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ARBEITSRECHT AKTUELL // 09/020

Än­de­rungs­kün­di­gung - Ge­nau­ig­keit des Än­de­rungs­an­ge­bots:

Bei ei­ner Än­de­rungs­kün­di­gung ist das Än­de­rungs­an­ge­bot zu un­ge­nau, wenn künf­tig ein be­stimm­ter Ta­rif­ver­trag gel­ten soll und im Fal­le sei­nes "Un­wirk­sam­wer­dens" ein an­de­rer: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 15.01.2009, 2 AZR 641/07
Bildsymbol Treppe abwärts Bei Än­de­rungs­kün­di­gun­gen müs­sen Ar­beit­ge­ber sorg­fäl­tig ar­bei­ten

13.02.2009. Spricht der Ar­beit­ge­ber Ar­beit­ge­ber ei­ne Än­de­rungs­kün­di­gung aus, dann kün­digt er und bie­tet zu­gleich die Fort­set­zung des Ar­beits­ver­hält­nis­ses zu ge­än­der­ten Be­din­gun­gen an.

Da­her muss das Än­de­rungs­an­ge­bot ein­deu­tig sein, so dass der Ar­beit­neh­mer oh­ne wei­te­res er­ken­nen kann, wel­che (ge­än­der­ten) Ver­trags­be­din­gun­gen künf­tig gel­ten sol­len.

Nach ei­ner ak­tu­el­len Ent­schei­dung des Bun­des­ar­beits­ge­richts (BAG) ist ein Än­de­rungs­an­ge­bot zu un­be­stimmt, wenn ihm zu­fol­ge künf­tig ein be­stimm­ter Ta­rif­ver­trag gel­ten soll und im Fal­le sei­nes "Un­wirk­sam­wer­dens" (?) ein an­de­rer Ta­rif­ver­trag: BAG, Ur­teil vom 15.01.2009, 2 AZR 641/07.

Wie ge­nau muss der Ar­beit­ge­ber bei ei­ner Ände­rungskündi­gung sa­gen, was künf­tig an­ders ge­re­gelt sein soll?

Bei ei­ner Ände­rungskündi­gung erklärt der Ar­beit­ge­ber die Kündi­gung des (ge­sam­ten) Ar­beits­verhält­nis­ses und un­ter­brei­tet dem Ar­beit­neh­mer zu­gleich ein An­ge­bot zur Ände­rung der ver­trag­li­chen Ar­beits­be­din­gun­gen, falls der Ar­beit­neh­mer das Ar­beits­verhält­nis fort­set­zen möch­te.

Ge­genüber ei­ner sol­chen Art von Kündi­gung kann der Ar­beit­neh­mer ei­ne ganz nor­ma­le Kündi­gungs­schutz­kla­ge er­he­ben. Er kann das Ände­rungs­an­ge­bot aber auch un­ter dem Vor­be­halt sei­ner so­zia­len Recht­fer­ti­gung an­neh­men und so­dann per Ände­rungs­schutz­kla­ge prüfen las­sen, ob die Ände­rung der Ar­beits­be­din­gun­gen rech­tens ist (§ 2 Kündi­gungs­schutz­ge­setz - KSchG).

An das Ände­rungs­an­ge­bot, das mit der Kündi­gung ver­bun­den wird, sind die­sel­ben An­for­de­run­gen zu stel­len, die an ver­trags­be­zo­ge­ne Erklärun­gen im All­ge­mei­nen ge­stellt wer­den.

So müssen die auf den Ab­schluss ei­nes Ver­trags ge­rich­te­ten Erklärun­gen (An­ge­bo­te) so ein­deu­tig sein, dass der Ver­hand­lungs­geg­ner er­ken­nen kann, was ge­nau Ge­gen­stand des ihm an­ge­bo­te­nen Ver­trags sein soll. Da­her muss auch das mit ei­ner Ände­rungskündi­gung un­ter­brei­te­te An­ge­bot kon­kret ge­fasst sein, so dass be­reits die bloße An­nah­me­erklärung („Ja, ein­ver­stan­den.“) zu ei­nem präzi­se de­fi­nier­ten neu­en Ver­trags­in­halt führt.

Seit ei­ni­gen Jah­ren sind Ände­rungskündi­gun­gen verstärkt ein The­ma für Leih­ar­beit­ge­ber. Denn sie seit An­fang 2004 auf der Grund­la­ge ei­ner Neu­re­ge­lung des Ar­beit­neh­merüber­las­sungs­ge­setz (AÜG) vom Grund­satz der glei­chen Be­zah­lung von Leih­ar­beit­neh­mern und Stamm­be­leg­schaft ("equal pay") ab­wei­chen, wenn sie ih­re Ar­beit­neh­mer "nach Ta­rif" be­zah­len (§ 9 AÜG). Da­bei kom­men in der Pra­xis viel­fach Schmud­del­ta­ri­fe zur An­wen­dung.

Da­her wur­den im Jah­re 2004 Leih­ar­beit­neh­mer viel­fach be­drängt, ei­ner Ände­rung ih­res Ar­beits­ver­trags da­hin­ge­hend zu­zu­stim­men, dass künf­tig ein für die Leih­ar­beits­bran­che gel­ten­der („Bil­lig“-)Ta­rif­ver­trag An­wen­dung fin­den soll­te. Ar­beit­neh­mer, die nicht „frei­wil­lig“ mit­mach­ten, er­hiel­ten ei­ne Ände­rungskündi­gung.

Bei Aus­spruch der Ände­rungskündi­gung kann dem Ar­beit­ge­ber al­ler­dings der Feh­ler un­ter­lau­fen, dass er den von ihm für die Zu­kunft gewünsch­ten Ta­rif­be­zug des Ar­beits­verhält­nis­ses nicht ge­nau ge­nug be­zeich­net. Über ei­nen sol­chen Fall hat­te das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) mit Ur­teil vom 15.01.2009 (2 AZR 641/07) zu ent­schei­den.

Der Fall des BAG: Pfif­fi­ge Leih­ar­beits­fir­ma möch­te nach Schmud­del­ta­rif be­zah­len und sich zu­gleich ge­gen die mögli­che Un­wirk­sam­keit die­ses Ta­rif­ver­trags ab­si­chern

Der Kläger war als Leih­ar­beit­neh­mer bei ei­nem bun­des­weit täti­gen, nicht ta­rif­ge­bun­de­nen Zeit­ar­beits­un­ter­neh­men als Pro­duk­ti­ons­hel­fer/ Hilfs­kraft beschäftigt. Nach­dem die Par­tei­en be­reits zu­vor über die Wirk­sam­keit zwei­er Kündi­gun­gen ge­strit­ten hat­ten, sprach das Zeit­ar­beits­un­ter­neh­men im No­vem­ber 2005 ei­ne er­neu­te be­triebs­be­ding­te Ände­rungskündi­gung zu En­de Ja­nu­ar 2006 aus.

Das Ände­rungs­an­ge­bot lau­te­te, dass der Ar­beits­ver­trag künf­tig ei­ne Be­zug­nah­me auf ei­nen Ta­rif­ver­trag ent­hal­ten soll­te. Für den Fall, dass die­ser Ta­rif­ver­trag „un­wirk­sam wird“, soll­te ein an­de­rer Ta­rif­ver­trag gel­ten.

Der Kläger nahm das An­ge­bot un­ter dem Vor­be­halt des § 2 KSchG an und er­hob Ände­rungs­schutz­kla­ge beim Ar­beits­ge­richt Stutt­gart.

Die Be­klag­te be­gründe­te die Kündi­gung da­mit, sie ha­be die Ar­beits­verhält­nis­se der bei ich beschäftig­ten Ar­beit­neh­mer ge­ne­rell be­stimm­ten Ta­rif­verträgen der Leih­ar­beits­bran­che un­ter­wor­fen. Als ein­zi­ger Ar­beit­neh­mer ha­be sich der Kläger mit ei­ner sol­chen Ver­tragsände­rung nicht ein­ver­stan­den erklärt. Die aber sei not­wen­dig, da die ent­lei­hen­den Un­ter­neh­men nicht mehr be­reit sei­en, Leih­ar­beit­neh­mer zu Kos­ten ei­nes "equal tre­at­ment" zu ent­lei­hen. Da­her ha­be für den Kläger ab dem 01.01.2004 kei­ne Ver­leihmöglich­keit mehr be­stan­den.

Das Ar­beits­ge­richt wies die Kla­ge ab, weil es die dem Kläger an­ge­son­ne­ne Ände­rung des Ar­beits­ver­trags für sach­lich be­gründet und zu­mut­bar hielt (Ur­teil vom 20.06.2006, 16 Ca 11802/05), d.h. es folg­te den Ar­gu­men­ten der Be­klag­ten.

Da­ge­gen hob das in zwei­ter In­stanz zuständi­ge Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Ba­den-Würt­tem­berg das Ur­teil auf und ent­schied zu­guns­ten des Klägers (Ur­teil vom 12.04.2007, 21 Sa 62/06). Dem ging ei­ne Be­weis­auf­nah­me vor­aus, d.h. das LAG über­prüfte durch Zeu­gen­ver­neh­mung die Rich­tig­keit der Be­haup­tung der Be­klag­ten, ih­re Auf­trag­ge­ber sei­en zur Ent­lei­hung von Ar­beit­neh­mer zu Kos­ten ei­nes "equal tre­at­ment" ge­ne­rell nicht mehr be­reit. Die­se Be­haup­tung konn­te nach er­folg­ter Zeu­gen­ver­neh­mung nicht bestätigt wer­den.

BAG: Bei ei­ner Ände­rungskündi­gung ist das Ände­rungs­an­ge­bot zu un­ge­nau, wenn künf­tig ein be­stimm­ter Ta­rif­ver­trag gel­ten soll und im Fal­le sei­nes "Un­wirk­sam­wer­dens" ein an­de­rer

Das BAG bestätig­te zwar im Er­geb­nis die Ent­schei­dung des LAG, al­ler­dings mit ei­ner völlig an­de­ren Be­gründung. Es kam da­her für das BAG nicht dar­auf an, ob die dem Kläger an­ge­bo­te­nen geänder­ten Ver­trags­be­din­gun­gen verhält­nismäßig oder nicht wa­ren.

Ei­ne Ände­rungskündi­gung sei be­reits dann un­wirk­sam, wenn das An­ge­bot des kündi­gen­den Ar­beit­ge­bers zu un­be­stimmt ist. Der Ar­beit­neh­mer müsse dem Ände­rungs­an­ge­bot si­cher ent­neh­men können, wel­cher Ver­trags­in­halt künf­tig maßgeb­lich sein soll. Dies war hier aus Sicht des BAG nicht der Fall.

Of­fen­sicht­lich hielt das BAG ei­nen Ver­weis in den geänder­ten Ver­trags­be­din­gun­gen auf ei­nen wei­te­ren Ta­rif­ver­trag, der gel­ten sol­le, wenn der ei­gent­lich zu ver­ein­ba­ren­de Ta­rif­ver­trag un­wirk­sam sein soll­te, für zu un­be­stimmt.

Auch wenn die Be­gründung im Ein­zel­nen erst den der­zeit noch nicht vor­lie­gen­den Ur­teils­gründen ent­nom­men wer­den kann, dürf­te das Ur­teil rich­tig sein: Im vor­lie­gen­den Fall konn­te der Ar­beit­neh­mer nicht oh­ne wei­te­res se­hen, wel­che Ar­beits­be­din­gun­gen künf­tig gel­ten soll­ten. Un­ter sol­chen Umständen ist der Ar­beit­neh­mer aber zu ei­ner An­nah­me­erklärung nicht in der La­ge, wenn er nicht sei­ner­seits ein neu­es An­ge­bot macht. Ein sol­ches „Ge­gen­an­ge­bot“ des Ar­beit­neh­mers ist aber in Fällen ei­ner Ände­rungskündi­gung nicht vor­ge­se­hen.

Fa­zit: Leih­ar­beit­ge­ber ha­ben zwar an ei­ner ar­beits­ver­trag­li­chen Be­zug­nah­me auf ver­schie­de­ne Ta­rif­verträge der­zeit ein star­kes In­ter­es­se, da die Fra­ge der Ta­rif­qua­lität der von du­bio­sen Schein-Ge­werk­schaf­ten aus­ge­han­del­ten „Ta­rif­verträge“ hef­tig um­strit­ten ist. Al­ler­dings kann die­se Un­si­cher­heit nicht durch un­durch­sich­ti­ge Re­ge­lun­gen über die Ta­rif­an­bin­dung des Leih­ar­beits­ver­trags und da­mit zu Las­ten des Ar­beit­neh­mers be­sei­tigt wer­den.

Nähe­re In­for­ma­tio­nen zu die­sem Vor­gang fin­den Sie hier:

Hin­weis: In der Zwi­schen­zeit, d.h. nach Er­stel­lung die­ses Ar­ti­kels, hat das Ge­richt sei­ne Ent­schei­dungs­gründe schrift­lich ab­ge­fasst und veröffent­licht. Die Ent­schei­dungs­gründe im Voll­text fin­den Sie hier:

Letzte Überarbeitung: 8. Mai 2017

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