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HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

LAG Hamm, Ur­teil vom 30.07.2014, 3 Sa 523/14

   
Schlagworte: Ausbildungsverhältnis, Kündigung: Probezeit
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Aktenzeichen: 3 Sa 523/14
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 30.07.2014
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Paderborn, Urteil vom 13.03.2014, 1 Ca 1895/13
   

Te­nor:

Die Be­ru­fung des Klägers ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Pa­der­born vom 13.03.2014 – 1 Ca 1895/13 – wird zurück­ge­wie­sen.

Die Kos­ten des Be­ru­fungs­ver­fah­rens trägt der Kläger.

Die Re­vi­si­on wird nicht zu­ge­las­sen.

Tat­be­stand:

Die Par­tei­en strei­ten um die Rechts­wirk­sam­keit der Kündi­gung ei­nes Be­rufs­aus­bil­dungs­verhält­nis­ses so­wie um ei­nen Wei­ter­beschäfti­gungs­an­spruch des Klägers.

Bei der Be­klag­ten han­delt es sich um ein bun­des­weit täti­ges Ein­zel­han­dels­un­ter­neh­men mit meh­re­ren 100 Ar­beit­neh­mern. Die Be­klag­te un­terhält zahl­rei­che Fi­lia­len, dar­un­ter die Fi­lia­le 123 in I. Ein Be­triebs­rat ist bei der Be­klag­ten gewählt.

Der 1992 ge­bo­re­ne und le­di­ge Kläger be­warb sich im Frühjahr 2013 auf ei­ne von der Be­klag­ten an­ge­bo­te­ne Aus­bil­dungs­stel­le zum Ein­zel­han­dels­kauf­mann. Anläss­lich ei­nes Vor­stel­lungs­gesprächs wur­de dem Kläger die zum 01. Au­gust 2013 be­gin­nen­de Aus­bil­dung zu­ge­sagt, gleich­zei­tig bot die Be­klag­te dem Kläger die Über­brückung der Zeit bis zum Aus­bil­dungs­be­ginn über ein Prak­ti­kum an.

In der Zeit vom 11. März 2013 bis zum 31. Ju­li 2013 ab­sol­vier­te er bei der Be­klag­ten ein Prak­ti­kum auf der Ba­sis ei­nes Prak­ti­kan­ten­ver­tra­ges vom 27. März 2013, der in § 1 ei­ne Pro­be­zeit von zwei Mo­na­ten vor­sah. An­sch­ließend trat der Kläger in ein Aus­bil­dungs­verhält­nis mit der Be­klag­ten ein. Rechts­grund­la­ge die­ses Aus­bil­dungs­verhält­nis­ses war ein Be­rufs­aus­bil­dungs­ver­trag vom 22. Ju­ni 2013. Die­ser sah wie­der­um ei­ne Pro­be­zeit vor, dies­mal im Um­fang von drei Mo­na­ten. Der Kläger be­zog ei­ne mo­nat­li­che Aus­bil­dungs­vergütung von 677,- € brut­to.

Mit ei­nem Schrei­ben vom 29. Ok­to­ber 2013, dem Kläger am glei­chen Ta­ge zu­ge­gan­gen, kündig­te die Be­klag­te das mit dem Kläger be­ste­hen­de Aus­bil­dungs­verhält­nis in­ner­halb der Pro­be­zeit zum 29. Ok­to­ber 2013. Zu der Kündi­gung hat­te die Be­klag­te zu­vor un­ter dem 23. Ok­to­ber 2013 den Be­triebs­rat an­gehört mit der Be­gründung: “Herr L hat un­se­ren Er­war­tun­gen auf­grund feh­len­der Ei­gen­in­itia­ti­ve nicht ent­spro­chen“. Der Be­triebs­rat hat­te der Kündi­gungs­ab­sicht zu­ge­stimmt.

Ge­gen die­se Kündi­gung wen­det sich der Kläger mit der am 15. No­vem­ber 2013 bei Ge­richt ein­ge­gan­ge­nen Kla­ge. Gleich­zei­tig hat der Kläger das Sch­lich­tungs­ver­fah­ren vor der In­dus­trie- und Han­dels­kam­mer zu Ost­west­fa­len in Bie­le­feld ein­ge­lei­tet. Das Sch­lich­tungs­ver­fah­ren ist er­folg­los ge­blie­ben, da ein vom Sch­lich­tungs­aus­schuss gefäll­ter Versäum­nis­spruch vom 13. De­zem­ber 2013 von der Be­klag­ten nicht an­er­kannt wor­den ist.

Der Kläger hat die Kündi­gung für un­wirk­sam er­ach­tet.

Zum ei­nen sei die Anhörung des Be­triebs­rats nicht ord­nungs­gemäß er­folgt, da zwar das Prak­ti­kum erwähnt wor­den, es aber in kei­ner Wei­se mit­ge­teilt wor­den sei, wel­cher Art und wel­chen Um­fangs das Prak­ti­kum ge­we­sen sei.

Zum an­de­ren sei das Prak­ti­kum mit sei­ner zwei­mo­na­ti­gen Pro­be­zeit auch als re­le­vant an­zu­se­hen. Gleich zu Be­ginn des Prak­ti­kums ha­be er ei­ne Schu­lung im Be­reich „Ober­bet­ten“ er­folg­reich ab­sol­viert. Auch in der Fol­ge­zeit ha­be er wei­te­re Schu­lun­gen ab­sol­viert. Der Sinn und Zweck des Prak­ti­kums ha­be mit dem ei­ner ge­ne­rel­len Pro­be­zeit überein­ge­stimmt. Die Prak­ti­kums­zeit sei da­her auf die Pro­be­zeit des Aus­bil­dungs­verhält­nis­ses mit an­zu­rech­nen. Die Ver­ein­ba­rung ei­ner zwei­ten Pro­be­zeit stel­le ei­ne un­an­ge­mes­se­ne Be­nach­tei­li­gung sei­ner Per­son dar.

Je­den­falls sei die Pro­be­zeit ent­spre­chend gel­tungs­er­hal­tend zu re­du­zie­ren ge­we­sen, so­dass dann kei­ne Kündi­gung im Rah­men der Pro­be­zeit vor­ge­le­gen ha­be.

Der Kläger hat be­an­tragt,

1. fest­zu­stel­len, dass das Aus­bil­dungs­verhält­nis der Par­tei­en nicht durch die Kündi­gung der Be­klag­ten vom 29. Ok­to­ber 2013 be­en­det wor­den ist,

2. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, ihn bis zum rechts­kräfti­gen Ab­schluss des Kündi­gungs­schutz­ver­fah­rens zu un­veränder­ten ar­beits­ver­trag­li­chen Be­din­gun­gen wei­ter zu beschäfti­gen.

Die Be­klag­te hat be­an­tragt,

die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Sie hat die Kündi­gung nach § 22 BBiG als rechts­wirk­sam an­ge­se­hen. Sie sei in­ner­halb der Pro­be­zeit aus­ge­spro­chen wor­den. Das da­vor lie­gen­de Prak­ti­kum ste­he der Pro­be­zeit­ver­ein­ba­rung nicht ent­ge­gen. Ein Prak­ti­kum könne ih­rer Mei­nung nach die wei­te­ren aus ei­nem Aus­bil­dungs­verhält­nis sich er­ge­ben­den Ver­pflich­tun­gen nicht erfüllen. Für die An­rech­nung der Prak­ti­kums­zeit feh­le es zu­dem an ei­ner Rechts­grund­la­ge.

Mit Ur­teil vom 13. März 2014 hat das Ar­beits­ge­richt die Kla­ge ab­ge­wie­sen.

Zur Be­gründung hat es aus­geführt, die Kündi­gung vom 29. Ok­to­ber 2013 sei rechts­wirk­sam. Dem­ent­spre­chend sei ein Wei­ter­beschäfti­gungs­an­spruch des Klägers nicht ge­ge­ben.

Die ver­ein­bar­te Pro­be­zeit ha­be drei Mo­na­te be­tra­gen, die Kündi­gung vom 29. Ok­to­ber 2013 ha­be da­her in­ner­halb die­ser Pro­be­zeit ge­le­gen.

Das Prak­ti­kum vom 11. März 2013 bis zum 31. Ju­li 2013 sei auf die Pro­be­zeit nicht an­zu­rech­nen ge­we­sen, ein vor­ge­la­ger­tes Prak­ti­kum schließe die Ver­ein­ba­rung ei­ner Pro­be­zeit im Be­rufs­aus­bil­dungs­verhält­nis nicht aus. Die Pflich­ten des Ar­beit­neh­mers im Prak­ti­kum sei­en un­ter­schied­lich zu den Pflich­ten des Aus­zu­bil­den­den im Be­rufs­aus­bil­dungs­verhält­nis.

Der Rechts­wirk­sam­keit der streit­ge­genständ­li­chen Kündi­gung ste­he auch nicht § 102 Be­trVG ent­ge­gen. Der bei der Be­klag­ten be­ste­hen­de Be­triebs­rat sei vor Aus­spruch der Kündi­gung vom 29. Ok­to­ber 2013 ord­nungs­gemäß an­gehört wor­den. Die Be­klag­te ha­be den Be­triebs­rat im Anhörungs­schrei­ben vom 21. Ok­to­ber 2013 auch ausführ­lich un­ter­rich­tet. Über das Prak­ti­kum des Klägers ab dem 11. März 2013 sei der Be­triebs­rat in­for­miert wor­den. Darüber hin­aus sei die Be­klag­te nicht ver­pflich­tet ge­we­sen, dem Be­triebs­rat al­le Ein­zel­hei­ten des Prak­ti­kan­ten­ver­tra­ges vor­zu­tra­gen.

Ge­gen das un­ter dem 21. März 2014 zu­ge­stell­te Ur­teil, auf des­sen Ent­schei­dungs­gründe im Übri­gen Be­zug ge­nom­men wird, hat der Kläger un­ter dem 17. April 2014 Be­ru­fung zum Lan­des­ar­beits­ge­richt ein­ge­legt und die­se un­ter dem 21. Mai 2014 be­gründet.

Er ver­bleibt bei sei­ner Auf­fas­sung, die Kündi­gung sei schon des­we­gen un­wirk­sam, da die Anhörung des Be­triebs­ra­tes nicht ord­nungs­gemäß er­folgt sei. Zu ei­ner ord­nungs­gemäßen Anhörung ha­be die Mit­tei­lung über Art und Um­fang des Prak­ti­kums gehört. Eben­so feh­le es sei­ner Mei­nung nach an ei­ner aus­rei­chen­den Mit­tei­lung der Gründe.

Fer­ner ge­bie­te ei­ne Ein­zel­fall be­zo­ge­ne Be­trach­tung, dass die vor­her­ge­hen­de Zeit als Prak­ti­kant als Aus­bil­dungs­zeit und da­her auf die Pro­be­zeit an­zu­rech­nen ge­we­sen sei. Die Be­klag­te ha­be un­mit­tel­bar mit Be­ginn des Prak­ti­kums mit der Ver­mitt­lung von Aus­bil­dungs­in­hal­ten be­gon­nen. Er ha­be dann Tätig­kei­ten aus­geübt, die ein er­fah­re­ner Aus­zu­bil­den­der bzw. ein aus­ge­lern­ter Mit­ar­bei­ter zu ver­rich­ten ge­habt ha­be, Sinn und Zweck des Prak­ti­kums hätten da­her mit der Pro­be­zeit überein­ge­stimmt.

Der Kläger be­an­tragt,

das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Pa­der­born vom 13. März 2013 ab­zuändern und

1. fest­zu­stel­len, dass das Aus­bil­dungs­verhält­nis der Par­tei­en nicht durch die Kündi­gung der Be­klag­ten vom 29. Ok­to­ber 2013 be­en­det wor­den ist,

2. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, ihn bis zum rechts­kräfti­gen Ab­schluss des Kündi­gungs­schutz­ver­fah­rens zu un­veränder­ten ar­beits­ver­trag­li­chen Be­din­gun­gen wei­ter zu beschäfti­gen.

Die Be­klag­te be­an­tragt,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Sie ver­tei­digt das ar­beits­ge­richt­li­che Ur­teil.

Die Wirk­sam­keit der Kündi­gung schei­te­re nicht an ei­ner nicht ord­nungs­gemäßen Anhörung des Be­triebs­ra­tes, sie ha­be den Be­triebs­rat nicht über nähe­re Ein­zel­hei­ten des Prak­ti­kums in­for­mie­ren müssen.

Zu Recht ha­be das Ar­beits­ge­richt auch an­ge­nom­men, dass das Prak­ti­kum nicht auf die Pro­be­zeit ha­be an­ge­rech­net wer­den müssen; ein Prak­ti­kum wer­de nicht des­we­gen zum Be­stand­teil ei­ner Aus­bil­dung, dass de­ckungs­glei­che Mo­men­te vor­han­den ge­we­sen sei­en. Zwi­schen ei­nem Prak­ti­kum und ei­ner Aus­bil­dung be­ste­he ein er­heb­li­cher Un­ter­schied. Zu­dem wi­der­spre­che ei­ne An­rech­nung dem Wort­laut des § 20 BBiG.

Hin­sicht­lich des wei­te­ren Vor­brin­gens der Par­tei­en wird auf den In­halt der ge­wech­sel­ten Schriftsätze nebst An­la­gen Be­zug ge­nom­men.

Ent­schei­dungs­gründe

Die Be­ru­fung des Klägers ist zulässig, aber nicht be­gründet.

A.

Durch­grei­fen­de Be­den­ken ge­gen die Zulässig­keit der Be­ru­fung be­ste­hen nicht.

Die Be­ru­fung ist statt­haft gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, 2 b), c) ArbGG.

Die Be­ru­fung ist auch form- und frist­ge­recht ein­ge­legt und be­gründet wor­den, §§ 66 42 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, §§ 517 ff. ZPO.

B.

Die Be­ru­fung des Klägers ist je­doch nicht be­gründet.

Das Be­rufs­aus­bil­dungs­verhält­nis der Par­tei­en ist durch die Kündi­gung der Be­klag­ten vom 29. Ok­to­ber 2013 wirk­sam aus­gelöst wor­den (I.).

Dem Kläger steht da­her auch kein An­spruch auf vorläufi­ge Wei­ter­beschäfti­gung zur Sei­te (II.).

I.

Die Kündi­gung vom 29. Ok­to­ber 2013 ist wirk­sam.

1.

Die Kündi­gung ist nicht we­gen ei­ner nicht ord­nungs­gemäßen Anhörung des Be­triebs­ra­tes un­wirk­sam.

a.

§ 102 Ab­satz 1 Satz 2 Be­trVG er­for­dert da­bei, dass der Ar­beit­ge­ber dem Be­triebs­rat die Gründe für die Kündi­gung mit­zu­tei­len hat.

Hier­zu ist es er­for­der­lich, dass der Ar­beit­ge­ber dem Be­triebs­rat ne­ben den Per­so­na­li­en des zu kündi­gen­den Ar­beit­neh­mers, der Kündi­gungs­ab­sicht, der Kündi­gungs­art ggfs. des Kündi­gungs­ter­mins und der Kündi­gungs­frist auch deut­lich ge­nug die Kündi­gungs­gründe mit­teilt (BAG 12.08.1976, EzA Be­trVG 1972 § 102 Nr. 25; BAG 13.07.1978, EzA Be­trVG 1972 § 102 Nr. 35; BAG 26.01.1995, EzA Be­trVG 1972 § 102 Nr. 87).

Nur bei Mit­tei­lung die­ser Tat­sa­chen kann nach der ständi­gen Recht­spre­chung des BAG von ei­ner wirk­sa­men Anhörung des Be­triebs­ra­tes gemäß § 102 Ab­satz 1 Satz 1 Be­trVG aus­ge­gan­gen wer­den.

Der Zweck der Anhörung, es dem Be­triebs­rat zu ermögli­chen, sich oh­ne zusätz­li­che Nach­for­schun­gen ein ei­ge­nes Bild von der Be­gründet­heit der Kündi­gung ma­chen zu können, ge­bie­tet es, die Grundsätze über die Mit­tei­lung der den ei­gent­li­chen Kündi­gungs­grund be­tref­fen­den Umstände ent­spre­chend für sol­che Umstände an­zu­wen­den, die im Rah­men der In­ter­es­sen­abwägung zu­guns­ten des Ar­beit­neh­mers spre­chen können.

Dem­gemäß darf der Ar­beit­ge­ber dem Be­triebs­rat kei­ne - ihm be­kann­ten und von ihm be­dach­ten - persönli­chen Umstände des Ar­beit­neh­mers vor­ent­hal­ten, die sich im Rah­men der In­ter­es­sen­abwägung ent­schei­dend zu sei­nen Guns­ten aus­wir­ken können (BAG 02.03.1989, EzA BGB § 626 n.F. Nr. 118).

b.

Un­ter Berück­sich­ti­gung die­ser Kri­te­ri­en hat die Be­klag­te den bei ihr be­ste­hen­den Be­triebs­rat ord­nungs­gemäß an­gehört.

aa.

Die Be­klag­te hat dem Be­triebs­rat ne­ben den So­zi­al­da­ten des Klägers die Art der be­ab­sich­tig­ten Kündi­gung mit­ge­teilt.

Eben­so hat sie dem Be­triebs­rat mit­ge­teilt, dass der Kläger zu­vor in ei­nem Ver­trags­verhält­nis als Prak­ti­kant ge­stan­den hat, hier­zu hat sie die Dau­er an­ge­ge­ben. Nähe­re Ausführun­gen zu Art und In­halt muss­te sie nicht ma­chen, um den Be­triebs­rat in die La­ge zu ver­set­zen, sich ein ei­ge­nes Bild über die be­ab­sich­tig­te Kündi­gung ma­chen zu können, da al­lein aus dem Um­stand des Vor­lie­gens ei­nes Prak­ti­kums aus­rei­chend er­sicht­lich wird, dass in die­sem Rah­men Er­fah­run­gen und Kennt­nis­se ver­mit­telt wor­den sind.

bb.

Die Be­klag­te war auch nicht ge­hal­ten, dem Be­triebs­rat näher zu erläutern, auf­grund wel­cher Umstände der Kläger ih­ren Er­war­tun­gen nicht ent­spro­chen hat.

Das Anhörungs­ver­fah­ren beim Be­triebs­rat nach § 102 Ab­satz 1 Be­trVG ist sub­jek­tiv de­ter­mi­niert.

Der Ar­beit­ge­ber muss dem Be­triebs­rat da­her nur die Gründe mit­tei­len, die nach sei­ner sub­jek­ti­ven Sicht die Kündi­gung recht­fer­ti­gen und für sei­nen Kündi­gungs­ent­schluss maßgeb­lich sind (BAG 11.07.1991, EzA Be­trVG 1972 § 102 Nr. 81).

Nach die­sen Grundsätzen ist der Be­triebs­rat im­mer dann ord­nungs­gemäß an­gehört wor­den, wenn der Ar­beit­ge­ber die ihm aus sei­ner sub­jek­ti­ven Sicht tra­gen­den Umstände in der Sub­stanz un­ter­brei­tet hat. Ob die­se mit­ge­teil­ten Gründe auch zur Recht­fer­ti­gung der Kündi­gung im Pro­zess aus­rei­chen, ist für die Fra­ge der ord­nungs­gemäßen Anhörung des Be­triebs­ra­tes oh­ne Be­lang (BAG 08.09.1988, EzA Be­trVG 1972 § 102 Nr. 73; BAG 11.07.1991, EzA Be­trVG 1972 § 102 Nr. 81; BAG 07.11.2002, EzA KSchG § 1 Krank­heit Nr. 50).

Für die Kündi­gung ei­nes Be­rufs­aus­bil­dungs­verhält­nis­ses in der Pro­be­zeit, die kei­nen Grund er­for­dert, gel­ten die An­for­de­run­gen, wie sie bei ei­ner Kündi­gung in der War­te­zeit des § 1 KSchG gel­ten. Hier ist die Sub­stan­zi­ie­rungs­pflicht nicht an den ob­jek­ti­ven Merk­ma­len des noch nicht an­wend­ba­ren § 1 KSchG zu mes­sen, son­dern al­lein an den Umständen, aus de­nen der Ar­beit­ge­ber sei­nen sub­jek­ti­ven Kündi­gungs­ent­schluss her­lei­tet. Es ist in­so­weit zu un­ter­schei­den, ob die Kündi­gung auf sub­stan­zi­ier­ba­re Tat­sa­chen gestützt wer­den soll mit der Fol­ge, dass dann die zu Grun­de lie­gen­den Tat­sa­chen ge­schil­dert wer­den müssen, oder auf ein per­so­nen­be­zo­ge­nes Wert­ur­teil, wo­bei dann die Mit­tei­lung al­lein des Wert­ur­teils aus­reicht. Über kon­kre­ti­sier­ba­re Tat­sa­chen, die dem Wert­ur­teil zu Grun­de lie­gen, muss der Ar­beit­ge­ber den Be­triebs­rat nicht in­for­mie­ren (BAG 12.09.2013, 6 AZR 121/12).

Da­nach reicht al­lein die Mit­tei­lung des Wert­ur­teils aus, auf das die Be­klag­te die Kündi­gung stützen will. Der Mit­tei­lung nähe­rer Gründe, aus de­nen die Be­klag­te die­se Einschätzung über­nom­men hat, be­durf­te es nicht.

2.

Die Kündi­gung war auch grund­los möglich, weil die Par­tei­en wirk­sam ei­ne drei­mo­na­ti­ge Pro­be­zeit ver­ein­bart ha­ben.

a.

Die drei­mo­na­ti­ge Pro­be­zeit hält sich in­ner­halb des zulässi­gen Zeit­raums für ei­ne Pro­be­zeit nach § 20 BBiG.

Die Kündi­gung ist auch in­ner­halb die­ser drei­mo­na­ti­gen Pro­be­zeit dem Kläger zu­ge­gan­gen.

b.

Die Ver­ein­ba­rung ei­ner Pro­be­zeit war we­der un­zulässig, noch er­gibt sich aus Gründen von Treu und Glau­ben nach § 242 BGB ei­ne Re­du­zie­rung der Pro­be­zeit oder ein gänz­li­cher Ent­fall.

aa.

Hin­sicht­lich der An­rech­nung von Zei­ten ei­nes Prak­ti­kan­ten­verhält­nis­ses wer­den un­ter­schied­li­che Auf­fas­sun­gen ver­tre­ten.

Zum Teil wird es als ei­ne Um­ge­hung der §§ 20, 25 BBiG ge­se­hen, wenn vor Ab­schluss des Be­rufs­aus­bil­dungs­verhält­nis­ses ein Ar­beits­verhält­nis aus­drück­lich zum Zwe­cke der Er­pro­bung für das Be­rufs­aus­bil­dungs­verhält­nis ge­schlos­sen wird und die Dau­er des Pro­be­ar­beits­verhält­nis­ses und der Pro­be­zeit vier Mo­na­te über­schrei­ten (Wohl­ge­muth, BBiG, § 20, Rn 7). An­de­re wol­len ei­ne An­rech­nung vor­ge­nom­men wis­sen, wenn die vor­he­ri­ge Tätig­keit und das an­sch­ließen­de Be­rufs­aus­bil­dungs­verhält­nis in ei­nem in­ne­ren Zu­sam­men­hang ste­hen (Lak­ies/Ma­lott­ke, BBiG, § 20 Rn 15; Ben­ecke/Her­genröder, BBIG § 20 Rn 7).

Das LAG Ber­lin (12.10.1998 LA­GE BBiG §13 Nr. 2) will ei­ne An­rech­nung ei­nes vor­ge­schal­te­ten Vo­lon­ta­ri­ats­verhält­nis­ses dann vor­neh­men, wenn der Be­ginn des Aus­bil­dungs­verhält­nis­ses mit al­len Kon­se­quen­zen in die­se Zeit vor­ver­legt wor­den ist.

Auch das Ar­beits­ge­richt Wetz­lar (24.10.1989, EzA BBiG § 15 Nr. 12) nimmt ei­ne Um­ge­hung der Vor­schrif­ten des BBiG an, wenn der Aus­zu­bil­den­de be­reits im vor­ge­schal­te­ten Prak­ti­kum wie in ei­nem Aus­bil­dungs­verhält­nis be­han­delt wor­den ist.

Das Bun­des­ar­beits­ge­richt (16.12.2004, EzA BBiG § 15 Nr. 14) lässt un­ter Hin­weis auf un­ter­schied­li­che Pflich­ten auch dann die Ver­ein­ba­rung ei­ner Pro­be­zeit zu, wenn sich das Be­rufs­aus­bil­dungs­verhält­nis an ein Ar­beits­verhält­nis an­sch­ließt.

bb.

Die Kam­mer hält die Ver­ein­ba­rung ei­ner Pro­be­zeit von drei Mo­na­ten auch im Hin­blick auf 83 die mehr als vier­mo­na­ti­ge vor­an­ge­gan­ge­ne Prak­ti­kan­ten­zeit für zulässig.

Hier­bei ist zu berück­sich­ti­gen, dass § 20 BBiG zwin­gend vor­sieht, dass ein Be­rufs­aus­bil­dungs­verhält­nis mit ei­ner Pro­be­zeit be­ginnt, die auch dem Aus­zu­bil­den­den ei­ne kurz­fris­ti­ge Tren­nung gemäß § 22 Abs. 1 BBiG ermöglicht; le­dig­lich die Dau­er der Pro­be­zeit ist in die Dis­po­si­ti­on der Ver­trags­par­tei­en ge­stellt.

An­rech­nungs­vor­schrif­ten kennt das BBiG dem­ge­genüber nicht.

Die Prüfungs­pflicht der Eig­nung für den vor­ge­se­he­nen Be­ruf und die Ein­ord­nung in das be­ruf­li­che Ge­sche­hen entfällt nicht auf­grund ei­ner Vor­beschäfti­gung, selbst wenn dies in ei­nem Ar­beits­verhält­nis ge­sche­hen ist, für das die Ver­pflich­tun­gen stren­ger sind als im Prak­ti­kan­ten­verhält­nis, in dem le­dig­lich die Ver­pflich­tung be­steht, Wei­sun­gen des Ar­beit­ge­bers zu be­fol­gen und sich Er­fah­run­gen und Kennt­nis­se ver­mit­teln zu las­sen.

Ob sich dies an­ders dar­stel­len kann, wenn die ge­gen­sei­ti­gen Rech­te und Pflich­ten aus ei­nem Aus­bil­dungs­verhält­nis mit al­len Kon­se­quen­zen be­reits in ein vor­ge­la­ger­tes Ver­trags­verhält­nis ver­la­gert wor­den sind, kann da­hin­ste­hen, da je­den­falls dem Vor­brin­gen des Klägers nicht zu ent­neh­men ist, dass ei­ne Aus­bil­dung der Be­klag­ten in ei­ner Wei­se be­reits er­folgt ist, wie sie in ei­nem ge­ord­ne­ten Aus­bil­dungs­gang vor­ge­se­hen ist.

II.

In­fol­ge wirk­sa­mer Auflösung des Aus­bil­dungs­verhält­nis­ses steht dem Kläger kein An­spruch auf vorläufi­ge Wei­ter­beschäfti­gung zur Sei­te.

C.

Der Kläger hat die Kos­ten des er­folg­los ge­blie­be­nen Rechts­mit­tels nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tra­gen.

Gründe für die Zu­las­sung der Re­vi­si­on be­stan­den nach § 72 Abs. 2 ArbGG nicht.

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