HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

ARBEITSRECHT AKTUELL // 10/238

Neu­ein­stel­lung statt Ver­län­ge­rung ei­nes be­fris­te­ten Ar­beits­ver­hält­nis­ses ist nicht rechts­miss­bräuch­lich

Ar­beit­ge­ber dür­fen im­mer er­neut sach­grund­los be­fris­te­te Ar­beit­neh­mer ein­stel­len und nach zwei Jah­ren ent­las­sen: Lan­des­ar­beits­ge­richt Rhein­land-Pfalz, Ur­teil vom 13.08.2010, 9 Sa 193/10
Sanduhr mit rotem Sand Be­fris­tun­gen lan­den oft "un­ter dem Ham­mer"

06.12.2010. Das Teil­zeit- und Be­fris­tungs­ge­setz (Tz­B­fG) er­laubt es, Ar­beits­ver­trä­ge für bis zu zwei Jah­re oh­ne sach­li­chen Grund zu be­fris­ten (§ 14 Abs.2 Satz 1 Halb­satz 1 Tz­B­fG), wenn Ar­beit­ge­ber und Ar­beit­neh­mer vor­her noch nie in ei­nem Ar­beits­ver­hält­nis stan­den ("An­schluss­ver­bot", sie­he § 14 Abs.2 Satz 2 Tz­B­fG).

Nach die­sen zwei Jah­ren, oder wenn schon ein­mal ein Ar­beits­ver­hält­nis be­stan­den hat, ist ei­ne Be­fris­tung nur noch mit Sach­grund (vgl. § 14 Abs.1 Tz­B­fG) mög­lich.

In­ner­halb die­ser zwei Jah­re kann die sach­grund­los ver­ein­bar­te Be­fris­tung höchs­tens drei Mal ver­län­gert wer­den (§ 14 Abs.2 Satz 1 Halb­satz 2 Tz­B­fG).

Ei­ne "Ver­län­ge­rung" liegt nach der Recht­spre­chung vor, wenn wäh­rend der Ver­trags­lauf­zeit das Be­en­di­gungs­da­tum nach hin­ten ver­legt wird. Die Ver­län­ge­rung muss da­bei - eben­so wie die ur­sprüng­li­che Be­fris­tung - schrift­lich ver­ein­bart sein (§ 14 Abs.4 Tz­B­fG).

Wer­den ne­ben der Ver­trags­dau­er auch an­de­re Ver­trags­be­din­gun­gen ge­än­dert, dann liegt ein neu­er Ver­trag vor. Ein sol­cher Neu­ver­trag ist dann we­gen Ver­sto­ßes ge­gen das An­schluss­ver­bot un­be­fris­tet, wenn kein sach­li­cher Grund für die Be­fris­tung vor­liegt. For­mal­ju­ris­ti­sche Pat­zer bei der Ver­trags­ver­län­ge­rung kön­nen da­her nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts (BAG) un­be­fris­te­te Ar­beits­ver­trä­ge zur Fol­ge ha­ben (BAG, Ur­teil vom 19.10.2005, 7 AZR 31/04 und Ur­teil vom 18.01.2006, 7 AZR 178/05).

Frag­lich ist, ob der Ar­beit­ge­ber die­se recht­li­chen Mög­lich­kei­ten miss­bräuch­lich ein­setzt, wenn er im­mer er­neut bis zur Höchst­gren­ze von zwei Jah­ren Ar­beit­neh­mer ein­stellt, aber nie­man­den nach Ab­lauf der zwei Jah­re dau­er­haft über­nimmt.

Das frag­te sich auch ei­ne Pro­duk­ti­ons­mit­ar­bei­te­rin, de­ren Ver­trag nach drei­ma­li­ger Ver­län­ge­rung zum 30.09.2009 aus­lief. Sie hat­te be­ob­ach­tet, dass der Ar­beit­ge­ber neue (sach­grund­los mög­li­che) Erstein­stel­lun­gen vor­nahm und die nicht mehr sach­grund­los be­frist­ba­ren Ar­beits­ver­hält­nis­se aus­lau­fen lies.

Ein sol­ches Vor­ge­hen be­wer­te­te sie als rechts­miss­bräuch­lich. Sie klag­te da­her auf Ent­fris­tung ih­res Ar­beits­ver­tra­ges.

Doch so­wohl das Ar­beit­ge­richt Kai­sers­lau­tern (Ur­teil vom 23.03.2010, 8 Ca 1615/09) als auch das Lan­des­ar­beits­ge­richt Rhein­land-Pfalz (Ur­teil vom 13.08.2010, 9 Sa 193/10) wie­sen ih­re Kla­ge als un­be­grün­det ab.

Zwar kann nach der Recht­spre­chung des BAG auch die Nut­zung ei­ner Be­fris­tungs­mög­lich­keit im Ein­zel­fall rechts­miss­bräuch­lich sein (BAG, Ur­teil vom 25.04.2001, 7 AZR 376/00). Das ist aber nur der Fall,

"wenn ein Ver­trags­part­ner ei­ne an sich recht­lich mög­li­che Ge­stal­tung in ei­ner mit Treu und Glau­ben un­ver­ein­ba­ren Wei­se nur da­zu ver­wen­det, sich zum Nach­teil des an­de­ren Ver­trags­part­ners Vor­tei­le zu ver­schaf­fen, die nach dem Zweck der Norm und des Rechts­in­sti­tuts nicht vor­ge­se­hen sind".

Al­ler­dings er­gibt sich aus der Ge­set­zes­be­grün­dung zum Tz­B­fG, dass der Ar­beit­ge­ber nach zwei Jah­ren sach­grund­los be­fris­te­ter Be­schäf­ti­gung die Wahl ha­ben soll, ob er den Ar­beit­neh­mer wei­ter­hin (un­be­fris­tet oder auf der Grund­la­ge ei­nes Sach­grunds be­fris­tet) be­schäf­ti­gen möch­te oder aber an­de­re Ar­beit­neh­mer ein­stel­len will.

Mit an­de­ren Wor­ten: Die von der Klä­ge­rin als miss­bräuch­lich an­ge­se­he­ne Vor­ge­hens­wei­se hat der Ge­setz­ge­ber als ak­zep­ta­bel be­wer­tet. Der Ar­beit­ge­ber nahm da­her nur ei­nen ge­setz­lich vor­ge­se­hen Vor­teil wahr und han­del­te nicht miss­bräuch­lich.

Fa­zit: Mit dem Ab­lauf ei­ner ver­ein­bar­ten Be­fris­tung en­det das Ar­beits­ver­hält­nis au­to­ma­tisch, d.h. oh­ne Kün­di­gung. Der Ar­beit­ge­ber hat da­her nach Ab­lauf der Be­fris­tung die freie Wahl, ob er den Ar­beit­neh­mer wei­ter be­schäf­ti­gen möch­te oder nicht. Ar­beit­neh­mer, die sich da­ge­gen mit ei­ner Ent­fris­tungs­kla­ge zur Wehr set­zen wol­len, müs­sen sich da­her wei­ter­hin auf for­mal­ju­ris­ti­sche Feh­ler bei der Ver­trags­ver­län­ge­rung und/oder auf Zwei­fel an den Sach­grün­den für die Be­fris­tung stüt­zen.

Nä­he­re In­for­ma­tio­nen fin­den Sie hier:

Letzte Überarbeitung: 29. August 2019

Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:

Dr. Martin Hensche
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hensche@hensche.de
Christoph Hildebrandt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hildebrandt@hensche.de
Nina Wesemann
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Kontakt:
040 / 69 20 68 04
wesemann@hensche.de
Bewertung: 4.0 von 5 Sternen (7 Bewertungen)

Auf Facebook teilen Auf Google+ teilen Ihren XING-Kontakten zeigen Beitrag twittern

 

Für Personaler, betriebliche Arbeitnehmervertretungen und andere Arbeitsrechtsprofis: "Update Arbeitsrecht" bringt Sie regelmäßig auf den neusten Stand der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung. Informationen zu den Abo-Bedingungen und ein kostenloses Ansichtsexemplar finden Sie hier:

Alle vierzehn Tage alles Wichtige
verständlich / aktuell / praxisnah

HINWEIS: Sämtliche Texte dieser Internetpräsenz mit Ausnahme der Gesetzestexte und Gerichtsentscheidungen sind urheberrechtlich geschützt. Urheber im Sinne des Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (UrhG) ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Martin Hensche, Lützowstraße 32, 10785 Berlin.

Wörtliche oder sinngemäße Zitate sind nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung des Urhebers bzw. bei ausdrücklichem Hinweis auf die fremde Urheberschaft (Quellenangabe iSv. § 63 UrhG) rechtlich zulässig. Verstöße hiergegen werden gerichtlich verfolgt.

© 1997 - 2024:
Rechtsanwalt Dr. Martin Hensche, Berlin
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Lützowstraße 32, 10785 Berlin
Telefon: 030 - 26 39 62 0
Telefax: 030 - 26 39 62 499
E-mail: hensche@hensche.de