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ARBEITSRECHT AKTUELL // 10/189

Schon Un­ter­schrift oder noch Initia­len?

Punkt, Punkt, Kom­ma, Strich - Fer­tig ist die Un­ter­schrift?: Lan­des­ar­beits­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg, Ur­teil vom 26.03.2010, 6 Sa 2345/09
Dokument mit Unterschriftenzeile und Füller Be­fris­tungs­ab­re­de nur mit Initia­li­en un­ter­schrie­ben

28.09.2010. "Die Be­fris­tung ei­nes Ar­beits­ver­tra­ges be­darf zu ih­rer Wirk­sam­keit der Schrift­form" heißt es in § 14 Ab­satz 4 Teil­zeit- und Be­fris­tungs­ge­setz (Tz­B­fG) kurz und bün­dig.

Und "Schrift­form", so kann man dem Bür­ger­li­chen Ge­setz­buch (BGB) ent­neh­men, be­deu­tet "Un­ter­schrift".

Be­fris­te­te Ar­beits­ver­trä­ge müs­sen al­so un­ter­schrie­ben wer­den. Und wer schon ein­mal ein ärzt­li­ches Re­zept in der Hand hat­te, weiß, dass es Un­ter­schrif­ten gibt und sol­che, die es viel­leicht nie wer­den woll­ten.

Auch wenn die­ser Un­ter­schied auf den ers­ten Blick klein­lich wirkt, kann da­von der Er­folg ei­ner Ent­fris­tungs­kla­ge ab­hän­gen: Lan­des­ar­beits­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg, Ur­teil vom 26.03.2010, 6 Sa 2345/09.

Soll­te man im Be­fris­tungs­pro­zess die Schrift­form rügen?

Die Be­fris­tung von Ar­beits­verhält­nis­sen ist nur un­ter be­stimm­ten Vor­aus­set­zun­gen zulässig, da Ar­beit­ge­ber es sonst in der Hand hätten, durch be­fris­te­te Ar­beits­verträge den Kündi­gungs­schutz leer­lau­fen zu las­sen. § 14 Teil­zeit- und Be­fris­tungs­ge­setz (Tz­B­fG) lässt Zeit­verträge da­her im All­ge­mei­nen nur dann zu, wenn sie durch ei­nen sach­li­chen Grund ge­recht­fer­tigt sind (§ 14 Abs. 1 Tz­B­fG). Oh­ne Sach­grund sind Zeit­verträge bei Neu­ein­stel­lun­gen möglich, al­ler­dings grundsätz­lich nur bis zur Höchst­dau­er von zwei Jah­ren (§ 14 Abs. 2 Tz­B­fG).

In je­dem Fall ist die Be­fris­tung ei­nes Ar­beits­ver­tra­ges re­gelmäßig nur wirk­sam, wenn sie die zi­vil­recht­li­che Schrift­form einhält (§ 14 Abs.4 Tz­B­fG). Der Ver­trag muss hierfür von Ar­beit­ge­ber und Ar­beit­neh­mer "ei­genhändig durch Na­mens­un­ter­schrift" un­ter­zeich­net wer­den (§ 126 Abs.1 Bürger­li­ches Ge­setz­buch - BGB).

Ar­beit­neh­mer, die um ih­ren Ar­beits­platz kämp­fen, sind aus ver­schie­de­nen Gründen gut be­ra­ten, sich die Un­ter­schrift ih­res Ar­beit­ge­bers ganz ge­nau an­zu­se­hen. Das Ge­setz und die Ge­rich­te un­ter­schei­den nämlich zwi­schen der rich­ti­gen "Na­mens­un­ter­schrift" und ei­nem fal­schen, weil un­zu­rei­chen­den "Hand­zei­chen". Es kann al­so pas­sie­ren, dass es für den Be­stand des Ar­beits­verhält­nis ent­schei­dend wird, ob be­stimm­te Bögen und Punk­te noch als Buch­sta­ben in­ter­pre­tiert wer­den können. Zwar nei­gen Ar­beits­ge­rich­te da­zu, we­nig er­freut auf ent­spre­chen­den spitz­fin­dig-for­mal­ju­ris­ti­schen Vor­trag zu re­agie­ren. Ob ein Sach­grund vor­liegt, wird aber im Zwei­fel ähn­lich hef­tig um­strit­ten sein wie die Fra­ge nach der rich­ti­gen Form.

Zu­dem können es sich Ar­beit­neh­mer nicht leis­ten, mögli­che Un­wirk­sam­keits­gründe "zu ver­schen­ken" oder für später zurück­zu­hal­ten, den die Zeit drängt: Sämt­li­che ge­gen die Wirk­sam­keit ei­ner Kündi­gung ge­rich­te­te Einwände müssen bis zum Schluss der münd­li­chen Ver­hand­lung ers­ter In­stanz vor­ge­bracht wer­den (§§ 17 Satz 2 Tz­B­fG, 6 Satz 1 Kündi­gungs­schutz­ge­setz - KSchG).

Da­mit stellt sich die Fra­ge, un­ter wel­chen Vor­aus­set­zun­gen die­se Be­din­gung erfüllt ist bzw. ob es aus­nahms­wei­se doch möglich ist, sich später auf die man­gel­haf­te Un­ter­schrift zu be­ru­fen: Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Ber­lin-Bran­den­burg, Ur­teil vom 26.03.2010, 6 Sa 2345/09.

Der Fall: Be­fris­tungs­ver­ein­ba­rung ist mit zwei of­fe­nen Ha­ken und ei­nem Punkt "un­ter­schrie­ben"

Die kla­gen­de Ar­beit­neh­me­rin war zunächst von April 2005 bis En­de De­zem­ber 2006 als Ar­beits­ver­mitt­le­rin bei der Agen­tur für Ar­beit beschäftigt. Lan­ge vor Ab­lauf die­ser Ver­trags­lauf­zeit - mit Da­tum vom 30.12.2005 - ver­ein­bar­ten die Par­tei­en ei­ne wei­te­re Be­fris­tung von Ja­nu­ar 2006 bis En­de De­zem­ber 2008. Die Ver­ein­ba­rung vom 30.12.2005 war vom Geschäftsführer Fi­nan­zen der zuständi­gen Ar­beits­agen­tur un­ter­zeich­net wor­den, al­ler­dings mit ei­nem Schrift­zug, der nur zwei durch ei­nen Punkt ge­trenn­te of­fe­ne Ha­ken er­ken­nen ließ. Der zwi­schen die­sen Ha­ken ge­setz­te Punkt war so tief, dass er die bei­den Ha­ken wie Initia­len von Vor- und Fa­mi­li­en­na­men des Un­ter­zeich­ners er­schei­nen ließ.

We­der be­rief sich die Kläge­rin vor dem erst­in­stanz­lich zuständi­gen Ar­beits­ge­richt Frank­furt (Oder) auf die­se Tat­sa­che, noch er­hielt sie ei­nen ge­richt­li­chen Hin­weis. Das Ge­richt gab der Kla­ge statt­des­sen statt, weil es kei­nen Sach­grund für die Be­fris­tung sah (Ur­teil vom 25.08.2009, 6 Ca 47/09). Die Agen­tur ging dar­auf­hin in Be­ru­fung.

Lan­des­ar­beits­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg: Das ist kei­ne Un­ter­schrift!

Das LAG Ber­lin-Bran­den­burg bestätig­te sei­ne Vor­in­stanz, weil es die "Ha­ken" als An­fangs­buch­sta­ben des Vor- und Fa­mi­li­en­na­mens und da­mit nicht als vollständi­ge Un­ter­schrift im Sin­ne der zi­vil­recht­li­chen Schrift­form wer­te­te.

Hier­auf hat­te sich die Kläge­rin zwar nicht aus­drück­lich be­ru­fen. sie hat­te je­doch ei­ne Ko­pie der strei­ti­gen Ver­ein­ba­rung zur Ge­richts­ak­te ge­reicht. Dies lies das LAG als "be­ru­fen" auf den Feh­ler genügen, zu­mal das Ar­beits­ge­richt gemäß § 6 Satz 2 KSchG auf die­sen mögli­chen Un­wirk­sam­keits­grund hätte hin­wei­sen müssen.

Die Kläge­rin hat Glück ge­habt. Da das LAG die Re­vi­si­on zum BAG nicht zu­ge­las­sen hat und der Ar­beit­ge­ber kei­ne Nicht­zu­las­sungs­be­schwer­de ein­leg­te, ist die Ent­schei­dung rechts­kräftig.

Fa­zit: Es ist oft Zu­fall, ob ein Ge­richt im Ein­zel­fall in ei­ni­gen Li­ni­en und Bögen ein Hand­zei­chen oder ei­ne Un­ter­schrift sieht. So hat z.B. das Bun­des­ar­beits­ge­richt 2008 an­ders als sei­ne bei­den Vor­in­stan­zen in ei­ni­gen "Schnörkeln" (noch) ei­ne Un­ter­schrift er­kannt (wir be­rich­te­ten in Ar­beits­recht ak­tu­ell 08/022: Kündi­gung in der Pro­be­zeit mit länge­rer Frist als zwei Wo­chen?). Trotz­dem soll­ten Ar­beit­neh­mer auf ent­spre­chen­den Vor­trag nicht ver­zich­ten - im Zwei­fel nützt er mehr als das er scha­det.

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Letzte Überarbeitung: 27. Mai 2015

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