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LAG Ba­den-Würt­tem­berg, Ur­teil vom 09.03.2012, 12 Sa 55/11

   
Schlagworte: Fristlose Kündigung, Kirche
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Aktenzeichen: 12 Sa 55/11
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 09.03.2012
   
Leitsätze: 1. Im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses mit einem Caritasverband stellt es einen schwerwiegenden Verstoß gegen die arbeitsvertraglichen Loyalitätspflichten dar, wenn der Arbeitnehmer aus der katholischen Kirche austritt
2. Ein derartiger Verstoß ist an sich geeignet, die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu begründen.
3. Zur Interessenabwägung unter Berücksichtigung der Art. 4 Abs. 1 und 140 GG.
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Mannheim, Urteil vom 11.08.2011, 7 Ca 106/11
nachgehend:
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25.04.2013, 2 AZR 579/12
   

LArbG Ba­den-Würt­tem­berg Ur­teil vom 9.3.2012, 12 Sa 55/11

Außer­or­dent­li­che Kündi­gung ei­nes So­zi­al­ar­bei­ters der Ca­ri­tas - schwer­wie­gen­der Ver­s­toß ge­gen Loya­litäts­pflicht durch Aus­tritt aus der ka­tho­li­schen Kir­che

Te­nor

1. Die Be­ru­fung des Klägers ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Mann­heim vom 11.08.2011 (7 Ca 106/11) wird zurück­ge­wie­sen.

2. Die Re­vi­si­on wird zu­ge­las­sen.

Tat­be­stand

 

Die Par­tei­en strei­ten darüber, ob der be­klag­te Ca­ri­tas­ver­band das ge­mein­sa­me Ar­beits­verhält­nis mit Schrei­ben vom 14.03.2011 wirk­sam außer­or­dent­lich zum 30.09.2011 kündi­gen konn­te.

Der Kläger wur­de am ... 1952 ge­bo­ren. Er ist le­dig. Seit dem 01.01.1992 ar­bei­te­te er für den be­klag­ten Ca­ri­tas­ver­band als So­zi­alpädago­ge, zu­letzt in Teil­zeit (75 % der re­gelmäßigen wöchent­li­chen Ar­beits­zeit). Sein Mo­nats­ge­halt be­trug 2.753,47 EUR brut­to.

Der Ar­beits­ver­trag der Par­tei­en vom 02.01.1992 (An­la­ge B 1 zum Schrift­satz des be­klag­ten Ca­ri­tas­ver­bands vom 20.05.2011, Pro­zess­ak­te des Ar­beits­ge­richts (im Fol­gen­den: Arb), Bl. 21 f.) ent­hielt u.a. fol­gen­de Ver­ein­ba­run­gen:

„Ca­ri­tas ist ei­ne Le­bens- und We­sensäußerung der ka­tho­li­schen Kir­che. Der oben­ge­nann­te Recht­sträger ist dem Deut­schen Ca­ri­tas­ver­band an­ge­schlos­sen. Sei­ne Ein­rich­tung dient der Ver­wirk­li­chung des ge­mein­sa­men Wer­kes christ­li­cher Nächs­ten­lie­be. Dienst­ge­ber und Mit­ar­bei­ter bil­den ei­ne Dienst­ge­mein­schaft und tra­gen ge­mein­sam zur Erfüllung der Auf­ga­ben der Ein­rich­tung bei. Die Mit­ar­bei­ter ha­ben den ih­nen an­ver­trau­ten Dienst und Treue und in Erfüllung der all­ge­mei­nen und be­son­de­ren Dienst­pflich­ten zu leis­ten. Der Treue des Mit­ar­bei­ters muß von sei­ten des Dienst­ge­bers die Treue und Fürsor­ge ge­genüber dem Mit­ar­bei­ter ent­spre­chen. Auf die­ser Grund­la­ge wird der fol­gen­de Dienst­ver­trag ge­schlos­sen: ...

 

§ 2

Für das Dienst­verhält­nis gel­ten die „Richt­li­ni­en für Ar­beits­verträge in den Ein­rich­tun­gen des Deut­schen Ca­ri­tas­ver­ban­des“ (AVR) in ih­rer je­weils gel­ten­den Fas­sung. Dem Mit­ar­bei­ter/der Mit­ar­bei­te­rin ist Ge­le­gen­heit zur Ein­sicht­nah­me in die AVR ge­ge­ben.

 

§ 6

Die Par­tei­en stim­men dar­in übe­rein, daß ein Ver­s­toß ge­gen Grundsätze der ka­tho­li­schen Glau­bens- und Sit­ten­leh­re Grund für ei­ne Kündi­gung sein kann.

Die Richt­li­ni­en für Ar­beits­verträge in den Ein­rich­tun­gen des Deut­schen Ca­ri­tas­ver­ban­des (AVR), auf die § 2 des Ar­beits­ver­trags ver­weist, ent­hal­ten im All­ge­mei­nen Teil u.a. fol­gen­de Re­ge­lun­gen:

„§ 4 All­ge­mei­ne Dienst­pflich­ten

(1) Der Dienst in der ka­tho­li­schen Kir­che for­dert vom Dienst­ge­ber und vom Mit­ar­bei­ter die Be­reit­schaft zu ge­mein­sam ge­tra­ge­ner Ver­ant­wor­tung und ver­trau­ens­vol­ler Zu­sam­men­ar­beit un­ter Be­ach­tung der Ei­gen­art, die sich aus dem Auf­trag der Kir­che und ih­rer be­son­de­ren Ver­faßtheit er­gibt.

(2) Bei der Erfüllung der dienst­li­chen Auf­ga­ben sind die all­ge­mei­nen und für ein­zel­ne Be­rufs­grup­pen er­las­se­nen kirch­li­chen Ge­set­ze und Vor­schrif­ten zu be­ach­ten.

(3) Der Dienst in der ka­tho­li­schen Kir­che er­for­dert vom ka­tho­li­schen Mit­ar­bei­ter, dass er sei­ne persönli­che Le­bensführung nach der Glau­bens- und Sit­ten­leh­re so­wie den übri­gen Nor­men der ka­tho­li­schen Kir­che ein­rich­tet. Die persönli­che Le­bensführung des nicht ka­tho­li­schen Mit­ar­bei­ters darf dem kirch­li­chen Cha­rak­ter der Ein­rich­tung, in der er tätig ist, nicht wi­der­spre­chen.

 

(4) ...

 

(5).

§ 14 Or­dent­li­che Kündi­gung

 

...

(5) Nach ei­ner Beschäfti­gungs­zeit (§ 11) von 15 Jah­ren bei dem­sel­ben Dienst­ge­ber, frühes­tens je­doch nach dem voll­ende­ten 40. Le­bens­jahr des Mit­ar­bei­ters, ist ei­ne or­dent­li­che Kündi­gung durch den Dienst­ge­ber aus­ge­schlos­sen, so­weit nicht § 15 et­was an­de­res be­stimmt.“

Der be­klag­te Ca­ri­tas­ver­band beschäftigt rund 800 Ar­beit­neh­mer und Ar­beit­neh­me­rin­nen. Die an­ge­stell­ten Pädago­gen und So­zi­alpädago­gen sind aus­nahms­los Mit­glie­der christ­li­cher Kir­chen.

Der Kläger ar­bei­te­te seit Sep­tem­ber 2008 im SZA. Et­wa seit März 2010 war er ar­beits­unfähig. Das SZA wird von der Stadt fi­nan­ziert und von dem be­klag­ten Ca­ri­tas­ver­band auf der Ba­sis ei­ner Leis­tungs- und Ent­gelt­ver­ein­ba­rung mit der Stadt (An­la­ge B 7 zum Schrift­satz des be­klag­ten Ca­ri­tas­ver­bands vom 16.01.2012, Bl. 38 ff. der Ak­te) be­trie­ben. Der Ver­band setzt dort vier Ar­beit­neh­mer auf 2,5 Voll­zeit­stel­len ein.

Das SZA ist ein Pro­jekt der Er­zie­hungs­hil­fe, in dem Kin­der von der ers­ten Grund­schul­klas­se bis zum 12. Le­bens­jahr von Mon­tag bis Frei­tag nach­mit­tags be­treut wer­den. Die Kin­der kom­men aus so­zi­al be­nach­tei­lig­ten Verhält­nis­sen und ha­ben Schwie­rig­kei­ten mit der So­zia­li­sa­ti­on. Ih­re Re­li­gi­ons­zu­gehörig­keit ist oh­ne Be­deu­tung. Die Be­treu­ung der Kin­der fin­det in Grup­pen mit höchs­tens 25 Kin­dern statt. Das An­ge­bot des So­zia­len Zen­trums um­fasst das Mit­tag­es­sen, die Haus­auf­ga­ben­be­treu­ung, die Ein­z­elförde­rung und die so­zia­le Schüler­grup­pen­ar­beit, die sich am in­di­vi­du­el­len Be­darf der Kin­der ori­en­tiert. Auch Frei­zeit­an­ge­bo­te wer­den wahr­ge­nom­men. Die Kin­der sol­len schu­lisch so­wie in ih­rem so­zia­len Ver­hal­ten gefördert wer­den. Außer­dem soll ih­re sprach­li­che und mo­to­ri­sche Ent­wick­lung un­terstützt und Krea­ti­vität und Phan­ta­sie aus­ge­bil­det wer­den (s. auch den In­ter­net­auf­tritt des be­klag­ten Ca­ri­tas­ver­bands, An­la­ge K 2 zum Schrift­satz des Klägers vom 27.06.2011, Arb Bl. 51 f. der Ak­te).

Das So­zia­le Zen­trum weist - ab­ge­se­hen vom Si­gnum des be­klag­ten Ca­ri­tas­ver­bands - kei­ne re­li­giösen Sym­bo­le auf. Re­li­giöse In­hal­te wer­den den Kin­dern nicht ver­mit­telt. Der Kläger ar­bei­te­te mit den Kin­dern, stand zu­dem in Kon­takt mit den El­tern, ko­ope­rier­te mit den Schu­len und führ­te mit dem Ju­gend­amt der Stadt Hil­fe­plan­gespräche durch.

Am 21.02.2011 trat der Kläger aus der ka­tho­li­schen Kir­che aus. Mit ei­nem kur­zen Schrei­ben vom sel­ben Tag (An­la­ge B 2 zum Schrift­satz des be­klag­ten Ver­bands vom 20.05.2011, Arb Bl. 38) in­for­mier­te er Dr. R. N., Vor­stands­mit­glied des be­klag­ten Ca­ri­tas­ver­bands, über sei­nen Kir­chen­aus­tritt. Das Schrei­ben ging am 23.02. bei Dr. R. N. ein.

Am 03.03. sprach Dr. R. N. mit dem Kläger über sei­nen Aus­tritt aus der ka­tho­li­schen Kir­che. Auf die Fra­ge nach den Be­weg­gründen für die­se Ent­schei­dung nann­te der Kläger die zahl­rei­chen Miss­brauchsfälle in ka­tho­li­schen Ein­rich­tun­gen so­wie die Vorgänge um die Pi­us­bru­der­schaft und die Kar­frei­tags­lit­ur­gie, die in ei­ne an­ti­ju­da­i­schen Tra­di­ti­on der Kir­che stünden. Dr. R. N. wies den Kläger dar­auf hin, dass sich ein Kir­chen­aus­tritt nach dem Selbst­verständ­nis des be­klag­ten Ca­ri­tas­ver­bands nicht mit ei­ner wei­te­ren Beschäfti­gung in Ein­klang brin­gen las­se. Der Kläger erklärte, des­sen sei er sich be­wusst (im Ein­zel­nen s. Gesprächs­no­tiz von Dr. R.N., An­la­ge B 3, a.a.O., Arb Bl. 39).

Im An­schluss an das Gespräch in­for­mier­te der be­klag­te Ca­ri­tas­ver­band die Mit­ar­bei­ter­ver­tre­tung darüber, dass er be­ab­sich­ti­ge, das Ar­beits­verhält­nis des Klägers we­gen des Kir­chen­aus­tritts außer­or­dent­lich mit so­zia­ler Aus­lauf­frist zum 30.09.2011 zu kündi­gen (im Ein­zel­nen s. An­la­ge B 4, a.a.O., Arb Bl. 40). Die Mit­ar­bei­ter­ver­tre­tung ant­wor­te­te am 08.03., sie er­he­be kei­ne Ein­wen­dun­gen ge­gen die be­ab­sich­tig­te außer­or­dent­li­che Kündi­gung.

Der be­klag­te Ca­ri­tas­ver­band kündig­te das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en mit Schrei­ben vom 14.03.2011 außer­or­dent­lich zum 30.09.2011. Die hier­ge­gen ge­rich­te­te Kündi­gungs­schutz­kla­ge ging am 17.03. beim Ar­beits­ge­richt ein und wur­de dem be­klag­ten Ca­ri­tas­ver­band am 22.03.2011 zu­ge­stellt.

Der Kläger hat vor­ge­tra­gen,

das Selbst­be­stim­mungs­recht der Kir­che sei grundsätz­lich an­zu­er­ken­nen. Aus zwei Gründen müsse der be­klag­te Ca­ri­tas­ver­band sei­nen Kir­chen­aus­tritt den­noch hin­neh­men. Zum ei­nen wir­ke er sich nicht auf sei­ne Ar­beit im SZA aus. Der Kir­chen­aus­tritt stel­le we­der die Ziel­set­zung noch die Aus­strah­lung und Ak­zep­tanz des Pro­jekts in Fra­ge. Zum an­de­ren ha­be er (der Kläger) mit der Ent­schei­dung, aus der ka­tho­li­schen Kir­che aus­zu­tre­ten, von sei­nem Grund­recht auf Ge­wis­sens­frei­heit Ge­brauch ge­macht. An­ge­sichts der Miss­brauchsfälle ha­be es die ka­tho­li­sche Kir­che letzt­lich selbst zu ver­tre­ten, dass er sich so ent­schie­den ha­be.

Der Kläger hat be­an­tragt,

es wird fest­ge­stellt, dass das zwi­schen den Par­tei­en be­ste­hen­de Ar­beits­verhält­nis durch die außer­or­dent­li­che Kündi­gung vom 14.03.2011 zum 30.09.2011 nicht auf­gelöst wor­den ist.

Der be­klag­te Ca­ri­tas­ver­band hat be­an­tragt,

die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Der Ver­band hat sich auf das ver­fas­sungs­recht­lich geschütz­te Selbst­be­stim­mungs­recht der Kir­che und dar­auf be­ru­fen, dass der Kläger als So­zi­alpädago­ge un­mit­tel­bar in den Verkündungs­auf­trag der ka­tho­li­schen Kir­che ein­be­zo­gen sei.

Das Ar­beits­ge­richt hat die Kla­ge mit Ur­teil vom 11.08.2011 ab­ge­wie­sen. Der Kir­chen­aus­tritt des Klägers gehöre nach kirch­li­chem Recht zu den schwers­ten Ver­ge­hen ge­gen den Glau­ben und die Ein­heit der Kir­che und ver­let­ze die ar­beits­ver­trag­li­chen Loya­litäts­pflich­ten des Klägers ge­genüber dem be­klag­ten Ca­ri­tas­ver­band. Er sei an sich ein Grund, das Ar­beits­verhält­nis außer­or­dent­lich zu kündi­gen. Der be­klag­te Ca­ri­tas­ver­band ver­lie­re sei­ne Glaubwürdig­keit, wenn er den Kläger wei­ter­beschäfti­ge. Die Ar­beit des Klägers er­fol­ge im Rah­men ei­ner spe­zi­fisch kirch­li­chen Auf­ga­be, der Ca­ri­tas. Der Kläger sei in den Verkündungs­auf­trag der Kir­che mit ein­be­zo­gen. Die Abwägung der bei­der­sei­ti­gen In­ter­es­sen führe zu kei­nem an­de­ren Er­geb­nis. Der Kir­chen­aus­tritt sei ein schwer­wie­gen­der Loya­litäts­ver­s­toß. Der Kläger sei auf die Fol­ge sei­nes Han­delns hin­ge­wie­sen wor­den. Die In­ter­es­sen des Klägers sei­en nicht ge­eig­net, das Selbst­be­stim­mungs­recht der Kir­che auf­zu­he­ben.

Das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts wur­de den Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten des Klägers am 14.09.2011 zu­ge­stellt. Die Be­ru­fung ging am 12.10., die Be­ru­fungs­be­gründung - nach ent­spre­chen­der Frist­verlänge­rung - am 14.12.2011 beim Lan­des­ar­beits­ge­richt ein. Nach­dem die Be­ru­fungs­be­gründung den Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten des be­klag­ten Ca­ri­tas­ver­bands am 16.12. zu­ge­stellt wor­den war, er­reich­te die Be­ru­fungs­er­wi­de­rung am 16.01.2012 das Lan­des­ar­beits­ge­richt.

Der Kläger trägt vor,

ein schwe­res Fehl­ver­hal­ten aus der spe­zi­fisch ur­tei­len­den kirch­li­chen Sicht, dem ein in­di­vi­du­el­les Frei­heits­recht zur Sei­te ste­he, recht­fer­ti­ge al­len­falls dann ei­ne außer­or­dent­li­che Kündi­gung, wenn der Ar­beit­neh­mer ei­ne lei­ten­de oder ei­ne seel­sor­ge­ri­sche bzw. kle­ri­ka­le Funk­ti­on ausübe. So wie dem be­klag­ten Ca­ri­tas­ver­band als Teil der ver­fass­ten Kir­che de­ren Selbst­be­stim­mungs­recht zur Sei­te ste­he, ste­he ihm das Grund­recht der Ge­wis­sens- und Re­li­gi­ons­frei­heit zu. Er sei aus Glau­bens- und Ge­wis­sens­gründen aus der ka­tho­li­schen Kir­che aus­ge­tre­ten.

Wer­de das hin­rei­chend berück­sich­tigt, sei es dem be­klag­ten Ca­ri­tas­ver­band zu­zu­mu­ten, ihn trotz sei­nes Aus­tritts wei­ter­hin zu beschäfti­gen. Der Kir­chen­aus­tritt wir­ke sich auf sei­ne Ar­beit nicht aus:

- Er neh­me kei­ne lei­ten­de oder re­präsen­ta­ti­ve Auf­ga­be wahr, die mit dem Verkündungs­auf­trag der Kir­che ver­bun­den sei.

- Er sei mit sei­nem Kir­chen­aus­tritt nicht nach außen ge­tre­ten. Er ha­be auch nicht für ei­nen Kir­chen­aus­tritt ge­wor­ben.

- Mit dem Aus­tritt aus der ka­tho­li­schen Kir­che tref­fe er auch kei­ne Aus­sa­ge zu sei­ner Ein­stel­lung ge­genüber der christ­li­chen Re­li­gi­on.

- Das SZA sei ei­ne Ein­rich­tung staat­li­cher Vor­sor­ge. Für den be­klag­ten Ca­ri­tas­ver­band be­ste­he dort da­her ei­ne Pflicht zu re­li­giöser Neu­tra­lität. Im So­zia­len Zen­trum könn­ten kei­ne ka­tho­li­schen Glau­bens­in­hal­te zur Gel­tung ge­bracht wer­den.

Sch­ließlich ha­be das Ar­beits­ge­richt bei sei­ner Ent­schei­dung sei­ne Be­triebs­zu­gehörig­keit so­wie sein Al­ter außer Acht ge­las­sen. Letz­te­res wer­de da­zu führen, dass er kei­ne ver­gleich­ba­re Stel­le mehr fin­den wer­de. Das Grund­recht auf Glau­bens- und Ge­wis­sens­frei­heit wer­de ein­ge­schränkt oder gar ver­hin­dert, wenn sei­ne Ausübung als loya­litätswid­ri­ge Maßnah­me mit ei­ner Kündi­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses sank­tio­niert wer­de, ob­wohl sie die kon­kre­te Tätig­keit ei­ner kirch­li­chen Ein­rich­tung fak­tisch nicht oder nur ge­ringfügig berühre.

Der Kläger be­an­tragt,

das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Mann­heim vom 11.08.2011, AZ. 7 Ca 106/11, wird ab­geändert.

es wird fest­ge­stellt, dass das zwi­schen den Par­tei­en be­ste­hen­de Ar­beits­verhält­nis durch die außer­or­dent­li­che Kündi­gung vom 14.03.2011 zum 30.09.2011 nicht auf­gelöst wor­den ist.

Der be­klag­te Ca­ri­tas­ver­band be­an­tragt,

die Be­ru­fung des Klägers ge­gen das Ur­teil des ArbG Mann­heim vom 11.08.2011 (Az.: 7 Ca 106/11) kos­ten­pflich­tig zurück­zu­wei­sen.

Er trägt vor,

das Selbst­be­stim­mungs­recht der Kir­che grei­fe in al­len Be­rei­chen, in de­nen sich die Kir­che aus ih­rer christ­li­chen Über­zeu­gung her­aus en­ga­gie­re, un­abhängig da­von, ob re­li­giöse In­hal­te in die­ser Ar­beit of­fen zu Ta­ge träten oder zurück­ge­stellt würden. Dar­aus, dass er (der Ver­band) im SZA auch mus­li­mi­sche Fa­mi­li­en be­treue, könne da­her nicht ge­fol­gert wer­den, er könne im Hin­blick auf sei­ne in­ne­re Or­ga­ni­sa­ti­on und sei­nen in­ne­ren Zu­sam­men­halt auf das christ­li­che bzw. das römisch-ka­tho­li­sche Glau­bens­be­kennt­nis sei­ner Mit­ar­bei­ter ver­zich­ten. Der Kläger sei als So­zi­alpädago­ge da­mit be­traut, den kirch­li­chen „Dienst am Men­schen“ zu leis­ten.

Ent­schei­dungs­gründe

 

I.

Die zulässi­ge Be­ru­fung des Klägers ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Mann­heim vom 11.08.2011 (7 Ca 106/11) hat kei­nen Er­folg. Das Ar­beits­ge­richt hat die Kla­ge zu Recht ab­ge­wie­sen. Die Kündi­gungs­schutz­kla­ge ist zwar zulässig, aber nicht be­gründet. Die außer­or­dent­li­che Kündi­gung des be­klag­ten Ca­ri­tas­ver­bands vom 14.03.2011 hat das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en mit Ab­lauf des 30.09.2011 auf­gelöst. Die Kündi­gung ist wirk­sam. Sie erfüllt die Vor­aus­set­zun­gen des § 626 Abs. 1 BGB. Dem be­klag­ten Ca­ri­tas­ver­band war es bei Berück­sich­ti­gung al­ler Umstände und der bei­der­sei­ti­gen In­ter­es­sen un­zu­mut­bar, das Ar­beits­verhält­nis mit dem Kläger bis zum 31.03.2018 auf­recht­zu­er­hal­ten (§ 19 Abs. 3 AVR: „Das Dienst­verhält­nis en­det oh­ne Kündi­gung mit En­de des Mo­nats, in dem der Mit­ar­bei­ter das ge­setz­lich fest­ge­leg­te Al­ter zum Er­rei­chen ei­ner ab­schlags­frei­en Re­gel­al­ters­ren­te voll­endet.“). Der be­klag­te Ca­ri­tas­ver­band hat bei Aus­spruch der Kündi­gung die 2-Wo­chen­frist des § 626 Abs. 2 BGB ge­wahrt.

1. Mit dem Aus­tritt aus der ka­tho­li­schen Kir­che hat der Kläger auf schwer­wie­gen­de Wei­se ge­gen sei­ne ar­beits­ver­trag­li­chen Loya­litäts­pflich­ten ge­genüber dem be­klag­ten Ca­ri­tas­ver­band ver­s­toßen.

a) Der Kläger hat sich gem. § 2 des Ar­beits­ver­trags vom 02.01.1992 i.V. mit § 4 AVR da­zu ver­pflich­tet, sei­ne persönli­che Le­bensführung nach der Glau­bens- und Sit­ten­leh­re und den übri­gen Nor­men der ka­tho­li­schen Kir­che ein­zu­rich­ten. § 6 des Ar­beits­ver­trags droht für den Fall des Ver­s­toßes ge­gen die Grundsätze der ka­tho­li­schen Glau­bens- und Sit­ten­leh­re die Kündi­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses an.

Der Aus­tritt aus der ka­tho­li­schen Kir­che stellt ei­nen er­heb­li­chen Ver­s­toß ge­gen de­ren Glau­bens- und Sit­ten­leh­re dar. In der Erklärung der Deut­schen Bi­schofs­kon­fe­renz zum Aus­tritt aus der ka­tho­li­schen Kir­che vom 24.04.2006 (Amts­blatt der Erz­diöze­se Frei­burg 2006, 349) heißt es u.a. hier­zu:

„1. ... Der Kir­chen­aus­tritt ist der öffent­lich erklärte und amt­lich be­kun­de­te Ab­fall von der Kir­che und erfüllt den Tat­be­stand des Schis­mas im Sin­ne des c. 751 CIC.

3. Wer - aus wel­chen Gründen auch im­mer - den Aus­tritt aus der ka­tho­li­schen Kir­che erklärt, zieht sich die Tat­stra­fe der Ex­kom­mu­ni­ka­ti­on zu, d.h. er ver­liert die mit der Zu­gehörig­keit zur kirch­li­chen Ge­mein­schaft (Com­mu­nio) ver­bun­de­nen Glied­schafts­rech­te, ins­be­son­de­re zum Emp­fang der Sa­kra­men­te und zur Mit­wir­kung in der Kir­che....“

Die Stra­fe der Ex­kom­mu­ni­ka­ti­on er­gibt sich aus can. 1364 Cor­pus Iu­ris Ca­no­ni­ci (CIC).

Der Aus­tritt aus der Kir­che stellt so­mit nach dem Selbst­verständ­nis der Kir­che ei­nen grund­le­gen­den Ver­s­toß ge­gen die Glau­bens- und Sit­ten­leh­re dar. Der Kläger hat auf schwer­wie­gen­de Wei­se ge­gen sei­ne ar­beits­ver­trag­li­chen Loya­litäts­pflich­ten gem. § 2 des Ar­beits­ver­trags i.V. mit § 4 AVR ver­s­toßen.

b) Dass der Kläger mit dem Aus­tritt aus der ka­tho­li­schen Kir­che von sei­nem Grund­recht auf Glau­bens- und Ge­wis­sens­frei­heit (Art. 4 Abs. 1 GG) Ge­brauch ge­macht hat, schließt nicht aus, dass sein Ver­hal­ten als schwer­wie­gen­der Ver­trags­ver­s­toß zu be­wer­ten ist. Bei­de Ver­trags­part­ner sind Grund­recht­sträger. Auch die ka­tho­li­sche Kir­che und der be­klag­te Ca­ri­tas­ver­band als ei­ne Ein­rich­tung der ka­tho­li­schen Kir­che können sich auf das Grund­recht der Be­kennt­nis­frei­heit be­ru­fen (vgl. von Münch/Ku­nig/Ma­ger, Grund­ge­setz, Band 1, 6. Aufl. 2012, Art. 4 Anm. 21, 34). Hin­zu kommt, dass den Re­li­gi­ons­ge­mein­schaf­ten, al­so auch der ka­tho­li­schen Kir­che und ih­ren Ein­rich­tun­gen, gem. Art. 140 GG i.V. mit Art. 137 Abs. 3 WRV ver­fas­sungs­recht­lich die Frei­heit ga­ran­tiert ist, ih­re An­ge­le­gen­hei­ten selbstständig in­ner­halb der Schran­ken des für al­le gel­ten­den Ge­set­zes zu ord­nen und zu ver­wal­ten (vgl. BVerfG, Be­schluss vom 04.06.1985, 2 BvR 1703/83 u.a., NJW 1986, 367). Die­ses Recht folgt auch aus Art. 9 i.V. mit Art. 11 der Kon­ven­ti­on zum Schutz der Men­schen­rech­te und Grund­frei­hei­ten (EM­RK - vgl. EGMR, Ur­teil vom 03.02.2011, 18136/02 (Sie­ben­haar/Deutsch­land), NZA 2012, 199, Rd­nr. 41).

In Ausübung ih­res ver­fas­sungs­recht­lich gewähr­leis­te­ten Selbst­be­stim­mungs­rechts können die Kir­chen Ar­beits­verträge im Sin­ne des kirch­li­chen Diens­tes aus­ge­stal­ten und ih­ren Mit­ar­bei­tern be­son­de­re Loya­litäts­pflich­ten auf­er­le­gen, die über die Rück­sichts­pflich­ten (§ 241 Abs. 2 BGB) ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses mit ei­nem nicht kirch­li­chen Ar­beit­ge­ber hin­aus­ge­hen, weil sie die pri­va­te Le­bensführung der Mit­ar­bei­ter be­tref­fen. Hier­zu hat das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt in sei­nem Be­schluss vom 04.06.1985 (NJW 1986, 367 (368)) aus­geführt:

„Be­die­nen sich die Kir­chen wie je­der­mann der Pri­vat­au­to­no­mie zur Be­gründung von Ar­beits­verhält­nis­sen, so fin­det auf die­se das staat­li­che Ar­beits­recht An­wen­dung. Das ist die schlich­te Fol­ge ei­ner Rechts­wahl. Die Ein­be­zie­hung der kirch­li­chen Ar­beits­verhält­nis­se in das staat­li­che Ar­beits­recht hebt in­des­sen de­ren Zu­gehörig­keit zu den „ei­ge­nen An­ge­le­gen­hei­ten“ der Kir­che nicht auf. Sie darf des­halb die ver­fas­sungs­recht­lich geschütz­te Ei­gen­art des kirch­li­chen Diens­tes, das spe­zi­fisch „Kirch­li­che, das kirch­li­che Pro­pri­um, nicht in Fra­ge stel­len. Die Ver­fas­sungs­ga­ran­tie des Selbst­be­stim­mungs­rechts bleibt für die Ge­stal­tung die­ser Ar­beits­verhält­nis­se we­sent­lich. Auch im We­ge des Ver­trags­schlus­ses können da­her ei­nem kirch­li­chen Ar­beit­neh­mer be­son­de­re Ob­lie­gen­hei­ten ei­ner kirch­li­chen Le­bensführung auf­er­legt wer­den. Wer­den sol­che Loya­litäts­pflich­ten in ei­nem Ar­beits­ver­trag fest­ge­legt, nimmt der kirch­li­che Ar­beit­ge­ber nicht nur die all­ge­mei­ne Ver­trags­frei­heit für sich in An­spruch; er macht so­gleich von sei­nem ver­fas­sungs­kräfti­gen Selbst­be­stim­mungs­recht Ge­brauch. Bei­des zu­sam­men ermöglicht es den Kir­chen erst in den Schran­ken des für al­le gel­ten­den Ge­set­zes den kirch­li­chen Dienst nach ih­rem Selbst­verständ­nis zu re­geln und die spe­zi­fi­schen Ob­lie­gen­hei­ten kirch­li­cher Ar­beit­neh­mer zu um­schrei­ben und ver­bind­lich zu ma­chen. Das schließt ein, dass die Kir­chen der Ge­stal­tung des kirch­li­chen Diens­tes auch dann, wenn sie ihn auf der Grund­la­ge von Ar­beits­verträgen re­geln, das be­son­de­re Leit­bild ei­ner christ­li­chen Dienst­ge­mein­schaft al­ler ih­rer Mit­ar­bei­ter zu Grun­de le­gen können. Da­zu gehört wei­ter die Be­fug­nis der Kir­che, den ihr an­gehören­den Ar­beit­neh­mern die Be­ach­tung je­den­falls der tra­gen­den Grundsätze der kirch­li­chen Glau­bens- und Sit­ten­leh­re auf­zu­er­le­gen und zu ver­lan­gen, daß sie nicht ge­gen die fun­da­men­ta­len Ver­pflich­tun­gen ver­s­toßen, die sich aus der Zu­gehörig­keit zur Kir­che er­ge­ben und die je­dem Kir­chen­glied ob­lie­gen. Denn für die Kir­chen kann ih­re Glaubwürdig­keit da­von abhängen, daß ih­re Mit­glie­der die in ei­nem Ar­beits­verhält­nis zu ih­nen tre­ten, die kirch­li­che Ord­nung - auch in ih­rer Le­bensführung - re­spek­tie­ren. “

Da­mit wer­den die Grund­rech­te des kirch­li­chen Ar­beit­neh­mers nach Art. 2 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG zwar ein­ge­schränkt. Die­se Ein­schränkung ist je­doch un­be­denk­lich. Zum ei­nen ist sie Fol­ge des Aus­gleichs ge­genläufi­ger ver­fas­sungs­recht­li­cher Gewähr­leis­tun­gen. Zum an­de­ren ge­schieht sie nicht oh­ne Ein­wil­li­gung des Be­trof­fe­nen. Es steht ihm frei, ein Ar­beits­verhält­nis mit der Kir­che zu be­gründen oder nicht (vgl. auch EGMR, Ur­teil vom 23.09.2010, 1620/03 (Schüth/Deutsch­land), NZA 2011, 279 Rd­nr. 71; BAG, Ur­teil vom 08.09.2011, 2 AZR 543/10, NZA 2012, 443, Rd­nrn. 21 ff.; LAG Rhein­land-Pfalz, Ur­teil vom 02.07.2008, 7 Sa 250/08, Rd­nrn. 40 f.).

Auch der Kläger war nicht ge­zwun­gen, ein Ar­beits­verhält­nis mit dem be­klag­ten Ca­ri­tas­ver­band zu be­gründen und da­mit ei­ne Ein­schränkung sei­ner Glau­bens­frei­heit (in­ner­halb des Ar­beits­verhält­nis­ses) hin­zu­neh­men. Die ka­tho­li­sche Kir­che und die ihr an­ge­glie­der­ten so­zia­len Ein­rich­tun­gen mögen auf dem Ar­beits­markt für so­zia­le Be­ru­fe zwar ei­ne star­ke Stel­lung ha­ben, sie sind je­doch kei­ne Mo­no­po­lis­ten. Das Grund­recht des Klägers auf Glau­bens- und Ge­wis­sens­frei­heit steht da­her ei­ner Be­wer­tung des Kir­chen­aus­tritts als schwer­wie­gen­den Ver­trags­ver­s­toß nicht ent­ge­gen.

2. Mit dem Aus­tritt aus der ka­tho­li­schen Kir­che hat der Kläger sei­ne ar­beits­ver­trag­li­chen Loya­litäts­pflich­ten ge­genüber dem be­klag­ten Ca­ri­tas­ver­band der­art schwer­wie­gend ver­letzt, dass dies an sich die außer­or­dent­li­che Kündi­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses be­gründet.

a) Im Hin­blick auf das ver­fas­sungs­recht­lich gewähr­leis­te­te Selbst­be­stim­mungs­recht der Kir­che liegt es nicht in der Kom­pe­tenz der staat­li­chen Ar­beits­ge­rich­te, die Schwe­re der Ver­trags­ver­let­zung nach ei­ge­nen Kri­te­ri­en aus der Sicht des sog. verständi­gen Ar­beit­ge­bers zu be­ur­tei­len. Die Ar­beits­ge­rich­te ha­ben sich in­so­weit nach den an­er­kann­ten Maßstäben der ver­fass­ten Kir­che zu rich­ten (vgl. BVerfG, NJW 1986, 367 (369); BAG, NZA 2012, 443, Rd­nr. 24 - da­durch kein Ver­s­toß ge­gen Art. 9 EM­RK: EGMR, NZA 2012, 199, Rd­nr. 45). Das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt (a.a.O.) führt hier­zu aus:

„Gewähr­leis­tet die Ver­fas­sungs­ga­ran­tie des kirch­li­chen Selbst­be­stim­mungs­rechts, daß die Kir­chen bei der ar­beits­ver­trag­li­chen Ge­stal­tung des kirch­li­chen Diens­tes das Leit­bild ei­ner christ­li­chen Dienst­ge­mein­schaft zu­grun­de le­gen und die Ver­bind­lich­keit kirch­li­cher Grund­pflich­ten be­stim­men können, so ist die­se Gewähr­leis­tung bei der An­wen­dung des Kündi­gungs­schutz­rechts auf Kündi­gun­gen von Ar­beits­verhält­nis­sen we­gen der Ver­let­zung der sich dar­aus für die Ar­beit­neh­mer er­ge­ben­den Loya­litätsob­lie­gen­hei­ten aus ver­fas­sungs­recht­li­chen Gründen zu berück­sich­ti­gen und ih­re Trag­wei­te fest­zu­stel­len. Ei­ne Rechts­an­wen­dung, bei der die vom kirch­li­chen Selbst­verständ­nis her ge­bo­te­ne Ver­pflich­tung der kirch­li­chen Ar­beit­neh­mer auf grund­le­gen­de Ma­xi­men kirch­li­chen Le­bens ar­beits­recht­lich oh­ne Be­deu­tung blie­be, wi­derspräche dem ver­fas­sungs­verbürg­ten Selbst­be­stim­mungs­recht der Kir­chen.

Dar­aus er­gibt sich:

a) Im Streit­fall ha­ben die Ar­beits­ge­rich­te die vor­ge­ge­be­nen kirch­li­chen Maßstäbe für die Be­wer­tung ver­trag­li­cher Loya­litäts­pflich­ten zu Grun­de zu le­gen, so­weit die Ver­fas­sung das Recht der Kir­chen an­er­kennt, hierüber selbst zu be­fin­den. Es bleibt da­nach grundsätz­lich den ver­faßten Kir­chen über­las­sen, ver­bind­lich zu be­stim­men, was „die Glaubwürdig­keit der Kir­che und ih­re Verkündi­gung er­for­dert", was „spe­zi­fisch kirch­li­che Auf­ga­ben“ sind, was „Nähe“ zu ih­nen be­deu­tet, wel­ches die „we­sent­li­chen Grundsätze der Glau­bens- und Sit­ten­leh­re“ sind und was als - ggf. schwe­rer - Ver­s­toß ge­gen die­se an­zu­se­hen ist. Auch die Ent­schei­dung darüber, ob und wie in­ner­halb der im kirch­li­chen Dienst täti­gen Mit­ar­bei­ter ei­ne „Ab­stu­fung“ der Loya­litäts­pflich­ten ein­grei­fen soll, ist grundsätz­lich ei­ne dem kirch­li­chen Selbst­be­stim­mungs­recht un­ter­lie­gen­de An­ge­le­gen­heit.“

b) Nach den Maßstäben der ka­tho­li­schen Kir­che han­delt es sich bei dem Aus­tritt aus der ka­tho­li­schen Kir­che um ei­nen grund­le­gen­den Ver­trags­ver­s­toß. Der Ar­beit­neh­mer sagt sich von der Kir­che los (Erklärung der Deut­schen Bi­schofs­kon­fe­renz vom 24.04.2006) und spricht da­mit ih­rer Glau­bens- und Sit­ten­leh­re je­de Ver­bind­lich­keit für sei­ne Per­son ab. Es han­delt sich nach ka­no­ni­schem Recht um ein Schis­ma (can. 751 CIC: Ver­wei­ge­rung der Un­ter­wer­fung un­ter den Papst oder die Ge­mein­schaft), das mit dem Aus­schluss aus der kirch­li­chen Ge­mein­schaft be­straft wird. Die als Kir­chen­ge­setz in al­len deut­schen Diöze­sen er­las­se­ne Grund­ord­nung des kirch­li­chen Diens­tes im Rah­men kirch­li­cher Ar­beits­verhält­nis­se (Amts­blatt der Erz­diöze­se Frei­burg 1993, 250 ff.; 2005, 92; 2011, 121) enthält zum Aus­tritt aus der ka­tho­li­schen Kir­che fol­gen­de Re­ge­lun­gen:

„Art. 5 Verstöße ge­gen Loya­litätsob­lie­gen­hei­ten

(2) Für ei­ne Kündi­gung aus kir­chen­spe­zi­fi­schen Gründen sieht die Kir­che ins­be­son­de­re fol­gen­de Loya­litäts­verstöße als schwer­wie­gend an:

- Ver­let­zun­gen der gem. Art. 3 und 4 von ei­ner Mit­ar­bei­te­rin oder ei­nem Mit­ar­bei­ter zu erfüllen­den Ob­lie­gen­hei­ten, ins­be­son­de­re Kir­chen­aus­tritt, öffent­li­ches Ein­tre­ten ge­gen tra­gen­de Grundsätze der ka­tho­li­schen Kir­che (z.B. hin­sicht­lich der Ab­trei­bung) und schwer­wie­gen­de persönli­che sitt­li­che Ver­feh­lun­gen,

 

...

(5) Mit­ar­bei­te­rin­nen oder Mit­ar­bei­ter, die aus der ka­tho­li­schen Kir­che aus­tre­ten, können nicht wei­ter­beschäftigt wer­den. ...“

Nach den in­so­weit zu be­ach­ten­den kirch­li­chen Maßstäben han­delt es sich bei dem Aus­tritt aus der ka­tho­li­schen Kir­che um ei­ne grund­le­gen­de Ver­let­zung der ar­beits­ver­trag­li­chen Loya­litäts­pflich­ten, die an sich ge­eig­net ist, die außer­or­dent­li­che Kündi­gung des kirch­li­chen Ar­beits­verhält­nis­ses zu be­gründen.

c) Dass die ein­schlägi­gen Rechts­nor­men des Kir­chen­rechts nur den ka­tho­li­schen, nicht aber den nicht ka­tho­li­schen Ar­beit­neh­mer des be­klag­ten Ca­ri­tas­ver­bands be­tref­fen, stellt kei­ne un­zulässi­ge Be­nach­tei­li­gung we­gen der Re­li­gi­ons­zu­gehörig­keit gem. § 7 Abs. 1 i.V. mit § 1 AGG dar. § 9 Abs. 2 AGG stellt klar, dass das Ver­bot un­ter­schied­li­cher Be­hand­lung we­gen der Re­li­gi­ons­zughörig­keit nicht das Recht der Kir­chen und ih­rer Ein­rich­tun­gen berührt, von ih­ren Beschäftig­ten ein loya­les und auf­rich­ti­ges Ver­hal­ten im Sin­ne ih­res je­wei­li­gen Selbst­verständ­nis­ses ver­lan­gen zu können. Auch Art. 4 Abs. 2 der Richt­li­nie 2000/78/EG zur Fest­le­gung ei­nes all­ge­mei­nen Rah­mens für die Ver­wirk­li­chung der Gleich­be­hand­lung in Beschäfti­gung und Be­ruf räumt den Kir­chen aus­drück­lich das Recht ein, „im Ein­klang mit den ein­zel­staat­li­chen ver­fas­sungs­recht­li­chen Be­stim­mun­gen und Rechts­vor­schrif­ten von den für sie ar­bei­ten­den Per­so­nen (zu) ver­lan­gen, dass sie sich loy­al und auf­rich­tig im Sin­ne des Ethos der Or­ga­ni­sa­ti­on ver­hal­ten.“ Art. 5 der Grund­ord­nung verstößt da­her nicht ge­gen das All­ge­mei­ne Gleich­be­hand­lungs­ge­setz und kann des­halb zur Be­wer­tung des Ver­trags­ver­s­toßes des Klägers her­an­ge­zo­gen wer­den (vgl. BAG, NZA 2012, 443, Rd­nrn. 30 ff.; LAG Rhein­land-Pfalz, a.a.O., Rd­nrn. 42 ff.).

3. Der Aus­tritt aus der ka­tho­li­schen Kir­che stellt so­mit in ei­nem Ar­beits­verhält­nis mit der ka­tho­li­schen Kir­che oder ei­ner ih­rer Ein­rich­tun­gen grundsätz­lich ei­nen wich­ti­gen Grund dar, das Ar­beits­verhält­nis außer­or­dent­lich auf­zulösen. Auch wenn man im vor­lie­gen­den Fall die In­ter­es­sen bei­der Par­tei­en ge­gen­ein­an­der abwägt, be­stand für den be­klag­ten Ca­ri­tas­ver­band ein wich­ti­ger Grund, das Ar­beits­verhält­nis mit dem Kläger an­ge­sichts sei­nes Kir­chen­aus­tritts außer­or­dent­lich zu kündi­gen.

Der Kläger hat al­ler­dings ein ho­hes In­ter­es­se an der Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses. Zu­dem hat das (staat­li­che) Ge­richt an­zu­er­ken­nen, dass er sein Grund­recht auf Glau­bens- und Ge­wis­sens­frei­heit ausübte, als er mit dem Aus­tritt aus der ka­tho­li­schen Kir­che sei­ne ar­beits­ver­trag­li­chen Loya­litäts­pflich­ten schwer­wie­gend ver­letz­te. Das ho­he In­ter­es­se des Klägers drückt sich schon dar­in aus, dass der be­klag­te Ca­ri­tas­ver­band das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en gem. § 2 des Ar­beits­ver­trags i.V. mit § 14 Abs. 5 AVR nicht or­dent­lich kündi­gen konn­te. Der be­klag­te Ca­ri­tas­ver­band hat sich ge­genüber dem Kläger da­zu ver­pflich­tet, das Ar­beits­verhält­nis nur aus­nahms­wei­se in schwer­wie­gen­den Fällen ein­sei­tig zu lösen. Der Kläger kann auf ein langjähri­ges Ar­beits­verhält­nis zurück­bli­cken und be­fin­det sich in ei­nem Al­ter, in dem sei­ne Chan­cen auf dem Ar­beits­markt als aus­ge­spro­chen ge­ring ein­geschätzt wer­den müssen, zu­mal auf Grund sei­nes Kir­chen­aus­tritts ein großer An­bie­ter von Ar­beitsplätzen im so­zia­len Be­reich, die ka­tho­li­sche Kir­che und ih­re Ein­rich­tun­gen, von vorn­her­ein ausfällt. Zu­dem ge­bie­tet der Schutz des ver­fas­sungs­recht­lich und nach Art. 9 EM­RK gewähr­leis­te­ten Rechts auf Glau­bens­frei­heit, dass die Ausübung die­ses Rechts nur dann zur Auflösung des Ar­beits­verhält­nis­ses und dar­aus fol­gen­der Ar­beits­lo­sig­keit führen darf, wenn die ge­genläufi­gen In­ter­es­sen des kirch­li­chen Ar­beit­ge­bers grund­le­gend sind.

Das In­ter­es­se des be­klag­ten Ca­ri­tas­ver­bands an der Auflösung des Ar­beits­verhält­nis­ses mit dem Kläger ist grund­le­gend. Auch sein In­ter­es­se be­ruht auf ver­fas­sungs­recht­li­chen Po­si­tio­nen. Wie bei der Be­gründung des Ar­beits­verhält­nis­ses und der mit ihm ver­bun­de­nen Loya­litäts­ver­pflich­tun­gen ist auch bei sei­ner Auflösung zu be­ach­ten, dass die Kir­che und ih­re Ein­rich­tun­gen eben­falls Grund­recht­sträger sind und ihr Selbst­be­stim­mungs­recht in Art. 140 GG i.V. mit Art. 137 Abs. 3 WRV an­er­kannt wird. Das Ge­richt kann sich des­halb im Rah­men der In­ter­es­sen­abwägung nicht da­von lösen, wel­che Be­deu­tung die ka­tho­li­sche Kir­che dem Kir­chen­aus­tritt bei­misst, son­dern muss sich dar­an ori­en­tie­ren (vgl. BVerfG, NJW 1986, 367 (369)).

Nach dem Selbst­verständ­nis des be­klag­ten Ca­ri­tas­ver­bands geht es nicht dar­um, ob der Kläger als So­zi­al­ar­bei­ter ar­bei­ten kann. Es geht viel­mehr dar­um, ob der Kläger als Mit­ar­bei­ter des be­klag­ten Ca­ri­tas­ver­bands wei­ter­hin So­zi­al­ar­beit leis­ten kann. Da­zu for­dert Art. 1 (Grund­prin­zi­pi­en des kirch­li­chen Diens­tes) der Grund­ord­nung:

„Al­le in ei­ner Ein­rich­tung der ka­tho­li­schen Kir­che Täti­gen tra­gen durch ih­re Ar­beit oh­ne Rück­sicht auf die ar­beits­recht­li­che Stel­lung ge­mein­sam da­zu bei, daß die Ein­rich­tung ih­ren Teil am Sen­dungs­auf­trag der Kir­che erfüllen kann (Dienst­ge­mein­schaft). Al­le Be­tei­lig­ten, Dienst­ge­ber so­wie lei­ten­de und ausführen­de Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter, müssen an­er­ken­nen und ih­rem Han­deln zu­grun­de le­gen, daß Ziel­set­zung und Tätig­keit, Or­ga­ni­sa­ti­ons­struk­tur und Lei­tung der Ein­rich­tung, für die sie tätig sind, sich an der Glau­bens- und Sit­ten­leh­re und an der Rechts­ord­nung der ka­tho­li­schen Kir­che aus­zu­rich­ten ha­ben.“

Der be­klag­te Ca­ri­tas­ver­band kann vom Kläger nach dem Kir­chen­aus­tritt nicht mehr er­war­ten, dass er am Sen­dungs­auf­trag der Kir­che teil­neh­men oder sich an der Glau­bens- und Sit­ten­leh­re der ka­tho­li­schen Kir­che ori­en­tie­ren will. Auch als So­zi­al­ar­bei­ter im SZA muss der Kläger aber an der Erfüllung des kirch­li­chen Sen­dungs­auf­trags mit­wir­ken. Es geht um die prak­ti­zier­te christ­li­che Nächs­ten­lie­be (vgl. die Präam­bel des Ar­beits­ver­trags vom 02.01.1992). Dass der be­klag­te Ca­ri­tas­ver­band sei­ne Ar­beit im SZA re­li­giös neu­tral leis­tet, be­deu­tet nicht, dass er dort sei­ne kirch­li­chen Grund­la­gen auf­gibt. Schon das sicht­ba­re Si­g­net macht auch den be­treu­ten mus­li­mi­schen Fa­mi­li­en deut­lich, dass sich ei­ne christ­li­che Or­ga­ni­sa­ti­on um das Zen­trum kümmert. Auch oh­ne ei­ne re­li­giöse Er­zie­hung wird im So­zia­len Zen­trum Er­zie­hungs­ar­beit ge­leis­tet, die nicht in das Be­lie­ben der Ein­zel­nen ge­stellt ist. Nach dem Selbst­verständ­nis des be­klag­ten Ca­ri­tas­ver­bands - wie es in Art. 1 der Grund­ord­nung, in § 14 AVR und in der Präam­bel des Ar­beits­ver­trags zum Aus­druck kommt - rich­tet sich auch die Er­zie­hungs­ar­beit im SZA an christ­li­chen Wer­ten, und zwar nach dem Verständ­nis der ka­tho­li­schen Kir­che, aus Letzt­lich würde der be­klag­te Ca­ri­tas­ver­band sei­ne Iden­tität auf­ge­ben, wäre es für ihn un­er­heb­lich, wie sei­ne Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter zur Glau­bens- und Sit­ten­leh­re der ka­tho­li­schen Kir­che stünden. Oh­ne den An­spruch, den kirch­li­chen Sen­dungs­auf­trag mit Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­tern zu erfüllen, die die­sen mit­tra­gen, gäbe es für den be­klag­ten Ca­ri­tas­ver­band kei­nen Grund, bei­spiels­wei­se die Ar­beit im SZA zu über­neh­men, weil sie von je­der an­de­ren Hilfs­or­ga­ni­sa­ti­on sonst auf die­sel­be Wei­se ge­leis­tet wer­den könn­te.

Aus der ver­fas­sungs­recht­li­chen Po­si­ti­on und das zu be­ach­ten­de Selbst­verständ­nis des be­klag­ten Ca­ri­tas­ver­bands als kirch­li­che Ein­rich­tung folgt so­mit ein grund­le­gen­des In­ter­es­se an der Auflösung des Ar­beits­verhält­nis­ses mit dem Kläger. Die­ses über­wiegt das ge­genläufi­ge In­ter­es­se des Klägers trotz sei­ner star­ken so­wohl so­zia­len wie ver­fas­sungs­recht­lich ge­prägten Aus­gangs­po­si­ti­on. Ent­schei­dend ist letzt­end­lich, dass sich der Kläger bei Ab­schluss des Ar­beits­ver­trags be­wusst war, dass sein Grund­recht auf Glau­bens- und Ge­wis­sens­frei­heit im Rah­men die­ses Ar­beits­verhält­nis­ses dau­er­haft ein­ge­schränkt sein wer­de. An­ders als in dem vom Eu­ropäischen Ge­richts­hof für Men­schen­rech­te ent­schie­de­nen Fall Schüth/Deutsch­land (NZA 2011, 279 Rd­nr. 71) konn­te der be­klag­te Ca­ri­tas­ver­band vom Kläger auch er­war­ten, dass die­ser für die Dau­er des Ar­beits­verhält­nis­ses nicht aus der ka­tho­li­schen Kir­che aus­tre­ten und even­tu­el­le Kon­flik­te in­ner­halb der Kir­che aus­tra­gen wer­de. Der Wi­der­spruch amt­lich be­kun­de­ter Ab­wen­dung von der Kir­che/Ar­beit für die Kir­che war vom Be­ginn des Ar­beits­verhält­nis­ses an of­fen­kun­dig. Das In­ter­es­se des be­klag­ten Ca­ri­tas­ver­bands an der Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses über­wiegt da­her das In­ter­es­se des Klägers an des­sen Fort­set­zung.

Al­ler­dings war den be­rech­tig­ten In­ter­es­sen des Klägers in­so­weit Rech­nung zu tra­gen, als ihm ein Über­brückungs­zeit­raum ein­zuräum­en war, in dem er sich auf die neue, für ihn wirt­schaft­lich har­te Si­tua­ti­on ein­stel­len und zu­min­dest den Ver­such star­ten konn­te, an an­de­rer Stel­le auf dem Ar­beits­markt Fuß zu fas­sen. Das hat der be­klag­te Ca­ri­tas­ver­band ge­tan, in­dem er das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en mit ei­ner so­zia­len Aus­lauf­frist, die der fik­ti­ven Kündi­gungs­frist nach § 14 Abs. 2 AVR ent­sprach, kündig­te. Ein Über­brückungs­zeit­raum von sie­ben Jah­ren, an des­sen En­de der Kläger das Ren­ten­al­ter er­reicht hätte, war dem be­klag­ten Ca­ri­tas­ver­band aus den ge­nann­ten Gründen je­doch nicht zu­mut­bar. Die außer­or­dent­li­che Kündi­gung des be­klag­ten Ca­ri­tas­ver­bands vom 14.03.2011 erfüllt folg­lich die Vor­aus­set­zun­gen des § 626 Abs. 1 BGB.

4. Der be­klag­te Ca­ri­tas­ver­band hielt auch bei Aus­spruch der außer­or­dent­li­chen Kündi­gung die 2-Wo­chen­frist des § 626 Abs. 2 BGB ein. Zwi­schen der Kennt­nis­nah­me des Kündi­gungs­grun­des durch den Geschäftsführer Dr. R. N. am 23.02.2011 und dem Zu­gang des Kündi­gungs­schrei­bens zwi­schen dem 14. und dem 16.03.2011 la­gen zwar mehr als zwei Wo­chen. Vor Aus­spruch der Kündi­gung war der Geschäftsführer Dr. R. N. gem. Art. 5 Abs. 1 der Grund­ord­nung aber ver­pflich­tet, ein klären­des Gespräch mit dem Kläger zu führen, um zu er­fah­ren, ob der Kir­chen­aus­tritt mögli­cher­wei­se rückgängig zu ma­chen wäre. Die Be­weg­gründe des Klägers und de­ren Be­stimmt­heit wa­ren Dr. R. N. nicht be­kannt. Ein sol­ches Gespräch ist zügig in­ner­halb ei­ner Wo­che durch­zuführen; dann be­ginnt die 2-Wo­chen­frist zu lau­fen (vgl. Gie­seler, in: Fie­big/Gall­ner/Mest­werdt/Näge­le, Kündi­gungs­schutz­recht, 4. Auf­la­ge 2012, § 626 Anm. 121). Das Gespräch zwi­schen Dr. R. N. und dem Kläger fand zwar später als ei­ne Wo­che nach dem 23.02.2011 statt. Ins­ge­samt stan­den dem be­klag­ten Ca­ri­tas­ver­band ein­sch­ließlich des Gesprächs aber drei Wo­chen vor Aus­spruch der außer­or­dent­li­chen Kündi­gung zur Verfügung. Die­ser Zeit­raum wur­de ein­ge­hal­ten. Da­mit hat der be­klag­te Ca­ri­tas­ver­band letzt­lich auch die 2-Wo­chen­frist des § 626 Abs. 2 BGB ge­wahrt.

Die außer­or­dent­li­che Kündi­gung des be­klag­ten Ca­ri­tas­ver­bands vom 14.03.2011 erfüllt die Vor­aus­set­zun­gen des § 626 BGB. Sie ist wirk­sam und hat das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en mit Ab­lauf des 30.09.2011 auf­gelöst. Das Ar­beits­ge­richt Mann­heim hat die Kla­ge mit Ur­teil vom 11.08.2011 zu Recht zurück­ge­wie­sen. Die Be­ru­fung des Klägers ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Mann­heim vom 11.08.2011 war zurück­zu­wei­sen.

 

II.

Die Re­vi­si­on war gem. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zu­zu­las­sen, weil die ent­schei­dungs­er­heb­li­chen Rechts­fra­gen von grundsätz­li­cher Be­deu­tung sind.

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