „beschäftigt“. Ar­beit­ge­ber ei­nes Be­wer­bers ist al­so der, der um Be­wer­bun­gen für ein von ihm an­ge­streb­tes Beschäfti­gungs­verhält­nis ge­be­ten hat (BAG 13. Ok­to­ber 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 19, EzA AGG § 15 Nr. 16).

c) Der Entschädi­gungs­an­spruch ist recht­zei­tig gel­tend ge­macht wor­den. 


aa) Gemäß § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG muss ein An­spruch aus § 15 Abs. 2 AGG in­ner­halb ei­ner Frist von zwei Mo­na­ten schrift­lich gel­tend ge­macht wer-den. Im Fal­le ei­ner Be­wer­bung be­ginnt die Frist mit dem Zu­gang der Ab­leh­nung (§ 15 Abs. 4 Satz 2 AGG). Mit Schrei­ben vom 4. Ju­ni 2009 hat die Be­klag­te dem Kläger ei­ne Ab­sa­ge er­teilt. Die­ser hat am 2. Au­gust 2009 ei­nen Entschädi­gungs- und Un­ter­las­sungs­an­spruch schrift­lich gel­tend ge­macht. Man­gels an­der­wei­ti­gen Sach­vor­trags der Par­tei­en ist des­halb un­ter Zu­grun­de­le­gung der übli­chen Post­lauf­zei­ten da­von aus­zu­ge­hen, dass die Frist des § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG ge­wahrt ist.


bb) Der Kläger hat sei­nen Entschädi­gungs­an­spruch durch die beim Ar­beits­ge­richt am 28. Ok­to­ber 2009 ein­ge­gan­ge­ne Kla­ge in­ner­halb der drei­mo­na­ti­gen Kla­ge­er­he­bungs­frist des § 61b Abs. 1 ArbGG gel­tend ge­macht.

d) Vor­aus­set­zung für ei­nen Entschädi­gungs­an­spruch nach § 15 Abs. 2 AGG ist ein Ver­s­toß ge­gen das Be­nach­tei­li­gungs­ver­bot des § 7 AGG. § 15 Abs. 2 AGG enthält nur ei­ne Rechts­fol­gen­re­ge­lung, für die An­spruchs­vor­aus­set­zun­gen ist auf § 15 Abs. 1 AGG zurück­zu­grei­fen (BAG 16. Fe­bru­ar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 30, EzA AGG § 15 Nr. 17).


Im Streit­fal­le lie­gen In­di­zi­en vor, die ei­ne un­zulässi­ge Be­nach­tei­li­gung des Klägers we­gen des­sen Al­ters ver­mu­ten las­sen (§§ 1, 3 Abs. 1, § 7 Abs. 1, § 22 AGG).



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aa) Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt ei­ne un­mit­tel­ba­re Be­nach­tei­li­gung vor, wenn ein Beschäftig­ter we­gen ei­nes in § 1 AGG ge­nann­ten Grun­des - zu de­nen auch das Al­ter zählt - ei­ne we­ni­ger güns­ti­ge Be­hand­lung erfährt als ei­ne an­de­re Per­son in ei­ner ver­gleich­ba­ren Si­tua­ti­on erfährt, er­fah­ren hat oder er­fah­ren würde.

bb) Der Kläger er­fuhr ei­ne we­ni­ger güns­ti­ge Be­hand­lung als die Be­wer­ber, die zu ei­nem As­sess­ment-Cen­ter bei der Be­klag­ten ein­ge­la­den wur­den. Ein Nach­teil im Rah­men ei­ner Aus­wah­l­ent­schei­dung liegt auch dann vor, wenn der Be­wer­ber - wie hier der Kläger - nicht in die Aus­wahl ein­be­zo­gen, son­dern vor­ab in ei­nem Be­wer­bungs­ver­fah­ren aus­ge­schie­den wird. Die Be­nach­tei­li­gung liegt be­reits in der Ver­sa­gung ei­ner Chan­ce (st. Rspr., vgl. BAG 13. Ok­to­ber 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 24, EzA AGG § 15 Nr. 16).

cc) Das Vor­lie­gen ei­ner ver­gleich­ba­ren Si­tua­ti­on setzt vor­aus, dass der Kläger ob­jek­tiv für die aus­ge­schrie­be­ne Stel­le ge­eig­net war, denn ver­gleich­bar (nicht: gleich) ist die Aus­wahl­si­tua­ti­on nur für Ar­beit­neh­mer, die glei­cher­maßen die ob­jek­ti­ve Eig­nung für die zu be­set­zen­de Stel­le auf­wei­sen. Für das Vor­lie­gen ei­ner Be­nach­tei­li­gung ist es er­for­der­lich, dass ei­ne Per­son, die an sich für die Tätig­keit ge­eig­net wäre, nicht aus­gewählt oder schon nicht in Be­tracht ge­zo­gen wur­de. Könn­te auch ein ob­jek­tiv un­ge­eig­ne­ter Be­wer­ber im­ma­te­ri­el­le Entschädi­gung nach § 15 Abs. 2 AGG ver­lan­gen, stünde dies nicht im Ein­klang mit dem Schutz­zweck des AGG. Das AGG will vor un­ge­recht­fer­tig­ter Be­nach­tei­li­gung schützen, nicht ei­ne un­red­li­che Ge­sin­nung des (po­ten­ti­el­len) Ar­beit­ge­bers sank­tio­nie­ren. Die ob­jek­ti­ve Eig­nung ist kei­ne un­ge­schrie­be­ne Vor­aus­set­zung der Be­wer­be­rei­gen­schaft, son­dern Kri­te­ri­um der „ver­gleich­ba­ren Si­tua­ti­on“ iSd. § 3 Abs. 1 AGG (BAG 13. Ok­to­ber 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 26, EzA AGG § 15 Nr. 16).


Grundsätz­lich ist für die ob­jek­ti­ve Eig­nung nicht auf das for­mel­le An­for­de­rungs­pro­fil, wel­ches der Ar­beit­ge­ber er­stellt hat, ab­zu­stel­len, son­dern auf die An­for­de­run­gen, die der Ar­beit­ge­ber an ei­nen Stel­len­be­wer­ber stel­len durf­te. Der Ar­beit­ge­ber darf zwar grundsätz­lich über den der Stel­le zu­ge­ord­ne­ten Auf­ga­ben­be­reich und die dafür ge­for­der­ten Qua­li­fi­ka­tio­nen des Stel­len­in­ha­bers


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frei ent­schei­den, er darf aber nicht durch willkürlich gewähl­te An­for­de­run­gen den Schutz des AGG fak­tisch be­sei­ti­gen (vgl. BAG 7. April 2011 - 8 AZR 679/09 - Rn. 38, AP AGG § 15 Nr. 6 = EzA AGG § 15 Nr. 13). Der Ar­beit­ge­ber des öffent­li­chen Diens­tes ist ver­pflich­tet, für die zu be­set­zen­de Stel­le ein An­for­de­rungs­pro­fil fest­zu­le­gen und nach­voll­zieh­bar zu do­ku­men­tie­ren, weil nur so sei­ne Aus­wah­l­ent­schei­dung nach den Kri­te­ri­en der Bes­ten­aus­le­se ge­richt­lich über­prüft wer­den kann (BAG 7. April 2011 - 8 AZR 679/09 - Rn. 43, aaO). Dem Ar­beit­ge­ber des öffent­li­chen Diens­tes steht bei der An­wen­dung von Art. 33 Abs. 2 GG und da­mit auch bei der Fest­le­gung des An­for­de­rungs­pro­fils ein Be­ur­tei­lungs­spiel­raum zu, der nur ei­ne ein­ge­schränk­te ge­richt­li­che Kon­trol­le zulässt. Die Fest­le­gung des An­for­de­rungs­pro­fils muss aber dem Grund­satz der „Bes­ten­aus­le­se“ Rech­nung tra­gen und muss im Hin­blick auf die An­for­de­run­gen der zu be­set­zen­den Stel­le sach­lich nach­voll­zieh­bar sein (BAG 7. April 2011 - 8 AZR 679/09 - Rn. 45, aaO).


dd) Die Be­klag­te hat in ih­rer Stel­len­an­zei­ge Hoch­schul­ab­sol­ven­ten ge­sucht, um Führungs­kräfte in der Ver­wal­tung zu re­kru­tie­ren. Der Kläger verfügt über das ers­te und zwei­te ju­ris­ti­sche Staats­ex­amen und erfüllt da­her grundsätz­lich die von der Be­klag­ten ge­stell­ten An­for­de­run­gen. Ei­ne be­stimm­te Min­dest­no­te hat sie in dem Stel­len­pro­fil nicht ge­for­dert, ob­wohl sie da­zu grundsätz­lich be­rech­tigt ge­we­sen wäre (vgl. BAG 7. April 2011 - 8 AZR 679/09 - Rn. 48, AP AGG § 15 Nr. 6 = EzA AGG § 15 Nr. 13).


ee) Es lie­gen auch In­di­zi­en für die Ver­mu­tung vor, dass der Kläger „we­gen“ sei­nes Al­ters be­nach­tei­ligt wor­den ist.


Der Kau­sal­zu­sam­men­hang zwi­schen nach­tei­li­ger Be­hand­lung und Al­ter ist be­reits dann ge­ge­ben, wenn die Be­nach­tei­li­gung an das Al­ter an­knüpft oder durch die­ses mo­ti­viert ist. Da­bei ist es nicht er­for­der­lich, dass der be­tref­fen­de Grund das aus­sch­ließli­che Mo­tiv für das Han­deln des Be­nach­tei­li­gen­den ist. Aus­rei­chend ist viel­mehr, dass das verpönte Merk­mal Be­stand­teil ei­nes Mo­tivbündels ist, wel­ches die Ent­schei­dung be­ein­flusst hat. Auf ein schuld­haf­tes Han­deln oder gar ei­ne Be­nach­tei­li­gungs­ab­sicht kommt es nicht an (BAG 16. Fe­bru­ar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 42, EzA AGG § 15 Nr. 17).



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Hin­sicht­lich der Kau­sa­lität zwi­schen Nach­teil und dem verpönten Merk­mal ist in § 22 AGG ei­ne Be­weis­last­re­ge­lung ge­trof­fen, die sich auch auf die Dar­le­gungs­last aus­wirkt. Der Beschäftig­te genügt da­nach sei­ner Dar­le­gungs­last, wenn er In­di­zi­en vorträgt, die sei­ne Be­nach­tei­li­gung we­gen ei­nes ver­bo­te­nen Merk­mals ver­mu­ten las­sen. Dies ist der Fall, wenn die vor­ge­tra­ge­nen Tat­sa­chen aus ob­jek­ti­ver Sicht mit über­wie­gen­der Wahr­schein­lich­keit dar­auf schließen las­sen, dass die Be­nach­tei­li­gung we­gen die­ses Merk­mals er­folgt ist. Durch die Ver­wen­dung der Wörter „In­di­zi­en“ und „ver­mu­ten“ bringt das Ge­setz zum Aus­druck, dass es hin­sicht­lich der Kau­sa­lität zwi­schen ei­nem der in § 1 AGG ge­nann­ten Gründe und ei­ner ungüns­ti­ge­ren Be­hand­lung genügt, Hilfs­tat­sa­chen vor­zu­tra­gen, die zwar nicht zwin­gend den Schluss auf die Kau­sa­lität er­for­dern, die aber die An­nah­me recht­fer­ti­gen, dass Kau­sa­lität ge­ge­ben ist (BAG 27. Ja­nu­ar 2011 - 8 AZR 580/09 - Rn. 29, EzA AGG § 22 Nr. 3). Liegt ei­ne Ver­mu­tung für die Be­nach­tei­li­gung vor, trägt nach § 22 AGG die an­de­re Par­tei die Be­weis­last dafür, dass kein Ver­s­toß ge­gen die Be­stim­mun­gen zum Schutz vor Be­nach­tei­li­gung vor­ge­le­gen hat.


ff) Nach die­sen Grundsätzen ist ei­ne Be­nach­tei­li­gung des Klägers we­gen sei­nes Al­ters zu ver­mu­ten.


An­knüpfungs­punkt für die Ver­mu­tung ei­ner Be­nach­tei­li­gung we­gen des Al­ters ist im vor­lie­gen­den Fal­le der Text der Stel­len­aus­schrei­bung. Die­se enthält ne­ben den Be­wer­bungs­kri­te­ri­en „Hoch­schul­ab­sol­ven­ten“ und „Be­rufs­anfänger“ auch das Kri­te­ri­um „Young Pro­fes­sio­nells“. Letz­te­res kann mit „jun­ger Fach­mann/-frau“ über­setzt wer­den (vgl. Wah­rig Deut­sches Wörter­buch 8. Aufl. S. 1680). Da­mit hat die Be­klag­te di­rekt auf das Merk­mal „Al­ter“ ab­ge­stellt. Sie hat zum Aus­druck ge­bracht, dass es ihr nicht al­lein dar­um ging, Be­wer­ber, die ge­ra­de ih­ren Hoch­schul­ab­schluss ge­schafft ha­ben und dem­nach noch kei­ne oder we­nig Be­rufs­er­fah­rung auf­wei­sen, an­zu­spre­chen. Die­se Kri­te­ri­en mag et­wa auch der­je­ni­ge erfüllen, der un­gewöhn­lich lan­ge stu­diert und erst im vor­gerück­ten Al­ter sei­nen Ab­schluss ge­macht hat. Die­sen Be­wer­ber­kreis woll­te die Be­klag­te er­kenn­bar aber nicht an­spre­chen. Ne­ben feh­len­der Be­rufs­er­fah­rung soll­ten die Be­wer­ber viel­mehr auch noch „jung“ sein. Zwar ist der Be­griff
 


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„jung“ nicht ein­deu­tig zu de­fi­nie­ren (BAG 19. Au­gust 2010 - 8 AZR 530/09 - Rn. 59, AP AGG § 15 Nr. 5 = EzA AGG § 15 Nr. 10), je­doch bringt die Zu­sam­men­schau der Kri­te­ri­en „Hoch­schul­ab­sol­vent“ und „Be­rufs­anfänger“ so­wie „Young Pro­fes­sio­nells“ aus Sicht ei­nes ob­jek­ti­ven Le­sers des Stel­len­pro­fils die Er­war­tungs­hal­tung der Be­klag­ten zum Aus­druck, dass die Be­wer­ber nicht älter als 30, ma­xi­mal 35 Jah­re alt sein soll­ten. Auch die Be­klag­te geht da­von aus, dass sie mit der Stel­len­an­zei­ge vor­nehm­lich jünge­re Men­schen im Al­ters­durch­schnitt von 25 bis 30 Jah­ren an­ge­spro­chen hat.


Nach § 11 AGG darf ein Ar­beits­platz nicht un­ter Ver­s­toß ge­gen § 7 Abs. 1 AGG aus­ge­schrie­ben wer­den. Ei­ne Aus­schrei­bung verstößt ge­gen § 7 Abs. 1 AGG, wenn Men­schen, die ein in § 1 AGG ge­nann­tes Merk­mal auf­wei­sen, vom Kreis der für die zu be­set­zen­de Stel­le in Be­tracht kom­men­den Per­so­nen aus­ge­schlos­sen wer­den (BAG 19. Au­gust 2010 - 8 AZR 530/09 - Rn. 57, AP AGG § 15 Nr. 5 = EzA AGG § 15 Nr. 10). Die Ver­let­zung der Ver­pflich­tung, ei­nen Ar­beits­platz nicht un­ter Ver­s­toß ge­gen § 7 Abs. 1 AGG aus­zu­schrei­ben, kann die Ver­mu­tung be­gründen, die Be­nach­tei­li­gung sei we­gen des in der Aus­schrei­bung be­zeich­ne­ten ver­bo­te­nen Merk­mals er­folgt (vgl. BAG 19. Au­gust 2010 - 8 AZR 530/09 - Rn. 59, aaO).


gg) Nach der Stel­len­an­zei­ge wur­den „jun­ge“ Fach­leu­te bzw. Hoch­schul­ab­sol­ven­ten oh­ne Be­rufs­er­fah­rung ge­sucht. Mit die­ser Ein­schränkung wer­den sol­che Per­so­nen, die nicht mehr „jung“ sind, vom Kreis de­rer, die für die zu be­set­zen­de Stel­le in Be­tracht kom­men, aus­ge­schlos­sen. Da­bei ist es nicht ent­schei­dend, dass der Be­griff „jung“ nicht ein­deu­tig zu de­fi­nie­ren ist. Je­den­falls im Zu­sam­men­hang mit den an­de­ren ge­for­der­ten Kri­te­ri­en, nämlich „Hoch­schul­ab­sol­vent“ und „Be­rufs­anfänger“, wird deut­lich, dass es der Be­klag­ten um ei­ne Ziel­grup­pe von Aka­de­mi­kern von rund 30 Jah­ren ging. Der Kläger erfüll­te die­ses Kri­te­ri­um mit 36 Jah­ren nicht mehr.

hh) Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Lan­des­ar­beits­ge­richts ist nicht da­von aus­zu­ge­hen, dass die un­ter­schied­li­che Be­hand­lung we­gen des Al­ters nach § 10 Satz 1 AGG ge­recht­fer­tigt ist.



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§ 10 Satz 1 und Satz 2 AGG ge­stat­ten die un­ter­schied­li­che Be­hand­lung we­gen des Al­ters, wenn die­se ob­jek­tiv und an­ge­mes­sen und durch ein le­gi­ti­mes Ziel ge­recht­fer­tigt ist. Die Recht­fer­ti­gungs­gründe wer­den in § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG zunächst in Form ei­ner Ge­ne­ral­klau­sel um­schrie­ben. § 10 Satz 3 AGG zählt dann, wie sich aus dem Wort „ins­be­son­de­re“ er­gibt, Bei­spielsfälle auf, oh­ne dass es sich um ei­nen ab­sch­ließen­den Ka­ta­log han­delt (BAG 22. Ja­nu­ar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 40, BA­GE 129, 181 = AP AGG § 15 Nr. 1 = EzA AGG § 15 Nr. 1). Un­ter ei­nem „le­gi­ti­men Ziel“ iSv. § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG sind nicht nur im In­ter­es­se der All­ge­mein­heit lie­gen­de Zie­le zu ver­ste­hen, son­dern auch be­triebs- und un­ter­neh­mens­be­zo­ge­ne In­ter­es­sen, wo­bei es sich nicht um ge­setz­lich an­er­kann­te In­ter­es­sen han­deln muss (BAG 22. Ja­nu­ar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 53, aaO).


Die un­ter­schied­li­che Be­hand­lung muss „ob­jek­tiv“ ge­recht­fer­tigt sein. Es ist da­bei zu prüfen, ob das ver­folg­te In­ter­es­se auf tatsächli­chen und nach­voll-zieh­ba­ren Erwägun­gen be­ruht und ob die Un­gleich­be­hand­lung nicht nur auf­grund von bloßen Ver­mu­tun­gen oder sub­jek­ti­ven Einschätzun­gen vor­ge­nom­men wird. Sie muss fer­ner „an­ge­mes­sen“ sein. Dies er­for­dert ei­ne Verhält­nismäßig­keitsprüfung. Da­nach muss das ver­folg­te Ziel in ei­nem an­ge­mes­se­nen Verhält­nis zu der Un­gleich­be­hand­lung ste­hen. Dafür ist ei­ne Abwägung zwi­schen dem Schutz vor Un­gleich­be­hand­lung und dem ver­folg­ten Ziel vor­zu­neh­men. Die Un­gleich­be­hand­lung muss letzt­lich durch das ver­folg­te Ziel sach­lich ge­recht­fer­tigt sein. Nach § 10 Satz 2 AGG ist fer­ner zu prüfen, ob auch die ein­ge­setz­ten Mit­tel zur Er­rei­chung des Ziels verhält­nismäßig sind (BAG 22. Ja­nu­ar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 55, BA­GE 129, 181 = AP AGG § 15 Nr. 1 = EzA AGG § 15 Nr. 1).


Ge­mes­sen an die­sen An­for­de­run­gen hat die Be­klag­te kei­ne Recht­fer­ti­gung iSv. § 10 AGG dar­ge­legt.
 

Sie kann sich nicht mit Er­folg dar­auf be­ru­fen, dass sie mit dem An­for­de­rungs­pro­fil „jun­ge Be­rufs­anfänger“ ei­ne aus­ge­wo­ge­ne Al­ters­struk­tur an­stre­be, weil die Mit­ar­bei­ter in der Ver­wal­tung eher in vor­gerück­tem Al­ter stünden.
 


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Al­ler­dings kann die Si­che­rung ei­ner aus­ge­wo­ge­nen Al­ters­struk­tur grundsätz­lich als ein le­gi­ti­mes Ziel iSv. § 10 Satz 1 AGG an­ge­se­hen wer­den. Zu Al­ters­gren­zen ver­tritt der EuGH nach ge­fes­tig­ter Recht­spre­chung die Auf­fas­sung, dass ein „güns­ti­ger Al­ters­auf­bau“ so­gar aus Gründen der Beschäfti­gungs- und So­zi­al­po­li­tik ge­recht­fer­tigt sein könne. Denn es ge­he re­gelmäßig auch dar­um, zum Er­fah­rungs­aus­tausch zwi­schen Beschäftig­ten ver­schie­de­ner Ge­ne­ra­tio­nen bei­zu­tra­gen und die Ein­stel­lung jünge­rer Ar­beit­neh­mer zu ermögli­chen (vgl. EuGH 21. Ju­li 2011 - C-159/10 und C-160/10 - [Fuchs und Köhler] Rn. 49 f., AP Richt­li­nie 2000/78/EG Nr. 21 = EzA EG-Ver­trag 1999 Richt­li­nie 2000/78 Nr. 20). Auch der deut­sche Ge­setz­ge­ber hat in § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG beim Aus­spruch von be­triebs­be­ding­ten Kündi­gun­gen die Si­che­rung ei­ner aus­ge­wo­ge­nen Per­so­nal­struk­tur im Be­trieb grundsätz­lich als le­gi­ti­mes Ziel an­er­kannt (vgl. BAG 15. De­zem­ber 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 52 ff., AP KSchG 1969 § 1 Na­mens­lis­te Nr. 21 = EzA KSchG § 1 So­zia­le Aus­wahl Nr. 84). Al­ler­dings deckt die Vor­schrift nur die „Si­che­rung“, nicht aber ei­ne „Verände­rung“ der Per­so­nal­struk­tur ab. Wenn, wie hier, der Ar­beit­ge­ber ei­nem dro­hen­den Übe­r­al­te­rungs­pro­zess in sei­ner Be­leg­schaft ent­ge­gen­wir­ken will, in­dem er nur noch jünge­re Ar­beit­neh­mer ein­stellt, lässt sich dies je­den­falls nicht mit dem Rechts­ge­dan­ken aus § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG be­gründen (vgl. BAG 22. Ja­nu­ar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 57, BA­GE 129, 181 = AP AGG § 15 Nr. 1 = EzA AGG § 15 Nr. 1).
 

Ob es ein le­gi­ti­mes Ziel iSv. § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG sein kann, wenn der Ar­beit­ge­ber nur noch jünge­re Be­wer­ber ein­stel­len will, um ei­ne verjüng­te Per­so­nal­struk­tur erst zu schaf­fen, kann letzt­lich da­hin ge­stellt blei­ben. Denn die Ar­beit­ge­be­rin ist im vor­lie­gen­den Fal­le je­den­falls nicht ih­rer Dar­le­gungs­last bzgl. des Vor­lie­gens ei­nes le­gi­ti­men Ziels iSv. § 10 Satz 1 AGG nach­ge­kom­men. Sie hätte zunächst vor­tra­gen müssen, wel­che kon­kre­te Per­so­nal­struk­tur sie schaf­fen oder er­hal­ten will und aus wel­chen Gründen. Schlag­wort­ar­ti­ge Be­zeich­nun­gen genügen dafür nicht. An­dern­falls kann nicht über­prüft wer­den, ob die Un­gleich­be­hand­lung durch das ver­folg­te Ziel ge­recht­fer­tigt ist (vgl. BAG 22. Ja­nu­ar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 59, BA­GE 129, 181 = AP AGG § 15 Nr. 1 = EzA AGG § 15 Nr. 1). Die Be­klag­te hat zwar vor­ge­bracht, dass in
 


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den nächs­ten zehn Jah­ren 35 % der Mit­ar­bei­ter (ge­meint sind wohl die in der Ver­wal­tung) planmäßig aus­schei­den wer­den und fast die Hälf­te ih­rer Beschäftig­ten mehr als 50 Jah­re alt sei. Wenn et­wa die Hälf­te der Mit­ar­bei­ter mehr als 50 Jah­re alt ist, spricht dies in­des noch nicht für ein evi­dent dro­hen­des Pro­blem der Übe­r­al­te­rung. Geht man von ei­nem durch­schnitt­li­chen Ein­tritts­al­ter von 30 Jah­ren und ei­nem Aus­schei­den bei 65 oder mehr Jah­ren aus, so liegt das Al­ter von 50 Jah­ren nur knapp über dem Durch­schnitts­al­ter in ei­nem Er­werbs­le­ben. Vor die­sem Hin­ter­grund hätte die Be­klag­te näher erläutern müssen, wel­che Al­ters­struk­tur sie an­strebt und wel­che Nach­tei­le an­sons­ten ggf. dro­hen würden.

Ent­spre­chen­des gilt für ih­ren Vor­trag, sie ver­fol­ge das Ziel, jünge­ren Be­rufs­anfängern oh­ne Be­rufs­er­fah­rung den Ein­stieg in das Be­rufs­le­ben zu er­leich­tern. Auf § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG kann sich die Be­klag­te in die­sem Zu­sam­men­hang nicht be­ru­fen, da die­se Re­ge­lung die Ein­glie­de­rung von Ju­gend­li­chen, nicht von Be­rufs­anfängern, be­zweckt. Als ein le­gi­ti­mes Ziel könn­te es uU an­zu­er­ken­nen sein, dass der Ar­beit­ge­ber die be­vor­zug­te Ein­stel­lung von Be­rufs­anfängern be­zweckt, weil die­se ar­beits­los sind und auf dem primären Ar­beits­markt kei­ne gu­ten Ein­stel­lungs­chan­cen hätten. Bei Hoch­schul­ab­sol­ven­ten aus den Be­rei­chen Me­di­zin, Na­tur­wis­sen­schaf­ten, Wirt­schafts- und Rechts­wis­sen­schaf­ten ist dies aber grundsätz­lich nicht der Fall. Die Be­klag­te wen­det sich in ih­rer Stel­len­an­zei­ge („Young Pro­fes­sio­nells“) ge­ra­de an be­son­ders qua­li­fi­zier­te Be­rufs­ein­stei­ger mit re­gelmäßig gu­ten Be­rufs­chan­cen.


Die Be­klag­te kann sich auch nicht dar­auf be­ru­fen, dass sie für die Teil­nah­me an dem zweijähri­gen Trainee­pro­gramm aus­sch­ließlich jünge­re Be­wer­be­rin­nen und Be­wer­ber oh­ne Be­rufs­er­fah­rung su­chen durf­te.


§ 10 Satz 3 Nr. 3 AGG ist nicht zur Recht­fer­ti­gung her­an­zu­zie­hen. Da­nach kann die Fest­set­zung ei­nes Höchst­al­ters für die Ein­stel­lung auf­grund der spe­zi­fi­schen Aus­bil­dungs­an­for­de­run­gen ei­nes be­stimm­ten Ar­beits­plat­zes oder auf­grund der Not­wen­dig­keit ei­ner an­ge­mes­se­nen Beschäfti­gungs­zeit vor dem Ein­tritt in den Ru­he­stand ei­ne Un­gleich­be­hand­lung we­gen des Al­ters recht­fer­ti­gen. Nach der Ge­set­zes­be­gründung liegt der Re­ge­lung die Über­le­gung zu­grun­de, dass bei älte­ren Beschäftig­ten, de­ren Ren­ten­al­ter be­reits ab­seh­bar ist,

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ei­ner auf­wen­di­gen Ein­ar­bei­tung am Ar­beits­platz auch ei­ne be­triebs­wirt­schaft­lich sinn­vol­le Min­dest­dau­er ei­ner pro­duk­ti­ven Ar­beits­leis­tung ge­genüber­ste­hen muss (BT-Drucks. 16/1780 S. 36). Legt man hier zu­grun­de, dass der Kläger bei sei­ner Be­wer­bung 36 Jah­re alt war, so lägen noch rund 30 Be­rufs­jah­re bei der Be­klag­ten vor ihm, um ei­ne zweijähri­ge Aus­bil­dung zu kom­pen­sie­ren. Dies wäre in je­dem Fal­le hin­rei­chend lang.
 

Die Be­klag­te führt zur Recht­fer­ti­gung ih­res An­for­de­rungs­pro­fils für Be­wer­ber für das Trainee­pro­gramm aus, sie ha­be be­wusst Be­rufs­anfänger oh­ne Be­rufs­er­fah­rung ge­sucht, um die­se Be­wer­ber in ih­rem Sin­ne „for­men“ zu können. Die Be­wer­ber soll­ten ihr theo­re­tisch er­wor­be­nes Wis­sen al­lein mit dem im Un­ter­neh­men der Be­klag­ten er­lang­ten Wis­sen ver­knüpfen. An­der­wei­tig er­wor­be­nes Spe­zi­al­wis­sen von außen oder sons­ti­ge Be­rufs­er­fah­rung soll­ten sie ge­ra­de nicht mit ein­brin­gen. Be­rufs­ein­stei­ger könn­ten auch bes­ser und schnel­ler auf die be­triebs­spe­zi­fi­schen Er­for­der­nis­se vor­be­rei­tet wer­den. Sch­ließlich sei­en ver­gleich­ba­re Trainee­pro­gram­me in be­stimm­ten Bra­chen üblich.


In der Li­te­ra­tur wird teil­wei­se be­tont, es sei zulässig, für Trainee­pro­gram­me nach jun­gen Hoch­schul­ab­sol­ven­ten zu su­chen (Wi­chert/Zan­ge DB 2007, 970 ff.; Bau­er/Göpfert/Krie­ger AGG 3. Aufl. § 10 Rn. 35; Adom­eit/Mohr AGG 2. Aufl. § 10 Rn. 132; wohl auch Däubler/Bertz­bach - Däubler 2. Aufl. § 7 Rn. 37; für ei­ne Al­ters­gren­ze bei der Su­che nach Führungs­kräften ten­den­zi­ell großzügig auch MüKoBGB/Thüsing 6. Aufl. § 10 AGG Rn. 22; Schaub/Linck ArbR-Hdb. 14. Aufl. § 36 Rn. 65). Teil­wei­se wird dem­ge­genüber be­tont, das Al­ter dürfe nur in be­son­de­ren Aus­nah­mefällen bei Ein­stel­lun­gen ei­ne Rol­le spie­len, ins­be­son­de­re könne der Ar­beit­ge­ber ei­ne un­ter­schied­li­che Be­hand­lung nicht da­mit be­gründen, der Ar­beit­neh­mer brin­ge mit zu­neh­men­dem Al­ter nicht mehr die er­for­der­li­che Fle­xi­bi­lität mit (Däubler/Bertz­bach - Busch­mann 2. Aufl. § 11 Rn. 15; We­ber AuR 2002, 401, 403 f.; Kitt-ner/Zwan­zi­ger - Zwan­zi­ger 6. Aufl. § 92 Rn. 121).


Der Fall nötigt nicht zu ei­ner ab­sch­ließen­den Be­ant­wor­tung der Fra­ge, ob Al­ters­gren­zen bei ei­ner aus­ge­schrie­be­nen Trainee­stel­le zur Nach­wuchsförde­rung von Führungs­kräften ge­ne­rell kei­ne Rol­le spie­len dürfen. Denn hierfür
 


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mögli­cher­wei­se in Be­tracht kom­men­de Gründe hat die Be­klag­te je­den­falls nicht aus­rei­chend dar­ge­legt. Ei­ne un­ter­schied­li­che Be­hand­lung muss da­bei „ob­jek­tiv“ ge­recht­fer­tigt sein. Es kommt dem­nach dar­auf an, ob das ver­folg­te In­ter­es­se auf tatsächli­chen und nach­voll­zieh­ba­ren Erwägun­gen be­ruht und ob die Un­gleich­be­hand­lung nicht nur auf­grund von bloßen Ver­mu­tun­gen oder sub­jek­ti­ven Einschätzun­gen vor­ge­nom­men wird (vgl. BAG 22. Ja­nu­ar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 55, BA­GE 129, 181 = AP AGG § 15 Nr. 1 = EzA AGG § 15 Nr. 1).


Wenn die Be­klag­te dar­auf ab­stellt, dass sie sich ih­ren Führungs­kräfte­nach­wuchs hat „for­men“ wol­len, so liegt dem die An­nah­me zu­grun­de, dass dies bei älte­ren Ar­beit­neh­mern mit Be­rufs­er­fah­rung nicht oder we­ni­ger gut gin­ge. Ein all­ge­mei­ner Er­fah­rungs­satz, dass ein älte­rer Ar­beit­neh­mer we­ni­ger gut lernt als ein jünge­rer, exis­tiert nicht und ist auch vom Lan­des­ar­beits­ge­richt nicht fest­ge­stellt wor­den. Al­len­falls ver­rin­gert sich die Lern­ge­schwin­dig­keit mit zu­neh­men­dem Al­ter (vgl. BAG 13. Ok­to­ber 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 68, BA­GE 132, 210 = AP AGG § 7 Nr. 1 = EzA AGG § 10 Nr. 2). Zwar hat dies die Be­klag­te pau­schal be­haup­tet, doch genügt sie da­mit nicht ih­ren An­for­de­run­gen an ei­nen sub­stan­ti­ier­ten Sach­vor­trag. Bloße Ver­mu­tun­gen können ei­ne Un­gleich­be­hand­lung nicht recht­fer­ti­gen. Ent­spre­chen­des gilt, so­fern man bei jun­gen Hoch­schul­ab­sol­ven­ten ei­ne größere Be­reit­schaft un­ter­stel­len mag, sich voll und ganz auf ein neu­es Un­ter­neh­men ein­zu­las­sen. An­er­kannt ist bis­lang al­len­falls, dass bei ty­pi­sie­ren­der Be­trach­tungs­wei­se die Chan­cen für Älte­re auf dem Ar­beits­markt sin­ken (vgl. BAG 15. De­zem­ber 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 56, AP KSchG 1969 § 1 Na­mens­lis­te Nr. 21 = EzA KSchG § 1 So­zia­le Aus­wahl Nr. 84) und dass die körper­li­che und psy­chi­sche Be­last­bar­keit mit zu­neh­men­dem Al­ter sinkt (EuGH 13. Sep­tem­ber 2011 - C-447/09 - [Prig­ge] Rn. 67, AP Richt­li­nie 2000/78/EG Nr. 23 = EzA EG-Ver­trag 1999 Richt­li­nie 2000/78 Nr. 22; BAG 17. Ju­ni 2009 - 7 AZR 112/08 (A) - Rn. 21, BA­GE 131, 113 = AP Tz­B­fG § 14 Nr. 64 = EzA EG-Ver­trag 1999 Richt­li­nie 2000/78 Nr. 12). Nicht an­er­kannt ist aber, dass die Mo­bi­lität oder Fle­xi­bi­lität mit zu­neh­men­dem Al­ter sinkt (vgl. BAG 13. Ok­to­ber 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 63 ff., aaO). Auch Ar­beit­neh­mer mit fort­ge­schrit­te­nem Al­ter müssen sich fort- und wei­ter­bil­den. Es spricht da­her im Grund­satz nichts da­ge­gen, dass auch ein fast Vier­zigjähri­ger mit Er­folg an
 


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ei­nem Trainee­pro­gramm teil­neh­men und an­sch­ließend ei­ne Po­si­ti­on in der Führungs­ebe­ne ei­nes Un­ter­neh­mens ausfüllen kann.
 

So­fern die Be­klag­te vorträgt, Be­wer­ber mit be­reits in ei­nem an­de­ren Un­ter­neh­men er­wor­be­ner Be­rufs­er­fah­rung soll­ten die­se Er­fah­run­gen nicht bei ihr ein­brin­gen können, er­scheint dies oh­ne wei­te­re Erläute­rung nicht nach­voll­zieh­bar. All­ge­mein wird es als Vor­teil an­ge­se­hen, wenn Be­wer­ber be­reits über Be­rufs­er­fah­rung verfügen, da sie die­se Kennt­nis­se dem neu­en Ar­beit­ge­ber zur Verfügung stel­len können. Ei­ne „Ver­bil­dung“ durch die bis­her aus­geübte Tätig­keit ist im All­ge­mei­nen nicht oh­ne Wei­te­res an­zu­neh­men (vgl. BAG 8. De­zem­ber 2010 - 7 ABR 98/09 - Rn. 63, BA­GE 136, 237 = AP Be­trVG 1972 § 99 Ein­stel­lung Nr. 62 = EzA TVG § 1 Be­triebs­norm Nr. 5). Aus wel­chen kon­kre­ten un­ter­neh­mens­spe­zi­fi­schen Gründen im vor­lie­gen­den Fal­le er­wor­be­nes Pra­xis­wis­sen für das Trainee­pro­gramm bei der Be­klag­ten scha­det, er­sch­ließt sich dem­nach nicht.

Die Be­klag­te kann sich auch nicht er­folg­reich dar­auf be­ru­fen, Trainee­pro­gram­me sei­en in be­stimm­ten Bran­chen für Be­rufs­ein­stei­ger üblich. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat le­dig­lich fest­ge­stellt, Trainee­pro­gram­me hätten bei Ban­ken und Ver­si­che­run­gen ei­ne lan­ge Tra­di­ti­on. Dies verfängt im Streit­fal­le je­doch nicht, weil es vor­lie­gend um ei­nen Kran­ken­haus­be­trieb geht.

Wenn die Be­klag­te meint, das Trainee­pro­gramm die­ne auch da­zu, zu er­mit­teln, ob der Be­wer­ber für ei­ne Tätig­keit in ei­ner Kran­ken­haus­ver­wal­tung in Be­tracht kom­me, so stellt sich die Be­schränkung des Be­wer­ber­krei­ses aus die­sem Grund je­den­falls nicht als ei­ne er­for­der­li­che Maßnah­me dar. Es bestünde nämlich die Möglich­keit ei­ner be­fris­te­ten Pro­be­zeit (§ 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Tz­B­fG) oder ei­ner sach­grund­lo­sen Be­fris­tung (§ 14 Abs. 2 Tz­B­fG), um Klar­heit zu fin­den, ob der Be­wer­ber lang­fris­tig für die Stel­le ge­eig­net ist.

e) Ein et­wai­ger Entschädi­gungs­an­spruch des Klägers wäre nicht aus­nahms­wei­se un­ter dem Ge­sichts­punkt des Rechts­miss­brauchs aus­ge­schlos­sen (§ 242 BGB).



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aa) Im Fal­le von Ansprüchen nach § 15 AGG kann un­ter Berück­sich­ti­gung al­ler Umstände des Ein­zel­falls der Er­werb der Rechts­stel­lung als Be­wer­ber dann als un­red­lich er­schei­nen, wenn die Be­wer­bung al­lein des­halb er­folgt ist, um Entschädi­gungs­ansprüche zu er­lan­gen. Für die feh­len­de Ernst­haf­tig­keit der Be­wer­bung, dh. den Rechts­miss­brauch, ist der Ar­beit­ge­ber dar­le­gungs- und be­weis­be­las­tet, wo­bei der Ar­beit­ge­ber In­di­zi­en vor­tra­gen muss, die ge­eig­net sind, den Schluss auf die feh­len­de Ernst­haf­tig­keit zu­zu­las­sen (BAG 13. Ok­to­ber 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 54, EzA AGG § 15 Nr. 16).


bb) Die Be­klag­te hat kei­ne aus­rei­chen­den An­halts­punk­te für die An­nah­me vor­ge­bracht, der Kläger ha­be sich nicht ernst­haft be­wor­ben. Zwar könn­te ein kras­ses Miss­verhält­nis zwi­schen An­for­de­rungs­pro­fil der zu ver­ge­ben­den Stel­le und der Qua­li­fi­ka­ti­on des Be­wer­bers die Ernst­haf­tig­keit der Be­wer­bung in Fra­ge stel­len. Die Be­klag­te meint in die­sem Kon­text, der Kläger sei mit sei­ner Be­rufs­er­fah­rung und sei­nem ver­mut­lich bis­he­ri­gen Ein­kom­men für die Trainee­stel­le über­qua­li­fi­ziert. Dem­ge­genüber hat der Kläger be­haup­tet, er wol­le sich nach ei­nem Aus­lands­auf­ent­halt neu ori­en­tie­ren und sei im Zeit­punkt der Be­wer­bung oh­ne nen­nens­wer­te Einkünf­te ge­we­sen. Das im An­for­de­rungs­pro­fil ge­nann­te Kri­te­ri­um „ab­ge­schlos­se­nes Hoch­schul­stu­di­um“ in „Ju­ra“ erfüllt er. So­fern die Be­klag­te mut­maßt, der Kläger ha­be ei­ne Viel­zahl von Be­wer­bun­gen ver­schickt und meh­re­re Entschädi­gungs­pro­zes­se geführt, spricht auch dies nicht zwin­gend ge­gen die Ernst­haf­tig­keit der Be­wer­bung (vgl. BAG 13. Ok­to­ber 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 56, EzA AGG § 15 Nr. 16). Der Hin­weis des Klägers in sei­nem Be­wer­bungs­schrei­ben, sein Va­ter sei Op­fer ei­nes „Ärz­te­pfu­sches“ ge­wor­den, mu­tet bei ei­ner Be­wer­bung in ei­nem Kran­ken­haus­be­trieb zwar be­fremd­lich an, ist aber letzt­lich für sich ge­nom­men nicht ge­eig­net, die Ernst­haf­tig­keit der Be­wer­bung aus­zu­sch­ließen.


3. Da der Kläger so­mit Tat­sa­chen vor­ge­tra­gen hat, die ei­ne Be­nach­tei­li­gung we­gen sei­nes Al­ters ver­mu­ten las­sen, trägt die Be­klag­te nach § 22 AGG die Be­weis­last dafür, dass kein Ver­s­toß ge­gen die Be­stim­mun­gen zum Schutz vor Be­nach­tei­li­gung vor­liegt. Der Ar­beit­ge­ber muss das Ge­richt da­von über­zeu­gen, dass die Be­nach­tei­li­gung nicht (auch) auf dem Al­ter be­ruht. Da­mit muss er
 


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Tat­sa­chen vor­tra­gen und ge­ge­be­nen­falls be­wei­sen, aus de­nen sich er­gibt, dass es aus­sch­ließlich an­de­re Gründe wa­ren als das Al­ter, die zu der we­ni­ger güns­ti­gen Be­hand­lung geführt ha­ben (vgl. BAG 16. Fe­bru­ar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 58, EzA AGG § 15 Nr. 17).

Sol­che Tat­sa­chen hat die Be­klag­te vor­ge­tra­gen. Sie wäre be­rech­tigt ge­we­sen, den Kläger nicht zu ei­nem As­sess­ment-Cen­ter zu la­den, wenn er schlech­te­re Ex­amens­no­ten als die ein­ge­la­de­nen Mit­be­wer­ber auf­ge­wie­sen hätte. Zwar hat die Be­klag­te in ih­rer Stel­len­aus­schrei­bung nicht aus­drück­lich Min­dest­an­for­de­run­gen an die Ex­amens­no­ten der po­ten­ti­el­len Be­wer­ber ge­stellt. Da nach Art. 33 Abs. 2 GG je­der Deut­sche nach sei­ner Eig­nung, Befähi­gung und fach­li­chen Leis­tung glei­chen Zu­gang zu je­dem öffent­li­chen Amt hat, muss der öffent­li­che Ar­beit­ge­ber je­de Be­wer­bung nach den ge­nann­ten Kri­te­ri­en be­ur­tei­len (allg. Mei­nung, vgl. BAG 18. Sep­tem­ber 2007 - 9 AZR 672/06 - Rn. 19, BA­GE 124, 80 = AP GG Art. 33 Abs. 2 Nr. 64 = EzA GG Art. 33 Nr. 33). Aus die­sem Grun­de war die Be­klag­te als öffent­li­che Ar­beit­ge­be­rin be­rech­tigt, wenn nicht so­gar ver­pflich­tet, nur die von der Ex­amens­no­te her bes­ten Be­wer­ber in die en­ge­re Aus­wahl ein­zu­be­zie­hen.


Auf die­ses Ein­stel­lungs­ver­fah­ren nach der sog. „Bes­ten­aus­le­se“ brauch­te sie in ih­rer Stel­len­aus­schrei­bung nicht be­son­ders hin­zu­wei­sen, weil ei­ne sol­che Aus­wahl im öffent­li­chen Dienst selbst­verständ­lich ist. Es han­delt sich da­bei nicht um ein „be­son­de­res An­for­de­rungs­pro­fil“, an wel­ches die Be­klag­te während des ge­sam­ten Be­wer­bungs­ver­fah­rens ge­bun­den wäre.


Dies wi­der­spricht nicht der Ent­schei­dung des Neun­ten Se­nats des Bun­des­ar­beits­ge­richts vom 21. Ju­li 2009 (- 9 AZR 431/08 - BA­GE 131, 232 = AP SGB IX § 82 Nr. 1 = EzA SGB IX § 82 Nr. 1). In die­ser ging es vor al­lem um die Fra­ge, ob ein schwer­be­hin­der­ter Be­wer­ber we­gen of­fen­sicht­li­chen Feh­lens der fach­li­chen Eig­nung nach § 82 Satz 3 SGB IX vom öffent­li­chen Ar­beit­ge­ber nicht zu ei­nem Vor­stel­lungs­gespräch ein­ge­la­den wer­den muss­te. Of­fen­sicht­lich un­ge­eig­net iSd. § 82 Satz 3 SGB IX wäre der Kläger nicht ge­we­sen, nach­dem die Be­klag­te kei­ne Min­dest­an­for­de­run­gen an die Ex­amens­no­ten ge­stellt hat­te. Dies ver­bie­tet es aber nicht, die­se No­ten im Rah­men der Aus­wah­l­ent­schei­dung
 


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bei ei­nem nicht be­hin­der­ten Be­wer­ber zu berück­sich­ti­gen. Auch das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt geht in sei­ner Ent­schei­dung vom 28. Fe­bru­ar 2007 (- 2 BvR 2494/06 - Rn. 6 ff., BVerfGK 10, 355) da­von aus, dass der öffent­li­che Dienst­herr an das Prin­zip der „Bes­ten­aus­le­se“ im ge­sam­ten Be­wer­bungs­ver­fah­ren ge­bun­den ist.


Im Übri­gen hat die Be­klag­te in ih­rer Stel­len­aus­schrei­bung auch dar­auf hin­ge­wie­sen, dass sie „ih­re Per­so­nal­ent­schei­dun­gen nach Eig­nung, Befähi­gung und fach­li­cher Leis­tung“ tref­fe.


Die Be­klag­te hat schlüssig dar­ge­legt, dass kein Ver­s­toß ge­gen die Be­stim­mun­gen zum Schutz vor Be­nach­tei­li­gun­gen vor­ge­le­gen hat. Ihr „Geschäfts­lei­ter Fi­nan­zen“ Dr. H hat na­mens der Be­klag­ten in der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 14. Ja­nu­ar 2011 vor dem Lan­des­ar­beits­ge­richt erklärt: „Als ich sei­ner­zeit, es war der 1. Mai 2009, die Sich­tung der Be­wer­bun­gen auf die Stel­len­an­zei­ge vor­nahm, ha­be ich ei­ne Aus­wahl nach den Ex­amens­no­ten ge­trof­fen und nur die­je­ni­gen Be­wer­bun­gen in Be­tracht ge­zo­gen, die Ex­amens­no­ten von gut oder sehr gut aus­wie­sen“. Die­ses Ab­stel­len auf die Ex­amens­no­ten war sach­ge­recht, weil die Be­klag­te Hoch­schul­ab­sol­ven­ten als Be­wer­ber ge­sucht hat­te. Da der Kläger die­se Vor­ge­hens­wei­se der Be­klag­ten be­strit­ten hat, wird das Lan­des­ar­beits­ge­richt darüber Be­weis er­he­ben müssen, nach­dem die Be­klag­te für die Rich­tig­keit ih­rer dies­bezügli­chen Be­haup­tung den Ver­an­stal­ter des Trainee­pro­gramms Dr. H als Zeu­gen an­ge­bo­ten hat­te.


Aus die­sem Grun­de war die Sa­che zur neu­en Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das Lan­des­ar­beits­ge­richt zurück­zu­ver­wei­sen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).


Wenn sich die Be­haup­tung der Be­klag­ten nach Über­zeu­gung des Be­ru­fungs­ge­richts (§ 286 ZPO) als wahr er­weist, wird die­ses im Rah­men des ihm ein­geräum­ten Be­ur­tei­lungs­spiel­raums (vgl. BAG 19. Au­gust 2010 - 8 AZR 530/09 - Rn. 56, AP AGG § 15 Nr. 5 = EzA AGG § 15 Nr. 10) zu ent­schei­den ha­ben, ob der Be­klag­ten der Be­weis ge­lun­gen ist, dass kein Ver­s­toß ge­gen die Be­stim­mun­gen zum Schutz vor Be­nach­tei­li­gung vor­ge­le­gen hat, dh. dass sie ih­re Ent­schei­dung, den Kläger nicht zum As­sess­ment-Cen­ter ein­zu­la­den,
 


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aus­sch­ließlich an­hand der Ex­amens­no­ten und da­mit nach den Kri­te­ri­en des Art. 33 Abs. 2 GG ge­trof­fen hat. Dies gölte dann auch für ei­ne vom Kläger ver­mu­te­te un­zulässi­ge Be­nach­tei­li­gung we­gen sei­nes Ge­schlechts.

Hauck 

Böck 

Brein­lin­ger

Bloe­sin­ger 

St. Soost

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