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LAG Ber­lin-Bran­den­burg, Be­schluss vom 04.06.2010, 6 TaBV 901/10

   
Schlagworte: Einigungsstelle
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen: 6 TaBV 901/10
Typ: Beschluss
Entscheidungsdatum: 04.06.2010
   
Leitsätze: Für die Bestellung des Vorsitzenden einer Einigungsstelle kommt es nicht darauf an, welcher Beteiligte seinen Vorschlag zuerst gemacht oder bei Gericht angebracht hat. Vielmehr ist auch dann, wenn keine konkreten Einwendungen gegen den Kandidaten der jeweiligen Gegenseite vorgebracht werden, regelmäßig ein Dritter zu bestellen (gegen LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22.01.2010 - 10 TaBV 2829/09)
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Berlin, Beschluss vom 08.04.2010, 22 BV 4780/10
   

Lan­des­ar­beits­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg

6 TaBV 901/10
22 BV 4780/10
Ar­beits­ge­richt Ber­lin
Geschäfts­zei­chen
(bit­te im­mer an­ge­ben)  

Verkündet am 04.06.2010

St., VA
als Ur­kunds­be­am­tin
der Geschäfts­stel­le

Im Na­men des Vol­kes

Be­schluss

In dem Be­schwer­de­ver­fah­ren
mit den Be­tei­lig­ten
pp 

hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg, Kam­mer 6,
auf die münd­li­che Erörte­rung vom 04.06.2010
durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Lan­des­ar­beits­ge­richt C.
für Recht er­kannt:

1. Auf die Be­schwer­de der Ar­beit­ge­be­rin wird der Be­schluss des Ar­beits­ge­richts Ber­lin vom 08.04.2010 – 21 BV 4780/10 – da­hin geändert, dass zur Vor­sit­zen­den ei­ner Ei­ni­gungs­stel­le mit dem Re­ge­lungs­ge­gen­stand „Fällig­keit der Vergütung“ die Rich­te­rin am Ar­beits­ge­richt a. D. S. B. ein­ge­setzt wird.
2. Die wei­ter­ge­hen­de Be­schwer­de wird zurück­ge­wie­sen.

Gründe

1. Das Ar­beits­ge­richt Ber­lin hat auf den Wi­der­an­trag des Be­triebs­rats den Rich­ter am Ar­beits­ge­richt a. D. V. R. zum Vor­sit­zen­den ei­ner Ei­ni­gungs­stel­le mit dem Re­ge­lungs-ge­gen­stand „Fällig­keit der Vergütung“ im ge­mein­sa­men Be­trieb der Ar­beit­ge­be­rin­nen ein­ge­setzt. Zur Be­gründung hat es im We­sent­li­chen aus­geführt, zwar erfülle auch die von den Ar­beit­ge­be­rin­nen in ih­rem An­trag vor­ge­schla­ge­ne Pro­fes­so­rin Dr. Ch. B. die Vor­aus­set­zun­gen für ei­ne Be­stel­lung zur Ei­ni­gungs­stel­len­vor­sit­zen­den. Ih­ren Wunsch, kei­nen ak­tiv oder früher in der Ber­li­ner Ar­beits­ge­richts­bar­keit tätig ge­we­se­nen Rich­ter ein­zu­set­zen, hätten die Ar­beit­ge­be­rin­nen je­doch nicht näher be­gründet. Da so­nach ge­gen kei­nen der bei­den Vor­ge­schla­ge­nen sach­li­che Ar­gu­men­te vor­ge­bracht wor­den sei­en, sei die zu­erst be­nann­te Per­son zu be­stim­men ge­we­sen. Dafür könne es nicht dar­auf an­kom­men, dass die Ar­beit­ge­be­rin­nen den Be­triebs­rat „über­holt“ hätten, in­dem sie am letz­ten Tag der ih­nen vom Be­triebs­rat ge­setz­ten Frist ei­nen ent­spre­chen­den An­trag bei Ge­richt an­ge­bracht hätten. Viel­mehr sei ent­schei­dend, dass der Be­triebs­rat sei­nen Vor­schlag be­reits zu­vor un­ter­brei­tet ge­habt ha­be.

Ge­gen die­sen ih­nen am 21. April 2010 zu­ge­stell­ten Be­schluss rich­tet sich die be­reits am 19. April 2010 ein­ge­leg­te und am 29. April 2010 wei­ter be­gründe­te Be­schwer­de der Ar­beit­ge­be­rin­nen. Sie be­to­nen, dass ih­nen all­ge­mein an ei­nem Ei­ni­gungs­stel­len­vor­sit­zen­den mit ört­li­cher Dis­tanz zu den kon­kre­ten Be­triebs­par­tei­en ge­le­gen sei, und mei­nen un­ter Be­zug­nah­me auf ei­ne Ent­schei­dung des LAG Ber­lin-Bran­den­burg, dass grundsätz­lich die im Ein­set­zungs­an­trag ge­nann­te Per­son zu be­stim­men sei, so­fern nicht Tat­sa­chen ge­gen de­ren Eig­nung vor­ge­bracht würden.

Die Ar­beit­ge­be­rin­nen be­an­tra­gen,

un­ter Auf­he­bung des an­ge­foch­te­nen Be­schlus­ses Frau Prof. Dr. Ch. B. zur Vor­sit­zen­den der Ei­ni­gungs­stel­le mit dem Re­ge­lungs­ge­gen­stand Ent­schei­dung über die Re­ge­lungs- und Rechts­strei­tig­kei­ten be­tref­fend ei­ne Be­triebs­ver­ein­ba­rung zur Fällig­keit der Vergütung nach § 87 Abs. 1 Nr. 4 Be­trVG bei ih­nen zu be­stel­len.

Der Be­triebs­rat be­an­tragt,
den An­trag zurück­zu­wei­sen.

Er ver­weist dar­auf, dass auch in dem durch die her­an­ge­zo­ge­ne Ent­schei­dung be­en­de­ten Ver­fah­ren vor dem LAG Ber­lin-Bran­den­burg der Be­triebs­rat zu­erst ei­ne Per­son für den Vor­sitz der Ei­ni­gungs­stel­le be­nannt ha­be. Da es der Ar­beit­ge­ber im Hin­blick auf sei­ne Kos­ten­tra­gungs­pflicht im­mer in der Hand ha­be, die Po­si­ti­on des An­trag­stel­lers im Be­schluss­ver­fah­ren zu be­set­zen, stel­le sich das sog. Wind­hund­prin­zip tatsächlich als Ar­beit­ge­ber­prin­zip dar. Da­her sei rich­ti­ger­wei­se dar­auf ab­zu­stel­len, wel­che Be­triebs­par­tei der an­de­ren zu­erst ei­nen Vor­sit­zen­den vor­ge­schla­gen ha­be, so­fern ge­gen die­sen kei­ne recht­li­chen Be­den­ken bestünden.

We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des Vor­brin­gens der Be­tei­lig­ten, wird auf den Tat­be­stand des an­ge­foch­te­nen Be­schlus­ses und die in der Be­schwer­de­instanz ge­wech­sel­ten Schriftsätze Be­zug ge­nom­men.

2. Die gemäß § 98 Abs. 2 Satz 2 ArbGG frist­gemäß und form­ge­recht ein­ge­leg­te und be­gründe­te Be­schwer­de der Ar­beit­ge­be­rin­nen ist nur teil­wei­se sach­lich be­gründet.

Die Zuständig­keit der zu bil­den­den Ei­ni­gungs­stel­le stand außer Streit (§ 98 Abs. 1 Satz 2 ArbGG). Zu den be­reits im erst­in­stanz­li­chen An­trag der Ar­beit­ge­be­rin­nen erwähn­ten „Rechts­strei­tig­kei­ten“ als Ge­gen­stand ei­ner Be­triebs­ver­ein­ba­rung ha­ben die­se auch mit der Be­schwer­de nichts vor­ge­bracht.

2.1 Da sich die Be­tei­lig­ten nicht auf die Per­son des Vor­sit­zen­den ha­ben ei­ni­gen können, war die­ser ge­richt­lich zu be­stel­len (§ 76 Abs. 2 Satz 2 Be­trVG).

2.1.1 Ei­ne Bin­dung an den Vor­schlag ei­nes der Be­tei­lig­ten ent­spre­chend § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO (zu des­sen Gel­tung im Be­schluss­ver­fah­ren BAG, Be­schluss vom 13.06.1989 - 1 ABR 4/88 - BA­GE 62, 100 = AP Be­trVG 1972 § 80 Nr. 36 zu B I 1 der Gründe) be­steht im Be­stel­lungs­ver­fah­ren nicht. Dem ste­hen der Wort­laut des § 76 Abs. 2 Satz 2 Be­trVG und der Zweck der Re­ge­lung ent­ge­gen, die feh­len­de Ei­ni­gung der Be­triebs­par­tei­en auf ei­ne der wech­sel­sei­tig vor­ge­schla­ge­nen Per­so­nen durch au­to­ri­ta­ti­ven Spruch des Ge­richts zu er­set­zen. Da­mit wird dem je­wei­li­gen An­trag­stel­ler nichts zu­ge­spro­chen, was die­ser nicht be­an­tragt hat, son­dern kraft ge­setz­li­cher Ermäch­ti­gung ge­stal­tend in die Rechts­be­zie­hung der Be­tei­lig­ten ein­ge­grif­fen (vgl. Tschöpe NZA 2004, 945, 946).

Des­halb kann es auch nicht dar­auf an­kom­men, wel­che Sei­te nach dem sog. Wind­hund­prin­zip zu­erst ei­nen Ein­set­zungs­an­trag bei Ge­richt an­ge­bracht oder et­wa schon bei den vor­an-ge­gan­ge­nen Ver­hand­lun­gen ei­nen per­so­nel­len Vor­schlag un­ter­brei­tet hat. Dies muss selbst dann gel­ten, wenn die Ge­gen­sei­te kei­ne kon­kre­ten Be­den­ken ge­gen die vor­ge­schla­ge­ne Per­son gel­tend ge­macht hat (LAG Ber­lin, Be­schluss vom 22.10.2004 – 6 TaBV 1824/04 und 1951/04 – zu 2.1.2.1 der Gründe; a. A. LAG Ber­lin-Bran­den­burg, Be­schluss vom 22.01.2010 – 10 TaBV 2829/09 – zu II 4 der Gründe). Denn die Vor­schläge bei­der Sei­ten sind Aus­druck be­son­de­ren Ver­trau­ens, das zu­gleich für die je­weils an­de­re Sei­te ei­nen ent­spre­chen­den Vor­be­halt ge­gen die vor­ge­schla­ge­ne Per­son zu be­gründen pflegt, den es zu re­spek­tie­ren gilt. Nur so lässt sich die er­for­der­li­che Ak­zep­tanz ei­nes not­falls stimm­be­rech­tig­ten Ver­hand­lungsführers er­rei­chen, des­sen vor­nehm­li­che Auf­ga­be dar­in be­steht, ei­ne Ei­ni­gung her­bei­zuführen (LAG Schles­wig-Hol­stein, Be­schluss vom 04.09.2002 – 4 TaBV 8/02 – AP ArbGG 1979 § 98 Nr. 13 zu II.2.2.2. der Gründe), und ei­ne unnöti­ge Be­las­tung des nach­fol­gen­den Ver­fah­rens vor der Ei­ni­gungs­stel­le ver­mei­den (LAG Rhein­land-Pfalz, Be­schluss vom 15.05.2009 – 9 TaBV 10/09 – ju­ris zu II der Gründe). Da­mit wird zu­gleich ei­ner sonst zu befürch­ten­den Dis­kre­di­tie­rung der Kan­di­da­ten bei­der Sei­ten vor­ge­beugt (Tschöpe NZA 2004, 945, 947). Die­sen As­pek­ten Rech­nung zu tra­gen, er­scheint vor­dring­li­cher, als ei­nem la­ten­ten Vor­wurf der Pfründen­wirt­schaft in­ner­halb der Rich­ter­schaft im We­ge wech­sel­sei­ti­ger Ein­set­zun­gen (so Bau­er NZA 1992, 433 f.) Rech­nung tra­gen zu wol­len.

2.1.2 Auf­grund ih­rer fach­li­chen Qua­li­fi­ka­ti­on und ih­rer Er­fah­rung als Vor­sit­zen­de zahl­rei­cher Ei­ni­gungs­stel­len er­schien die Er­nen­nung der frühe­ren Rich­te­rin am Ar­beits­ge­richt S. B., die während ih­rer rich­ter­li­chen Tätig­keit nie mit Ver­fah­ren der bei­den Ar­beit­ge­be­rin­nen be­fasst ge­we­sen war, sach­ge­recht. Kon­kre­te Ein­wen­dun­gen ge­gen ih­re Per­son sind im Anhörungs­ter­min von kei­ner Sei­te vor­ge­bracht wor­den. Dem Wunsch der Ar­beit­ge­be­rin­nen, kei­nem der­zei­ti­gen oder frühe­ren Rich­ter aus der Ber­li­ner Ar­beits­ge­richts­bar­keit den Vor­sitz zu über­tra­gen, kam in die­ser All­ge­mein­heit kei­ne recht­li­che Be­deu­tung zu.

2.2 Ei­ner Kos­ten­ent­schei­dung be­durf­te es nicht, weil im Be­schluss­ver­fah­ren gemäß §§ 2 Abs. 2 GKG, § 2a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG Kos­ten nicht er­ho­ben wer­den (vgl. BAG, Be­schluss vom 30.10.1972 – 1 ABR 7/71 – BA­GE 24,459 = AP Be­trVG 1972 § 40 Nr. 7 zu C der Gründe).

3. Ge­gen die­se Ent­schei­dung ist kein Rechts­mit­tel ge­ge­ben (§ 98 Abs. 2 Satz 4 ArbGG).

C. 

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