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BAG, Be­schluss vom 10.03.2009, 7 AZR 253/07 (A)

   
Schlagworte: Altersdiskriminierung, Befristung, Diskriminierung: Alter, Stewardess, Flugbegleiter
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 7 AZR 253/07 (A)
Typ: Beschluss
Entscheidungsdatum: 10.03.2009
   
Leitsätze:

1. Die Altersgrenze von 60 Jahren für das Kabinenpersonal in § 19 Abs. 2 Satz 3 des Manteltarifvertrags Nr. 1 für das Kabinenpersonal der Deutschen Lufthansa AG ist wegen Fehlens eines sie rechtfertigenden Sachgrunds unwirksam.


2. Der Senat hat den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften gem. Art. 234 Abs. 3 EG um eine Vorabentscheidung zur Vereinbarkeit von § 14 Abs. 3 Satz 1 TzBfG in der bis zum 30. April 2007 geltenden Fassung mit dem Gemeinschaftsrecht ersucht.

Vorinstanzen: Arbeitsgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 23.3.2006 - 19 Ca 3239/05
Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 15.1.2007 - 17 Sa 1323/06
   

Bun­des­ar­beits­ge­richt

7 AZR 253/07 (A)
17 Sa 1323/06

Hes­si­sches
Lan­des­ar­beits­ge­richt


Ver­merk:
Te­nor des Be­schlus­ses be­rich­tigt

durch Be­schluss des 7. Se­nats vom

10. März 2009

Be­schluss

Er­furt, 10. März 2009
Hons­berg, Ober­amts­rat
als Ur­kunds­be­am­ter des Bun­des­ar­beits­ge­richts

 

In Sa­chen

Be­klag­te, Be­ru­fungs­be­klag­te und Re­vi­si­onskläge­rin,

pp.

Kläge­rin, Be­ru­fungskläge­rin und Re­vi­si­ons­be­klag­te,

hat der Sieb­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 16. Ok­to­ber 2008 durch den Vi­ze­präsi­den­ten des Bun­des­ar­beits­ge­richts Dörner, die Rich­te­rin am Bun­des­ar­beits­ge­richt Gräfl, den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Koch so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Höken­schnie­der und Kroll­mann be­schlos­sen:
 


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I. Dem Ge­richts­hof der Eu­ropäischen Ge­mein­schaf­ten wer­den gemäß Art. 234 EG fol­gen­de Fra­gen zur Vor­ab­ent­schei­dung vor­ge­legt:

1. Sind Art. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 der RL 2000/78/EG des Ra­tes vom 27. No­vem­ber 2000 zur Fest­le­gung ei­nes all­ge­mei­nen Rah­mens für die Ver­wirk­li­chung der Gleich­be­hand­lung in Beschäfti­gung und Be­ruf und/oder die all­ge­mei­nen Grundsätze des Ge­mein­schafts­rechts so aus­zu­le­gen, dass sie ei­ner am 1. Ja­nu­ar 2001 in Kraft ge­tre­te­nen Re­ge­lung na­tio­na­len Rechts ent­ge­gen­ste­hen, wo­nach mit Ar­beit­neh­mern ab Voll­endung des 58. Le­bens­jah­res zeit­lich un­be­grenzt be­fris­te­te Ar­beits­verträge oh­ne wei­te­re Vor­aus­set­zun­gen mit Ar­beit­neh­mern ver­ein­bart wer­den können, nur weil die­se das 58. Le­bens­jahr voll­endet ha­ben?


2. Ist § 5 Abs. 1 der EGB-UN­ICE-CEEP-Rah­men­ver­ein­ba­rung, die durch die Richt­li­nie 1999/70/EG des Ra­tes vom 28. Ju­ni 1999 durch­geführt wur­de, da­hin-ge­hend aus­zu­le­gen, dass er ei­ner Re­ge­lung na­tio­na­len Rechts ent­ge­gen­steht, die, oh­ne wei­te­re Vor­aus­set­zun­gen zeit­lich un­be­grenzt ei­ne un­ein­ge­schränk­te An­zahl auf­ein­an­der fol­gen­der sach­grund­los be­fris­te­ter Ar­beits­verträge zulässt, nur weil der Ar­beit­neh­mer bei Be­ginn des be­fris­te­ten Ar­beits­verhält­nis­ses das 58. Le­bens­jahr voll­endet hat und nicht zu ei­nem in ei­nem vor­an­ge­gan­ge­nen un­be­fris­te­ten Ar­beits­verhält­nis mit dem­sel­ben Ar­beit­ge­ber ein en­ger sach­li­cher Zu­sam­men­hang be­steht?


3. Für den Fall, dass die Fra­gen 1 und/oder 2 be­jaht wer­den:

Ha­ben die na­tio­na­len Ge­rich­te die Vor­schrift des na­tio­na­len Rechts un­an­ge­wen­det zu las­sen?

II. Das Ver­fah­ren wird aus­ge­setzt.

Von Rechts we­gen!

Gründe

A. Die Par­tei­en strei­ten darüber, ob ihr Ar­beits­verhält­nis auf­grund Be­fris­tung am 30. April 2005 ge­en­det hat.
 


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I. 1. Das Recht der be­fris­te­ten Ar­beits­verhält­nis­se in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land war jahr­zehn­te­lang im We­sent­li­chen nur durch die Vor­schrift des § 620 BGB in der bis zum 31. De­zem­ber 2000 gel­ten­den Fas­sung be­stimmt. Nach § 620 Abs. 1 BGB en­de­te das Dienst­verhält­nis mit dem Ab­lauf der Zeit, für die es ein­ge­gan­gen war. Die an kei­ne in­halt­li­chen Vor­aus­set­zun­gen ge­knüpfte Möglich­keit zum Ab­schluss von be­fris­te­ten Ar­beits­verträgen stand da­mit in ei­nem Span­nungs­verhält­nis zu den im Jahr 1951 ge­schaf­fe­nen Be­stim­mun­gen über den all­ge­mei­nen Kündi­gungs­schutz für Ar­beits­verhält­nis­se. Im Jahr 1960 ent­schied der Große Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts, dass für die Be­fris­tung ei­nes Ar­beits­ver­trags ein sach­li­cher Grund vor­lie­gen müsse, wenn die Be­fris­tung dem Ar­beit­neh­mer den Schutz von zwin­gen­den Kündi­gungs­schutz­be­din­gun­gen ent­zog (BAG GS 12. Ok­to­ber 1960 - GS 1/59 - BA­GE 10, 65 = AP BGB § 620 Be­fris­te­ter Ar­beits­ver­trag Nr. 16 = EzA BGB § 620 Nr. 2). Die vom Großen Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts ent­wi­ckel­ten Grundsätze bil­de­ten in der Fol­ge­zeit die Grund­la­ge für die Be­ur­tei­lung der Zulässig­keit von be­fris­te­ten Ar­beits­verträgen durch die Recht­spre­chung.


2. Im Jahr 1985 ent­schloss sich der deut­sche Ge­setz­ge­ber, vor dem Hin­ter­grund ei­ner ho­hen Beschäfti­gungs­lo­sig­keit den Ab­schluss von be­fris­te­ten Ar­beits­verträgen zu er­leich­tern. Nach § 1 Abs. 1 des Beschäfti­gungsförde­rungs­ge­set­zes vom 26. April 1985 (BeschFG 1985 - BGBl. I S. 710) war die ein­ma­li­ge Be­fris­tung des Ar­beits­ver­trags bis zur Dau­er von 18 Mo­na­ten zulässig, wenn der be­fris­tet beschäftig­te Ar­beit­neh­mer ent­we­der neu ein­ge­stellt wur­de oder der Ar­beit­neh­mer im un­mit­tel­ba­ren An­schluss an die Be­rufs­aus­bil­dung nur vorüber­ge­hend wei­ter­beschäftigt wer­den konn­te, weil kein Ar­beits­platz für ei­nen un­be­fris­tet ein­zu­stel­len­den Ar­beit­neh­mer zur Verfügung stand. Die Re­ge­lun­gen des BeschFG 1985 wur­den durch das Ge­setz zur Verlänge­rung beschäfti­gungsfördern­der Vor­schrif­ten vom 22. De­zem­ber 1989 (BGBl. I S. 2406) bis zum 31. De­zem­ber 1995 und durch Art. 2 des Beschäfti­gungsförde­rungs­ge­set­zes 1994 vom 26. Ju­li 1994 (BGBl. I S. 1786) bis zum 31. De­zem­ber 2000 verlängert.
 


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3. Die durch das BeschFG 1985 ge­schaf­fe­ne Rechts­la­ge wur­de durch das Ar­beits­recht­li­che Ge­setz zur Förde­rung von Wachs­tum und Beschäfti­gung vom 25. Sep­tem­ber 1996 (BeschFG 1996 - BGBl. I S. 1476) mit Wir­kung ab dem 1. Ok­to­ber 1996 geändert. Der Ab­schluss ei­nes sach­grund­los be­fris­te­ten Ar­beits­ver­trags war nun­mehr ge­ne­rell und oh­ne die bis­her be­ste­hen­den Ein­schränkun­gen (Neu­ein­stel­lung, Über­nah­me nach Ab­schluss der Aus­bil­dung) bis zur Dau­er von zwei Jah­ren zulässig. Bis zur Ge­samt­dau­er von zwei Jah­ren war auch die höchs­tens drei­ma­li­ge Verlänge­rung ei­nes be­fris­te­ten Ar­beits­ver­trags möglich (§ 1 Abs. 1 BeschFG 1996). Die Be­fris­tung war je­doch nicht zulässig, wenn zu ei­nem vor­her­ge­hen­den be­fris­te­ten oder un­be­fris­te­ten Ar­beits­ver­trag nach § 1 Abs. 1 BeschFG 1996 mit dem­sel­ben Ar­beit­ge­ber ein en­ger sach­li­cher Zu­sam­men­hang be­steht. Ein sol­cher en­ger sach­li­cher Zu­sam­men­hang war ins­be­son­de­re an­zu­neh­men, wenn zwi­schen den Ar­beits­verträgen ein Zeit­raum von we­ni­ger als vier Mo­na­ten lag (§ 1 Abs. 3 BeschFG 1996). § 1 Abs. 2 BeschFG 1996 ermöglich­te den Ab­schluss ei­nes sach­grund­los be­fris­te­ten Ar­beits­ver­trags oh­ne die in § 1 Abs. 1 BeschFG 1996 ge­nann­ten Ein­schränkun­gen (Lauf­zeit, An­zahl der Verlänge­run­gen), wenn der Ar­beit­neh­mer bei Be­ginn des be­fris­te­ten Ar­beits­verhält­nis­ses das 60. Le­bens­jahr voll­endet hat­te. Der Ab­schluss ei­nes sach­grund­los be­fris­te­ten Ar­beits­ver­trags mit ei­nem zu­min­dest 60-jähri­gen Ar­beit­neh­mer wur­de nur durch das Vor­beschäfti­gungs-ver­bot des § 1 Abs. 3 BeschFG 1996 ein­ge­schränkt.

4. Das Ge­setz über Teil­zeit­ar­beit und be­fris­te­te Ar­beits­verträge (Tz­B­fG) vom 21. De­zem­ber 2000 (BGBl. I S. 1966) hat das BeschFG 1996 mit Wir­kung vom 1. Ja­nu­ar 2001 ab­gelöst. Die Be­fris­tung ei­nes Ar­beits­ver­trags be­darf nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Tz­B­fG grundsätz­lich ei­nes Sach­grun­des. Die Aus­nah­men vom Sach­grund­er­for­der­nis im Tz­B­fG wa­ren bis zum 31. De­zem­ber 2003 be­schränkt auf den erst­ma­li­gen Ab­schluss ei­nes Ar­beits­ver­trags und des­sen Verlänge­run­gen bis zu ei­ner Ge­samt­dau­er von zwei Jah­ren (§ 14 Abs. 2 Tz­B­fG) und den Ab­schluss ei­nes be­fris­te­ten Ar­beits­ver­trags mit Ar­beit­neh­mern, die bei Ver­trags­be­ginn be­reits das 58. Le­bens­jahr voll­endet hat­ten (§ 14 Abs. 3 Satz 1 Tz­B­fG). Die in § 1 Abs. 3 BeschFG 1996 ent­hal­te­nen Be­schränkun­gen für den Ab­schluss ei­nes be­fris­te­ten Ar­beits­ver­trags bei ei­nem vor­her­ge­hen­den


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un­be­fris­te­ten Ar­beits­ver­trag mit dem­sel­ben Ar­beit­ge­ber wur­den in leicht veränder­ter Form als Satz 2 und 3 in § 14 Abs. 3 Tz­B­fG über­nom­men. Die Al­ters-gren­ze von 58 Jah­ren in § 14 Abs. 3 Satz 1 Tz­B­fG wur­de durch § 14 Abs. 3 Satz 4 Tz­B­fG idF des Art. 7 des Ers­ten Ge­set­zes für mo­der­ne Dienst­leis­tun­gen am Ar­beits­markt vom 23. De­zem­ber 2002 (BGBl. I S. 4607, 4619) bis zum 31. De­zem­ber 2006 auf 52 Jah­re ab­ge­senkt. Der deut­sche Ge­setz­ge­ber hat im An­schluss an die Ent­schei­dung des Eu­ropäischen Ge­richts­hofs in der Rechts­sa­che Man­gold (EuGH 22. No­vem­ber 2005 - C-144/04 [Man­gold] - Slg. 2005, I-9981) zu § 14 Abs. 3 Satz 4 Tz­B­fG die Vor­aus­set­zun­gen für die sach­grund­lo­se Be­fris­tung mit Ar­beit­neh­mern, die bei Be­ginn des Ar­beits­verhält­nis­ses das 52. Le­bens­jahr voll­endet ha­ben, durch das Ge­setz zur Ver­bes­se­rung der Beschäfti­gungs­chan­cen älte­rer Men­schen vom 19. April 2007 (BGBl. I S. 538) mit Wir­kung ab dem 1. Mai 2007 neu ge­fasst.

II. Die am 12. April 1945 ge­bo­re­ne Kläge­rin war seit dem 15. März 1971 bei der P (P) als Flug­be­glei­te­rin tätig. Die Kläge­rin wur­de - eben­so wie an­de­re Mit­ar­bei­ter der P - auf­grund ei­nes Ver­trags zwi­schen der P und der Be­klag­ten zum 1. Mai 1991 von der Be­klag­ten in ein Ar­beits­verhält­nis über­nom­men. Die Ein­zel­hei­ten der Über­nah­me wa­ren in ei­nem ta­rif­li­chen So­zi­al­plan zur In­te­gra­ti­on der Mit­ar­bei­ter der P vom 13. Ok­to­ber 1990 und zwei Ergänzungs­ta­rif­verträgen ge­re­gelt. Die Par­tei­en schlos­sen am 15. März 1991 ei­nen Ar­beits­ver­trag, nach des­sen Nr. 2 sich die ge­gen­sei­ti­gen Rech­te und Pflich­ten ua. aus den Ta­rif­verträgen, Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen und Dienst­vor­schrif­ten der Be­klag­ten in ih­rer je­weils gel­ten­den Fas­sung er­ga­ben. Der Man­tel­ta­rif­ver­trag Nr. 1 für das Ka­bi­nen­per­so­nal der Be­klag­ten (MTV Nr. 1 Ka­bi­ne) lau­tet aus­zugs­wei­se:


„§ 19 Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses we­gen Er­rei­chens der Al­ters­gren­ze

(1) Das Ar­beits­verhält­nis en­det - oh­ne dass es ei­ner Kündi­gung be­darf - mit Ab­lauf des Mo­nats, in dem das 55. Le­bens­jahr voll­endet wird.

(2) Das Ar­beits­verhält­nis des Ka­bi­nen­mit­ar­bei­ters kann bei körper­li­cher und be­ruf­li­cher Eig­nung in bei­der­sei­ti­gem Ein­ver­neh­men über das 55. Le­bens­jahr hin­aus verlängert wer­den.

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Wird das Ar­beits­verhält­nis des Ka­bi­nen­mit­ar­bei­ters verlängert, so en­det es - oh­ne dass es ei­ner Kündi­gung be­darf - mit Ab­lauf des Mo­nats, in dem der Ka­bi­nen­mit­ar­bei­ter ein wei­te­res Le­bens­jahr voll­endet hat. Ei­ne wie­der­hol­te Verlänge­rung ist zulässig. In je­dem Fall en­det das Ar­beits­verhält­nis - oh­ne dass es ei­ner Kündi­gung be­darf - mit Ab­lauf des Mo­nats, in dem der Ka­bi­nen­mit­ar­bei­ter das 60. Le­bens­jahr voll­endet hat.

(3) Ka­bi­nen­mit­ar­bei­ter können nach Er­rei­chen der Al­ters­gren­ze, wenn und so lan­ge sie noch voll leis­tungsfähig sind, in ei­ner an­de­ren Tätig­keit in­ner-halb der Ge­sell­schaft wei­ter beschäftigt wer­den, so­fern ei­ne flie­ge­ri­sche Tätig­keit nicht mehr in Be­tracht kommt. In die­sem Fall kann je­doch aus der vor­an­ge­gan­ge­nen Tätig­keit als Bord­mit­ar­bei­ter kein An­spruch auf Fort­zah­lung der bis da­hin ge­zahl­ten Bezüge ab­ge­lei­tet wer­den. Ei­ne Ver­pflich­tung zur Wei­ter­beschäfti­gung be­steht we­der auf Sei­ten der DLH noch auf Sei­ten des Ka­bi­nen­mit­ar­bei­ters.“

Die Kläge­rin voll­ende­te ihr 55. Le­bens­jahr am 12. April 2000. Die Par­tei­en ver­ein­bar­ten in der Fol­ge­zeit ent­spre­chend der in § 19 Abs. 2 Satz 1 MTV Nr. 1 Ka­bi­ne vor­ge­se­he­nen Möglich­keit zur Verlänge­rung des Ar­beits­verhält­nis­ses je­weils be­fris­te­te Ar­beits­verträge über ei­ne Beschäfti­gung in Teil­zeit für den Zeit­raum von ei­nem Jahr. Am 23. Ja­nu­ar 2004 schlos­sen die Par­tei­en den letz­ten be­fris­te­ten Teil­zeit­ar­beits­ver­trag, der aus­zugs­wei­se lau­tet:


„Die ... und ... schließen im bei­der­sei­ti­gen Ein­ver­neh­men gemäß § 19 (2) MTV Nr. 1 für das Ka­bi­nen­per­so­nal nach­ste­hen­den wei­te­ren (5) be­fris­te­ten Teil­zeit-Ar­beits­ver­trag:

1. Be­ginn, Art und Ort der Beschäfti­gung
(1)
Frau K wird ab dem 01.05.2004 als Flug­be­glei­te­rin in F beschäftigt. Das Ar­beits­verhält­nis en­det, oh­ne dass es ei­ner Kündi­gung be­darf in je­dem Fal­le am 30.04.2005.
(2) ...
Ei­ne Um­wand­lung des (neu) be­gründe­ten Teil­zeit­beschäfti­gungs­verhält­nis­ses in ei­ne Voll­zeit­beschäfti­gung so­wie ein Wech­sel des Teil­zeit-Mo­dells ist aus-
 


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ge­schlos­sen. ...


2. Rech­te und Pflich­ten
(1)
Die ge­gen­sei­ti­gen Rech­te und Pflich­ten er­ge­ben sich aus dem Ge­setz, den Ta­rif­verträgen und Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen der Luft­han­sa in ih­rer je­weils gel­ten­den Fas­sung, so­wie aus den Dienst­vor­schrif­ten der Luft­han­sa und aus den Be­stim­mun­gen die­ses Ver­tra­ges.
...“

Die Kläge­rin bat mit Schrei­ben vom 25. No­vem­ber 2004 er­folg­los um ei­ne wei­te­re Verlänge­rung ih­res Ar­beits­verhält­nis­ses über den 30. April 2005 hin­aus.


Die Kläge­rin hat sich mit der am 13. April 2005 beim Ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­ge­nen Kla­ge ge­gen die Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses zum 30. April 2005 ge­wandt und ih­re Wei­ter­beschäfti­gung zu den bis­he­ri­gen Be­din­gun­gen ver­langt. Sie hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, die Be­fris­tung zum 30. April 2005 sei un­wirk­sam. Die in § 19 Abs. 2 MTV Nr. 1 Ka­bi­ne ent­hal­te­ne Al­ters­gren­ze von 60 Jah­ren für das Ka­bi­nen­per­so­nal sei we­der aus si­cher­heits­tech­ni­schen noch aus sons­ti­gen Gründen sach­lich ge­recht­fer­tigt iSv. § 14 Abs. 1 Tz­B­fG. Die Si­cher­heits­stan­dards für Pi­lo­ten könn­ten nicht auf das Ka­bi­nen­per­so­nal über­tra­gen wer­den. Auf § 14 Abs. 3 Satz 1 Tz­B­fG in der bis zum 30. April 2007 gel­ten­den Fas­sung (aF) könne sich die Be­klag­te zur Recht­fer­ti­gung der Be­fris­tung nicht be­ru­fen. Die­se Be­fris­tungsmöglich­keit sei durch die ar­beits­ver­trag­li­che Be­zug­nah­me auf § 19 Abs. 2 MTV Nr. 1 Ka­bi­ne ab­be­dun­gen. Außer­dem sei § 14 Abs. 3 Tz­B­fG aF in der bei Ver­trags­schluss gel­ten­den Fas­sung ge­mein­schafts­wid­rig und dürfe nicht an­ge­wandt wer­den.


Die Kläge­rin hat zu­letzt be­an­tragt, 

1. fest­zu­stel­len, dass das Ar­beits­verhält­nis der Kläge­rin mit der Be­klag­ten nicht am 30. April 2005 sein En­de ge­fun­den hat,

2. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, die Kläge­rin als Flug­be­glei­te­rin in der Beschäfti­gungs­grup­pe der Flug­be­glei­ter­stu­fe 17 des Vergütungs­ta­rif­ver­tra­ges der
 


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Luft­han­sa so­wie den sons­ti­gen Ar­beits­be­din­gun­gen des Ar­beits­ver­tra­ges vom 23. Ja­nu­ar 2004 wei­ter­zu­beschäfti­gen.

Die Be­klag­te hat Kla­ge­ab­wei­sung be­an­tragt. Sie hat ge­meint, die Be­fris­tung sei nach § 14 Abs. 3 Satz 1 Tz­B­fG aF wirk­sam. Außer­dem be­ste­he für die Be­fris­tung ein sach­li­cher Grund iSv. § 14 Abs. 1 Tz­B­fG. Die in § 19 Abs. 2 MTV Nr. 1 Ka­bi­ne be­stimm­te Al­ters­gren­ze die­ne dem Schutz von Le­ben und Ge­sund­heit der Be­sat­zungs­mit­glie­der und der Pas­sa­gie­re. Die Al­ters­gren­ze tra­ge me­di­zi­ni­schen Er­fah­rungs­wer­ten Rech­nung, wo­nach das Ri­si­ko al­ters-be­ding­ter Aus­fall­er­schei­nun­gen und un­er­war­te­ter Fehl­re­ak­tio­nen zu­neh­me. Das Ka­bi­nen­per­so­nal sei in ei­nem Not­fall über­durch­schnitt­li­chen phy­si­schen und psy­chi­schen Be­las­tun­gen aus­ge­setzt. Je­de Flug­be­glei­te­rin müsse im Fall ei­ner Noträum­ung des Flug­zeugs bis zu 50 Pas­sa­gie­re in­ner­halb von 90 Se­kun­den eva­ku­ie­ren, was ei­ne erhöhte körper­li­che und geis­ti­ge Leis­tungsfähig­keit vor­aus­set­ze.


Das Ar­beits­ge­richt hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat auf die Be­ru­fung der Kläge­rin das erst­in­stanz­li­che Ur­teil ab­geändert und der Kla­ge statt­ge­ge­ben. Die Be­klag­te be­gehrt mit der Re­vi­si­on die Wie­der­her­stel­lung der erst­in­stanz­li­chen Ent­schei­dung. Die Kläge­rin be­an­tragt die Zurück­wei­sung der Re­vi­si­on.


B. Das Ver­fah­ren war zur Klärung ge­mein­schafts­recht­li­cher Fra­gen durch den Ge­richts­hof der Eu­ropäischen Ge­mein­schaf­ten in ana­lo­ger An­wen­dung des § 148 ZPO aus­zu­set­zen. Die Ent­schei­dung des Rechts­streits hängt von der Ver­ein­bar­keit von § 14 Abs. 3 Satz 1 Tz­B­fG in der vom 1. Ja­nu­ar 2001 bis zum 30. April 2007 gel­ten­den Fas­sung mit dem Ge­mein­schafts­recht ab. Die Be­fris­tung in dem Ar­beits­ver­trag vom 23. Ja­nu­ar 2004 ist nicht durch ei­nen sach­li­chen Grund iSd. § 14 Abs. 1 Tz­B­fG ge­recht­fer­tigt. Die Kla­ge ist je­doch ab­zu­wei­sen, wenn die ver­ein­bar­te Be­fris­tung durch die in § 14 Abs. 3 Satz 1 Tz­B­fG aF ent­hal­te­ne Möglich­keit zur sach­grund­lo­sen Be­fris­tung ei­nes Ar­beits­ver­trags mit ei­nem Ar­beit­neh­mer, der bei Be­ginn des Ar­beits­verhält­nis­ses das 58. Le­bens­jahr voll­endet hat, ge­recht­fer­tigt wer­den kann. Für die Ent­schei­dung
 


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des Rechts­streits ist da­nach die Ver­ein­bar­keit der Vor­schrift mit dem Ge­mein­schafts­recht ent­schei­dungs­er­heb­lich. Hierüber kann nur der Ge­richts­hof der Eu­ropäischen Ge­mein­schaf­ten be­fin­den. Nach sei­nen Ausführun­gen in dem Ur­teil in der Rechts­sa­che Man­gold (EuGH 22. No­vem­ber 2005 - C-144/04 - [Man­gold] - Slg. 2005, I-9981) über die Un­an­wend­bar­keit des § 14 Abs. 3 Satz 4 Tz­B­fG aF könn­te auch § 14 Abs. 3 Satz 1 Tz­B­fG aF ge­gen den im Primärrecht ver­an­ker­ten Grund­satz der Gleich­be­hand­lung in Beschäfti­gung und Be­ruf so­wie ge­gen Art. 6 Abs. 1 der RL 2000/78/EG des Ra­tes vom 27. No­vem­ber 2000 zur Fest­le­gung ei­nes all­ge­mei­nen Rah­mens für die Ver­wirk­li­chung der Gleich­be­rech­ti­gung in Beschäfti­gung und Be­ruf (ABl. EG Nr. L 303 S. 16 B) ver­s­toßen. Fer­ner meint der Se­nat, dass § 14 Abs. 3 Tz­B­fG aF den Vor­ga­ben aus § 5 Abs. 1 der EGB-UN­ICE-CEEP-Rah­men­ver­ein­ba­rung über be­fris­te­te Ar­beits­verträge vom 18. März 1999, die durch die Richt­li­nie 1999/70/EG des Ra­tes vom 28. Ju­ni 1999 (ABl. EG Nr. L 175 S. 43) durch-geführt wor­den ist, nicht genügt. Sch­ließlich ist nicht geklärt, ob ein Ver­s­toß ge­gen Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG oder ge­gen § 5 Abs. 1 der EGB-UN­ICE-CEEP-Rah­men­ver­ein­ba­rung zur Un­an­wend­bar­keit von § 14 Abs. 3 Satz 1 Tz­B­fG aF führt. Die aus dem Te­nor er­sicht­li­chen Vor­la­ge­fra­gen wa­ren noch nicht Ge­gen­stand ei­ner Aus­le­gung durch den Eu­ropäischen Ge­richts­hof. Ih­re Be­ant­wor­tung ist auch nicht ein­deu­tig und zwei­fels­frei möglich.


I. Die Be­fris­tung in dem Ar­beits­ver­trag vom 23. Ja­nu­ar 2004 ist nicht nach § 14 Abs. 1 Tz­B­fG ge­recht­fer­tigt. Für die in § 19 Abs. 2 Satz 3 MTV Nr. 1 Ka­bi­ne ent­hal­te­ne Al­ters­gren­ze von 60 Jah­ren für das Ka­bi­nen­per­so­nal be­steht kein sach­li­cher Grund iSd. § 14 Abs. 1 Tz­B­fG.

1. Nach der ständi­gen Recht­spre­chung des Se­nats un­ter­lie­gen ta­rif­li­che Re­ge­lun­gen über die Be­en­di­gung von Ar­beits­verhält­nis­sen auf­grund von Be­fris­tun­gen der ar­beits­ge­richt­li­chen Be­fris­tungs­kon­trol­le. Da­zu gehören auch ta­rif­li­che Al­ters­gren­zen (vgl. et­wa BAG 27. No­vem­ber 2002 - 7 AZR 655/01 - AP BGB § 620 Al­ters­gren­ze Nr. 22 = EzA BGB 2002 § 620 Al­ters­gren­ze Nr. 2, zu B II 1 a der Gründe).
 


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Der Se­nat un­ter­schei­det bei der Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses auf­grund ei­ner auf das Er­rei­chen ei­nes be­stimm­ten Le­bens­al­ters des Ar­beit­neh­mers be­zo­ge­nen Re­ge­lung zwi­schen den auf das Ren­ten­al­ter an-knüpfen­den Al­ters­gren­zen und sol­chen, die ei­ne Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses vor die­sem Zeit­punkt vor­se­hen. Bei ei­ner auf das Ren­ten­al­ter be­zo­ge­nen Al­ters­gren­ze en­det das Ar­beits­verhält­nis zu ei­nem Zeit­punkt, in dem der Ar­beit­neh­mer An­spruch auf ei­ne Ren­te we­gen Al­ters iSd. § 35 SGB VI hat. Ei­ne in ei­nem Ta­rif­ver­trag ent­hal­te­ne Be­fris­tung des Ar­beits­verhält­nis­ses auf den Zeit­punkt des Er­rei­chens des Re­gel­ren­ten­al­ters hat der Se­nat als sach­lich ge­recht­fer­tigt iSd. § 14 Abs. 1 Satz 1 Tz­B­fG an­ge­se­hen, wenn der Ar­beit­neh­mer nach dem Ver­trags­in­halt und der Ver­trags­dau­er ei­ne Al­ters­ver­sor­gung in der ge­setz­li­chen Ren­ten­ver­si­che­rung er­wer­ben kann oder bei Ver­trags­schluss be­reits die für den Be­zug ei­ner Al­ters­ren­te er­for­der­li­che ren­ten­recht­li­che War­te­zeit erfüllt hat (BAG 18. Ju­ni 2008 - 7 AZR 116/07 - Rn. 21, NZA 2008, 1302).


Al­ters­gren­zen, die ei­ne Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses zu ei­nem Zeit­punkt vor­se­hen, in dem der Ar­beit­neh­mer noch kei­ne Al­ters­ren­te be­zie­hen kann, konn­ten nach der be­reits vor In­kraft­tre­ten des Tz­B­fG am 1. Ja­nu­ar 2001 er­gan­ge­nen Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts die Be­fris­tung des Ar­beits­verhält­nis­ses recht­fer­ti­gen, wenn das Er­rei­chen ei­nes be­stimm­ten Le­bens­al­ters we­gen der vom Ar­beit­neh­mer aus­geübten Tätig­keit zu ei­ner Gefähr­dung wich­ti­ger Rechtsgüter führen kann. Vor­zei­ti­ge Al­ters­gren­zen, die die Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses von Mit­glie­dern der Be­sat­zung von Luft­fahr­zeu­gen vor­se­hen, hat der Se­nat für zulässig ge­hal­ten, wenn durch die Beschäfti­gung des Ar­beit­neh­mers über ein be­stimm­tes Le­bens­al­ter hin­aus nach ei­ner nach­voll­zieh­ba­ren Einschätzung der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en das Ri­si­ko von un­er­war­te­ten al­ters­be­ding­ten Aus­fall­er­schei­nun­gen zu­nimmt und da­durch die Ge­fahr für Le­ben und Ge­sund­heit der Be­sat­zungs­mit­glie­der und der Pas­sa­gie­re so­wie Per­so­nen am Bo­den an­steigt (BAG 27. No­vem­ber 2002 - 7 AZR 655/01 - AP BGB § 620 Al­ters­gren­ze Nr. 22 = EzA BGB 2002 § 620 Al­ters­gren­ze Nr. 2, zu B II 2 a der Gründe; 20. Fe­bru­ar 2002 - 7 AZR 748/00 - BA­GE 100, 292 = AP BGB § 620 Al­ters­gren­ze Nr. 18 = EzA BGB § 620 Al­ters-



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gren­ze Nr. 11, zu B II 3 b bb der Gründe; 11. März 1998 - 7 AZR 700/96 - BA­GE 88, 162 = AP TVG § 1 Ta­rif­verträge: Luft­fahrt Nr. 12 = EzA BGB § 620 Al­ters­gren­ze Nr. 8, zu III 1 a der Gründe; 25. Fe­bru­ar 1998 - 7 AZR 641/96 - BA­GE 88, 118 = AP TVG § 1 Ta­rif­verträge: Luft­fahrt Nr. 11 = EzA BGB § 620 Al­ters­gren­ze Nr. 9, zu 2 a der Gründe; 12. Fe­bru­ar 1992 - 7 AZR 100/91 - AP BGB § 620 Al­ters­gren­ze Nr. 5 = EzA BGB § 620 Al­ters­gren­ze Nr. 2, zu III 2 c der Gründe; 6. März 1986 - 2 AZR 262/85 - AP BGB § 620 Al­ters­gren­ze Nr. 1 = EzA BGB § 620 Be­din­gung Nr. 6, zu A IV, V der Gründe). Zwar hängt das zur Min­de­rung der Leis­tungsfähig­keit führen­de Al­tern nicht al­lein vom Le­bens­al­ter ab, son­dern ist ein schlei­chen­der Pro­zess, der in­di­vi­du­ell ver­schie­den schnell vor sich geht. Es ent­spricht der all­ge­mei­nen Le­bens­er­fah­rung, dass die Ge­fahr ei­ner Be­ein­träch­ti­gung der Leis­tungsfähig­keit ge­ne­rell auch heu­te noch mit zu­neh­men­dem Al­ter größer wird. Dies gilt ins­be­son­de­re, wenn der Ar­beit­neh­mer bei sei­ner Tätig­keit über­durch­schnitt­li­chen phy­si­schen und psy­chi­schen Be­las­tun­gen aus­ge­setzt ist, wie dies bei­spiels­wei­se bei Mit­glie­dern des Cock­pit­per­so­nals der Fall ist. Die Ver­ein­ba­rung ei­ner Al­ters­gren­ze, die das En­de des Ar­beits­verhält­nis­ses ei­nes Be­sat­zungs­mit­glieds ei­nes Luft­fahr­zeugs von dem Er­rei­chen ei­nes be­stimm­ten Le­bens­al­ters abhängig macht, trägt die­ser mögli­chen Ge­fah­ren­la­ge Rech­nung und schützt das Be­sat­zungs­mit­glied zu­gleich vor ei­ner Über­be­an­spru­chung durch sei­ne be­ruf­li­che Tätig­keit. Bei der Be­ur­tei­lung des Si­cher­heits­ri­si­kos ha­ben die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en ei­nen Ein-schätzungs­spiel­raum, der von den Ge­rich­ten für Ar­beits­sa­chen bei der Be­ur­tei­lung, ob ei­ne ta­rif­li­che Re­ge­lung ei­nen sach­li­chen Grund iSd. § 14 Abs. 1 Tz­B­fG für die Be­fris­tung ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses dar­stellt, zu be­ach­ten ist (BAG 21. Ju­ni 2004 - 7 AZR 589/03 - EzA BGB 2002 § 620 Al­ters­gren­ze Nr. 5, zu II 2 a der Gründe). An die­sen Grundsätzen, die das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt aus ver­fas­sungs­recht­li­cher Sicht nicht be­an­stan­det hat (BVerfG 25. No­vem­ber 2004 - 1 BvR 2459/04 - AP BGB § 620 Al­ters­gren­ze Nr. 25, zu B II 3 c der Gründe; vgl. auch zur Zulässig­keit ei­nes Höchst­al­ters für Ver­kehrspi­lo­ten: BVerfG 26. Ja­nu­ar 2007 - 2 BvR 2408/06 - Eu­GRZ 2007, 231, zu III 2 b, c der Gründe), hat der Se­nat un­ter Gel­tung des Teil­zeit- und Be­fris­tungs­ge­set­zes fest­ge­hal­ten.
 


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2. Für die in § 19 Abs. 2 Satz 3 MTV Nr. 1 Ka­bi­ne ent­hal­te­ne Al­ters­gren­ze von 60 Jah­ren be­steht da­nach kein sach­li­cher Grund. Die Be­klag­te hat kei­ne Umstände vor­ge­tra­gen, die auf ei­ne über­durch­schnitt­li­che phy­si­sche und psy­chi­sche Be­las­tung des Ka­bi­nen­per­so­nals bei sei­ner Tätig­keit hin­deu­ten könn­ten. Es sind kei­ne An­halts­punk­te dafür er­sicht­lich, dass ein mögli­ches al­ters­be­ding­tes Nach­las­sen der Leis­tungsfähig­keit von Mit­glie­dern des Ka­bi­nen­per­so­nals zu ei­ner Gefähr­dung für die Flug­zeug­in­sas­sen und Per­so­nen in den über­flo­ge­nen Ge­bie­ten führt, die ei­ne Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses auf­grund ei­ner vor­zei­ti­gen Al­ters­gren­ze recht­fer­ti­gen könn­ten.

a) Der Se­nat hat am 31. Ju­li 2002 (- 7 AZR 140/01 - BA­GE 102, 65 = AP TVG § 1 Ta­rif­verträge: Luft­fahrt Nr. 14 = EzA GG Art. 9 Nr. 78, zu B II 1 b der Gründe) ent­schie­den, dass ei­ne auf die Voll­endung des 55. Le­bens­jah­res be­zo­ge­ne ta­rif­ver­trag­li­che Al­ters­gren­ze für das Ka­bi­nen­per­so­nal, die mit dem mögli­chen al­ters­be­ding­ten Nach­las­sen des phy­si­schen und psy­chi­schen Leis­tungs­vermögens be­gründet wird, die Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses nicht recht­fer­ti­gen kann. Zur Be­gründung hat der Se­nat an­geführt, dass beim Ka­bi­nen­per­so­nal ei­nes Pas­sa­gier­flug­zeugs ein der­ar­ti­ges Si­cher­heits­ri­si­ko in nicht annähernd glei­cher Wei­se wie beim Cock­pit­per­so­nal ge­ge­ben sei. Fälle, in de­nen der al­ters­be­ding­te Aus­fall ei­nes Mit­glieds des Ka­bi­nen­per­so­nals die Flug­pas­sa­gie­re, das Flug­per­so­nal oder gar Men­schen in über­flo­ge­nen Ge­bie­ten in erns­te Ge­fahr brin­gen könn­ten, sei­en der­art theo­re­tisch und un­wahr­schein­lich, dass sie nicht ge­eig­net sind, zur Recht­fer­ti­gung ei­ner ge­ne­rel­len Al­ters­gren­ze von 55 Jah­ren für die­se Per­so­nen­grup­pe zu die­nen. Falls ein Mit­glied des Ka­bi­nen­per­so­nals tatsächlich während ei­nes Flu­ges ein­mal al­ters­be­dingt aus­fal­len soll­te, würden da­durch Leib und Le­ben der Flug­pas­sa­gie­re und des Flug­per­so­nals oder sons­ti­ge wich­ti­ge Rechtsgüter nicht gefähr­det. Al­lein mit der ex­tre­men Aus­nah­me­si­tua­ti­on ei­ner et­wai­gen Not­lan­dung las­se sich die Al­ters­gren­ze nicht recht­fer­ti­gen.

b) Die­se Erwägun­gen gel­ten auch für die auf das 60. Le­bens­jahr be­zo­ge­ne Al­ters­gren­ze in § 19 Abs. 2 MTV Nr. 1 Ka­bi­ne, die von der Be­klag­ten aus­sch­ließlich mit ei­ner mögli­chen Gefähr­dung von Leib und Le­ben der Flug-
 


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zeug­in­sas­sen be­gründet wird, die durch al­ters­be­ding­te Aus­fall­er­schei­nun­gen des Ka­bi­nen­per­so­nals ein­tre­ten kann. Die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en ha­ben bei der Einschätzung der al­lein durch das Le­bens­al­ter der Flug­be­glei­ter ent­ste­hen­den Ge­fah­ren­la­ge den ih­nen zu­ste­hen­den Be­ur­tei­lungs­spiel­raum über­schrit­ten.


aa) Das von der Be­klag­ten an­geführ­te Si­cher­heits­ri­si­ko wird nur dann re­le­vant, wenn die al­ters­be­ding­ten Aus­fall­er­schei­nun­gen ge­ra­de in ei­nem Au­gen­blick auf­tre­ten, in dem das Flug­zeug in­fol­ge ei­ner Not­lan­dung geräumt wer­den muss. Nur in die­ser Si­tua­ti­on könn­te ein al­ters­be­ding­tes Nach­las­sen der Leis­tungsfähig­keit ei­nes Mit­glieds des Ka­bi­nen­per­so­nals zu ei­ner Gefähr­dung der Pas­sa­gie­re und der übri­gen Be­sat­zungs­mit­glie­der führen. Hier­in liegt der Un­ter­schied zu dem Cock­pit­per­so­nal, bei dem ein Fehl­ver­hal­ten während des ge­sam­ten Flu­ges nicht nur zu ei­ner Gefähr­dung für die Flug­zeug­in­sas­sen, son­dern auch für die Per­so­nen in den über­flo­ge­nen Ge­bie­ten führen kann.

bb) Die Be­klag­te kann sich zur Recht­fer­ti­gung der vor­zei­ti­gen Al­ters­gren­ze für das Ka­bi­nen­per­so­nal nicht auf § 41 Abs. 1 Satz 2 Luft­BO be­ru­fen, wo­nach Mit­glie­der der Flug­be­sat­zung mit ei­nem Al­ter über 60 Jah­re nicht ein­ge­setzt wer­den sol­len. Die Vor­schrift gilt nicht für die von der Be­klag­ten zur ge­werbsmäßigen Per­so­nen­beförde­rung ein­ge­setz­ten Flug­zeu­ge. Nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 Luft­BO rich­tet sich der Be­trieb von Flug­zeu­gen, die zur ge­werbsmäßigen Beförde­rung von Per­so­nen und Sa­chen ein­ge­setzt wer­den, nach den §§ 3, 14, 25 und 55 Luft­BO so­wie nach den Be­stim­mun­gen der Joint Avia­ti­on Aut­ho­ri­ties über die ge­werbsmäßige Beförde­rung von Per­so­nen und Sa­chen in Flug­zeu­gen in ih­rer je­weils jüngs­ten vom Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Ver­kehr, Bau und Stadt­ent­wick­lung im Bun­des­an­zei­ger be­kannt­ge­mach­ten Fas­sung (JAR-OPS 1 deutsch). Die zum Zeit­punkt des Ver­trags­schlus­ses am 23. Ja­nu­ar 2004 gülti­ge Fas­sung der JAR-OPS 1 vom 4. Au­gust 1998 (BAnz. Nr. 181a vom 26. Sep­tem­ber 1998) idF der Be­kannt­ma­chung vom 16. Sep­tem­ber 2003 (BAnz. Nr. 181 vom 26. Sep­tem­ber 2003 S. 21986) enthält kein Höchst­al­ter für die Mit­glie­der der Ka­bi­nen­be­sat­zung. Nach ih­rem Ab­schnitt O Nr. 1995 (Min­dest­an­for­de­run­gen für das Ka­bi­nen­per­so­nal) Buchst. a) hat der Flug­un­ter-


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neh­mer ua. si­cher­zu­stel­len, dass das Min­dest­al­ter ei­nes Flug­be­glei­ters 18 Jah­re beträgt. Ei­ne Höchst­al­ters­gren­ze für die Tätig­keit als Flug­be­glei­ter ent­hal­ten die JAR-OPS 1 je­doch nicht. An­ders als bei dem Cock­pit­per­so­nal fehlt es da­her an Einschätzun­gen aus in­ter­na­tio­na­len Fach­krei­sen über die An­for­de­run­gen an das Höchst­al­ter für das Ka­bi­nen­per­so­nal, auf die die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en bei ih­rer Be­ur­tei­lung über ei­ne mögli­che Gefähr­dungs­la­ge durch das mit zu­neh­men­dem Al­ter ty­pi­scher­wei­se nach­las­sen­de Leis­tungs­vermögen des Ka­bi­nen­per­so­nals zurück­grei­fen konn­ten.

II. Die Be­fris­tung in dem Ar­beits­ver­trag vom 23. Ja­nu­ar 2004 kann da­nach nur nach § 14 Abs. 3 Satz 1 Tz­B­fG aF ge­recht­fer­tigt sein, des­sen Vor­aus­set­zun­gen im Streit­fall ge­ge­ben sind. Es be­ste­hen aber Zwei­fel an der Ver­ein­bar­keit der Vor­schrift mit dem Ge­mein­schafts­recht. Ei­ne Un­ver­ein­bar­keit könn­te da­zu führen, dass die Norm von den na­tio­na­len Ge­rich­ten nicht an­zu­wen­den ist.


1. Die Vor­aus­set­zun­gen nach § 14 Abs. 3 Satz 1 Tz­B­fG aF für ei­ne sach­grund­lo­se Recht­fer­ti­gung der Be­fris­tung in dem Ar­beits­ver­trag vom 23. Ja­nu­ar 2004 sind ge­ge­ben. Die Par­tei­en ha­ben die An­wend­bar­keit von § 14 Abs. 3 Satz 1 Tz­B­fG aF nicht ab­be­dun­gen.


a) Die Vor­aus­set­zun­gen von § 14 Abs. 3 Satz 1 Tz­B­fG aF lie­gen vor. 


aa) Die Be­fris­tung ei­nes Ar­beits­ver­trags be­darf nach § 14 Abs. 3 Satz 1 Tz­B­fG aF kei­nes sach­li­chen Grun­des, wenn der Ar­beit­neh­mer bei Be­ginn des be­fris­te­ten Ar­beits­verhält­nis­ses das 58. Le­bens­jahr voll­endet hat. Die Be­fris­tung ist gemäß § 14 Abs. 3 Satz 2 Tz­B­fG aF nicht zulässig, wenn zu ei­nem vor­her­ge­hen­den un­be­fris­te­ten Ar­beits­ver­trag mit dem­sel­ben Ar­beit­ge­ber ein en­ger sach­li­cher Zu­sam­men­hang be­steht. Ein sol­cher en­ger sach­li­cher Zu­sam­men­hang ist ins­be­son­de­re an­zu­neh­men, wenn zwi­schen den Ar­beits­verträgen ein Zeit­raum von we­ni­ger als sechs Mo­na­ten liegt, § 14 Abs. 3 Satz 3 Tz­B­fG aF. Nach § 14 Abs. 3 Satz 4 Tz­B­fG aF wur­de in der Zeit vom 1. Ja­nu­ar 2003 bis zum 31. De­zem­ber 2006 durch das Ers­te Ge­setz für mo­der­ne Dienst­leis­tun­gen am Ar­beits­markt vom 23. De­zem­ber 2002 (BGBl. I S. 4607) die


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Al­ters­gren­ze des § 14 Abs. 3 Satz 1 Tz­B­fG aF auf das 52. Le­bens­jahr ab­ge­senkt.


bb) Die Vor­aus­set­zun­gen des § 14 Abs. 3 Satz 1 Tz­B­fG aF sind im Streit­fall ge­ge­ben. Die am 12. April 1945 ge­bo­re­ne Kläge­rin hat­te zum Zeit­punkt des Be­ginns des am 23. Ja­nu­ar 2004 ver­ein­bar­ten be­fris­te­ten Ar­beits­ver­trags am 1. Mai 2004 das 59. Le­bens­jahr voll­endet. Der Ab­schluss ei­nes Ar­beits­ver­trags nach § 14 Abs. 3 Tz­B­fG aF wird nicht durch die in Satz 2 und 3 ent­hal­te­nen Ein­schränkun­gen aus­ge­schlos­sen. Zwar han­delt es sich bei dem zu­letzt ab­ge­schlos­se­nen Ar­beits­ver­trag vom 23. Ja­nu­ar 2004 um ei­nen Ar­beits­ver­trag, der we­gen der iden­ti­schen Tätig­keit und dem un­mit­tel­ba­ren zeit­li­chen An­schluss zu den zu­vor be­ste­hen­den Ar­beits­verträgen der Kläge­rin mit die­sen in ei­nem en­gen sach­li­chen Zu­sam­men­hang steht. Es fehlt aber an ei­nem en­gen Zu­sam­men­hang mit ei­nem „un­be­fris­te­ten Ar­beits­ver­trag“ iSd. § 14 Abs. 3 Satz 2 Tz­B­fG aF. Die Kläge­rin war seit dem 1. Mai 2000 aus­sch­ließlich im Rah­men von als wirk­sam be­fris­tet gel­ten­den Ar­beits­verhält­nis­sen bei der Be­klag­ten beschäftigt.


b) Die Par­tei­en ha­ben die Möglich­keit der Be­klag­ten, den Ar­beits­ver­trag vom 23. Ja­nu­ar 2004 auf die sach­grund­lo­se Be­fris­tungsmöglich­keit aus § 14 Abs. 3 Tz­B­fG aF zu stützen, ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Kläge­rin nicht ab­be­dun­gen.


aa) Die An­wend­bar­keit von § 14 Abs. 3 Tz­B­fG aF kann ver­trag­lich aus­ge­schlos­sen wer­den. Ei­ne der­ar­ti­ge Ab­be­din­gung kann aus­drück­lich, aber auch kon­klu­dent er­fol­gen. Es ist grundsätz­lich Auf­ga­be der Tat­sa­chen­ge­rich­te, durch Aus­le­gung der ver­trag­li­chen Ver­ein­ba­run­gen zu er­mit­teln, ob die An­wend­bar­keit des § 14 Abs. 3 Tz­B­fG aF ver­trag­lich ab­be­dun­gen wur­de oder nicht (zu § 1 BeschFG 1996: BAG 5. Mai 2004 - 7 AZR 629/03 - BA­GE 110, 295 = AP BeschFG 1996 § 1 Nr. 27 = EzA Tz­B­fG § 15 Nr. 1, zu I 3 c bb (1) der Gründe; 26. Ju­ni 2002 - 7 AZR 410/01 - AP BeschFG 1996 § 1 Nr. 15, zu B I 1 b der Gründe; 5. Ju­ni 2002 - 7 AZR 241/01 - BA­GE 101, 262 = AP BeschFG 1996 § 1 Nr. 13 = EzA BGB § 620 Nr. 193, zu II 1 b der Gründe). Ein kon­klu­den­ter Aus­schluss der in § 14 Abs. 3 Tz­B­fG aF vor­ge­se­he­nen Be­fris­tungsmöglich­keit

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kommt in Be­tracht, wenn der Ar­beit­neh­mer die Erklärun­gen des Ar­beit­ge­bers nach dem maßgeb­li­chen Empfänger­ho­ri­zont so ver­ste­hen darf, dass die Be­fris­tung aus­sch­ließlich auf ei­nen be­stimm­ten Sach­grund gestützt wird und von des­sen Be­ste­hen abhängen soll. Bei der Ver­trags­aus­le­gung sind die Umstände des Ein­zel­falls ent­schei­dend. Die Be­nen­nung ei­nes Sach­grunds im Ar­beits­ver­trag kann zwar ein we­sent­li­ches In­diz für ei­ne kon­klu­den­te Ab­be­din­gung der sach­grund­lo­sen Be­fris­tung dar­stel­len. Dies reicht für sich al­lein ge­nom­men für den Aus­schluss der sach­grund­lo­sen Be­fris­tungsmöglich­keit nicht aus. Viel­mehr müssen im Ein­zel­fall noch zusätz­li­che Umstände hin­zu­tre­ten.

bb) Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat nicht ge­prüft, ob die Par­tei­en die Möglich­keit zur sach­grund­lo­sen Be­fris­tung nach § 14 Abs. 3 Satz 1 Tz­B­fG aF ver­trag­lich ab­be­dun­gen ha­ben. Die­ser Rechts­feh­ler führt aber nicht zur Zurück­ver­wei­sung der Sa­che an das Be­ru­fungs­ge­richt. Der Se­nat kann die vom Lan­des­ar­beits­ge­richt un­ter­las­se­ne Aus­le­gung der ver­trag­li­chen Ver­ein­ba­run­gen selbst vor­neh­men, da die da­zu er­for­der­li­chen Tat­sa­chen fest­ste­hen und wei­te­rer Sach­vor­trag der Par­tei­en da­zu nicht zu er­war­ten ist (vgl. BAG 4. De­zem­ber 2002 - 7 AZR 545/01 - BA­GE 104, 103 = AP BeschFG 1996 § 1 Nr. 17 = EzA Tz­B­fG § 14 Nr. 1, zu II 1 b bb der Gründe; 28. Fe­bru­ar 1991 - 8 AZR 89/90 - BA­GE 67, 279 = AP ZPO § 550 Nr. 21 = EzA ArbGG 1979 § 72 Nr. 11, zu 2 b bb der Gründe). Die Aus­le­gung er­gibt, dass die Par­tei­en die Be­fris­tungsmöglich­keit nach § 14 Abs. 3 Satz 1 Tz­B­fG aF nicht ab­be­dun­gen ha­ben. Sie ha­ben le­dig­lich im Ar­beits­ver­trag vom 23. Ja­nu­ar 2004 auf § 19 Abs. 2 Satz 1 MTV Nr. 1 Ka­bi­ne und da­mit auf den ver­meint­li­chen Sach­grund der Al­ters­gren­ze von 60 Jah­ren ver­wie­sen. Wei­te­re Umstände, die für ei­ne Ab­be­din­gung der Be­fris­tungsmöglich­keit nach § 14 Abs. 3 Tz­B­fG aF spre­chen könn­ten, sind nicht er­sicht­lich. Die Kläge­rin muss­te da­her bei Ab­schluss des be­fris­te­ten Ar­beits­ver­trags nicht da­von aus­ge­hen, dass die Be­klag­te die ver­ein­bar­te Be­fris­tung al­lein vom Vor­lie­gen ei­nes Sach­grunds nach § 14 Abs. 1 Tz­B­fG aF abhängig ma­chen woll­te und bei Nicht­vor­lie­gen ei­nes Sach­grunds ein un­be­fris­te­tes Ar­beits­verhält­nis ver­ein­bart wer­den soll­te.
 


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2. Der Se­nat kann die nach na­tio­na­lem Recht da­mit zu­guns­ten der Be­klag­ten ent­schei­dungs­rei­fe Be­fris­tungs­kon­troll­kla­ge nicht mit ei­nem Ur­teil ab­sch­ließen. Es be­ste­hen an­ge­sichts der Ent­schei­dung des Eu­ropäischen Ge­richts­hofs in der Rechts­sa­che Man­gold (EuGH 22. No­vem­ber 2005 - C-144/04 [Man­gold] - Slg. 2005, I-9981) Zwei­fel, ob die al­lein auf das Le­bens­al­ter ab­stel­len­de Vor­schrift des § 14 Abs. 3 Satz 1 Tz­B­fG aF bei der Ver­ein­ba­rung ei­nes sach­grund­los be­fris­te­ten Ar­beits­ver­trags mit dem Ge­mein­schafts­recht ver­ein­bar ist und ob sie von den na­tio­na­len Ge­rich­ten an­ge­wen­det wer­den darf. Der Se­nat er­sucht aus die­sem Grund den Eu­ropäischen Ge­richts­hof gem. Art. 234 Abs. 3 EG zunächst um ei­ne Vor­ab­ent­schei­dung zu der Fra­ge, ob die RL 2000/78/EG und/oder die all­ge­mei­nen Grundsätze des Ge­mein­schafts­rechts so aus­zu­le­gen sind, dass sie der An­wen­dung von § 14 Abs. 3 Satz 1 Tz­B­fG aF durch die na­tio­na­len Ge­rich­te ent­ge­gen­ste­hen (Vor­la­ge­fra­gen 1 und 3).


a) Der Eu­ropäische Ge­richts­hof hat in der Rechts­sa­che Man­gold ent­schie­den, dass das Ge­mein­schafts­recht und ins­be­son­de­re Ar­ti­kel 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG da­hin aus­zu­le­gen sind, dass sie ei­ner na­tio­na­len Re­ge­lung wie § 14 Abs. 3 Satz 4 Tz­B­fG aF ent­ge­gen­ste­hen. Die na­tio­na­len Ge­rich­te ha­ben die vol­le Wirk­sam­keit des all­ge­mei­nen Ver­bots der Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Al­ters zu gewähr­leis­ten, in­dem sie je­de ent­ge­gen­ste­hen­de Be­stim­mung des na­tio­na­len Rechts un­an­ge­wen­det las­sen, auch wenn die Frist für die Um­set­zung der ge­nann­ten Richt­li­nie noch nicht ab­ge­lau­fen ist (EuGH 22. No­vem­ber 2005 - C-144/04 [Man­gold] - Rn. 78, Slg. 2005, I-9981). Nach An­sicht des Se­nats hat der Eu­ropäische Ge­richts­hof mit dem auf den all­ge­mei­nen Grundsätzen des Ge­mein­schafts­rechts be­ru­hen­den Ver­bot der Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung be­gründe­ten Un­an­wend­bar­keits­aus­spruch ent­ge­gen ei­ner im na­tio­na­len Schrift­tum ver­tre­te­nen An­sicht (Bau­er/Ar­nold NJW 2006, 6, 8; Mohr SAE 2007, 16, 25 ff.; wohl auch Fran­zen Anm. AP Nr. 23 zu § 14 Tz­B­fG, un­ter II 3 c; Ni­co­lai DB 2005, 2641, 2642; Preis NZA 2006, 401, 408) nicht die mit den deut­schen Zu­stim­mungs­ge­set­zen auf die Ge­mein­schaft über­tra­ge­nen Kom­pe­ten­zen über­schrit­ten. Die Ent­schei­dung des Ge­richts­hofs be­ruht auf der Aus­le­gung des Ver­trags zur Gründung der Eu­ropäischen Ge­mein­schaft iSd.


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Art. 234 Abs. 1 Buchst. a EG und hält sich im Rah­men der dem Eu­ropäischen Ge­richts­hof nach Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG über­tra­ge­nen Zuständig­kei­ten. Der Se­nat hat sich da­her hin­sicht­lich der Re­ge­lung in § 14 Abs. 3 Satz 4 Tz­B­fG aF an den Un­an­wend­bar­keits­aus­spruch des Eu­ropäischen Ge­richts­hofs ge­bun­den ge­se­hen (vgl. da­zu die ausführ­li­che Be­gründung in BAG 26. April 2006 - 7 AZR 500/04 - Rn. 17 - 30, BA­GE 118, 76 = AP Tz­B­fG § 14 Nr. 23 = EzA Tz­B­fG § 14 Nr. 28).


b) Der Eu­ropäische Ge­richts­hof hat ei­ne Aus­le­gung zur Ver­ein­bar­keit von § 14 Abs. 3 Satz 1 Tz­B­fG aF bis­her noch nicht vor­ge­nom­men.

Der Un­an­wend­bar­keits­aus­spruch des Eu­ropäischen Ge­richts­hofs in sei­ner Ent­schei­dung in der Rechts­sa­che Man­gold (EuGH 22. No­vem­ber 2005 - C-144/04 [Man­gold] - Rn. 78, Slg. 2005, I-9981) be­trifft § 14 Abs. 3 Satz 4 Tz­B­fG idF von Art. 7 des Ers­ten Ge­set­zes für mo­der­ne Dienst­leis­tun­gen am Ar­beits­markt vom 23. De­zem­ber 2002 (BGBl. I S. 4607, 4619), mit dem bis zum 31. De­zem­ber 2006 das Le­bens­al­ter als Vor­aus­set­zung für den Ab­schluss von sach­grund­los be­fris­te­ten Ar­beits­verträgen mit Ar­beit­neh­mern von 58 Jah­ren auf 52 Jah­re ab­ge­senkt wur­de. Dies folgt aus Nr. 2 des Te­nors der Ent­schei­dung des Ge­richts­hofs vom 22. No­vem­ber 2005, in der aus­drück­lich auf die im Aus­gangs­ver­fah­ren strei­ti­ge na­tio­na­le Re­ge­lung, „nach der der Ab­schluss be­fris­te­ter Ar­beits­verträge mit Ar­beit­neh­mern, die das 52. Le­bens­jahr voll­endet ha­ben, un­ein­ge­schränkt zulässig ist, ...“ ab­ge­stellt wird. § 14 Abs. 3 Satz 1 Tz­B­fG aF wird da­her von dem Un­an­wend­bar­keits­aus­spruch des Eu­ropäischen Ge­richts­hofs in sei­ner Ent­schei­dung in der Rechts­sa­che Man­gold nicht er­fasst. Nach na­tio­na­lem Recht war des­halb die sach­grund­lo­se Be­fris­tung mit Ar­beit­neh­mern, die bei Be­ginn des Ar­beits­verhält­nis­ses das 58. Le­bens­jahr voll­endet hat­ten, bis zum 30. April 2007 un­ter den wei­te­ren Vor­aus­set­zun­gen des § 14 Abs. 3 Satz 2 und 3 Tz­B­fG aF zulässig.


c) Das Ge­mein­schafts­recht und die zum Ver­bot der Dis­kri­mi­nie­rung auf­grund des Merk­mals des Al­ters er­gan­ge­nen Ent­schei­dun­gen des Eu­ropäischen Ge­richts­hofs sind nicht der­ar­tig ein­deu­tig, dass der Se­nat an­neh­men könn­te, auch § 14 Abs. 3 Satz 1 Tz­B­fG aF sei un­an­wend­bar, mit der Fol­ge,


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dass sich ein Ver­fah­ren nach Art. 234 Abs. 3 EG erübrig­te. Zwar fällt die durch § 14 Abs. 3 Satz 1 Tz­B­fG aF be­wirk­te Un­gleich­be­hand­lung auf­grund des Al­ters eben­so wie die in § 14 Abs. 3 Satz 4 Tz­B­fG aF ent­hal­te­ne sach­grund­lo­se Be­fris­tungsmöglich­keit mit zu­min­dest 58-jähri­gen Ar­beit­neh­mern in den An­wen­dungs­be­reich des Ge­mein­schafts­rechts. Nach den Ausführun­gen des Eu­ropäischen Ge­richts­hofs in den Rechts­sa­chen Man­gold (EuGH 22. No­vem­ber 2005 - C-144/04 [Man­gold] - Slg. 2005, I-9981) und Pa­la­ci­os (EuGH 16. Ok­to­ber 2007 - C-411/05 [Pa­la­ci­os de la Vil­la] - Slg. 2007, I-8531) be­ste­hen aber Zwei­fel dar­an, ob der vom Ge­richts­hof in der Rechts­sa­che Man­gold her­an­ge­zo­ge­ne primärrecht­li­che Grund­satz der Gleich­be­hand­lung in Beschäfti­gung und Be­ruf auch zur Un­an­wend­bar­keit von § 14 Abs. 3 Satz 1 Tz­B­fG aF führt. Der Eu­ropäische Ge­richts­hof ist in der Rechts­sa­che Pa­la­ci­os bei ei­ner auf dem Merk­mal des Al­ters be­ru­hen­den Un­gleich­be­hand­lung bei den Ent­las­sungs­be­din­gun­gen nicht mehr auf das Primärrecht ein­ge­gan­gen und hat ge­genüber sei­nen Ausführun­gen in der Rechts­sa­che Man­gold bei der Verhält­nismäßig­keitsprüfung ei­nen geänder­ten Prüfungs­maßstab her­an­ge­zo­gen. Außer­dem hat der Ge­richts­hof in der Rechts­sa­che Man­gold Umstände berück­sich­tigt, die für die 52er Re­ge­lung in § 14 Abs. 3 Satz 4 Tz­B­fG aF kenn­zeich­nend wa­ren, die aber bei der Be­ur­tei­lung für die sach­grund­lo­se Be­fris­tung von Ar­beit­neh­mern, die bei Be­ginn des be­fris­te­ten Ar­beits­verhält­nis­ses das 58. Le­bens­jahr voll­endet ha­ben, mögli­cher­wei­se an­ders zu ge­wich­ten sind.


aa) § 14 Abs. 3 Satz 1 Tz­B­fG aF fällt in den An­wen­dungs­be­reich des Ge­mein­schafts­rechts. Das am 21. De­zem­ber 2000 verkünde­te und zum 1. Ja­nu­ar 2001 in Kraft ge­tre­te­ne Tz­B­fG dient nach der amt­li­chen An­mer­kung des Ge­setz­ge­bers der Um­set­zung der RL 1999/70/EG. Von der An­wend­bar­keit des Ge­mein­schafts­rechts ist auch der Eu­ropäische Ge­richts­hof in sei­ner Ent­schei­dung in der Rechts­sa­che Man­gold aus­ge­gan­gen (EuGH 22. No­vem­ber 2005 - C-144/04 [Man­gold] - Rn. 75, Slg. 2005, I-9981; bestätigt durch EuGH 23. Sep­tem­ber 2008 - C-427/06 [Bartsch] - Rn. 24, ABl. EU 2008, Nr. C 301, 6).

bb) § 14 Abs. 3 Satz 1 Tz­B­fG aF enthält ei­ne un­mit­tel­bar auf dem Al­ter be­ru­hen­de Un­gleich­be­hand­lung der Ar­beit­neh­mer, die zu Be­ginn des Ver­trags-


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verhält­nis­ses das 58. Le­bens­jahr voll­endet ha­ben (zu § 14 Abs. 3 Satz 4 Tz­B­fG aF: EuGH 22. No­vem­ber 2005 - C-144/04 [Man­gold] - Rn. 57, Slg. 2005, I¬9981). Mit die­sen können be­lie­big vie­le und zeit­lich un­be­grenzt be­fris­te­te Ar­beits­verträge ab­ge­schlos­sen wer­den, während mit Ar­beit­neh­mern, die die­ses Le­bens­al­ter noch nicht er­reicht ha­ben, Be­fris­tungs­ab­re­den oh­ne Sach­grund nach § 14 Abs. 2 Tz­B­fG nur bis zur Dau­er von zwei Jah­ren ge­trof­fen wer­den können, wo­bei bis zu die­ser Ge­samt­dau­er die höchs­tens drei­ma­li­ge Verlänge­rung des be­fris­te­ten Ar­beits­ver­trags zulässig ist.


cc) Der Se­nat ver­mag nicht mit der ge­bo­te­nen Ein­deu­tig­keit zu be­ur­tei­len, ob der primärrecht­li­che Prüfungs­an­satz des Eu­ropäischen Ge­richts­hofs in sei­nem Ur­teil in der Rechts­sa­che Man­gold (EuGH 22. No­vem­ber 2005 - C-144/04 [Man­gold] - Rn. 57, Slg. 2005, I-9981) durch sei­ne Ausführun­gen in der Rechts­sa­che Pa­la­ci­os (EuGH 16. Ok­to­ber 2007 - C-411/05 [Pa­la­ci­os de la Vil­la] - Slg. 2007, I-8531) in Fra­ge ge­stellt wor­den ist.


(1) Der Eu­ropäische Ge­richts­hof hat in sei­nem Ur­teil in der Rechts­sa­che Pa­la­ci­os den in der Rechts­sa­che Man­gold her­an­ge­zo­ge­nen primärrecht­li­chen Grund­satz der Gleich­be­hand­lung in Beschäfti­gung und Be­ruf (EuGH 22. No­vem­ber 2005 - C-144/04 [Man­gold] - Rn. 74, Slg. 2005, I-9981) nicht mehr erwähnt, son­dern die von dem na­tio­na­len Ge­richt zur Be­ur­tei­lung ge­stell­te ge­setz­li­che Re­ge­lung aus­sch­ließlich an­hand der Vor­ga­ben der RL 2000/78/EG be­ur­teilt. Der Ge­richts­hof hat die ein­zi­ge Über­g­angs­be­stim­mung des spa­ni­schen Ge­set­zes 14/2005 über ta­rif­ver­trag­li­che Klau­seln, die sich auf das Er­rei­chen der Re­gel­al­ters­gren­ze für den Ein­tritt in den Ru­he­stand be­zie­hen (Ley 14/2005 sob­re las cláusu­las de los con­ve­ni­os colec­tiv­os re­fe­ri­das al cum­pli­mi­en­to de la edad or­di­na­ria de ju­bi­la­ción), als ei­ne Vor­schrift über die „Beschäfti­gungs- und Ar­beits­be­din­gun­gen iSd. Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der RL 2000/78/EG an­ge­se­hen, die zur An­wend­bar­keit der Richt­li­nie führt (EuGH 16. Ok­to­ber 2007 - C-411/05 [Pa­la­ci­os de la Vil­la] - Rn. 45 f., Slg. 2007, I-8531). Ei­ne Be­gründung für die un­ter­blie­be­ne Her­an­zie­hung des Primärrechts enthält die Ent­schei­dung nicht.
 


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(2) Die Ent­schei­dung Pa­la­ci­os wird im na­tio­na­len Schrift­tum über­wie­gend nicht als Ab­kehr von dem primärrecht­li­chen Prüfungs­an­satz aus der Ent­schei­dung in der Rechts­sa­che Man­gold an­ge­se­hen. Be­gründet wird dies ein­mal mit der Spe­zia­lität der RL 2000/78/EG ge­genüber dem primärrecht­li­chen Grund­satz der Gleich­be­hand­lung in Beschäfti­gung und Be­ruf (Bau­er/Krie­ger NJW 2007, 3672, 3673). Nach an­de­rer Auf­fas­sung soll der ge­genüber der Ent­schei­dung in der Rechts­sa­che Man­gold un­ter­schied­li­che Prüfungs­an­satz dar­auf be­ru­hen, dass der deut­sche Ge­setz­ge­ber mit § 14 Abs. 3 Satz 4 Tz­B­fG aF bei der Um­set­zung des Ge­mein­schafts­rechts ei­ne un­mit­tel­bar dis­kri­mi­nie­ren­de Re­ge­lung ge­schaf­fen hat, während die im Fall Pa­la­ci­os zur Über­prüfung ste­hen­de ein­zi­ge Über­g­angs­be­stim­mung nicht zur Um­set­zung des Ge­mein­schafts­rechts be­stimmt war (Thüsing RdA 2008, 51, 52). Denk­bar wäre auch, dass der Eu­ropäische Ge­richts­hof in der Ent­schei­dung Pa­la­ci­os we­gen feh­len­der Ent­schei­dungs­er­heb­lich­keit von Ausführun­gen zur Fra­ge des Primärrechts ab­ge­se­hen hat, weil die von dem spa­ni­schen Juz­ga­do de lo So­ci­al No. 33 de Ma­drid zur Über­prüfung ge­stell­te ge­setz­li­che Re­ge­lung mit Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG, den der Ge­richts­hof auch in der Rechts­sa­che Man­gold zur Be­ur­tei­lung der Recht­fer­ti­gung für die auf dem Merk­mal des Al­ters be­ru­hen­de Un­gleich­be­hand­lung her­an­ge­zo­gen hat (EuGH 22. No­vem­ber 2005 - C-144/04 [Man­gold] - Rn. 58 ff., Slg. 2005, I-9981), ver­ein­bar war.


Sch­ließlich könn­te der un­ter­schied­li­che Prüfungs­an­satz des Eu­ropäischen Ge­richts­hofs in den ge­nann­ten Ent­schei­dun­gen dar­auf be­ru­hen, dass der primärrecht­li­che Prüfungs­an­satz zum Grund­satz der Gleich­be­hand­lung in Beschäfti­gung und Be­ruf nur dann tra­gend wird, wenn die Um­set­zungs­frist der RL 2000/78/EG noch nicht ab­ge­lau­fen ist, das na­tio­na­le Recht aber be­reits auf­grund der Gel­tung ei­ner an­de­ren Richt­li­nie dem An­wen­dungs­be­reich des Ge­mein­schafts­rechts un­terfällt (so wohl auch von Dan­witz JZ 2007, 697, 704 f.). In die­sem Sinn könn­ten auch die Ausführun­gen des Eu­ropäischen Ge­richts­hofs in sei­ner Ent­schei­dung in der Rechts­sa­che Bartsch zu ver­ste­hen sein (EuGH 28. Sep­tem­ber 2008 - C-427/06 [Bartsch] - Rn. 23 f., ABl. EU 2008, Nr. C 301, 6), wo­nach der An­wen­dungs­be­reich des Ge­mein­schafts­rechts in Be­zug auf das Tz­B­fG we­gen der Um­set­zung der RL 1999/70/EG eröff­net war.


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(3) Die Fra­ge, ob § 14 Abs. 3 Satz 1 Tz­B­fG aF ge­gen den Grund­satz der Gleich­be­hand­lung in Beschäfti­gung und Be­ruf verstößt, ist ent­schei­dungs­er­heb­lich.

Ei­ne Un­an­wend­bar­keit von § 14 Abs. 3 Satz 1 Tz­B­fG aF kommt grundsätz­lich nur in Be­tracht, wenn die Vor­schrift ge­gen das Primärrecht der Ge­mein­schaft verstößt. Ist dies nicht der Fall, wäre der Se­nat nur be­rech­tigt, die bei Be­ginn des Ar­beits­verhält­nis­ses am 1. Mai 2004 be­reits im We­ge der Vor­wir­kung gel­ten­de RL 2000/78/EG bei der Aus­le­gung von § 14 Abs. 3 Satz 1 Tz­B­fG aF zu berück­sich­ti­gen. § 14 Abs. 3 Satz 1 Tz­B­fG aF kann al­ler­dings nicht ge­mein­schafts­kon­form aus­ge­legt wer­den. Die Vor­schrift dient zwar der Beschäfti­gungsförde­rung. Nach der Ge­set­zes­be­gründung soll­ten mit dem ge­genüber dem BeschFG 1996 von 60 Jah­ren auf 58 Jah­re ab­ge­senk­ten Le­bens­al­ter als Vor­aus­set­zung für die sach­grund­lo­se Be­fris­tung Al­ters­jahrgänge in die Re­ge­lung ein­be­zo­gen wer­den, de­ren An­teil am Zu­gang in die Ar­beits­lo­sig­keit nach An­ga­ben der Bun­des­agen­tur für Ar­beit be­son­ders groß war (BT-Drucks. 14/4374 S. 20). Der in­so­weit ein­deu­ti­ge Wort­laut der Vor­schrift lässt je­doch die Berück­sich­ti­gung der mit ihr ver­folg­ten ar­beits­markt­po­li­ti­schen Zie­le als Vor­aus­set­zung für die sach­grund­lo­se Be­fris­tung nicht zu.

dd) Die Durchführung ei­nes Vor­ab­ent­schei­dungs­ver­fah­rens nach Art. 234 Abs. 3 EG ist auch des­halb er­for­der­lich, weil der Se­nat die Grundsätze nicht ein­deu­tig be­stim­men kann, die nach der Recht­spre­chung des Eu­ropäischen Ge­richts­hofs für die Verhält­nismäßig­keitsprüfung ei­ner auf dem Merk­mal des Al­ters be­ru­hen­den Un­gleich­be­hand­lung gel­ten.

(1) Nach der Recht­spre­chung des Eu­ropäischen Ge­richts­hofs in der Rechts­sa­che Man­gold ist ei­ne Vor­schrift wie § 14 Abs. 3 Satz 4 Tz­B­fG aF selbst un­ter Berück­sich­ti­gung des den Mit­glied­staa­ten bei der Wahl der Maßnah­men zur Er­rei­chung ih­rer Zie­le im Be­reich der Ar­beits- und So­zi­al­po­li­tik zu­ste­hen­den wei­ten Er­mes­sens­spiel­raums nicht nach Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG ge­recht­fer­tigt, weil sie das Al­ter des be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mers als ein­zi­ges Kri­te­ri­um für die Be­fris­tung des Ar­beits­ver­trags fest­le­ge, oh­ne dass nach­ge­wie­sen sei, dass die Fest­le­gung ei­ner Al­ters­gren­ze als sol­che un-
 


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abhängig von an­de­ren Erwägun­gen im Zu­sam­men­hang mit der Struk­tur des je­wei­li­gen Ar­beits­mark­tes und der persönli­chen Si­tua­ti­on des Be­trof­fe­nen zur Er­rei­chung des Zie­les der be­ruf­li­chen Ein­glie­de­rung ar­beits­lo­ser älte­rer Ar­beit­neh­mer ob­jek­tiv er­for­der­lich ist. Die Vor­schrift ge­he da­her über das hin­aus, was zur Er­rei­chung des ver­folg­ten Zie­les an­ge­mes­sen und er­for­der­lich sei. Die Wah­rung des Grund­sat­zes der Verhält­nismäßig­keit be­deu­te nämlich - so der Ge­richts­hof -, dass bei Aus­nah­men von ei­nem In­di­vi­du­al­recht die Er­for­der­nis­se des Gleich­be­hand­lungs­grund­sat­zes so weit wie möglich mit de­nen des an­ge­streb­ten Zie­les in Ein­klang ge­bracht wer­den müssen (EuGH 22. No­vem­ber 2005 - C-144/04 [Man­gold] - Rn. 63, 65, Slg. 2005, I-9981).


(2) In sei­ner Ent­schei­dung in der Rechts­sa­che Pa­la­ci­os hat der Ge­richts­hof zwar gleich­falls an­ge­nom­men, dass es Sa­che der zuständi­gen Stel­len der Mit­glied­staa­ten sei, ei­nen ge­rech­ten Aus­gleich zwi­schen den ver­schie­de­nen wi­der­strei­ten­den In­ter­es­sen zu fin­den. Da­bei sei dar­auf zu ach­ten, dass die in die­sem Zu­sam­men­hang vor­ge­se­he­nen na­tio­na­len Maßnah­men nicht über das hin­aus­ge­hen, was an­ge­mes­sen und er­for­der­lich ist, um das von dem be­tref­fen­den Mit­glied­staat ver­folg­te Ziel zu er­rei­chen (EuGH 16. Ok­to­ber 2007 - C-411/05 [Pa­la­ci­os de la Vil­la] - Rn. 71, Slg. 2007, I-8531). Mit sei­nen fol­gen­den Ausführun­gen hat der Ge­richts­hof die Kon­troll­dich­te für die Verhält­nismäßig­keitsprüfung ge­genüber der Ent­schei­dung in der Rechts­sa­che Man­gold (EuGH 22. No­vem­ber 2005 - C-144/04 [Man­gold] - Rn. 61 ff., Slg. 2005, I-9981) je­doch zurück­ge­nom­men und nur dar­auf ab­ge­stellt, dass die in der ein­zi­gen Über­g­angs­be­stim­mung des Ge­set­zes 14/2005 ent­hal­te­ne An­er­ken­nung von ta­rif­li­chen Al­ters­gren­zen nicht „un­vernünf­tig“ er­schei­ne, um das im Rah­men der na­tio­na­len Beschäfti­gungs­po­li­tik an­geführ­te le­gi­ti­me Ziel der Förde­rung von Voll­beschäfti­gung durch Begüns­ti­gung des Zu­gangs zum Ar­beits­markt zu er­rei­chen (EuGH 16. Ok­to­ber 2007 - C-411/05 [Pa­la­ci­os de la Vil­la] - Rn. 72, aaO). Darüber hin­aus hat der Ge­richts­hof ei­nen kon­kre­ten Nach­weis der beschäfti­gungsfördern­den Wir­kung der in Fra­ge ste­hen­den Al­ters­gren­ze nicht als er­for­der­lich an­ge­se­hen. Die da­nach an­zu­stel­len­de Prüfung stellt da­her nur noch ei­ne auf den Ein­zel­fall be­zo­ge­ne rich­ter­li­che Plau­si­bi­litätskon­trol­le (Bay­reu­ther DB 2007, 2425, 2426; Reich­hold ZESAR



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2008, 49, 52) bzw. ei­ne an­genäher­te Willkürprüfung (Tem­ming NZA 2007, 1193, 1198) der die Un­gleich­be­hand­lung be­wir­ken­den Norm ge­genüber dem le­gi­ti­men Ziel dar (so be­reits BAG 18. Ju­ni 2008 - 7 AZR 116/07 - Rn. 43, NZA 2008, 1302).

ee) Der zu § 14 Abs. 3 Satz 4 Tz­B­fG aF er­gan­ge­ne Un­an­wend­bar­keits­aus­spruch des Eu­ropäischen Ge­richts­hofs aus sei­ner Ent­schei­dung in der Rechts­sa­che Man­gold kann schließlich nicht oh­ne er­neu­tes Vor­ab­ent­schei­dungs­ver­fah­ren auf § 14 Abs. 3 Satz 1 Tz­B­fG aF über­tra­gen wer­den, weil die­se Vor­schrift die sach­grund­lo­se Be­fris­tungsmöglich­keit nur für Ar­beit­neh­mer eröff­net, die bei Be­ginn des Ar­beits­verhält­nis­ses das 58. Le­bens­jahr voll­endet ha­ben. Denn der Ge­richts­hof hat im Rah­men der Verhält­nismäßig­keitsprüfung in der Rechts­sa­che Man­gold dar­auf ab­ge­stellt, dass die An­wen­dung von § 14 Abs. 3 Satz 4 Tz­B­fG aF dar­auf hin­aus­lau­fe, dass al­len Ar­beit­neh­mern, die das 52. Le­bens­jahr voll­endet ha­ben, un­ter­schieds­los - gleichgültig, ob und wie lan­ge sie vor Ab­schluss des Ar­beits­ver­trags ar­beits­los wa­ren - bis zum Er­rei­chen des Al­ters, ab dem sie ih­re Ren­ten­ansprüche gel­tend ma­chen können, be­fris­te­te, un­be­grenzt häufig verlänger­ba­re Ar­beits­verträge an­ge­bo­ten wer­den könn­ten. Die­se große, aus­sch­ließlich nach dem Le­bens­al­ter de­fi­nier­te Grup­pe von Ar­beit­neh­mern lau­fe da­mit während ei­nes er­heb­li­chen Teils ih­res Be­rufs­le­bens Ge­fahr, von fes­ten Beschäfti­gungs­verhält­nis­sen aus­ge­schlos­sen zu sein, die doch, wie sich aus der Rah­men­ver­ein­ba­rung er­gibt, ei­nen wich­ti­gen As­pekt des Ar­beit­neh­mer­schut­zes dar­stell­ten (EuGH 22. No­vem­ber 2005 - C-144/04 [Man­gold] - Rn. 64, Slg. 2005, I-9981). Ei­ne Aus­sa­ge zu der Grup­pe von Ar­beit­neh­mern, die das 58. Le­bens­jahr voll­endet ha­ben, enthält die Ent­schei­dung nicht. Der Se­nat hat zwar Zwei­fel, ob die Un­ter­schie­de im Le­bens-al­ter bei der sach­grund­lo­sen Be­fris­tungsmöglich­keit nach § 14 Abs. 3 Satz 1 Tz­B­fG aF ge­genüber der Re­ge­lung in § 14 Abs. 3 Satz 4 Tz­B­fG aF an­ge­sichts des Feh­lens ei­ner auf das Er­rei­chen des an­ge­streb­ten beschäfti­gungs-po­li­ti­schen Ziels be­zo­ge­nen Ein­schränkung der Be­fris­tungsmöglich­keit von Be­deu­tung sein können. Er kann die Be­wer­tung den­noch nicht selbst vor-neh­men, da die Verhält­nismäßig­keitsprüfung Be­stand­teil der Be­ur­tei­lung der Recht­fer­ti­gung ei­ner auf dem Merk­mal des Al­ters be­ru­hen­den Un­gleich­be-
 


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hand­lung ist, die je­den­falls nach den Ausführun­gen des Eu­ropäischen Ge­richts­hofs in sei­ner Ent­schei­dung in der Rechts­sa­che Man­gold nicht den Ge­rich­ten der Mit­glied­staa­ten ob­liegt.


3. Der Se­nat hält es an­ge­sichts der aus sei­ner Sicht nicht ein­deu­ti­gen Rechts­la­ge für ge­bo­ten, den Ge­richts­hof der Eu­ropäischen Ge­mein­schaf­ten um ei­ne Vor­ab­ent­schei­dung zur Ver­ein­bar­keit von § 14 Abs. 3 Tz­B­fG aF mit ei­ner wei­te­ren Re­ge­lung im Ge­mein­schafts­recht zu er­su­chen. Der Se­nat hat Zwei­fel an der Ver­ein­bar­keit der Vor­schrift mit § 5 Abs. 1 der in die RL 1999/70/EG in­kor­po­rier­ten EGB-UN­ICE-CEEP-Rah­men­ver­ein­ba­rung über be­fris­te­te Ar­beits­verträge vom 18. März 1999 (Vor­la­ge­fra­ge 2) und ver­mag nicht ein­deu­tig zu be­ur­tei­len, ob ein Ver­s­toß von § 14 Abs. 3 Tz­B­fG aF ge­gen die Vor­ga­ben der Rah­men­ver­ein­ba­rung zu ei­ner Un­an­wend­bar­keit von § 14 Abs. 3 Tz­B­fG aF führen kann (Vor­la­ge­fra­ge 3).

a) Nach Auf­fas­sung des Se­nats genügt die Re­ge­lung in § 14 Abs. 3 Tz­B­fG aF nicht den sich aus § 5 Abs. 1 der Rah­men­ver­ein­ba­rung er­ge­ben­den Vor­ga­ben für die Ver­mei­dung des Miss­brauchs durch auf­ein­an­der­fol­gen­de be­fris­te­te Ar­beits­verträge oder -verhält­nis­se.

Nach § 5 Abs. 1 der Rah­men­ver­ein­ba­rung ha­ben die Mit­glied­staa­ten zur Ver­mei­dung von Miss­brauch durch auf­ein­an­der­fol­gen­de be­fris­te­te Ar­beits­verträge oder -verhält­nis­se sach­li­che Gründe vor­zu­se­hen, die die Verlänge­rung sol­cher Verträge oder Verhält­nis­se recht­fer­ti­gen (Buchst. a) oder die ins­ge­samt ma­xi­mal zulässi­ge Dau­er auf­ein­an­der­fol­gen­der Ar­beits­verträge bzw. -verhält­nis­se (Buchst. b) oder die zulässi­ge Zahl der Verlänge­rung sol­cher Ar­beits­verträge oder -verhält­nis­se (Buchst. c) fest­zu­le­gen. § 14 Abs. 3 Tz­B­fG aF erfüllt kei­ne die­ser Vor­aus­set­zun­gen. Die Vor­schrift enthält we­der ei­nen sach­li­chen Grund für die Be­fris­tung des Ar­beits­ver­trags noch legt sie die ins-ge­samt ma­xi­mal zulässi­ge Dau­er des Ar­beits­verhält­nis­ses oder die zulässi­ge Zahl der Verlänge­run­gen sol­cher Ar­beits­verträge fest. § 14 Abs. 3 Tz­B­fG aF ist auch nicht des­we­gen mit § 5 Abs. 1 der Rah­men­ver­ein­ba­rung ver­ein­bar, weil es die Rah­men­ver­ein­ba­rung zulässt, die Ei­gen­ar­ten be­stimm­ter Ar­beit­neh­mer-grup­pen zu berück­sich­ti­gen. Denn die von § 5 Abs. 1 der Rah­men­ver­ein­ba­rung


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zu­ge­las­se­ne „Berück­sich­ti­gung der An­for­de­run­gen be­stimm­ter Bran­chen und/oder Ar­beit­neh­mer­ka­te­go­ri­en“ eröff­net kei­ne Aus­nah­me von dem Grund­satz, dass die Mit­glied­staa­ten min­des­tens ei­ne der drei in der Re­ge­lung ge­nann­ten Maßnah­men zu er­grei­fen ha­ben. Aus § 8 Abs. 1 der Rah­men­ver­ein­ba­rung er­gibt sich nichts an­de­res. Da­nach können die Mit­glied­staa­ten güns­ti­ge­re Be­stim­mun­gen für Ar­beit­neh­mer bei­be­hal­ten und/oder einführen, als in der Rah­men­ver­ein­ba­rung vor­ge­se­hen sind. Im na­tio­na­len Schrift­tum wird da­zu ver­tre­ten, we­gen der an­ge­spann­ten Si­tua­ti­on auf dem Ar­beits­markt sei es für älte­re Ar­beit­neh­mer güns­ti­ger, sach­grund­los be­fris­tet beschäftigt als auf Dau­er ar­beits­los zu sein (so zB Bau­er NZA 2002, 30, 31). Die­se Auf­fas­sung ver­kennt, dass es nach § 8 Abs. 1 der Rah­men­ver­ein­ba­rung aus­sch­ließlich auf ei­nen Ver­gleich der na­tio­na­len Re­ge­lung mit der Rah­men­ver­ein­ba­rung an-kommt und nicht auf die tatsächli­chen Aus­wir­kun­gen bei­der Re­ge­lun­gen. Die Vor­schrift des § 14 Abs. 3 Tz­B­fG aF ist da­her ge­genüber § 5 Abs. 1 der Rah­men­ver­ein­ba­rung für den Ar­beit­neh­mer nicht güns­ti­ger iSv. § 8 Abs. 1 der Rah­men­ver­ein­ba­rung.


b) Der Se­nat kann nicht mit der not­wen­di­gen Ein­deu­tig­keit be­ur­tei­len, ob die Recht­spre­chung des Eu­ropäischen Ge­richts­hofs in sei­nem Ur­teil in der Rechts­sa­che Man­gold (EuGH 22. No­vem­ber 2005 - C-144/04 [Man­gold] - Slg. 2005, I-9981) da­hin­ge­hend zu ver­ste­hen ist, dass ein na­tio­na­les Ge­richt ei­ne während der Um­set­zungs­frist ei­ner Richt­li­nie er­las­se­ne Vor­schrift des na­tio­na­len Rechts, die im Wi­der­spruch zu den mit der Richt­li­nie ver­folg­ten Zie­len steht, nicht an­wen­den darf.

aa) Richt­li­ni­en der Ge­mein­schaft kommt grundsätz­lich kei­ne un­mit­tel­ba­re Wir­kung zu. Richt­li­ni­en wen­den sich nach Art. 249 Abs. 3 EG an die Mit­glied­staa­ten und ver­pflich­ten die­se, die von der Richt­li­nie ver­folg­ten Zie­le in­ner­halb ei­ner be­stimm­ten Frist in na­tio­na­les Recht um­zu­set­zen. Richt­li­ni­en ent­fal­ten nur in Aus­nah­mefällen un­mit­tel­ba­re Wir­kun­gen. Nach der Recht­spre­chung des Eu­ropäischen Ge­richts­hofs kann sich ein Mit­glied­staat, der ent­ge­gen sei­ner Ver­pflich­tung aus Art. 249 Abs. 3 EG ei­ne Richt­li­nie in­ner­halb der Um­set­zungs­frist nicht oder nicht ord­nungs­gemäß um­ge­setzt hat, sei­nen Bürgern ge­genüber


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nicht auf die feh­len­de oder un­zu­rei­chen­de Um­set­zung be­ru­fen. In die­sem Fall kann sich der Bürger ge­genüber dem Staat un­mit­tel­bar auf die Richt­li­nie be­ru­fen, wenn die­se ei­ne in­halt­lich hin­rei­chend be­stimm­te und un­be­ding­te Re­ge­lung enthält (EuGH 5. Ok­to­ber 2004 - C-397/01 [Pfeif­fer] - Rn. 104, Slg. 2004, I-8835). Dies gilt auch, wenn der Staat als Ar­beit­ge­ber auf­tritt (EuGH 12. Ju­li 1990 - C-188/89 [Fos­ter] - Rn. 17, Slg. 1990, I-3313). Die un­mit­tel­ba­re Wir­kung ei­ner Richt­li­nie be­schränkt sich aber auf das Verhält­nis zwi­schen Bürger und Staat. Ei­ne un­mit­tel­ba­re Wir­kung der Richt­li­nie zwi­schen Bürgern un­ter­ein­an­der kommt nicht in Be­tracht (EuGH 5. Ok­to­ber 2004 - C-397/01 [Pfeif­fer] - Rn. 108, aaO; 14. Ju­li 1994 - C-91/92 [Fac­ci­ni Do­ri] - Rn. 24, Slg. 1994, I-3325). Ein Ar­beit­neh­mer kann sich da­her ge­genüber ei­nem pri­va­ten Ar­beit­ge­ber nicht un­mit­tel­bar auf den In­halt ei­ner Richt­li­nie be­ru­fen (EuGH 14. Ju­li 1994 - C-91/92 [Fac­ci­ni Do­ri] - Rn. 20, aaO). Lie­gen die Vor­aus­set­zun­gen für ei­ne un­mit­tel­ba­re Wir­kung der Richt­li­nie nicht vor, hat dies nicht zur Fol­ge, dass richt­li­ni­en­wid­ri­ges na­tio­na­les Recht nicht an­ge­wandt wer­den darf. Das Ge­mein­schafts­recht enthält kei­nen Me­cha­nis­mus, der es dem na­tio­na­len Ge­richt er­laubt, von ei­ner Vor­schrift ei­ner nicht um­ge­setz­ten Richt­li­nie ab­wei­chen­de na­tio­na­le Vor­schrif­ten zu eli­mi­nie­ren (EuGH 26. Sep­tem­ber 1996 - C-168/95 [Ar­ca­ro] - Rn. 40, 43, Slg. 1996, I-4705).

bb) Nach An­wen­dung die­ser Grundsätze käme ei­ne Un­an­wend­bar­keit des § 14 Abs. 3 Satz 1 Tz­B­fG aF we­gen feh­ler­haf­ter Um­set­zung der RL 1999/70/EG nicht in Be­tracht. Der Se­nat ver­mag aber nicht aus­zu­sch­ließen, dass die Ent­schei­dung des Eu­ropäischen Ge­richts­hofs in der Rechts­sa­che Man­gold (EuGH 22. No­vem­ber 2005 - C-144/04 [Man­gold] - Slg. 2005, I-9981) ab­wei­chend von die­sen Grundsätzen da­hin­ge­hend zu ver­ste­hen ist, dass ei­ne Vor­schrift des na­tio­na­len Rechts, die während der Um­set­zungs­frist ei­ner Richt­li­nie er­las­sen wur­de und die ge­gen die sich aus der Richt­li­nie er­ge­ben­den Vor­ga­ben verstößt, von den na­tio­na­len Ge­rich­ten nicht an­ge­wandt wer­den darf.


Der Eu­ropäische Ge­richts­hof hat sei­ne Ent­schei­dung zur Un­an­wend­bar­keit von § 14 Abs. 3 Satz 4 Tz­B­fG aF dar­auf gestützt, dass „ers­tens“ der na­tio­na­le Ge­setz­ge­ber während der Um­set­zungs­frist ei­ner Richt­li­nie kei­ne
 


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Vor­schrif­ten er­las­sen darf, die ge­eig­net sind, die Er­rei­chung des in der Richt­li­nie vor­ge­schrie­be­nen Zie­les ernst­haft in Fra­ge zu stel­len, und „zwei­tens“ dar­auf, dass sich das Ver­bot der Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Al­ters nicht aus der Richt­li­nie selbst, son­dern aus den die­ser zu­grun­de lie­gen­den all­ge­mei­nen Grundsätzen des Ge­mein­schafts­rechts er­ge­be (EuGH 22. No­vem­ber 2005 - C-144/04 [Man­gold] - Rn. 67, 74, Slg. 2005, I-9981). Der Se­nat meint, dass der Eu­ropäische Ge­richts­hof den Un­an­wend­bar­keits­aus­spruch da­mit auf ei­ne Dop­pel­be­gründung gestützt hat (BAG 26. April 2006 - 7 AZR 500/04 - Rn. 21, BA­GE 118, 76 = AP Tz­B­fG § 14 Nr. 23 = EzA Tz­B­fG § 14 Nr. 28). Hierfür spricht, dass er sei­ne Ausführun­gen zur Vor­wir­kung von Richt­li­ni­en mit dem Wort „ers­tens“ und die Dar­le­gun­gen zur Un­ver­ein­bar­keit von § 14 Abs. 3 Satz 4 Tz­B­fG aF mit dem all­ge­mei­nen ge­mein­schafts­recht­li­chen Grund­satz der Gleich­be­hand­lung mit dem Wort „zwei­tens“ be­gon­nen hat. Da­her könn­ten die Ausführun­gen des Ge­richts­hofs zu dem in Art. 10 Abs. 2 EG ent­hal­te­nen Grund­satz der Ver­trags­treue der Mit­glied­staa­ten da­hin­ge­hend zu ver­ste­hen sein, dass während der Um­set­zungs­frist ei­ner Richt­li­nie er­las­se­nes na­tio­na­les Recht, das mit der Richt­li­nie un­ver­ein­bar ist, ge­ne­rell un­an­ge­wandt zu blei­ben hat. Die­se Un­si­cher­heit ist auch nicht durch nach­fol­gen­de Ent­schei­dun­gen des Eu­ropäischen Ge­richts­hofs be­sei­tigt wor­den (aA Tem­ming Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung im Ar­beits­le­ben S. 405 f.). Zwar hat der Ge­richts­hof in sei­ner Ent­schei­dung in der Rechts­sa­che Carp un­ter Be­ru­fung auf sei­ne ständi­ge Recht­spre­chung zur Wir­kung von Richt­li­ni­en un­ter Pri­va­ten aus­geführt, dass ei­ne Richt­li­nie nicht selbst Ver­pflich­tun­gen für ei­nen Ein­zel­nen be­gründen könne, so dass ihm ge­genüber ei­ne Be­ru­fung auf die Richt­li­nie als sol­che nicht möglich ist. Dar­aus fol­ge, dass so­gar ei­ne kla­re, ge­naue und un­be­ding­te Richt­li­ni­en­be­stim­mung, mit der dem Ein­zel­nen Rech­te gewährt oder Ver­pflich­tun­gen auf­er­legt wer­den sol­len, im Rah­men ei­nes Rechts­streits, in dem sich aus­sch­ließlich Pri­va­te ge­genüber­ste­hen, nicht als sol­che An­wen­dung fin­den kann (EuGH 7. Ju­ni 2007 - C-80/06 [Carp] - Rn. 20, Slg. 2007, I-4473). Der Ge­richts­hof hat aber bis­her nicht klar­ge­stellt, ob ein Ver­s­toß der Mit­glied­staa­ten ge­gen die Vor­ga­ben ei­ner Richt­li­nie zur Un­an­wend­bar­keit ei­ner während des Vor­wir­kungs­zeit­raums er­las­se­nen Vor­schrift des na­tio­na­len Rechts führen kann, die im Wi­der­spruch



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zu dem Richt­li­ni­en­ziel steht. Er hat sich zur Ver­deut­li­chung sei­ner in der Rechts­sa­che Man­gold (EuGH 22. No­vem­ber 2005 - C-144/04 [Man­gold] - Slg. 2005, I-9981) ge­ge­be­nen Be­gründung nur in der Rechts­sa­che Bartsch er­neut geäußert (EuGH 28. Sep­tem­ber 2008 - C-427/06 [Bartsch] - Rn. 24, ABl. EU 2008, Nr. C 301, 6), wo­bei sich die Ausführun­gen des Ge­richts­hofs auf die Eröff­nung des An­wen­dungs­be­reichs des Ge­mein­schafts­rechts be­schränkt ha­ben.


c) An­ders als in der Rechts­sa­che Man­gold (EuGH 22. No­vem­ber 2005 - C-144/04 [Man­gold] - Rn. 43, Slg. 2005, I-9981) kommt es im Streit­fall dar­auf an, ob § 5 Abs. 1 der Rah­men­ver­ein­ba­rung da­hin­ge­hend aus­zu­le­gen ist, dass er ei­ner Re­ge­lung na­tio­na­len Rechts wie der­je­ni­gen in § 14 Abs. 3 Tz­B­fG aF ent­ge­gen­steht. Denn bei der in dem Ver­trag vom 23. Ja­nu­ar 2004 ver­ein­bar­ten Be­fris­tung han­delt es sich nicht um ei­ne Erst­be­fris­tung, son­dern um die vier­te Verlänge­rung des be­fris­te­ten Ar­beits­ver­trags vom 9. Fe­bru­ar 2000. Da­mit fällt der Sach­ver­halt in den An­wen­dungs­be­reich von § 5 Abs. 1 Rah­men­ver­ein­ba­rung und der Richt­li­nie 1999/70/EG.


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